Mittwoch, 16. Januar 2008

Mein lieber Mann...

«Mein lieber Mann», sagte Sibylla, «hör mir mal zu.»
Paul wusste, dass ihn eine Ermahnung, Belehrung, gar ein Verweis erwartete, denn wenn seine Frau ihn so anredete, war das nicht der Auftakt zu vergnüglicher Zweisamkeit.
«Mein lieber Mann», wiederholte sie, «ich bin letztendlich wohl auch noch Schuld an der Klimakatastrophe?»
«Wieso denn das?»
«Na ganz einfach, die Regierung zahlt mir ja nach wie vor keine Herdprämie. Also kann ich nicht zu Hause bleiben, sondern muss arbeiten gehen. Zur Arbeit fahren, genauer gesagt.»
«Schon, ja, mein Verdienst reicht ja leider nicht...» brummelte Paul leicht irritiert.
Sibylla fuhr fort: «Und während ich nach der Arbeit zum Einkaufen und heimwärts hetze, um eine Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, sitzt Du in der Raucherkneipe und trinkst ein Feierabendbier. Ich halte stundenlang das Essen warm, so eine Energieverschwendung!»
Paul zuckte die Schultern und erinnerte seine Frau: «Aber Sibbylein, das gehört doch einfach zum Tagesablauf. Seit wir uns kennen. Das habe ich schon so gehalten, bevor wir uns kannten. Das ist sozusagen Bestandteil meiner Arbeit, als Vorarbeiter muss ich das so machen.»
«Wir werden noch arm durch Arbeit, wenn das Deine Arbeit ist», fuhr sie ungerührt fort, «bloß weil Du mit den Kumpels...»
«Nein, nicht Kumpels. Mitarbeiter sind das. Ich muss sie bei Laune halten.»
«Mit Alkohol?»
«Das ist so eine Art Mitarbeiterdoping. Und was soll man denn in der Kneipe sonst...»
Sie unterbrach ihn: «Wie wäre es denn gleich mit einer umfassenden Dopingbeichte? Wie viel trinkst Du denn da so?»
«Na ja, zwei Bierchen. Und für die Betriebsratsmitglieder bezahle ich ab und zu die Rechnung mit, das ist immer noch besser, als wenn ich ihnen Lustreisen spendieren müsste.»
Sibylla grinste anzüglich. «Wir könnten ja selbst mal eine machen, aber vermutlich wird das nie was. Das Geld landet ja im Benzintank, beim Stromversorger und in der Kneipe.»
«Verreisen? Nee, also wenn mir nach Abwechslung ist, dann habe ich ja Second Life...»
«Und ich?», fragte sie. «Was mache ich? Wo kann ich mich mal abwechseln?»
Jetzt grinste Paul. Er erinnerte seine Frau: «Na ja, also wenn ich daran denke, welche besuchten Seiten Du neulich vergessen hast, im Verlauf zu löschen...»
Sie wurde rot. «Ja, ja. Spionier mir nur nach. Am besten besorgst Du Dir einen persönlichen Bundestrojaner.»
Er schloss sie liebevoll in die Arme. «Ach nee, Sibbylein, lass mal. Ich hatte ja versprochen, nicht mehr darüber zu reden.»
Sibylla war schnell beruhigt und schmiegte sich an Paul. «Okay, also pass auf. Unser Bankkonto ist leer. Heute ist erst der 16. Januar. Was nun?»
«Vielleicht sollten wir doch ein kleineres Auto kaufen. Der Wagen ist ja nun wirklich etwas spritdurstig...»
«Ach, Paulchen, nee, ich mag doch die alte Kiste so.»
Sie hielten sich in den Armen und dachten nach. Ihre Lippen fanden sich. Dann hatte Paul eine Idee: «Ich schreibe einen Bestseller über diesen Eisbären da im Zoo und die Eisbärin in - wo war das noch - Nürnberg?»
«Au ja!», rief Sibylla, «das ist die Lösung. Mein Paulchen, ich wusste es ja, Du hast immer gute Ideen. Du schreibst eine Liebesschnulze mit zwei Eisbären und alles wird Knut!»

Ende

Was das soll, fragt sich der eine oder der andere Leser vielleicht. Ganz einfach: Gestern wurde das Ergebnis der Wahl zum «Wort des Jahres» präsentiert. Und da ist mir diese kleine Geschichte so aus den Fingern geflossen. Mehr nicht.

Hier die offizielle Rangliste der Gesellschaft für deutsche Sprache:
  • Platz 1: Klimakatastrophe
  • Platz 2: Herdprämie
  • Platz 3: Raucherkneipe
  • Platz 4: arm durch Arbeit
  • Platz 5: Dopingbeichte
  • Platz 6: Lustreisen
  • Platz 7: Second Life
  • Platz 8: Bundestrojaner
  • Platz 9: spritdurstig
  • Platz 10: Alles wird Knut
Witzig dieses Jahr: Die hier zweitplazierte Herdprämie hat es auf Platz 1 beim «Unwort des Jahres» geschafft. Auf den zweiten Platz wählte die Jury den Begriff «klimaneutral», auf Platz drei «entartet».