Dienstag, 11. Dezember 2007

Vom angehenden Missionar zum Mörder

Der junge Mann, der am Sonntag zuerst bei Youth with a Mission (Jugend mit einer Mission) in Arvada, Colorado, zwei Menschen und dann zwei weitere in der New Life Church in Colorado Springs erschossen hat, gab zwischen den beiden Bluttaten laut CNN diesen Kommentar auf einer Webseite ab:

"I'm coming for EVERYONE soon and I WILL be armed to the @#%$ teeth and I WILL shoot to kill. ...God, I can't wait till I can kill you people. Feel no remorse, no sense of shame, I don't care if I live or die in the shoot-out. All I want to do is kill and injure as many of you ... as I can especially Christians who are to blame for most of the problems in the world."

Er war wohl einmal ein Nachfolger Jesu, sonst hätte er ja keine Schule für Missionare begonnen. Er hat weder dort noch in einer Gemeinde oder Kirche Menschen gefunden, die ihm aus seinen offensichtlichen Problemen heraushelfen konnten. Oder er wollte sich nicht helfen lassen. Aus der Missionarsausblidung hat man ihn hinausgeworfen, nachdem er bei einer Feier Songs von Marilyn Manson und Linkin Park aufgeführt hatte. Ob er anschließend von 2002 bis zu den tödlichen Schüssen vom Sonntag eine Gemeinde besucht hat, ist noch ungeklärt, aber er schien sich in den Räumlichkeiten der New Life Church auszukennen.

Es mag (wie bei einem der zwölf Apostel Jesu) solche "unvermeidbaren" Fälle geben, aber traurig finde ich es, wenn psychisch Kranke krank oder von Dämonen Geknechtete ohne Befreiung bleiben, obwohl sie engen Kontakt mit Christen haben.

Die Sache mit den Kommentaren

Da hat doch das Landgericht Hamburg gestern entschieden, dass ein Blogbetreiber Kommentare grundsätzlich prüfen muss, bevor er sie freischaltet. Die Details sind (vom Beklagten dargestellt) hier zu lesen: Callactive GmbH ./. Niggemeier II

Anlässlich dieser Entscheidung gibt es auf meinem Blog eine (diesmal ernstgemeinte) Umfrage zu den Kommentarfunktionen. Eine Auswertung der weniger ernstgemeinten Umfragen der letzten Wochen gibt es demnächst.

P.S. am 19. Dezember: Inzwischen ist die Umfrage beendet. Das Ergebnis ist wie erwartet eindeutig:

Chronische Schubladitis

Gestern fiel mir, als ich bei Haso über emergente Heilungen las, dieser Text wieder ein, den ich im September 2001 für Glaube.de geschrieben habe. Eigentlich schon ziemlich alt, mancher kennt ihn sicher, aber da ist er, leicht überarbeitet:

Was wäre das Leben ohne Schubladen: Unordentlich, unübersichtlich, unangenehm. Wir brauchen Schubladen, um Arrangements zu schaffen. Die Wäsche in diese Schublade, die Tischdecken in jene, Schal und Handschuhe für den Winter in die nächste. Am Arbeitsplatz sortieren wir Material gesondert von Schriftwechseln und Arbeitsunterlagen, Akten alphabetisch oder nach Datum. In der Werkstatt haben Schrauben einen anderen Ort als Nägel. Das ist gut so, sonst würden wir die Übersicht verlieren und erhebliche Zeit für das Suchen aufwenden müssen.

Auch sonst sind wir schnell mit Schubladen zur Hand. Das eine legen wir unter „fundamentalistisch“ ab, das nächste bekommt den Stempel „charismatisch“ aufgedrückt und manches stufen wir gar als „gefährliche Spinnerei“ oder „hoffnungslos von Gestern“ ein. So schaffen wir Ordnung für unsere Sicht der Dinge – und berauben uns selbst.

Schauen wir uns einmal an, auf welche Art und Weise in der Bibel Heilungen geschehen sind.

Da rührt Jesus aus Speichel und Erde Lehm an, um ihn auf blinde Augen zu streichen. Da wird jemand aufgefordert, sich mehrmals in das Flußwasser zu tauchen. Da fällt der Schatten der Apostel auf Menschen, die fortan gesund sind. Da verzweifeln die Jünger an einem epileptischen Knaben, weil das, was ihnen Jesus selbst beigebracht hat, auf einmal nicht mehr funktioniert. Da wird bei einem Kranken eine Hand aufgelegt, ein anderer mit Öl gesalbt. In einem Fall genügt ein Wort zur sofortigen Gesundung, bei anderer Gelegenheit müssen Aussätzige krank losgehen, um sich den Priestern zu zeigen – im Vertrauen darauf, daß die Heilung zur rechten Zeit sichtbar sein wird. Eine Frau berührt heimlich und verstohlen das Gewand des Herrn, ein Blinder schreit und lärmt, um auf sich aufmerksam zu machen. Timotheus wird angeraten, Wein zu trinken, anstatt eine Heilung für seinen schwächelnden Magen zu erwarten...

Gottes Wirken ist so vielfältig wie die Menschen, an denen er wirkt. Wir dürfen nicht sagen: „Zur Heilung eines Kranken ist es notwendig, Schema A anzuwenden. Falls das nicht funktioniert, versuchen wir es mit Schema B. Als letzte Lösung haben wir dann Schema C in der Schublade.“ Wir werden zwangsläufig scheitern.

Vielleicht sind wir deshalb dazu übergegangen, gar nicht mehr ernsthaft mit übernatürlichem Eingreifen Gottes zu rechnen. So berauben wir uns der Möglichkeit, staunend und voller Freude Zeuge dessen zu sein, was ein Gott, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist, tun kann und möchte.

Wenn wir zunächst in Schubladen sortieren - aussortieren - was wir von vorne herein nicht sehen, erleben und wissen wollen, alles, was nicht unserer Tradition und Vorstellung entspricht, als inakzeptabel abgestempeln, wie können wir dann Gottes Überraschungen erleben?

Wenn Christen aus unterschiedlichen Gemeinden, Kirchen und Konfessionen anerkennen könnten, daß die Gläubigen aus den anderen Gemeinschaften das gleiche Ziel, wenn auch mit unterschiedlichen äußeren Formen, verfolgen, was wäre dann nicht alles möglich. Zum Beispiel: Die Menschen, die Gott nicht kennen, mit seiner Liebe und Vergebung bekannt zu machen...

Stilfragen und Äußerlichkeiten sind wichtiger geworden als die verlorenen Menschen, die nichts von Sünde, Vergebung und neuem Leben wissen. Wir wollen allen Ernstes darüber streiten, ob diese oder jene Form der Taufe angemessen ist, ob das Reden in Sprachen eine Wirkung des Heiligen Geistes oder ein Ausbruch menschlicher Hysterie ist. Manche etablierten Christen beäugen misstrauisch jeglichen Aufbruch, einige aufbrechende Christen verteufeln das Traditionelle...

Ich meine, daß wir die Schubladen schließen und uns dem zuwenden sollten, was uns Jesus aufgetragen hat: Geht hin und macht die Menschen mit Gottes Liebe bekannt. Das ist keine Missionsbitte oder ein Missionsvorschlag, sondern Jesus hat das ernst gemeint. Er hat für uns, charismatisch oder fundamentalistisch, evangelikal oder katholisch, freikirchlich oder konfessionell, einen hohen, bitteren und teuren Preis bezahlt. Wir sollten uns schämen, wenn wir einander be- und verurteilen, anstatt alles daran zu setzen, auch unsere Mitmenschen dem Verderben zu entreißen. Aber vielleicht glauben wir ja gar nicht mehr, dass ein Mensch ohne Jesus Christus verloren geht...

Machen wir doch die Schubladen zu, ziehen wir an einem Strang, bis alle Menschen in unseren Städten und Ländern gerettet sind. Wenn das der Fall ist, können wir ja beruhigt sortieren, wer in welches Fach gehört. Wenn uns dann noch danach ist...