Mittwoch, 13. Februar 2008

Über das Schreiben 4

Wenn jemand »Feuer gefangen hat«, »den Hafen der Ehe ansteuert« oder sich »in die Nesseln setzt«, schalten wir als Autoren im Kopf unserer Leser den Projektor ein und lassen unsere Texte lebendiger werden. Je nach der Herkunft einer Metapher kann Kraft entfaltet, wahlweise farbenfrohe oder triste Stimmung erzeugt oder ein eher langweilig klingender Sachverhalt für den Leser interessant gemacht werden.

Metaphern gestatten dem Leser den Blick durch eine Brille. Wenn wir »zu neuen Ufern aufbrechen«, »auf Kurs bleiben« oder etwas »aus dem Ruder laufen« lassen, bieten wir die Brille der Seefahrt an. Wenn etwas »Hand und Fuß« hat, ist es die Brille der Anatomie. Wenn unser Held wieder einmal »aus dem letzten Loch pfeift«, betrachten wir mangelnde Leistungsfähigkeit durch die Brille der Musik, genauso wie es der Fall ist, wenn jemand »Misstöne verbreitet«.

Metaphern sind ein spannendes und kreatives Werkzeug. Man besitzt mit ihnen ein Mittel, das durch die richtige Wahl des Bildes bewusst machen kann, was sonst umständlich beschrieben werden muss. Metaphern helfen auch, durch vertraute Bilder Fremdes und Unbekanntes leichter erfassbar zu schildern. Manche Metapher ist übrigens schon so tief in unserem Wortschatz verwurzelt, dass wir sie gar nicht mehr als Bildersprache erkennen. Vom »Handschuh« über den »Lebensabend« bis zum königlichen »Schloß« (letzteres ist ursprünglich eine Burg gewesen, die ein Tal »abschließt«.)

Man darf allerdings einen Text weder überfrachten, noch gar zur falschen Metapher greifen. Vieles, was man in den Zeitungen oder auch in Büchern liest, ist unfreiwillig komisch oder gar peinlich. Der Zusammenhang, aus dem eine Metapher stammt, muss schon zu dem passen, was geschildert – bebildert - werden soll.

Wenn wir Begriffswelten nutzen, geben sie ein Oberthema vor und vermitteln ein griffiges Bild, das im Gehirn des Lesers die Richtung vorgibt. Oft ist die bildhafte Sprache ein wichtiges Mittel, um die Aufmerksamkeit eines Lesers schnell zu »fesseln«. Schon der »Einstieg« mit einem gelungenen Bild kann Neugier »wecken« und zum Weiterlesen anregen.

Stimmt jedoch die Begriffswelt nicht mit dem Sachverhalt überein, sieht der Leser falsche oder schiefe Bilder. Der Lesefluss gerät »ins Stocken«.

Metaphern »auf Biegen und Brechen« in jedem zweiten Satz unterbringen zu wollen wirkt so gut wie immer lächerlich, übertrieben, fehl am Platze. Es mag Literaturgattungen geben, denen eine »Überfrachtung« gut tut, aber die sind nicht meine Welt. Zuggegeben: In früheren Zeiten war es manchem Autor verwehrt, sich klar auszudrücken, weil das dermaßen gegen Sitte und Moral verstoßen hätte, dass es schlicht undenkbar war, Sachverhalte anders niederzuschreiben als in kaum durchdringbaren Bilderwelten so gut versteckt, dass die verborgene Botschaft fast schon unkenntlich wurde. Das biblische »Hohelied« gehört zweifellos zu dieser Gattung, und Sprachwissenschaftler rätseln noch heute daran herum, welche Spielarten der Sexualität an welchen Stellen in welchen Bildern geschildert wurden.

Wahrheit klopfte an die Tür der Menschen
und niemand machte auf
da sie zu nackt war.

Parabel fand Wahrheit allein und frierend
und nahm sie mit nach Hause.
Dort zog sie Wahrheit eine Geschichte an.

Als Wahrheit wieder bei den Leuten klopfte
öffneten sie die Türen
und saßen abends noch am Feuer zusammen.

(Volksmund)

Manchmal ist es sinnvoll, bei einer Begriffswelt zu bleiben. Will ich Weite, Frische, Dynamik ausdrücken, dann mag die Seefahrt gut geeignet sein: Man kann den „Anker lichten“, die „Segel hissen“, „alle Mann an Bord haben“ und „zu neuen Ufern aufbrechen“, aber Vorsicht: Lieber nicht übertreiben. Die Theaterwelt eignet sich wieder für andere Bilder, wenn sich »der Vorhang hebt« oder jemand »ins Scheinwerferlicht tritt«, dann ist der Leser hoffentlich gespannt, erwartet Neues, Unterhaltsames. Bilder aus der Natur sind für die Vermittlung von Empfindungen recht hilfreich, vom »drohenden Gewitter« bis zum »Säuseln« eines Windes. Die Tierwelt bietet vielerlei, von der »Spürnase« über die »leichte Beute« bis zum Personifizierung von Tieren. Wird eine Figur als »Chamäleon« bezeichnet, ist dem Leser klar, dass er es mit einer Person zu tun hat, die nicht unbedingt ist, was sie zu sein vorgibt.

Manchmal ist aber das Verweilen in einer Begriffswelt öde, oder die Bildersprache wird zu sehr strapaziert. Dann kann der Autor dafür sorgen, dass sein Text »Fahrt aufnimmt« oder »Rückenwind bekommt«, indem er sich die jeweils passende Metapher aus beliebigen Begriffswelten heraussucht.

Mein Tipp Nummer 4 zum Schreiben also: Metaphern, wohl dosiert und gut gewählt, eignen sich für fast jede Textgattung, um den Leser zu »ködern« und zu »fesseln«.

Einmal »geködert« und »gefesselt« ist der Leser unserem sträflichen Tun ausgeliefert. Wir Autoren sind ja bekanntlich »Branstifter«. Wir wollen nämlich, dass unser Leser »Feuer fängt«.