Donnerstag, 26. Juli 2007

In Memoriam Larry Underwood


Wer kennt noch Larry Underwood? Der eine und die andere, mich eingeschlossen, viele jedoch haben von diesem Mann, der mehr war als nur ein Musiker mit einem einzigen Hit, nie gehört oder gelesen. Ich denke oft an ihn, mit Dankbarkeit.

Es sah alles so aus, als könne er in die Fußstapfen von Jack Fate treten. Seine Single Baby Can You Dig Your Man stieg unaufhaltsam in den Hitparaden empor, im Radio hörte man sie täglich, egal welchen Sender man wählte. Und anders als bei vielen Sommerhits der Musikgeschichte konnte man sich irgendwie nicht satt hören. Der Song hatte etwas, was ihn aus der Masse heraushob. War es wirklich der Song? Ich glaube eher, der Sänger hatte das gewisse Etwas.

Larry Underwood besaß trockenen Humor, der mich immer wieder zum Lachen brachte:

Larry: "Any new men in your life?"
Alice: "Several. How bout you?"
Larry: "No, no new men. Some girls, but no new men."

Auch dies fand ich witzig, als ich mit Larry Underwood, der zu jener Zeit noch gerne den großen Star mit allen dazugehörigen Allüren spielte, durch New York spazierte:

Woman: "Well, I'm impawtant, too!"
Larry: "Your Bronx is showing, luv."

Das Lachen verging uns, als das Ende der Welt, wie wir sie kannten, hereinbrach. Die Gruppe DC Talk hatte vor einigen Jahren gesungen It’s the end of the world as we know it, and I feel fine... – aber keiner von uns fühlte sich gut, als es geschah.
Larry Underwood ließ in New York nicht nur die Heimat, sondern auch seine tote Mutter zurück, die er mehr liebte als er je zugegeben hätte. Er war allerdings Realist genug, um den Tatsachen ins Auge zu sehen. Mancher von uns zögerte, die Stadt zu verlassen, aber Larry Underwood meinte:

"We have to get out of the city. It's not just the odds of getting shot. Do you know what it's going to smell like in two weeks? 5 million dead people rotting in the July sun."

Wir machten uns auf den Weg. Es war klar, dass es keine Zivilisation mit Unterhaltungsmusik, MTV und Tourneen mehr gab, Baby can you dig your man war auf Platz 2 der Charts geklettert und dort war Endstation, es gab keine Charts mehr.
Larry Underwood blieb Musiker mit Leib und Seele. Auf dem Weg in eine damals noch ungewisse Zukunft, den wir zu Fuß zurücklegten, fand er eine Gitarre und stimmte auf der mit Leichen in ihren Fahrzeugen verstopften Straße Barry McGuires Eve of Destruction an. Es hätte kaum einen besseren Song für unsere Situation geben können.

Don’t you understand what I’m tryin’ to say
Can’t you feel the fears I’m feelin’ today?
If the button is pushed, there’s no runnin’ away
There’ll be no one to save, with the world in a grave
Take a look around ya boy, it's bound to scare ya boy

And you tell me
Over and over and over again, my friend
Ah, you don’t believe
We’re on the eve
of destruction.

Wer hatte Barry McGuire damals zugehört, als er vor so vielen Jahren dieses Lied sang? Wer hatte ihm wirklich zugehört, als er Christ wurde und seine gesungenen Mahnungen noch deutlicher wurden? Don’t blame God for the sins of America...
Oder Jack Fate, der unermüdlich von thunder on the mountain sang und feststellte: You better start swimming or you'll sink like a stone, for the times, they are a'changin.

Wir hatten alle nicht hingehört. Wir wurden wach, als es passiert war. Und waren nicht mehr die selben. Auch Larry Underwood veränderte sich auf dem Weg. Oder der Weg veränderte ihn. Wer vermag das heute noch zu sagen? Er grübelte einmal:

"The ways of God... I know. We see through a glass darkly. It's a pretty dark glass to me, all right. Why we're walking all this way when we could have driven it in a week is beyond me. But since we're doing a nutty thing, I guess it's okay to do it in a nutty way."

Ich meine, dass er die Wege Gottes immer besser verstand, je länger er auf ihnen ging. Er war in kurzer Zeit vom unsicheren, selbstverliebten und nur auf den eigenen Vorteil bedachten Star der Musikszene zu einem Mann herangereift, auf den man sich verlassen, auf den man sich stützen konnte. Er verstand nicht immer das, was von ihm verlangt wurde, auf jeden Fall begriff er aber das Wesen des Bösen schlechthin, je näher die Konfrontation rückte.
Kurz vor seinem Tod richtete er sich mit bemerkenswerten Worten an die Zuschauermenge:

"You people know this is wrong! I don't expect you to stop it, but I do expect you to remember it! We're being put to death because Randall Flagg is afraid of us! He's afraid of us and the people we came from! Remember the way we die! And remember that next time it may be your turn to die this way, with no dignity, just an animal in a cage!"

Er war bereit, sich zu opfern, und er hatte bereits vorher Opfer gebracht. Er hatte Lucy und Joe verlassen, um sich auf seinen letzten Weg zu begeben, und dann musste er sich von Stu trennen, der „auf dem Weg gefallen“ war, genau wie es die Prophetie angekündigt hatte. Wie tobte und wütete er, als Stu verunglückte. Er schrie seinen Zorn hinaus,
Ich meine noch heute, dass es besser ist, Gott zu sagen wie stinksauer man ist, als so zu tun, als wäre alles in Butter...
Larry Underwood ging seinen letzten Weg nicht leichtfüßig. Es fiel ihm schwer, er zögerte, er war wütend, auch auf Gott und seine Prophetin, aber trotz seiner Wut und Enttäuschung ging er schließlich weiter. Er blieb sich treu, ein Mann, der zu seinem Versprechen stand, wenn er es einmal gegeben hatte.

Ich werde Larry Underwood nie vergessen, in meinem Herzen hat er einen festen Platz. Wir alle würden heute unter der Herrschaft von Randall Flagg leben, der rechten Hand Satans, wenn Larry Underwood – neben all den anderen echten Helden natürlich – nicht bis zum Ende durchgehalten hätte. Die Hand Gottes selbst griff ein, so dass wenigstens sein Tod nicht qualvoll war. Vergebens war er sowieso nicht.

P.S.: Sie möchten mehr über Larry Underwood erfahren? Es gibt ein Buch und einen sechsstündigen Film, beide erzählen auch seine Geschichte: Das Buch auf Deutsch // Das Buch auf Englisch // Der Film