Freitag, 12. Oktober 2007

Gleichgeschaltet! Autobahnen! Entartet!


Ein gewisser Herr Kerner (ich kenne seine Sendung nicht, habe sie nie gesehen und werde sie nie sehen; meine Informationen stammen aus der gestrigen Ausgabe der Tageszeitung Die Welt) hat die Nation im Allgmemeinen und Eva Herman im Besonderen belehrt:
Kerner: Du hast dich beschwert über die gleichgeschaltete Presse.
Herman: Ja.
Kerner: Das ist keine glückliche Wortwahl. Auch das Wort stammt aus dem Dritten Reich.
Aha. Man darf demnach Presse nicht mehr öffentlich sagen. Oder ist gleichgeschaltet gemeint? Herr Kerner wusste jedoch noch weitere Weisheiten zu verkünden. Eva Herman antwortete auf seine Belehrung, keinesfalls jemals wieder Presse oder gleichgeschaltet zu sagen, dass ja auch der Spiegel das Wort in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht habe. Dann sagte sie:
Herman: Und es sind auch Autobahnen damals gebaut worden, und wir fahren heute drauf.
Kerner: Es gibt so'n paar Sachen, die sind einfach problematisch. Was heißt problematisch. Die gehen nicht. Und Autobahnen gehen auch nicht.
Nun weiß es die Nation im Allgemeinen und Eva Herman im Besonderen. Sogar ich habe es begriffen: Wir dürfen das Wort Autobahnen nicht öffentlich aussprechen, wenn wir nicht öffentlich hingerichtet werden wollen.

Es wäre eine Geschichte zum Lachen, wenn das Gespräch von einem phantasievollen Hirn für eine Komödie ersonnen worden wäre. Aber leider hat es im öffentlich rechtlichen Fernsehen stattgefunden und war auch noch ernst gemeint, wie inzwischen wohl die meisten wissen, auch wenn sie sich, wie ich, von solchen dämlichen Talkshows nicht die Lebenszeit stehlen lassen. Unmittelbar nach dem Verbot, Autobahnen zu sagen, warf der Gastgeber dann den Gast aus der Sendung.

Der Grund: Eva Herman verteidigt meine Schwiegertochter öffentlich gegen eine Heerschar von selbsternannten Frauenfürsprechern, männlichen, weiblichen und unbestimmten Geschlechtes. Meine Schwiegertochter ist nämlich nur Hausfrau und Mutter! Sie hat ihre beiden Kinder nicht abgetrieben sondern zur Welt gebracht! Und die betreut und erzieht sie nun, während ihr Mann, mein Sohn also, das Geld verdient! Skandalös!
Das geht genauso wenig wie Autobahnen gehen. Da muss Herr Kerner samt Verstärkung gegen vorgehen. Vermutlich wird in absehbaer Zeit das Wort Mutter verboten - oder ist das schon geschehen und ich habe es nicht bemerkt?

Öffentlich, vor laufenden Kameras wird Frau Herman vorgeführt und angespuckt und angepinkelt und ausgestoßen. Ist das Fernsehen entartet?
Halt! Zurück! O weh! Das Wort ist ja auch verboten, wie ein Bischof unlängst von einer gleichgeschalteten Medienmeute zu hören bekam. Es gibt keine entartete Kunst, haben sie ihm eingeprügelt, und wenn doch, dann heißt sie nicht so. Ich habe vergessen, ob die entartete - pardon, ich meinte gleichgeschaltete - Medienkampagne auch ein Ersatzwort angeboten hatte.

Nun bin ich verunsichert. Offenbar gibt es Sprachregeln, die mir unbekannt sind. Bisher habe ich zum Beispiel schon mal Autobahnen gesagt, wenn es passte. Frage an meine Leser: Dürfte man, vorausgesetzt man wollte es, heute noch sagen:
Talkshowgast: Herr Kerner, Sie sind ein Arschloch?
Oder:
Talkshowgast: Herr Kerner, Sie sind ein Schlappschwanz?
Oder sind das inzwischen auch verbotene Worte?

Keine Zeit mehr, darüber nachzudenken. Ich muss jetzt, weil noch nicht Wochenende ist, ins Büro. Auf dem Weg zur Arbeit benutze ich normalerweise zwei Autobahnen. Die Fahrzeuge rollen wie gleichgeschaltet auf drei Spuren in eine Richtung, statt kreuz und quer zu fahren. Man liest gelegentlich, dass ein entarteter Fahrer sich nicht daran gehalten und schweren Schaden verursacht hat. Gott sei Dank bin ich noch nie in einen solchen Unfall verwickelt worden.

Äh - hmmm - weissnichtsorecht - darf man eigentlich noch öffentlich Gott sagen?


P.S.: Foto aus der Weltdebatte.

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Arschloch" hat doch unser aller Joschka Fischer mal im Bundestag einen anderen Politiker geheißen. Weiß nicht mehr wen. Vermutlich ist das erlaubt, da ja Herr Fischer weiter Politiker sein durfte und sogar Außenminister wurde.
"Schlappschwanz" wäre durchaus treffend für Herrn Kerner; ich habe die Sendung verfolgt und selten einen so unfähigen Moderator gesehen wie ihn. Ob diese Bezeichnung jedoch erlaubt ist, wage ich zu bezweifeln, da man das ja als nach dem AGG als sexuelle Verunglimpfung deuten könnte. Vielleicht müsste er im Streitfall vor Gericht seine Erektionsfähigekit beweisen? Das wäre doch lustig im Fernsehen, zumindest für uns Frauen...

Anonym hat gesagt…

Ich halte die Vorhaltungen gegen Frau Herman, sie verherrliche NS-Gedankengut, für an den Haaren herbeigezogen, ja lächerlich (Autobahnen). Viele aus Politik und Medien, die so geifern, halte ich für verlogen.
Seit Adenauers Zeiten wird um nationalistisches, nationalsozialistes oder patriotisches Gedankengut herumlaviert; nehme man nur unser Deutschlandlied, das nur mit der dritten Strophe gesungen werden darf, und dessen erste Strophe quasi verboten ist!

Anonym hat gesagt…

Gott darf man noch sagen - wenn man ihn den fröhlich pantheistisch selbst den Dalai Lama vereinnahmend versteht. Jesus dagegen ist ein Tabu-Wort - da wird es sofort ernst und spannend!

Frau Herman ist nicht sonderlich gut beraten und intelligent, aber sie ist kein Nazi. Vollkommener Blödsinn und wenn ich die Galerie der Betroffenheitsapostel und politisch Korrekten bei Kerner gesehen habe (Schreinemakers!), dann wird mir übel.

Dagegen gestern in West-Art der von mir geschätzte jüdische Zyniker und Schriftsteller Maxim Biller: Hermann sei eigentlich ein Opfer und man habe fröhlich auf ihr herum getreten. Die politisch korrekte Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit sei zur Ideologie verkommen und wer gegen Ideologien verstösst, der wird halt bestraft. Soweit Biller, der sonst sehr wohl sehr differenziert und deutlich bis krass Stellung bezieht gegen versteckten Antisemitismus.

Anonym hat gesagt…

Köstlich Ihr Beitrag! Fast ein literarischer Leckerbissen. Heben Sie ihn gut auf. Irgendwann darf Empörung in Lachen umschlagen. Damit denen, die uns mit ihrer Mediendiktatur das Lachen nehmen wollen, das Lachen vergeht.

Ursus Echt

Günter J. Matthia hat gesagt…

@sandra: was die tv-erektion betrifft, sei euch frauen der spaß gegönnt. kicher giggle prust
herr fischer hat aus meiner erinnerung gesagt: mit verlaub, herr bundeskanzler, sie sind ein arschloch. muss wohl in richtung kohl gewesen sein, meine ich.

@lehmann: deutschland über alles in der welt würde ich nie und nimmer singen wollen.

@wegbegleiter: dazu fällt mir heinrich böll ein, der hat eine kurzgeschichte geschrieben, in der in einer rede für den rundfunk das wort gott mit "jenes höhere wesen, das wir verehren" ersetzt werden musste. köstlich. oder war es gar nicht böll? ich glaub ich werd alt und vergessliche...

@ursus: klar heb ich den gut auf. der blog vergisst nix.
:-)

Anonym hat gesagt…

Ich habe das Buch von ihr nicht gelesen. Langsam würde ich es jedoch gerne, um diese Hetzjagd zu verstehen.

Irgendwo schrieb ich es schonmal. Meiner Meinung war "die Emanzipation" reine Notwehr und berechtigt. Wer seinem Kerl nicht über den Weg trauen kann, der muss zusehen, dass er auf eigenen Füßen steht. Das heißt aber doch nicht, dass das ein guter Zustand ist. Und gute Zustände darf man nicht mehr benennen, weil man denen, die nicht darin leben, damit in den Rücken fällt. Angeblich.
Mir wurden schon interessante psychologische Dinge unterstellt, weil ich z.Bsp. finanziell total abhängig bin von meinem Mann. Wir zahlen gemeinsam ein Haus ab, dass aber auf dem Papier nur ihm gehört. Dass ich ihm einfach total über den Weg traue, ist einfach zu befremdlich. Sowas kann nich sein. Es wird gelästert, weil ich keine Zeit habe, sobald er zuhause ist. Weil ich dann nach seinem 12-14 Stundentag oder am Wochenende für ihn da bin und basta. Sehr befremdlich und so garnicht emanzipiert. Ich sterbe doch nicht den Heldentod deswegen, was soll der Quatsch?! Ich bin das schwarze Schaf der Familie, weil ich ein geplantes Kind von einem Mann hab und wir nach 13 Jahren immer noch nicht geschieden sind. T`schuldigung. Aber vielleicht hat das ja Gründe?

Herr Kerner hat sich total rausgeschossen mit seiner Inszinierung. Abgrundtief peinlich.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Trümmerlotte, Du bist ein hoffnungsloses Auslaufmodell. Geht mal zu Frau Schreinemakers oder zu Herrn Kerner in Seelsorge, damit es besser mit Dir wird. Wo kämen wir denn da hin, wenn Ehen länger als 7 Jahre dauern, gell Frau Pauli? So geht es doch nun wirklich nicht. Und dann noch ein gewolltes Kind! Im Haus, das dem Mann gehört. Unerhört. Ist ja fast so schlimm wie meine Schwiegertochter. Aber nur fast, denn die hat zwei Kinder.

Anonym hat gesagt…

Puh, noch ein schwärzeres Schaf...

Anonym hat gesagt…

siehe auch in diesem Zusammenhang
Günters Blog samt Kommentaren :

"Getarnter Angriff auf Familien"
vom 10.07.2007
und
"Eva Hermann"
vom 10.09.2007

@Günter:
Gerade dieses Foto ist sehr passend ausgewählt zur wirklichen Situation ! :-)

Eva Hermanns prüfender souveräner Blick
und ihr Mienenspiel sprechen für sich...
Johannes Baptist Kerners Körpersprache spricht auch für sich,
mit ausgestecktem Arm stützt er sich auf der Tischplatte ab, eindeutige Angriffshaltung...

O' Thomas hat gesagt…

@Günter
In Heinrich Bölls "Dr Murkes gesammeltes Schweigen" mußte das Wort "Gott" nicht durch "jenes höhere Wesen, das wir alle verehren" ersetzt werden, sondern der Autor und Sprecher Prof Bur-Malottke
wollte es ersetzen, da sich seine Meinung und die äußeren Umstände geändert hatten.
Trotzdem ein guter Vergleich.

Günter J. Matthia hat gesagt…

@ O'Thomas: Danke, jetzt fällt mir alles wieder ein. Dr. Murke und der Paternoster und das gesammelte Schweigen. Genau!

Günter J. Matthia hat gesagt…

@simon: Ich meinte, dass es dem Leser deutlich genug wird, dass mein Beitrag eine Satire ist. In einer Satire darf - nein, muss man übertreiben. Die beiden von Dir monierten Begriffe sind öffentliche Zitate von Politikern, die ihren Job behalten haben. Herr Fischer ("Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch." - Joschka Fischer, Zwischenruf, gerichtet an Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen, nachdem dieser den Abgeordneten Jürgen Reents ausgeschlossen hatte, weil er Helmut Kohl als "von Flick freigekauft" bezeichnet hatte, 18. Oktober 1984) und Herr Wehner ("Der Herr Bundeskanzler badet gerne lau; so in einem Schaumbad. Schlappschwanz würde mancher sagen." - über Willy Brandt, während eines Moskauaufenthalts, Sommer 1973).