Freitag, 4. April 2008

Eva Herman: Kritik und Selbstkritik

Das Medienmagazin Pro berichtet heute über einen Vortrag Eva Hermans beim Gemeinde-Ferien-Festival in Ruhpolding.
Kritik übte Eva Herman an dem Konzept des so genannten Gender Mainstreaming, das von der Bundesregierung unterstützt wird. Demnach sei das Geschlecht des Menschen nur anerzogen.
„Der Mensch ist von Gott geschaffen und wird von der Politik neu erfunden. Man hat sich von Gottes Willen entledigt,“ sagte Herman. Dies habe schon jetzt sichtbare Auswirkungen. „Aufgrund der negativen demographischen Kurven sehen wir: Wir sind im Begriff uns selbst abzuschaffen.“
Sie hat wieder mal einen Nagel auf den Kopf getroffen, die Eva Herman. Über das Gender Mainstreaming, dem auch die derzeitige CDU-Familienministerin verfallen ist, hatte ich mir letztes Jahr Gedanken gemacht: Getarnter Angriff auf Familien.

Eva Herman ist aber nicht nur kritisch, sondern auch selbstkritisch. eine sehr selten gewordene Eigenschaft bei Prominenten:
Kritische Bilanz zieht die lange Jahre erfolgreiche ARD- und NDR-Moderatorin auch aus ihrem eigenen Leben. „Ich lebte nach dem Prinzip: Ich darf alles, ich kann alles!“
Für Ehepartner und Kinder habe sie keine Zeit gehabt. „Ich habe drei gescheiterte Ehen und ein Kind. Umgekehrt wäre es mir lieber.“ Heute appelliert sie in ihren Büchern und Vorträgen an ihre Leser, umzudenken und sich nicht von der Politik und den wirtschaftlichen Zwängen abhängig zu machen.
Selten genug gibt jemand, der in der Öffentlichkeit wirkt und letztendlich seinen Lebensunterhalt davon bestreiten muss, wie diese Öffentlichkeit ihn oder sie wahrnimmt, eigene Fehler so offen zu. Schön, dass es noch Ausnahmen wie Eva Herman gibt.

Kann man Liebe erklären?

Gestern kam ich prima voran mit meiner Arbeit am Manuskript. Etwa 14 Stunden habe ich daran gearbeitet. Mittags traf ich mich mit einem Freund am Potsdamer Platz bei Maredo zum Business Lunch, wie eine Mittagsmahlzeit zu günstigen Preisen heutzutage daselbst heißt. 7,20 Euro für ein leckeres Gericht ist durchaus angemessen. Die zwei Stunden Arbeitsunterbrechung mit angeregtem und viele Themen berührendem Gespräch habe ich sehr genossen.

Ich hatte mich entschlossen, die S-Bahn zu nehmen, da sie mich von zu Hause ohne Umsteigen direkt zum Ziel bringt, Parkplatzsuche und -gebühren spart und weil ich während der Hin- und Rückfahrt mit dem Kleinen (regelmäßige Blogleser kennen ihn) arbeiten konnte.


Auf der Rückfahrt überarbeitete ich die folgende Passage. Nico ist ein 13jähriger Draufgänger, der sich mit meiner Hauptfigur Roland angefreundet hat. Mehr als Freundschaft ist inzwischen entstanden.

...Also erklärte ich, dass ich auf so etwas wie Geldwäsche gestoßen sei, während wir Nirvana hörten. Ich sagte, dass der Mann, der mich angesprochen hatte, offenbar Informationen über die Transaktionen hatte.
»Klasse, das wird ja immer aufregender und spannender!« Nico war ganz aus dem Häuschen. »Wer weiß, was da noch auf uns zukommt.«
Wir hörten einen Moment aufmerksam Kurt Cobain zu, der uns erklärte:
With the lights out, it's less dangerous
Here we are now, entertain us
I feel stupid and contagious
Here we are now, entertain us…

Ich beschwichtigte: »Auf uns kommt gar nichts zu. Du hältst dich da gefälligst raus. Ich erzähle dir, was sich so tut, aber ich möchte nicht, dass du irgendwie in die Angelegenheit verwickelt wirst. Das ist offenbar ein gefährliches Gelände, mein Lieber!«
»Hast du etwa Angst um mich?«
»Natürlich habe ich Angst um dich! Was glaubst du denn? Soweit ich das jetzt überblicke, sind sowohl Sabrina als auch Thomas Graf der gleichen Bande von Verbrechern zum Opfer gefallen, die mir eine Bombe in den Flur gestellt hat. Das reicht doch wohl?«
»Ja, natürlich. Ich bin es nur irgendwie noch nicht gewöhnt, dass sich jemand überhaupt Gedanken darum macht, was mit mir passiert.«
»Mache ich mir eben.«
»Danke.«
Er sah mich mit seinen großen Augen an, in denen ich einen Schimmer von Tränen erkennen konnte. Ich lächelte ihm aufmunternd zu.
»Es wäre wirklich schön, wenn du am Wochenende auch in Rothberg sein könntest«, meinte Nico. »Ich hoffe, ich gehe dir nicht auf die Nerven?«
»Unfug. Warum solltest du mir auf die Nerven gehen?«
»Weil ich dauernd bei dir ‘rumhänge.«
»Nico, ich freue mich, wenn du da bist. Warum würde ich sonst alle möglichen und unmöglichen Ämter aufscheuchen, damit du hier einziehen kannst?«
»Mitleid mit einem Waisenkind vielleicht?«
»Nein. Absolut nicht. Da kannst du sicher sein.«
»Warum sollte mich irgendjemand mögen?«

Diese Frage zielte genau auf das, was man nie erklären, nie benennen kann. Ich verstand, dass Nico unsicher war, nachdem er so viele Jahre in einem Kinderheim zugebracht hatte, nachdem seine eigenen Eltern ihn ausgesetzt und vergessen hatten wie ein abgelegtes Kleidungsstück, das man in den Caritas-Container wirft. Selbstwertgefühl wird durch bewiesene Zuneigung aufgebaut - der Hänsel-und-Gretel-Effekt muss demnach genau das Gegenteil bewirken. Die Erzieher im Heim mochten noch so fürsorglich und liebevoll mit den Kindern umgehen - sie wurden dafür bezahlt, dass sie das taten.
Wie konnte ich Nico erklären, warum ich ihn liebte? Wie kann man irgendjemandem erklären, warum man ihn oder sie liebt? Es geht gar nicht. Es gibt keine messbaren Fakten dafür.
And I forget just why I taste
Oh yeah, I guess it makes me smile
I found it hard, it was hard to find
Oh well, whatever, nevermind...

Vielleicht hatte Kurt Cobain recht. Nicht nach Erklärungen suchen. Einfach denken: Well, whatever, nevermind… Ich hatte Sabrina geliebt, liebte sie noch immer, obwohl sie tot war. Deshalb schmerzte jeder Gedanke an sie nach wie vor. So oft ich ihr auch erklärt hatte, dass ich sie liebte, das warum war immer offen geblieben.
Wegen Ihrer Schönheit? Schönheit ist vergänglich, die Liebe bleibt. Auch ausgesprochen unansehnliche Menschen finden Partner, mit denen sie eine tiefe Liebesbeziehung teilen können. Wegen Ihres Humors? Ich liebte sie auch dann, wenn sie traurig oder verzweifelt und jede Spur von Frohsinn weit entfernt war. Weil unser Sex uns tief erfüllte? Auch in Zeiten der Krankheit oder zu großer Müdigkeit und daraus resultierender sexueller Abstinenz nahm meine Liebe nicht ab.
Warum hatte Sabrina mich geliebt? Das war mir ebenso stets ein Rätsel geblieben. Ich fand mich nicht ungestalt und hatte mir keine bösartigen Charakterzüge vorzuwerfen, aber ich kannte zahlreiche Männer, die besser aussahen und aus meiner Sicht für eine Frau begehrenswerter sein mussten als ausgerechnet ich. Dennoch liebte Sabrina mich und verschwendete keinen Gedanken an andere.
Ich konnte Nico zwar aufzählen, was er an bemerkenswerten Eigenschaften und liebenswerten Merkmalen mitbrachte, aber das würde alles nicht den Kern der Sache treffen.
A denial! A denial! A denial!... brüllte Kurt Cobain. Ich wollte meine Liebe nicht leugnen. Ich wollte, dass Nico verstand, dass ich ihn wirklich liebte. Auch wenn ich es nicht begründen konnte.
»Nico, ich bin kein Philosoph. Und selbst die hatten Probleme damit, die Liebe zu begründen. Ich kann dir nur sagen, dass du für mich der Sohn geworden bist, den ich nie hatte. Ich kann dir erklären, wie sehr ich deine Offenheit, deine Abenteuerlust und deine Treue schätze. Ich kann dir sagen, dass es dir gelingt, immer wieder, etwas tief in mir anzurühren. Ich bin eigentlich ein Einsiedler, ein Eigenbrötler, aber Du dringst irgendwie durch. Und das genieße ich, das tut mir gut. Ich kann dir versichern, dass ich jede Stunde, die wir miteinander verbringen, genieße. Du bist für mich eben liebenswert, wichtig, wertvoll. Besser ausdrücken kann ich es nicht. So wie die Amerikaner sagen shit happens, so sage ich love happens
»An dir ist doch ein Philosoph verloren gegangen. Wenn ich mir je einen Vater vorstellen könnte, der diese Bezeichnung verdient, dann wärest du das, Roland.«

Das bringt mich zu der Frage: Kann irgend jemand unter meinen Bloglesern erklären, warum man liebt?