Mittwoch, 11. März 2009

Damaskus oder Emmaus?

Der F.A.Z. liegt regelmäßig das Magazin »chrismon« bei, das auch online zu lesen ist. In der aktuellen Ausgabe ist ein interessantes Gespräch mit Joachim Kosack, Serienchef bei Sat.1 und Kai Sutrisno Scheunemann, Theologe, abgedruckt. Beide sind Missionarssöhne, also in einem »geistlichen Elternhaus« aufgewachsen.
In charismatisch geprägten Kreisen bestehen viele Gläubige (und auch Pastoren) darauf, dass ein »Bekehrungserlebnis«, ein bestimmter, möglichst dramatischer Moment der »Lebensübergabe« notwendig sei, um Christ zu werden. Diese Annahme war und ist mir schon lange suspekt. Ich meine, dass sowohl Damaskus als auch Emmaus ausreichen. Kosack und Scheunemann antworten so:
Braucht man denn ein Erweckungserlebnis?
Scheunemann:
Nicht im klassischen Sinne, wie Sie sich das vielleicht vorstellen, so mit einem Lichtstrahl, der von oben kommt.
Kosack: Aber nennen wir es mal das klare Ja.
Scheunemann: Es gibt zwei Bekehrungsformen: vom Saulus zum Paulus ist eine. Es gibt Menschen, die sagen: »Ich bin vom Pferd gefallen, und seitdem bin ich Christ.« Und es gibt den »Emmausweg«: Man geht lange mit jemandem mit, und die Lebensrichtung verändert sich mit der Zeit. Das Erleuchtungserlebnis fehlt? Das kann gut sein. Aber letztendlich ist die Frage: Ist mein Leben auf Gott ausgerichtet? Oder sage ich: Gott ist ganz nett, aber ich habe in meinem Leben allein das Sagen. Da sehe ich den Unterschied.
Bei mir persönlich war es Damaskus. Bei dir, lieber Leser, war es vielleicht Emmaus. Ich halte dich deswegen keineswegs für weniger gläubig oder weniger errettet. Im Gegenteil. Du hast womöglich mehr über Gott und die Welt nachgedacht, bevor du »das klare Ja« gefunden hast als jemand, der bei einer erwecklichen Veranstaltung im Rausch der Gefühle zum »Übergabegebet« antritt.
Und mancher Leser ist womöglich noch unterwegs? Auch nicht schlecht.

Das Interview gibt es hier: Alles nur Show?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mir ist mittlerweile das "Es gibt nur Damaskus" auch sehr suspekt. Wenn ich über mich nachdenke, dann ist es wohl ne Mischung aus Emmaus und Damaskus. Ob ich schon in Emmaus angekommen bin, weiß ich nicht. Dass Jesus neben mir läuft habe ich aber schon gemerkt :-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Moin Adrian!

Ob wir jemals »ganz« am Ziel sind, so lange wir auf dieser Erde leben? Kann ich mir nicht so recht vorstellen, bei mir zumindest nicht. Zweifel, Unsicherheiten, Rückschläge... - aber dennoch auf dem Weg bleiben, das ist meine Entscheidung. Dazu mein »klares Ja«, das übrigens nach meinem »Damaskus« noch so manches »Emmaus« gebraucht hat und wohl weiter brauchen wird.

Anonym hat gesagt…

Das trifft es denk ich ziemlich gut.
Leider erntet man meiner Erfahrung nach in gewissen Kreisen zumeist unverständnis, wenn man kein Bekehrungsdatum nennen kann...

Günter J. Matthia hat gesagt…

hi mychie,

ich gebe es zu: Früher dachte ich auch so, dass nur Damaskus Gültigkeit hat. Man hatte es mich eben so gelehrt.
Aber je mehr ich mit Christen aus ganz verschiedenen Denominationen und Konfessionen zusammen arbeitete, desto mehr »Glaubensbiographien« lernte ich kennen. Sehr viele von ihnen enthalten kein »Bekehrungsdatum«. Durch das Zusammenwirken mit solchen Gläubigen hat sich mein Blick erheblich geweitet.