Donnerstag, 27. Dezember 2007

Prophetie auf Bestellung?

Bestellung 1: Einige liebe Mitchristen haben mich gefragt, ob ich den »Shepherd's Rod« auch für 2008 übersetzt hätte. Nein, habe ich nicht. Inhaltlich war nichts dabei, was uns als Europäer speziell ansprechen würde, und für die Erkenntnis, dass der Mensch gut beraten ist, die Bibel zu lesen und sich des Evangeliums nicht zu schämen, bedarf es keiner »Prophetie«. Der Shepherd's Rod 2008 - das ist mein persönlicher Eindruck nach der Lektüre - ist aus der Not geschrieben, dem Erwartungsdruck des Publikums entgegen zu kommen und den Wahlkampf für die »richtigen« Kandidaten in den USA einzuläuten.

Bestellung 2: Es gibt einige »Prophetinnen« und »Propheten«, die regelmäßig nach Berlin kommen und dann in der Gemeinde, die wir besuchen, predigen. Anschließend »dienen sie prophetisch«, das heißt, sie picken sich aus der Besucherschar diesen und jene heraus und sagen öffentlich etwas über die Person, was vom Heiligen Geist inspiriert sein soll. Ich will nicht ausschließen, dass es gelegentlich auch tatsächlich so ist, aber vieles, was ich da über die Jahre gehört habe, ist Unsinn gewesen. Auch einige »allgemeine« Prophetien für die Gemeinde haben sich als Schall und Rauch erwiesen.

Bestellung 3: Ich bekam kürzlich eine Einladung:
“Releasing The Spirit of Prophesy”
Smiths Station, Alabama
Speakers: Pastor Steven Shelley, Randy DeMain & Paul Keith Davis
New Hope Revival Ministries, Pastor Steven L. Shelley
Ich fahre nicht nach Alabama und frage mich: Seit wann bestimmt der Veranstalter einer Konferenz, ob und wann der »Geist der Prophetie« (Offenbarung 19, 9-10) freigegeben und ausgegossen wird? Und warum ausgerechnet vom 6. bis 9. Februar in Alabama?

Das sind nur drei Beispiele für Prophetie auf Bestellung, bei denen ich das Fragezeichen hinter den geistlichen Begriff setze. Es gibt viele weitere Beispiele, wo auch namhafte Propheten und Prophetinnen ganz gehörig daneben lagen und liegen. Es ist zulässig, dass ein Prophet sich irrt, das ist ganz normal (1. Korinther 14, 29).*
Ich habe nichts dagegen, wenn Menschen positive Erwartungen haben. Ich habe auch nichts gegen Prophetie, gerne darf sie in einem Stadion zu Gehör gebracht werden. Aber ich dachte immer, dass Gott seinen Geist ausgießt, wann und wo er will.

Es wäre schön, wenn Propheten vermehrt darauf hinweisen würden, dass sie sich geirrt haben und wieder irren können. Viele, gerade im Glauben noch junge Christen nehmen nämlich jedes Wort aus gewissem Mund als Wort Gotes entgegen und werfen dann später den kompletten Glauben weg, wenn sich eine »Prophetie« als gewaltiger Humbug entpuppt.

*(Mehr darüber habe ich in der Serie Die Tage sind gezählt geschrieben, vor allem im Kapitel Weissage, was nicht eintrifft!)