Dienstag, 25. August 2009

Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt


Nun steht Ihr schöner Satz im Raum: Ich lasse mir von niemandem das Rauchen verbieten.
Das bleibt auch so.
Aber gegen das Gesetz verstoßen wollen Sie auch nicht?
Dem Gesetz muss man gehorchen. Immerhin haben es die Parlamente beschlossen.
Hat es Sie getroffen, dass Sie angezeigt wurden?
Nee, wir haben darüber gelacht.
Hatten Sie nicht auch Sorge um Ihren Ruf? Sie sind ein Vorbild.
Nein, ich bin kein öffentliches Vorbild.
Jetzt stapeln Sie wirklich zu tief.
Nein, im Ernst: Politiker sollen auf Ihrem Felde Vorbild sein, aber nicht auf sämtlichen Feldern menschlichen Lebens. Das ist zu viel verlangt.
Giovanni di Lorenzo hat die meisten dieser Gespräche »auf eine Zigarette« mit dem wohl berühmtesten Tabakkonsumenten der Bundesrepublik Deutschland geführt. Der mittlerweile 90jährige frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt plauderte eineinhalb Jahre für die von ihm mit herausgegebene Wochenzeitung »Die Zeit« über Gott und die Welt mit di Lorenzo und gelegentlich anderen Journalisten.
Dabei kamen - natürlich - Ereignisse aus der Geschichte Deutschlands zur Sprache, aber auch Aktuelles und Generelles.
In diesem Buch nun wurden die schönsten dieser Gespräche zusammengetragen, zusätzlich gibt es ein unveröffentlichtes Interview über Liebe, Leid und Tod.
Helmut Schmidt gelingt der Blick über das Tagespolitische hinaus, womöglich etwas, was einem Menschen verwehrt bleibt, solange er noch aktiver Politiker ist. Die Gespräche mit Helmut Schmidt in diesem Buch sind durchweg unterhaltsam zu lesen - dies ist alles andere als ein trockenes politisches Werk oder eine historische Abhandlung. Es ist Unterhaltungslektüre im besten Sinne, mit Tiefgang, amüsanten und anrührenden Momenten, die auch einen Blick in das Empfinden eines Mannes gewährt, der in mehreren Fällen Entscheidungen zu treffen hatte, die das Schicksal Deutschlands und Europas beeinflussten.
Manches hat mich überrascht, zum Beispiel seine sehr positiven Worte über Franz-Josef Strauß und seine Gedanken über Gott. Bei welchem Thema auch immer - Helmut Schmidt erweist sich als ein Mensch, der anderen, auch wenn sie Kritik anzubringen haben, gerne und aufmerksam zuhört, jedoch den Mut und die Kraft zur eigenen Meinung und Entscheidung aufbringt.

Mein Fazit: Sehr lesenswert, ob man nun der politischen Partei Schmidts zugetan ist oder nicht, ob alt oder jung.

Kaufen kann man das Buch überall im Buchhandel, zum Beispiel hier bei Amazon: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt

8 Kommentare:

die Vorgärtnerin hat gesagt…

Helmut Schmidt gelingt der Blick über das Tagespolitische hinaus

nicht nur, weil er nicht mehr aktiver Politiker ist.
Auch,
weil er sich immer schon eine eigene Meinung geleistet hat,
weil er schon zur aktiven Zeit gründlich über den SPD-Tellerrand guckte
und
weil er ein weiser, streitbarer Mann ist.

Von dem Fasson fallen mir ansonsten nur zwei weitere Politiker ein, nämlich Norbert Blüm und Heiner Geißler.
Schade, dass es nicht mehr sind.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo juppi,

genau so ist es. Zur Zeit sind keine vergleichbaren Politiker in Sicht. Schade eigentlich.

Marion hat gesagt…

Moin aus Hamburg,

das Buch hatte ich gerade vorhin in der Buchhandlung in der Hand und fast schon gekauft, aber dann doch etwas anderes genommen ("Verbrechen" von Ferdinand von Schirach). Dann muss ich wohl demnächst noch mal los...

Zu den Politikern teile ich Eure Meinung, was die bevorstehende Wahl zu einem echten Dilemma macht. Ich will sie alle nicht. Aber gewählt werden muss doch...

Schönen Gruß!
Marion

Günter J. Matthia hat gesagt…

Moin nach Hamburg!

Wenn Du noch mal zur Buchhandlung gehst und den Schmidt mit nach Hause nimmst, wirst Du es sicher nicht bereuen.

Gewählt werden muss. Das stimmt. Sonst kommen die undemokratischen Kräfte zu sehr voran.
Hmmm... - vielleicht könnte man Herrn Schmidt überreden, als Kanzlerkandidat anzutreten?
Ach nee. Da würde Loki wohl ein Veto einlegen.

Sec hat gesagt…

Helmut Schmidt wäre einer meiner Wunschkandidaten... Wer in dem hohen Alter noch über Twitter seine Betroffenheit zum Tod von Michael Jackson äußert, der scheint, auch was den Social-Network-Hype betrifft, immer noch auf der Höhe der Zeit zu sein. Naja, schließlich ist er ja Mitherausgeber ;-)
Die Mehrheit der Politiker heute, erinnert mich - im Gegensatz zu Helmut Schmidt - an amerikanische Reifen (Profil nach innen). Das ist das Dilemma! Dazu hat übrigens Peter Hahne mal ein schönes Wort geprägt:
"Menschen mit Profil hinterlassen Eindruck. Profil bekommt man durch Einschnitte, nicht durch Nivellierung."

Grüßle, Sec

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Sec,

dass Herr Bundeskanzler Schmidt a.D. twittert (oder twittern lässt) wusste ich nicht. Ich sperre mich nach wie vor gegen Twitter, Facebook & Co.
Bin wohl etwas altmodisch veranlagt...

Barbara hat gesagt…

Da bekomme ich ja direkt Lust auf eine Zigarette...und das Buch ;-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Barbara,

gegen beides kann ich keine Einwände geltend machen.

:-)