Samstag, 4. April 2009

Gesetze im Wandel der Gesellschaft: Ehebruch

Bei Recherchen zum Thema Gesellschaftswandel ist Storch, Pastor in Remscheid, vor einiger Zeit auf ein interessantes Thema gestoßen: Sexualgesetze und deren Veränderung im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Dabei ist er davon ausgegangen, »dass Veränderungen in der Gesellschaft sich in der Gesetzgebung niederschlagen, bzw. durch die Gesetzgebung abgeschlossen werden.«
Er hat einige Gesetze herausgegriffen, die als exemplarisch gelten können.
Ich fand den Blogbeitrag interessant und habe zunächst ein von ihm angeführtes Themenfeld mit dem biblischen Befund verglichen und einige ergänzende Recherchen unternommen. Vielleicht setze ich dies mit weiteren Themenfeldern fort, wenn es die Zeit erlaubt.

Dieser Beitrag ist als Denkanstoß zu verstehen. Er darf zum Widerspruch reizen und eine – gerne auch kontroverse – Beschäftigung mit dem Thema auslösen.
§172 StGB: Ehebruch
Heute verbietet der §172 nur noch die Doppelehe. Bis 1969 wurde allerdings in Deutschland Ehebruch mit bis zu 6 Monaten Gefängnis bestraft. Zwischen 1958 und 1966 gab es immerhin 1.365 Strafen wegen Ehebruchs. Seitdem ist Ehebruch nur noch zivilrechtlich verboten als »unerlaubte Handlung und als Verletzung der aus der Ehe folgenden Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft« . Auch ist seit dem Wegfall des Verschuldensprinzips zum 1. Juli 1977 Ehebruch allein kein hinreichender Scheidungsgrund mehr; vielmehr wird auf die Zerrüttung der Ehe abgestellt, die natürlich ihre Ursache auch in einem Ehebruch haben kann.
Grundsätzlich ist es nach wie vor auch durch den § 1306 BGB verboten, mehrere Ehen gleichzeitig einzugehen. Anders sieht es die Rechtsprechung bei Einwanderern, die bereits mit mehreren Ehefrauen verheiratet sind. Ein Oberverwaltungsgericht hielt es für unzumutbar, dass eine der beiden Frauen eines Irakers aus der Lebensgemeinschaft herausgelöst werden sollte.

Das biblische Verbot des Ehebruchs hat jedoch ganz andere Inhalte, als sie uns heute geläufigen. Noch während der Reformation riet Martin Luther Landgraf Philipp von Hessen, seine zweite Ehe der öffentlichen Ordnung willen geheimzuhalten, wenngleich er nichts Unbiblisches daran fand.

Luther hatte recht. Die Ehe als fundamentale gesellschaftliche Institution wird sogar in Bezug auf das Verhalten eines Ehemannes zu mehreren Ehefrauen im Alten Testament eingehend geregelt. So war die Mehrehe im biblischen Kontext nicht nur erlaubt, sondern sie wurde weithin als sichtbares Zeichen göttlichen Segens verstanden. Je mehr Frauen ein Mann hatte, desto deutlicher stand sein Leben unter dem Segen Gottes. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Salomo, der wohl die größte Anzahl von Frauen hatte, damit gegen Glaubensrichtlinien oder gar göttliche Gebote verstoßen hätte. Auch die Tatsache, dass Abraham mit seiner Magd (im Einvernehmen mit der Ehefrau und auf deren Vorschlag hin) einen Sohn zeugte, wird in der Bibel nicht getadelt, sondern lediglich der Beweggrund: Mangelnder Glaube, dass die betagte Sarah trotz göttlicher Verheißung noch schwanger werden könnte.
Es ist allerdings durchgehend so, dass ein Mann mehrere Frauen hat, der Fall, dass eine Frau mehrere Männer heiratet, ist im biblischen Befund nicht enthalten.
Auch Jesus verurteilte nie die Polygamie, sondern akzeptierte sie in seinen Auseinandersetzungen mit den Pharisäern und Sadduzäern, auch wenn sie damals wahrscheinlich in Jerusalem nicht die Regel war. Er verwies insbesondere darauf, dass sich bezüglich der Eheregeln durch seine Lehre gegenüber derjenigen von Moses (bei dem die Mehrehe geregelt und sanktioniert ist) keine Änderungen ergeben hätten. Im Neuen Testament ist es lediglich der von der Ehe nicht gerade begeisterte Junggeselle Paulus, der empfiehlt, dass zumindest die Führungspersonen in der Gemeinde »Mann einer Frau« sein sollten, statt mehrere Ehefrauen zu haben. Noch besser fände es Paulus allerdings, wenn alle ledig bleiben und sexuell enthaltsam leben könnten. Die Ehe ist für ihn ein notwendiges Übel, um Unzucht abzuwenden.

Von Ehebruch ist in der Bibel dann die Rede, wenn jemand mit jemandem schläft, der bereits verheiratet ist – also Mann oder Frau eines anderen Partners. Eines der prominentesten Beispiele ist sicher König David, der den Ehemann seiner Geliebten umbringen lässt, um seine sexuelle Beziehung vom Makel »Ehebruch« zu reinigen. Wenn die Frau Witwe ist, steht ja der Beziehung nichts mehr im Wege – meinte David. Und er hatte damit ja durchaus recht, allerdings hätte er natürlich weder den Ehemann töten lassen noch vor der Witwenschaft der hübschen jungen Frau Sex mit ihr haben dürfen.

Geschlechtsverkehr mit ledigen Menschen ist dagegen in der biblischen Begriffswelt Unzucht oder Hurerei und wird durchgehend als Sünde verstanden.
Nun wäre natürlich zu fragen, wann denn eine Ehe im biblischen Sinne geschlossen wird. Standesämter gab es genauso wenig wie kirchliche Hochzeitszeremonien. »Er nahm sie zur Frau«, lesen wir, oder dass ein Vater seine Tochter jemandem »zur Frau gibt«. Ein Ritual, einen bestimmten Moment, in dem das geschieht, kann man daraus ableiten, aber die Voraussetzungen und Umstände sind weithin offen. Auch das Alter der möglichen Eheschließung dürfte aus heutiger Sicht bei manchem Befremden auslösen: Von Volljährigkeit ist nicht die Rede.

Es gibt, zum Beispiel unter den Mormonen in den USA aber auch bei Christen in Afrika oder Indonesien, noch heute Lebensmodelle, die sich am biblischen Grundsatz der erlaubten Mehrehe orientieren. Ihr Argument unter anderem: »Gott ändert seine Meinung nicht. Es ist statthaft und ein Zeichen des Segens, noch dazu wirtschaftlich sinnvoll, wenn ein Mann, vorausgesetzt er kann für ihren Unterhalt sorgen, mehrere Ehefrauen hat.«
Die meisten Gläubigen hierzulande wären vermutlich entsetzt, wenn jemand auf die Idee käme, das Ehemodell in seiner biblischen Version einführen zu wollen. Wie sie dem Argument, dass Gott seine Meinung nicht ändert, begegnen würden, wäre spannend zu beobachten. Vermutlich würde Paulus zitiert, aber nur zur Hälfte, denn die andere Hälfte, dass am besten niemand heiraten sollte, ließe man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beiseite.

Abschließend betrachtet: Der § 172 StGB hat in seiner Definition von »Ehebruch« mit dem biblischen Begriff kaum eine Übereinstimmung. Der Wandel in der Sexualgesetzgebung spiegelt den Wandel einer säkularisierten Gesellschaft, aber keine Abkehr von »biblischen Prinzipien«. Wir leben in dieser Gesellschaft und mit ihren Gesetzen, und es dürfte wohl eine gute Idee sein, sich daran zu halten. Ich bin also niemand, der eine Rückkehr zur Mehrehe vertreten würde. Allerdings kann ich sie auch nicht als »unbiblisch« klassifizieren.

Hat jemand von meinen männlichen Blogbesuchern mehrere Ehefrauen? Oder welche Blogbesucherin ist eine von mehreren Ehefrauen eines Mannes? Oder gibt es gar das Ehe-Modell einer Frau mit mehreren Männern?

Mehr zum Thema Polygamie: Wikipedia
Zum Bild: Jakob, Sohn des Isaak, trifft den Pastor - von johnbirch

8 Kommentare:

Tobias Lampert hat gesagt…

Hallo Günter!

Schöner Beitrag!

Kleine Ergänzung: es ist durchaus möglich, eigentlich sogar sehr wahrscheinlich, daß Paulus nicht Junggeselle, sondern Witwer war. Erstens ist die Ehe für einen Rabbinenschüler absolut die Regel (Ausnahmen sind, wenn überhaupt, sehr selten - mir ist gar keine bekannt; überhaupt ist die Ehelosigkeit im Judentum natürlich insgesamt selten), zweitens kann z.B. gr. Š'agamos' (bei Luther sind 'tois agamois' die Ledigen) in 1Kor 7,8 auch "verwitwet" bedeuten. Darüber hinaus war es für Paulus auch als Angehöriger des Hohen Rates (Apg 26,10) Voraussetzung, verheiratet zu sein.

Zum Vollzug der Ehe im AT könnte man noch ergänzen, daß diese wohl spätestens und eigentlich mit dem Geschlechtsakt "rechtskräftig" war - weshalb "unehelicher" Geschlechtsverkehr (wenn es ihn dieser Definition zufolge überhaupt so gab - eben deshalb eher der Begriff der Unzucht) zur Folge hatte, daß der betreffende Mann die betreffende Frau auch "anderweitig" ehelichen und so für ihre gesellschaftliche Anerkennung und soziale Absicherung sorgen mußte. Allerdings hast Du recht, daß hier eindeutige Angaben zur konkreten Handhabung einer Eheschließung Mangelware sind.


Viele Grüße,
Tobias :-)

storch hat gesagt…

da habe ich tatsächlich einsprüche. zum ersten bei dem unverfänglichen satz:

"Es gibt keine Hinweise darauf, dass Salomo, der wohl die größte Anzahl von Frauen hatte, damit gegen Glaubensrichtlinien oder gar göttliche Gebote verstoßen hätte."

die gibt es schon. mose schrieb vorausschauend ein gesetz für könige, auch wenn es bis zum königtum noch lange hin war. darin heisst es:

Auch soll er sich nicht viele Frauen nehmen, damit sein Herz nicht abtrünnig wird. Er soll sich nicht zu viel Silber und Gold anhäufen. (Deuteronomium 17,17 nach Herder)

"nicht viele" ist sicher ein dehnbarer begriff, aber salomo sollte ihn wohl überdehnt haben. auch wenn es nicht ausdrücklich erwähnt ist, ist es teil dessen, vor dem samuel in 1.samuel 7 gewarnt hat: der könig wird sich alles nehmen und ganz bestimmt gegen das königsgesetz des mose verstossen.

ich bin auch nicht deiner meinung, dass es kein ritual gab. jesus nahm ja an einer hochzeit teil. es gab ganz bestimmt immer irgendein ritual, sonst hätte es keinen sinn gesetze darüber zu erlassen, was im fall des beischlafes vor der ehe zu geschehen hat.

was mich noch interessiert: welche gesetze regeln die polygamie im at? ich habe gerade keine vor augen und weiss nicht, wonach ich gut suchen könnte.

ein letztes: beispiele aus der zeit vor dem gesetz gelten nicht, weil es da noch keinen bemessungsgrundsatz gab. vor dem gesetz konnte lot mit seinen töchtern schlafen, nach dem gesetz hätten sie dafür die todesstrafe bekommen. in dem fall würde ich die geschehnisse im lichte des gesetzes beurteilen, auch wenn es noch nicht geschrieben war.

Tobias Lampert hat gesagt…

@storch:

Mal abgesehen davon, daß ich das Deuteronomium nicht Mose zuschreibe und denke, daß hier eher eine spätere Kritik einer überhandnehmenden und als problematisch empfundenen Polygamie ihren Ausdruck findet (was wir hier nicht diskutieren müssen):

Das hebr. 'sur' in Dtn 17,17 bedeutet so viel wie "abweichen", "entfernen" etc. (auch in der Septuaginta wird das entsprechende 'methistämi' verwendet) - in diesem Kontext meint das sehr wahrscheinlich das Sich-Entfernen von Gott (die Elberfelder z.B. übersetzt daher auch "damit sein Herz sich nicht von Gott abwendet").

Ergo: solange die Anzahl der Frauen nicht die Gottesbeziehung des Königs negativ beeinflußt, ist sie zur Königszeit nach oben hin grundsätzlich offen. Bei Salomo ist nun von einer solchen negativen Auswirkung nicht explizit die Rede, ergo wird seine "Vielweiberei" im AT auch nicht in Frage gestellt.

1Sam 8 (nicht 7) erwähnt Samuel auch nicht ausdrücklich das Königsgesetz, sondern weist lediglich darauf hin, daß das Königtum für das Volk mit Entbehrung verknüpft sein wird. Oder hattest Du da eine ganz andere Stelle im Hinterkopf?

Was das Hochzeitsritual angeht: habe in Günters Text nicht die Aussage entdeckt, daß es kein Trauungsritual gegeben habe - aber, wie schon in meinem ersten Kommentar erwähnt: direkte Angaben darüber sind sowohl im AT als auch im NT Mangelware, erwähnt werden eigentlich lediglich die mit der Hochzeit verbundenen materiellen Aspekte (Aussteuer etc.).

Günter J. Matthia hat gesagt…

@storch: stimmt, dass ein könig nicht zu viele frauen haben sollte, spricht gegen salomos praxis.
ich meinte auch nicht, dass es kein ritual zur eheschließung gab, sondern dass dies kaum überliefert ist und die voraussetzungen (alter der brautleute etc.) nicht so recht erläutert werden. und ob die liebe eine rolle spielte? wer weiß. da hat ja bekanntlich jemand 7 jahre geschuftet, um dann die ungeliebte schwester der eigentlich gewollten braut zu heiraten...
ich meinte im übrigen auch solche regelungen wie die schwagerehe - durchaus sinnvoll und nützlich im damaligen kontext. eine witwe war wirklich arm dran, wenn sie nicht jemand heiratete.

@tobias: danke, dass du einige fragen bereits beantwortet hast - mit mose meinte ich deuteronomium, wer immer auch der oder die urheber dessen sein mögen, was wir als "bücher mose" bezeichnen.
paulus als witwer - auch möglich. aber irgendwie ist er ja eindeutig nicht sonderlich begeistert von der ehe, finde ich.

storch hat gesagt…

@TL:
klar soll sich das herz des königs nicht von gott abwenden. ich meine, dass das in allen bibelübersetzungen klar zum ausdruck kommt. darum geht es in dem königsgesetz.
ob das deut nun von mose ist oder nicht ist in dem zusammenhang erst mal egal, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass es erst in einer zeit geschrieben wurde, in der das königtum schon zu problemen führte. bestimmt kann man das gut begründen, aber da müsste ein könig ja schon ziemlich doof sein, wenn es ihm nicht als religiöse manipulation vorkäme, dass just in seiner regierungszeit ein weiteres mosebuch auftaucht, das ihm den spaß verdirbt... es wäre dann auch ganz schön halbherzig von den entsprechenden editoren nicht genauer zu sein. da man den vers offenbar so verstehen kann, dass die zahl der frauen egal ist, wäre es eine überflüssige redaktion.
ich kann mir da mose als autor gut vorstellen (oder we sonst die bücher geschrieben hat). wenn gott mit ihm über die schöpfung reden konnte, warum dann nicht auch über die zukunft israels?

aber ich stimme auch inhaltlich nicht mit dir überein. die geschichte salomos zeigt für mich eindeutig, dass sich sein herz von gott abgewandt hat. am anfang war er noch ein gottesmann, nachher drehte er sich um sich selbst. man kann nicht sagen, dass es an den frauen lag, aber sehr wohl, dass sich sein herz abwandte.
wenn mir gott sagen würde: "pass auf mit frauen und luxus, die können dein herz abwenden." dann würde ich nicht überlegen, wie viele frauen in ordnung sind und theologisch argumentieren. (so eine theologie wäre nur dazu da den buchstaben über den geist zu erheben.) dann würde ich entweder keine frau nehmen oder eben eine (genau wie paulus es später empfohlen hat). es ist ein ganz schlechter umgang mit einer göttlichen warnung, wenn man eine weile mit dem feuer spielt und nachher sagt, dass man ja nicht ausdrücklich sagen kann, ob es die frauen oder was anderes waren.
also würde ich sagen, dass salomo ein beispiel dafür ist, dass das königsgesetz stimmte.

das samuel nicht ausdrücklich auf das gesetz hinweist ist richtig. aber das musste er auch nicht. er wird es gekannt haben und man muss nciht immer wörtlich zitieren, damit man eine verbindung ziehen kann.

mit dem ritus sind wir nahe beieinander: dazu steht nicht viel im buch. dennoch widerspreche ich GJMs aussage:
"Nun wäre natürlich zu fragen, wann denn eine Ehe im biblischen Sinne geschlossen wird. Standesämter gab es genauso wenig wie kirchliche Hochzeitszeremonien."
ich meine, es gab hochzeitszeremonien. oder geht es nur um kirchliche hochzeitszeremonien? die gab es in ermangelung einer kirche natürlich nicht, aber das wäre ja wohl haarspalterei.

storch hat gesagt…

oops, mein kommentar ist einige stunden später erschienen. sorry wegen der überschneidung.

Günter J. Matthia hat gesagt…

@storch: ich bin sicher, dass es hochzeitszeremonien gab, wie immer die auch ausgesehen haben. vielleicht abgesehen von adam und eva...
was salomo betrifft, gebe ich dir recht. der mann hat gut angefangen und war dann später ziemlich schräg drauf. wobei das problem letztendlich, wie du ausführst, das herz war, das sich eher reichtum und luxus und frauen zugewendet hat als gott treu zu bleiben.
heute im gottesdienst erwähnte der pastor, dass maria, als sie mit jesus schwanger war, 14 oder 15 jahre alt gewesen sein soll. woher diese annahme stammt, hat er nicht ausgeführt. gibt es da quellen?

Tobias Lampert hat gesagt…

@Günter:

Wer weiß, was für eine Frau Paulus hatte, daß er nicht sonderlich von der Ehe begeistert war ... ;-) Nee, im Ernst: daß die Ehe für Paulus nicht das Maß aller Dinger war, ist klar. Allerdings spielt z.B. auch die Naherwartung bei Paulus' Abwertung der Ehe eine Rolle.

Was das Alter von Maria zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft mit Jesus angeht: ich glaube, dafür gibt es in der Regel zwei Argumentationsgänge. Der erste hängt mit der Problematisierung der Jungfrauengeburt zusammen. Wo diese im Sinne von "junge Frau" verstanden wird, legt sich das späte Kindes- bis frühe Teenageralter nahe - wobei diese Argumentation wenig überzeugend ist. Es gäbe sonst ja überhaupt keinen Grund für Maria, Lk 1,34 darauf hinzuweisen, daß sie noch von keinem Mann angetastet wurde. Lukas hat definitiv die Jungfräulichkeit der Maria, nicht einfach nur eine junge Frau vor Augen. Der zweite Argumentationsgang ist eigentlich schlichtweg der Verweis darauf, daß Frauen zur fraglichen Zeit in der Regel so ab 12 Jahren verlobt wurden, so daß man bei Maria einfach den Analogieschluß zieht. Das genaue Alter bleibt daher offen, 14 oder 15 ist eine rein spekulative Altersangabe. Es wäre durchaus denkbar, daß sie schon einige Jahre älter war, wenngleich die Wahrscheinlichkeit dafür geringer ist. Aus den historich relevanten Quellen (und das sind in dem Fall eigentlich nur die Evangelien) wird man jedenfalls keine einigermaßen genaue Altersangabe ziehen können.


@storch:

Ich meinte nicht, daß man "den vers offenbar so verstehen kann, dass die zahl der frauen egal ist" - es ist doch ein Unterschied, ob ich die Zahl an Ehefrauen einfach für irrelevant erkläre, oder ob ich sage: je nach Person ist die "Toleranzgrenze" für die Anzahl von Ehefrauen unterschiedlich hoch, wenn es darum geht, ob das Verhältnis von Gott davon negativ beeinflußt wird oder nicht.

Eben deshalb wollte ich in Blick auf Salomo darauf hinweisen, daß eine direkte Verbindung zwischen der Größe seines Harems und seiner Gottesbeziehung eine Überstrapazierung der Exegese ist. Allerdings hatte ich da nicht 1Kön 11 im Blick, das ist mir erst danach bewußt geworden: insofern hast Du mit der Problematisierung der Vielweberei des Salomo definitiv recht! Dennoch rechtfertigt das alleine noch keine grundsätzliche Absage an die Mehrehe. Wie gesagt: die "Toleranzgrenze" kann unterschiedlich hoch ausfallen - und neben der Kritik an der Vielehe (die ich, wie gesagt, eher spät datieren würde: es gibt in der Tat einige gute Gründe für die Spätdatierung des Deuteronomium - aber das ist hier nicht der richtige Ort, das ausführlich zu diskutieren) gibt es im AT eben auch eine durchaus positive Wertung derselben (als Ausdruck des Segens Gottes etwa, vor allem in den Erzelternerzählungen).

Damit Du mich nicht falsch verstehst: mir genügt meine eine Frau, und ich habe auch nicht vor, die Vielehe wieder salonfähig zu machen ... ;-)

Was 1Sam 8 angeht, so beweifle ich nach wie vor, daß hier das "Königsgesetz" im Hintergrund steht. Natürlich bedarf es keiner wörtlichen Zitation, wenn es um Kontextualität geht - aber 1Sam 8 scheint mir doch einen ganz anderen Schwerpunkt zu haben als das Königsgesetz und bedient sich darüber hinaus viel zu wenig bestimmter traditionsgeschichtlicher Parallelen. Sei's drum - das war ja nicht eigentlicher Diskussionsgegenstand.


LG,
Tobias :-)