Mittwoch, 9. September 2009

Auch kein Patentrezept: Gesund ohne Glauben

Über Sinn und Unsinn von Patentrezepten mit Wirkungsgarantie kann man geteilter Meinung sein.
Die einen lieben solche Rezepte, weil sie reichlich Geld damit verdienen: »Ihr Leben wird sich lohnen, wenn Ihr Penis ein Stück wächst«, »Mit uns wachen Sie gesund auf, auch wenn sie krank ins Bett gehen«, »So bekommen Sie jetzt ein Beförderung«… - einige Beispiele aus dem Spam-Ordner von heute.
Die anderen sind genervt, weil sie wissen, dass derartiger Unsinn nicht zur versprochenen und teuer bezahlten Wirkung führt.
Und dann gibt es offenbar auch noch diejenigen, die auf solche Rezepte hereinfallen – sonst wären die diesbezüglichen Anbieter längst pleite.

Jedoch nicht jeder, der Patentrezepte verteilt, ist ein Gauner. Es gibt zwar einerseits die knallhart kalkulierenden Geschäftemacher, aber es gibt auch diejenigen, bei denen etwas funktioniert hat, und die nun ihr Erlebnis oft genug in gutem Glauben als Rezept anpreisen, das für alle Menschen funktioniert. Auch in manchen christlichen Kreisen findet man solche und solche Rezeptverkünder. Zum Beispiel: »Jede Krankheit wird geheilt, wenn XXX und YYY gegeben sind«. Entweder XXX oder YYY wird in der Regel so umschrieben, dass »genug Glaube« vorhanden sein muss.

Im Johannesevangelium findet sich ein Text, der solche Thesen ad absurdum führt. Es gibt weiterte ähnliches aussagende Bibelpassagen, dieser ist jedenfalls schön eindeutig. Kapitel 5, 1-9:
(1) Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. (2) Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; (3) in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. (5) Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. (6) Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? (7) Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. (8) Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! (9) Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat.
Jesus stellt eine ganz einfache Frage, auf die eine ganz einfache Antwort möglich wäre. »Willst du gesund werden?«
Darauf reicht ein simples »Ja« oder »Nein«.
Statt dessen gibt jedoch der Kranke eine längere Erklärung ab: »Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.«
Eine etwas irritierende Antwort auf die einfache Frage, ob der Mann gesund werden möchte oder nicht.

Ach ja, noch etwas ist hier irritierend: Wo ist eigentlich Vers 4 geblieben? Normalerweise kommt in der Bibel nach einem Vers 3 und vor einem Vers 5 ein mit der 4 nummerierter Textteil. An dieser Stelle in den meisten Übersetzungen nicht. Man findet ihn allerdings bei Luther und in der Elberfelder als Fußnote, da steht dann nämlich:
… lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte und warteten auf eine bestimmte Bewegung des Wassers, (4) denn von Zeit zu Zeit kam ein Engel des Herrn und bewegte das Wasser. Und wer danach als Erster ins Wasser stieg, wurde geheilt.
Mit dieser (umstrittenen und deshalb in vielen Bibelausgaben nicht enthaltenen) Ergänzung scheint dann die Antwort des Kranken schon etwas verständlicher zu sein. Er sagt sinngemäß: »Ich würde ja wollen, sonst läge ich nicht hier an diesem Tümpel herum, und wenn du die Umstände kennen würdest, hättest du nicht solch eine komische Frage gestellt. Man muss darauf warten, dass da ein paar Wellen schwappen und dann der erste im Wasser sein. Ich habe einfach keine Chance, und je länger ich hier krank herumliege, desto schwächer werde ich.«

Das Ganze ist schon eine absonderliche Episode im Johannesevangelium. So eine Art Wettlauf: Der erste wird geheilt, egal welches Gebrechen ihn plagt, der Pokal für den besten Sprinter ist Gesundheit. Silber- und Bronzemedaillen gibt es leider nicht. (Manch ein Theologiegebäude müsste bei solchen Texten in sich zusammenstürzen.)

Doch zurück zum Gespräch am Teich. Wie mag der Kranke sich gefühlt haben? 38 Jahre wartet er krank in Betesda, mit der Hoffnung, dass ihn irgendwann jemand freundlicherweise als ersten ins Wasser trägt. Pustekuchen, wer von den Kranken laufen kann, wird selbst lossprinten, sobald sich da etwas im Teich bewegt – schließlich liegt hier niemand aus Barmherzigkeit auf der Lauer, sondern weil er selbst ein Leiden hat.
Und nun kommt dieser Unbekannte und fragt den Mann, ob er geheilt werden möchte oder nicht.
Eigentlich eine angesichts der Situation ziemlich unangebrachte Frage, auf die man nicht unbedingt überhaupt antworten muss. Vermutlich hat er aber aus der Stimme des Fragenden Mitleid, Anteilnahme herausgehört, womöglich hat er das auch als Motivationsversuch eines Unwissenden verstanden: »Reiss dich mal zusammen, warum liegst du hier nach 38 Jahren immer noch krank herum?«
Daher seine defensive Erklärung, die man ihm ja nicht vorwerfen kann: »Hey, Moment mal, mich trägt ja keiner runter zum Wasser und bis ich selbst hingekrochen bin, ist es zu spät. Ich habe es tausendmal versucht, aber es hat nie geklappt.«
Er bittet mit seiner Antwort um Verständnis, um Nachsicht mit seiner Situation, die er vermutlich nicht (durch ungesunden Lebenswandel oder ähnliches) verschuldet hat – und die er auch nicht ändern kann. Die Regeln sind ja nicht auf seinem Mist gewachsen: The winner takes it all. Es fehlt dem Mann, und auch das ist ihm nicht vorzuwerfen, an Vorstellungsvermögen bezüglich dessen, was Jesus ihm hier anbietet.
Aus dem weiteren Bericht im Evangelium geht hervor, dass der Kranke keine Ahnung hat, wer ihm diese unpassende Frage stellt. Er wird später gefragt, wer ihn denn geheilt hätte. »Der aber gesund geworden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war entwichen, da so viel Volk an dem Ort war«, heißt es in Vers 13.

Der Kranke ist völlig außer Stande, zu verstehen, dass derjenige, der vor ihm steht, das lebendige Wasser ist, dass gar keine Notwendigkeit besteht, auf jenen ominösen Wasserengel zu warten und dann blitzschnell in den Teich getragen zu werden.
Daher sagt er weder ja noch nein auf die einfache Frage, ob er geheilt werden möchte.
Der Mann besitzt mit Sicherheit keinen Glauben an seine Heilung oder an die Vollmacht des Fragenden. Vielleicht hofft er, dass dieser kräftige und dem Augenschein nach gesunde Mann ihn ins Wasser trägt, aus Mitleid, aber da sich dort gerade nichts bewegt, ist das aussichtslos. Man muss ja den richtigen Wellengang abwarten.
Andere Anwesende haben ebenfalls keinen Glauben. Womöglich hören andere Wartende der Unterhaltung zu, heißt es doch im Text dass »viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte« am Teich liegen, als Jesus dort vorbeikommt. Dass irgend einer von ihnen Jesus ge- oder erkannt hätte, davon ist nicht die Rede. Also ist hier, soweit es um Glauben geht, absolute Ebbe. Oder Flaute, um beim bewegten Wasser zu bleiben.

Das überraschende an dieser Situation ist, dass Jesus ihn trotzdem heilt – obwohl oder weil er weiß, dass dieser Mann gar nicht über die Möglichkeit verfügt, eine einfache Antwort »ja, ich will gesund werden«, zu geben.
Jesus heilt ihn darüber hinaus ungefragt. Weder der Kranke noch sonst jemand hat darum gebeten. Niemand hat den Mann zu Jesus gebracht mit dem Wunsch, dass er ihn gesund machen würde.

Es geht im Johannesevangelium an dieser Stelle gar nicht so sehr um diese Heilung, sondern um den zweifachen Tabubruch: Der Mann trägt seine Matratze am Sabbat nach Hause und wird prompt damit erwischt. Aufgefordert zu diesem Gesetzesverstoß hat ihn derjenige, dessen Namen er nicht einmal erfragt hat und der jetzt verschwunden ist. Jesus hat wieder einmal die eisernen Gebote seiner Religion verletzt (indem er am Sabbat heilt) und noch dazu jemanden angestiftet, ein Gesetzesbrecher zu werden (indem er ihm aufträgt, die Matratze mitzunehmen, wenn er geht).

Auf etliche Fragen gibt dieser Text keine Antworten her:
  • Wieso wird nur dieser eine Mann geheilt, wenn dort »viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte« am Teil liegen?
  • Wie haben sich diejenigen gefühlt, die Jesus krank am Teich hat liegen lassen?
  • Kann dieser ominöse Engel, der gelegentlich eine Heilungslotterie in Form eines Wetterennens zum Teich veranstaltet, eigentlich ein Engel Gottes sein?
  • Wenn ja, ist das gerecht?
Aber eine Frage beantwortet der Text immerhin:
  • Muss man selbst, muss irgendjemand unbedingt Glauben haben, damit eine Heilung geschieht?
Wenn dir jemand wieder mal das Patentrezept zur Heilung anbietet, in dem Glaube als Verordnung vorkommt, dann ist die Antwort ein klares, lautes und unmissverständliches »Nein!«

Das heißt natürlich nicht, dass Glaube schädlich oder einer Genesung hinderlich wäre. Es heißt nur, dass es nicht an deinem mangelnden Glauben liegt, wenn das Patentrezept versagt, wenn du krank bist und auch bleibst.

Bildquelle: Hungertuch Betesda von Sieger Köder

12 Kommentare:

Bento hat gesagt…

..hmm - das kann man auch anders deuten:

Was wäre denn die Reaktion des Unglaubens auf Jesu Aufforderung gewesen?
"Also hören sie mal, ich liege jetzt hier schon 38 Jahre rum und nun kommen sie daher und wollen mir weismachen, dass all meine Hoffnung vergeblich war und ich einfach so, und bloß weil sie es sagen...bla blu blubber...."
Sowas in der Art, oder?

Dieser Mann hatte ja längst Glauben an die übernatürliche Hilfe Gottes und hielt 38 Jahre gegen alle Wahrscheinlichkeit daran fest - DAS bewog Jesus zu ihm zu gehen und ihn zu heilen!

Er schildert Jesus nun seine Situation, denn er konnte seine Frage zunächst nur auf die Wassersache beziehen. Ja, vermutlich sieht er ihn schon als seinen "Retter" an, der ihn in´s Wasser tragen könnte, denn Anteilnahme war den Kranken damals fremd! Als Jesus ihm dann aber eine GANZ ANDERE Lösung anbot, war er seinem Wort gehorsam!
Er stellte NICHT die Fragen des Unglaubens: "heißt das jetzt, dass ich 38 Jahre umsonst hier rumliege und gehofft habe?..und was wird aus den Anderen? Was werden die Pharisäer sagen, wenn ich heute mit meinem Bett herumlaufe, immerhin ist Sabbath"...etc.pp

Er stimmte auch nicht "interlektuell" zu: "Geniale Idee, einfach gesund zu werden und rumzulaufen, ich werde das gerne tun, wenn es soweit ist, vorher möchte aber erst noch Genaueres über sie wissen: Wer gibt ihnen z.B. diese Vollmacht"...

Dieser Mann war aus menschlicher Sicht ohne jede Chance!
Er war aber nicht verbittert, sondern hatte die rechte Herzenshaltung.
Jesus erbarmt sich seiner und er TUT, was Jesus sagt.

Er ist imho ein Vorbild für den Glauben an Jesus und sein Wort!

LG + Segen

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Bento,

so kann man das natürlich ebenfalls deuten, Deine Version habe ich auch schon sinngemäß in Predigten gehört.

Aber: Der Mann wusste nun wirklich nicht, wer Jesus war, selbst hinterher. Also kann es nicht um den Glauben an Jesus bzw. seine Vollmacht gehen.
Er glaubte - da hast Du womöglich recht - an die übernatürliche Möglichkeit der Heilung durch ein Wunder, sonst wäre er nicht so lange an dem Teich geblieben. Oder blieb er dort, weil dies eben der Ort war, wo die Kranken in irgend einer Weise versorgt wurden? Mancher bettelte auf den Straßen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, vielleicht konnte oder wollte er das nicht? Dass da so viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte liegen, in fünf Hallen, deutet darauf hin, dass sie irgendwie versorgt wurden.

Dass er dann tatsächlich aufsteht und samt Bett nach Hause wandert, Sabbat hin oder her, statt zu zweifeln und zu nörgeln, das deutest Du als ein Zeichen des Glaubens. Nun wissen wir nicht, welches konkrete Leiden er hatte. Könnte es sein, dass er sofort das Resultat der Heilung sah / spürte und deshalb aufstand? Das wäre dann Sehen statt Glauben.

Vermutlich werden wir diesseits der Ewigkeit etliche Fragen offen lassen müssen, zum Beispiel die, warum Jesus nur zu diesem Mann ging - die anderen warteten am gleichen Ort auf das gleiche Wunder, vielleicht nicht 38 Jahre lang, aber die "Glaubensvoraussetzungen" waren identisch.

Wie gesagt: Es ist überhaupt nicht verkehrt, zu glauben, im Gegenteil. Mir geht es mit diesem Text darum, wider die Allerweltsformel »Du hast nicht genug geglaubt« zu streiten, die man so oft hört, wenn das erbetene Wunder nicht eintritt. Der Schuldige ist dann schnell gefunden: Der Kranke selbst.

Bento hat gesagt…

ok Günter - und "Hallo erstmaaal"...
;-)

dein Anliegen ist mir schon bewusst und die "Schuldfrage" zu stellen ist natürlich ein Unding! Schließlich geht es darum, dass die Herrlichkeit Gottes in der gefallenen Schöpfung offenbar wird - also um Gnade und nicht um Verurteilung. Dies geschieht - wenn wir die Aussagen der Schrift hierzu im Kontext betrachten - jedenfalls immer durch Glauben, sei es zunächst auch "nur" der Glaube dessen, der diese Gotteskraft freisetzt.

Dass die "edelen Motive" seines Ausharrens auch ganz andere Ursachen haben können, da gebe ich dir schon recht. Auch das Aufstehen sehe ich nicht unbedingt als "Glaubensschritt", sondern als Gehorsam an. Er hätte ja vor Freude auch alles stehn und liegen lassen können...

(btw - welche sind eigentl. die "ähnlichen Bibelstellen", von denen du sprichst?)

Jesus sieht das Herz.
Es ist selbstverständlich in erster Linie Erbarmen, was den Mann befreit, doch dies hat eine best. Geisteshaltung zur Grundlage, auch wenn jmd. keinen Schimmer von Jesus hat: Krispus, der Kämmerer, Cornelius usw. waren auch völlig ahnungslos in Bezug auf Jesus, widerstrebten aber der Wahrheit nicht, sondern suchten nach ihr und waren "aufnahmebereit", als sie ihr begegneten...

Beachtenswert scheint mir hierbei noch die Tatsache, dass Jesus die Prinzipien des Gottesreiches zeigt, BEVOR diese nun durch den Hl.Geist im Glaubenden Wirklichkeit-, und wir zu "Mitarbeitern Gottes" geworden sind.
Die relevante Frage für mich ist also: Wer wagt es denn heute im Glauben allein auf diese Tatsachen zu schauen und sich nicht von 38 jähriger "Erfahrung" beeindrucken zu lassen?...

Segen

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Bento,

Du schreibst: »Es ist selbstverständlich in erster Linie Erbarmen, was den Mann befreit, doch dies hat eine best. Geisteshaltung zur Grundlage...« - diese Grundlage kann ich eben gerade bei diesem Beispiel nicht erkennen. Also bleibt ausschließlich Erbarmen seitens Jesus übrig. Und die Frage, warum das Erbarmen dort am Teich nur diesen einen Mann trifft...

Was ähnliche Bibelstellen betrifft, wie wäre es zum Beispiel damit: Paulus predigt in XXL-Überlänge, und ein junger Mann fällt wegen Übermüdung aus dem Fenster. Da liegt nun die Leiche und keiner sagt: Weck den mal wieder auf, Paulus. Daran glaubt keiner. Der Tote glaubt auch nichts mehr. Wenn überhaupt, dann glaubt hier nur noch Paulus selbst.
Oder Lukas 7, ab Vers 11: Keiner bittet Jesus oder erwartet/glaubt, dass er den toten Jungen auferweckt. Die Leute sind nur auf dem Weg zum Friedhof, sonst nichts...

Das meine ich damit, dass es etliche Bibelstellen mit Wundern gibt, bei denen niemand Glauben aufbringt oder sich das Wunder irgendwie »verdient« hat.

Natürlich gibt es ebenfalls die vielen Stellen, wo es heißt: »Dein Glaube hat dir geholfen.«

Mich stört nur die Einseitigkeit der Verkündigung und Darstellung, die man gelegentlich antrifft, wenn es um Heilung oder sonstige Erhörung geht.

Bento hat gesagt…

...wir könnten nun den Ball wohl noch lange hin und her spielen ;-)

von "Verdienst" zu reden ist natürlich verwerflich - es sei denn man meint den Verdienst Jesu (!), aber die "etlichen Stellen, wo niemand Glauben aufbringt" sehe ich nicht.
Die Beispiele, die du nennst haben ja auch den Glauben der Akteure als Basis - auch ungefragt - wie ich im Eingangssatz vom vorigen Komment bereits bemerkt habe.

Wichtig bleibt, den Willen Gottes zu (er)kennen und zu tun, das ist immer die Grundlage.
Wir könnten sonst ständig die "Gerechtigkeitsfrage" stellen: Warum "trifft es" ausgerechnet Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes - es gab am See doch sicher hunderte von Fischern...

mich stört es jdf., wenn der Eindruck entsteht, Gottes Gnade wäre "willkürlich", den einen trifft es, den anderen eben nicht: Glück gehabt - Pech gehabt... dabei bleiben mir zuviele Grundlagen des Evangeliums auf der Strecke.

..was allerdings die Fragwürdigkeit so mancher Verkündigung betrifft, da bin ich allerdings ganz deiner Meinung! :-)

(oh, Passwort für diesen Komment ist "minds" ;-D...)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Bento,

»Die Beispiele, die du nennst haben ja auch den Glauben der Akteure als Basis - auch ungefragt - wie ich im Eingangssatz vom vorigen Komment bereits bemerkt habe.« - wer hat denn bei dem Jüngling vor Nain (Lukas 7 ab 11) als Akteur bitteschön Glauben gehabt? Außer Jesus, meine ich. Also ich sehe da niemanden...

Ich will gar nicht den Eindruck erwecken, die Gnade Gottes sei »willkürlich«. Aber selbst wenn jemand alles »richtig« macht und nichts auslässt, was er auch nur jemals über Hailung gehört oder gelesen hat, und trotzdem gibt es keinen Erfolg sondern nur Verschlimmerung - was dann?

Ich stecke mit meiner Familie genau in dieser Situation. Wir müssen ein qualvolles und nicht enden wollendes Sterben miterleben, trotz Glauben, trotz Proklamationen, trotz Bekenntnissen, trotz Herbeirufen von Ältesten und Pastoren, trotz Ölsalbung, trotz Fasten, trotz Beten, trotz wasnochalles...

Und dann hat der sterbenden Mensch (und ein Teil der Angehörigen) Angst, womöglich nicht genug Glauben gehabt zu haben.

Mehr will ich dazu nicht preisgeben, es schmerzt zu sehr und geht zu nahe. Immerhin hat der beteiligte Pastor auch zugegeben, in diesem Fall nichts zu wissen und nichts von Gott zu hören...

Bento hat gesagt…

Das tut mir wirklich sehr leid zu hören, Günter!

Habe nun einige Zeit darüber gebetet und auch ich bekomme bisher keine "Antwort".
Es ist ein dünnes Eis, das wir nun betreten. Die Fragen eines persönl. Schiksals gehören ins Gebet und in die Seelsorge, da helfen grundsätzliche Erkenntnisse meist nicht weiter. Soviel ist aber sicher: (Selbst)Vorwürfe sind zerstörerisch und kommen nicht von oben.


Was meinst du: Ist es legitim grundsätzliche Aussagen aus der Schrift über den göttlichen Willen zu verkünden und doch im Einzelfall "keine Erklärung" zu haben? Ich denke schon. Es geht ja nicht darum, den Ist-Zustand zu erklären, sondern im Vertrauen an der Gnade und dem Erbarmen Gottes unbeirrt festzuhalten, ganz gleich wie die Umstände sind. Das ist die oft herzzerreissende "Glaubensprüfung", die seit Abraham wohl jeder Gläubige in der einen oder anderen Form durchmacht.

Die Wirklichkeit findet nicht vor den Augen statt.
Wünsche dir und deiner Familie Segen und ein ungeteiltes Herz.

Bento

Robert hat gesagt…

Hallo

hätte eine Frage die aber zu diesem Thema nicht passt. Wie geht man mit Christen um die nicht an das Sprachengebet glauben (es ist von unten) Weil ganz klar für mich ist das sie biblisch ist DENN durch sie hab ich mich bekehrt. Also wie soll jetzt meine Bekehrung vom Teufel sein? So eine Verwirrung. Typisch Deutschland Viel im Kopf und wenig im Herzen!

LG
Robert

Günter J. Matthia hat gesagt…

@Bento: Selbstverständlich ist das legitim. Wohl kaum jemand hat Gott wirklich »verstanden«, seine Wege tatsächlich ergründet - und trotzdem darf man von dem reden und das weitergeben, was man von Gottes Gnade und Zuwendung etc. verstanden oder erlebt hat.
Herzlichen Dank für Gebete und Ermutigung!

@Robert: Mit Christen, die nicht an das Sprachengebet glauben, geht man genauso um wie mnit denen, die es tun (und erst recht mit denen, die Christus gar nicht kennen): Von Herzen liebhaben und betend segnen und ihr Diener sein, wo immer es geht.

Don Ralfo hat gesagt…

Prima Günter. Jetzt hast Du es geschafft mich total traurig zu machen. Mir steckt ein Kloß im Hals und ich erinnere mich an meinen Freund und ehemaligen Mitmusiker T.W.
bei dessen Sterben ich letztes Jahr dabei war. Das schlimmste daran war, einfach nicht helfen zu können.
Ich hatte morgens länger für ihn gebetet und von Gott gehört, daß ich ihn HEUTE besuchen solle, wenn ich ihn noch einmal sehen will. Dann gab mir Gott ein Bild von ihm, wie er im weißen Krankenhaushemd am Tisch mit den Engeln im Himmel saß und auf eine köstliche Mahlzeit wartete. In seinen Augen blitzte der Schalk und die Vorfreude. Und die Engel schienen auch total gut drauf und voll von liebevoller Ironie. (kennst Du den lieben, leisen Spott unter Ami-Christen?) Irgendwie so ähnlich. T. hatte Messer und Gabel links und rechts in den Händen und wartete ungeduldig auf das Himmelsmahl.

Nachmittags ging ich ins Krankenhaus und fand T. in einem schrecklichen Zustand vor. Eas war offensichtlich, daß er am Sterben war und sich quälte. Frau und zwei Töchter waren anwesend, sowie zwei drei Beter, die dem Tod geboten und für Heilung beteten. Auch die Familie betete mit und konnte und wollte ihn nicht loslassen. Ich wollte gern sagen, daß er am Sterben ist und noch Heute mit den Engeln speist - brachte es aber nicht übers Herz. Ich konnte keinen Ton herausbringen sondern nur leise innerlich beten. Mir kam das Ganze so unsinnig und erbarmungslos vor. (Das Verhalten der Beter) Auch die familie betete ja mit. Es wurden Psalmen gelesen und Worte proklamiert.
Dann setzte sich mein Freund ein letztes Mal auf und verlor Massenhaft Blut und Wasser aus der Nase. Das Einzige was ich für ihn tun konnte, war eine Nierenschale drunter zu halten. Die Familie schrie und es war entsetzlich. Dann wurden wir von dem herbeigerufenen Arzt des Zimmers verwiesen.
Auf dem Gang war Schweigen und Ratlosigkeit. Drinnen starb der Ehemann, Vater und Freund und wurde nicht wieder wach. Das war mir in dem Moment klar. Seine Frau lehnte mit dem Kopf an der Wand und schaute hilflos nach oben. Ich ging zu ihr hin, streichelte ihr die Haare und nahm sie in den Arm. Mehr konnte ich nicht tun und auch nicht reden.

Dann ging ich. Es war ein schöner sonniger Tag im April.
Ich besuchte meine kleine Enkelin, die um die Ecke wohnte und vergnügt mit mir spielte. Tod und Lebensfreude - so nah beieinander. Es brach mir das Herz.

Die Ehefrau meines Freundes schrieb mir später, daß ihr Gott während meiner Umarmung ganz nah gewesen war.
Und das das schlimmste an dem Tag gewesen sei, daß sie sich durch die Ablenkung des Gebets überhaupt nicht von ihrem geliebten Mann verabschieden konnte..
Sie vermisst ihn sehr.

Günter J. Matthia hat gesagt…

hallo don ralfo,

solche erlebnisse sind schmerzhaft und man darf traurig sein. muss traurig sein. auch lange zeit später, die zeit heilt eben doch nicht alle wunden.

ich habe gerade angesichts unseres eigenen verlustes viel und eher ergebnislos darüber nachgedacht, ob eine vernünftige sterbebegleitung nicht besser ist als charismatisches glaubensbekennen und -kämpfen.
wäre meine schwiegermutter friedlicher und schmerzloser gestorben, wenn statt "heilung heilung heilung" ein trauriger, aber liebevoller bewusster abschied stattgefunden hätte?
andererseits greift man nach jedem strohhalm, um sich hinterher nicht sagen zu müssen: hätten wir mal mehr gekämpft...

ich habe keine antwort.

Don Ralfo hat gesagt…

@Günter: Ich bin für mich zu dem Schluß gekommen, daß eine vernünftige Sterbebegleitung sehr sinnvoll ist. Auch die meisten Charismatiker müssen irgendwann sterben. Wenn man aber nur auf Glaubensheilung programmiert ist, steht man dem Tod völlig unvorbereitet gegenüber. Ich habe in meiner Tätigkeit in der ambulanten Krankenpflege einige Male mitbekommen, daß es den Sterbenden und Angehörigen viel leichter gemacht wird, wenn sie das Leben und ihre Lieben rechtzeitig loslassen und dem Tod ins Auge sehen können. Verdrängen ist da völlig kontraproduktiv. Unsere leitende Schwester glaubte auch an Heilung aber hat so manchen Krebskranken wunderbar auf das Jenseits vorbereitet. Mancher hat Jesus auf dem Totenbett angenommen. Sie war der Meinung, daß sowohl Geburt als auch Sterben eine heilige Sache ist.
Wieviele Krebskranke im Endstadium sind denn in Deiner und meiner Umgebung schon übernatürlich geheilt worden? 50%?
20% oder 1%? Oder noch weniger? Und was ist mit den 99,9% die nicht geheilt werden? Die lassen wir samt ihren Angehörigen unvorbereitet in die Ewigkeit gehen? Vielleicht gibt es da noch wichtige Dinge vorher zu erledigen, Menschen zu vergeben oder sich mit Freunden und Kindern zu versöhnen. Finanzielle Dinge zu regeln etc. etc.
Aber das Glauben und Heilung proklamieren schließt das alles aus, weil es ja Unglaube wäre.
Welch ein Schwachsinn (meine Meinung) Na ja der Platz reicht hier sicher nicht aus, daß bis zu Ende zu diskutieren.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie viel Trost, Kraft, Liebe und Nähe Gottes in dieser Zeit.
Gruß
Ralle