Montag, 16. März 2009

Der vermeintliche Segen Abrahams

Ende der letzten Woche nahm ich eine Einladung zu einem kleinen »Männerabend« an. Klein, weil wir zu viert waren: Ein Unternehmer aus der Immobilienbranche, ein (medizinischer) Wissenschaftler, ein kaufmännischer Angestellter (unser Gastgeber) und meine Wenigkeit. Von 19:30 Uhr bis Mitternacht sprachen wir über eine breite Palette von Themen: Mr. Bean, Erweckung, Loriot, Krankenheilung, gute Autos - schlechte Autos, Finanzkrise, Gemeindebau, Armut in der Welt und Reichtum der Christen.

Bei Loriot und Mr. Bean waren wir uns einig: Alle verfügbaren Daumen nach oben. Bei anderen Themen wichen unsere Meinungen zum Teil erheblich von einander ab, was aber unserer Freundschaft keinen Abbruch tat und tun wird.

Zum Beispiel die Sache mit der Finanz- beziehungsweise Wirtschaftskrise: Wird es besser? Wird es schlimmer? Entwickelt sich gerade eine globale Gesellschafts- und Kulturkrise, oder ist eher damit zu rechnen, dass es zwar Erschütterungen, aber keinen totalen Zusammenbruch geben wird?
Einer aus unserer Runde, der Unternehmer, folgt gerade dem Rat von David Wilkerson, sich mit Lebensmitteln und Wasser zu bevorraten. Sogar einen Generator wird er sich zulegen, um im Fall der Fälle Strom erzeugen zu können. Ein anderer, der Wissenschaftler, meint dagegen, dass Gott jetzt sein Versorger sei, warum dann nicht auch im Fall des Zusammenbruchs unserer »sicheren« Systeme?
Ich habe David Wilkerson vor mehr als 30 Jahren kennen gelernt, Leser meines Buches »Es gibt kein Unmöglich!« wissen, wie das vor sich ging. Ich halte ihn nach wie vor für einen aufrechten, treuen Mann Gottes, wenngleich ich mit seiner aktuellen und einigen vorangegangenen »Prophetien« durchaus Schwierigkeiten habe. Oder besser gesagt mit den Interpretationen, die er mit den geistlichen Inspirationen zu verflechten pflegt. Nach meinem ganz persönlichen und sicher nicht allgemein maßgeblichem Empfinden ist er so eine Art moderner Jona, dem Gott aufträgt, Gericht zu predigen, was ihm nicht gerade leicht fällt. Dann ist Gott gnädig, das Gericht fällt aus, und der Prophet ist ziemlich irritiert.
Doch zurück zur Krise: Kommt es nun also zum Zusammenbruch? Unser Gastgeber war völlig überzeugt, dass den Christen der »Segen Abrahams« zustehen würde, und zwar unter anderem materieller Wohlstand. Wir müssten das nur bei Gott »abholen«. Es sei uns schließlich der Reichtum der Nationen (zur persönlichen Verwendung) verheißen, und der Heilige Geist werde uns in absehbarer Zeit in die Lage versetzen, diese Abholung durchzuführen, indem er uns den notwendigen Glauben schenkt. Die einfache Gleichung: Genug Glaube = Reichtum.
Hier musste ich energisch widersprechen. In meiner Bibel lese ich nämlich nicht nur von wohlhabenden Gläubigen, sondern auch davon, dass Paulus für die Jerusalemer Christen landauf, landab Geld sammelt, weil dort eine Hungersnot herrscht. Ich lese von Paulus, dass er von sich sagt, sehr wohl Mangel zu kennen und genötigt zu sein, Zelte herzustellen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich lese, dass Jesus seiner Gemeinde, seinen Nachfolgern aufträgt, sich um die Armen zu kümmern. Ich lese, wie Paulus dem Timotheus schreibt: »Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so dass wir auch nichts hinausbringen können. Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen.«
Nahrung und Kleidung. »Kleidung« heißt sicher nicht, einen sechstürigen Kleiderschrank so zu füllen, dass die Türen kaum noch zu schließen sind. »Nahrung« dürfte sicher unterhalb des 3-Gänge-Menüs im 5-Sterne-Lokal anzusiedeln sein.

Natürlich gibt es in den biblischen Berichten die Wohlhabenden, Menschen wie Abraham oder Salomo, bei denen »Segen« mit Wohlstand einherging. Aber daraus macht die Bibel kein Gesetz oder Rezept. Sondern, so Paulus weiter: »Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, welche die Menschen in Verderben und Untergang versenken. Denn eine Wurzel alles Bösen ist die Geldliebe, nach der einige getrachtet haben und von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut!«
Das heißt ja nicht, dass Gott dieses Streben nicht auch noch mit finanzieller Ausstattung ergänzen kann. Paulus predigt keineswegs ein Gebot der Armut oder Askese. Er hat auch die Wohlhabenden unter den Gläubigen im Blick: »Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss - Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, um das wirkliche Leben zu ergreifen.« Wenn es einen »Anspruch« auf Wohlstand gibt, warum redet Paulus dann hier von der »Ungewissheit«? Vielleicht hat er ja zu wenig Glauben gehabt...

Gibt es einen »Anspruch auf Wohlstand«, einen Anspruch auf den materiellen »Segen Abrahams«? Braucht man zur Verwirklichung nur genug Glauben?

Ich verneine es.

Wer es bejaht, der möge freundlicherweise beispielsweise den Christen in Afrika erklären, dass sie halt leider nicht genug Glauben haben, andernfalls würden sie als Eltern nicht mit ansehen müssen, wie ihre Kinder an Hunger, Malaria oder Cholera sterben, bevor sie selbst zugrunde gehen.
Und den Hartz-4-Empfänger hierzulande kann er dann gleich mit zu der Gemeinde nehmen, in der solch ein Segen Abrahams verfügbar gemacht wird. Ich bin gespannt auf die Erfolgsberichte...

12 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Amen dazu! Wir systematisieren Segen zu sehr - typisch deutsch. Segen (wörtlich im Hebräischen beracha, was als Wurzel heisst: auf die Knie gehen) ist aber Beziehungsgeschehen und der größte Segen ist die Beziehung zu Gott durch JC! Gott will segnen, wir sollen die richtige Haltung haben, um Segen zu empfangen, aber Segen systematisieren, das widerspräche dem biblischen Denken. Aber man muss das eine nicht annehmen, ohne das andere zu tun: mutig und verwegen um Gesundheit, Versorgung etc. zu beten! Das ist Christenpflicht und da sind wir viel zu kleingläubig. Ich zumindest...;-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Selbstverständlich darf und soll man um Versorgung, Gesundheit bitten und beten. In Krisen und ohne Krisen.
Ein Problem habe ich nur damit, dass sich quasi durch die Hintertür einschleicht: Du hast Probleme - du glaubst also nicht genug. Sonst wärest du ja gesegnet. Und das würde sich auf dem Bankkonto / in deiner Gesundheit / im beruflichen Erfolg... zeigen.

storch hat gesagt…

ich verneine auch und begründe das mit folgendem herrlich ironischen satz von paulus:

Wer aber etwas anderes lehrt und sich nicht an die gesunden Worte Jesu Christi, unseres Herrn, und an die Lehre unseres Glaubens hält, 4 der ist verblendet; er versteht nichts, sondern ist krank vor lauter Auseinandersetzungen und Wortgefechten. Diese führen zu Neid, Streit, Verleumdungen, üblen Verdächtigungen 5 und Gezänk unter den Menschen, deren Denken verdorben ist; diese Leute sind von der Wahrheit abgekommen und meinen, die Frömmigkeit sei ein Mittel, um irdischen Gewinn zu erzielen. 6 Die Frömmigkeit bringt in der Tat reichen Gewinn, wenn man nur genügsam ist. 7 Denn wir haben nichts in die Welt mitgebracht, und wir können auch nichts aus ihr mitnehmen. (1Ti 6:3 EIN)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Genau. Diese Sätze von Paul an Timmy hatte ich bei meinen Zitaten ausgelassen, weil der Text sowieso schon zu lang schien. »Wenn man nur genügsam ist...« - dann ist der Segen Gottes nicht mehr an Äußerlichkeiten gebunden und viele Enttäuschungen bleiben einem erspart.

Anonym hat gesagt…

Zu haben was man will ist Reichtum, es aber ohne Reichtum tun, ist Kraft. -George Bernard Shaw

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Susan on the Westcoast - das Pseudonym dürfte aus einem Song von Donovan stammen - einen schönen guten Tag! Danke für die Wortmeldung.
Herr Shaw hat recht. Tun dürfte mehr bewirken als haben.

Anonym hat gesagt…

Sehr guter Post! Ich stimme vollkommen überein. Ich verneine ebenfalls.
Unglaublich wie sich manche Lehren halten!

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hi Martin,

schön - sehr schön. Noch ein Zustimmer zum Artikel bzw. Verneiner zur These.

Komisch: Die Befürworter (die es doch auch geben sollte?) lesen diesen Blog wohl nicht, oder sie kommentieren nicht.

Helmut privat hat gesagt…

Also,
hier der erbetene Kommentar.
Es gibt Bibelverse für beide Seiten.
Ich glaube daß es klare Verheißungen gibt für ein erfolgreiches Leben.
Das heißt, wir bekommen alles für den Auftrag, den Gott uns gegeben hat.
Wen Verheißungen in fleischlicher Weiße verstanden werden führt das zu Problemen.
Ich möchte hier auf haso verwesen,der eine gute ausgeglichene Meinung hat.

http://tafel.4haso.de/?p=1353
http://tafel.4haso.de/?p=1338
http://tafel.4haso.de/?p=64

Günter J. Matthia hat gesagt…

@Helmut: Ich weiß, dass es Bibelverse für so gut wie alles gibt, wenn man sie entsprechend aus ihrem Zusammenhang reißt und zitiert.
Ich bin jemand, der übernatürliche Versorgung selbst erlebt hat. Ich bin jemand, der gerne und dauerhaft mehr als 10 Prozent seiner Einkünfte spendet. Aber ich bestreite, dass ich nun die Gesetzmäßigkeit aufstellen kann: Spende genug und du wirst garantiert reich.Man betrachte einfach mal den Lebensstandard von allen Mitgliedern einer Gemeinde, in der solche Dinge gelehrt werden. Man wird doch sicher im Ergebnis nur wohlhabende Christen antreffen?

Helmut privat hat gesagt…

Hallo Günter.
So platt wie sich Glaubensphrasen anhören, glaube ich sie auch nicht und ich kenne niemand der für seine Glaubensüberzeugung nicht hat kämpfen müßen.
manchmal dürfen wir Wahrheiten verkündigen, ohne auf die 150 anderen Möglichkeiten hinzuweisen.

Es gab da mal einen Lehrer, der einen Feigenbaum verfluchte. Am nächsten tag war der verdorrt.
Soweit so gut.
Darauf machte er den Fehler diese Dinge in ein System zu pressen.
Er sprach einen sehr markanten Satz, der sich sehr allgemeingültig anhörte.

Mk 11,22 Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: Habet Glauben an Gott. Mk 11,23 Wahrlich, ich sage euch: Wer irgend zu diesem Berge sagen wird: Werde aufgehoben und ins Meer geworfen! und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glauben, daß geschieht, was er sagt, dem wird werden was irgend er sagen wird. Mk 11,24 Darum sage ich euch: Alles, um was irgend ihr betet und bittet, glaubet, daß ihr es empfanget, und es wird euch werden.

Die Schäden dieser unweisen Aussage kann man immer noch sehen.

Weisere Lehrer als dieser sind immer noch beschäftigt die Folgen einer so unweisen Verkündigung zu mildern.
Diese unweise Verkündigung hat auch viel Spaltung hervorgebracht.


:-) :-) :-)

Entschuldige das bisschen stänkern.

Ich für mich habe mich entschieden den Weg der "Gaubensrichtung" zu gehen (blödes Wort) Meine Lehrer, meine Ausrichtung, mein Vertrauen, liegt innerhalb dieser Bewegung.
Wie jeder andere Christ habe auch ich meine Fragezeichen. Ich habe sie nur an einer anderen Stelle.
Ich diskutier übrigens normal nicht so gerne, weil Gott einmal zu mir gesagt hat:
Benütze das Schwert nicht gegen die Geschwister, sondern gegen den Teufel.

ganz lieber Gruß

Helmut

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Helmut,

dieser von Dir genannte Lehrer hat an dieser Stelle nicht gesagt: »Habt Glauben an Gott«, sondern »Habt den Glauben Gottes«. Anders ausgedrückt: Gott beschenkt uns (auch für spezielle Anliegen) mit Glauben, und wir sprechen das aus, was noch nicht sichtbar ist, als sei es bereits da.

Damit gibt es dann wirklich nichts, was unmöglich wäre. Allerdings ist die Voraussetzung, dass wir wissen, was Gott in einer bestimmten Situation will - so wie Jesus sagte, dass er nur das täte, was er den Vater tun sieht. Er hat keineswegs alle Bäume verflucht, hat die Berge an ihrem Platz stehen lassen und so weiter.

Ich wehre mich gegen Verallgemeinerungen: Gott hat mich mit Geld beschenkt, also ist es sein Wille, dass alle Menschen im Wohlstand leben. Wer arm ist und Not leidet, der hat eben nicht genug Glauben gehabt...

Sicher dürfen wir Wahrheiten verkünden, ohne auf die 150 anderen Möglichkeiten hinzuweisen, aber doch wohl nicht so, dass es die 150 anderen Möglichkeiten gar nicht gibt?

Übrigens ist es eine gute Idee, das Schwert nicht gegen Geschwister zu benutzen. Was ja nicht heißt, dass man Meinungen austauschen kann. Über Erfahrungen und Hoffnungen reden, auch unterschiedliche Standpunkte einnehmen - das würde ich nicht für einen Schwertkampf halten.