Sonntag, 10. Mai 2009

Abseits?

Gestern also war ich im Olympiastadion. Meine Prophetie vor dem Spiel hat sich als richtig erwiesen: Unsere Hertha (im folgenden die Guten) hat verdient gewonnen, die andere Mannschaft (im folgenden die Bösen) hat verdient verloren. Hier ein paar Stichpunkte. Der Nachmittag war...


übersichtlich
Dieses Foto (wider besseres Wissen aber in Ermangelung meiner Kamera mit dem Telefon angefertigt) zeigt die Perspektive, aus der ich das Spiel verfolgt habe. Anders als im TV natürlich. Man hat nie Details im Blick, sondern immer das Gesamtbild. Es war jedoch schön übersichtlich.

geistlich
Auf dem Weg ins Stadion, vor dem Spiel und zwischendurch unterhielten mein Freund Haso und ich uns über allerlei geistliche Themen. Vom Gemeindebau über leere Stadien bei »christlichen« Events bis zu den offensichtlichen Parallelen zwischen Fußballspielbesuch und Gottesdienstliturgie.

amüsant
Vor allem die Kommentare eines hinter uns sitzenden Herrn, der mit einem lautstarken Stimmorgan gesegnet und offensichtlich Experte war, brachten mich oft zum Schmunzeln. Als durch einen Spieler der Guten einer von den Bösen zu Fall gebracht wurde, rief der Mann hinter uns: »Der fällt doch bloß aus Altersschwäche!« Wenn einer von den Guten nicht nach den Wünschen des Herrn hinter uns mit dem Ball zurecht kam, gab es gute Ratschlägt: »Jetz aba rechts rum, du Pfeife!« »Mensch, renn doch mal!« »Nich imma mittm Außenrist!«

lehrreich
Ich lernte aufgrund der Reaktionen des Publikums, wenn ein neuer Spielstand eines andernorts stattfindenden Spieles angezeigt wurde, dass es nicht genügt, wenn die Guten gut spielen. Haso erläuterte fachkundig: Auch Stuttgart, Wolfsburg und Weißnichwer entscheiden darüber, ob unsere Hertha auf Platz 1 landen wird. Das finde ich doof.

bunt
Die Zuschauer waren überwiegend in Blau und Weiß gewandet. Auch ich hatte ein blaues T-Shirt, allerdings eines der »normalen« Sorte, gewählt. Der Schiedsrichter hielt das wohl für ziemlich einseitig und hob gelegentlich etwas Gelbes in die Höhe, was das Publikum einmal zu lautstarken Missfallensäußerungen und einmal zu freundlicher Zustimmung veranlasste.

verwirrend
Manches von den Abläufen auf dem Rasen war hübsch anzusehen, aber die Regeln sind mir nicht geläufig. Gab es eine Abseitssituation? Wenn ja, dann habe ich sie nicht als solche zur Kenntnis genommen.

religiös
Man soll ja den Römern ein Römer sein, also beteiligten mein Freund und ich uns an einigen der religiösen Übungen. Er brachte vor dem Spiel ein Speisopfer (Fischbrötchen) dar, ich ein Rauchopfer (Pall Mall). Wir beide entzogen uns auch nicht der weit verbreiteten Übung des mehrfachen Trankopfers (halber Liter für Drei Fuffzich).

musikalisch
An den Lobgesängen konnte ich mich mangels Textkenntnis nicht beteiligen, aber es wurde viel gesungen, vor dem Spiel und während des Spiels, vor allem immer dann, den die Guten ein Tor geschossen hatten. Herr Frank Zander sang nicht, sondern bedankte sich über die Videowände dafür, dass Hertha BSC 1000 Karten für den guten Zweck spendiert hatte, den er unterstützt. Es sangen aber die Ärzte, irgend was von Meisterschaft.

beeindruckend
Über 71.000 Menschen nach offizieller Zählung füllten das Stadion. Das ist schon eine beeindruckende Kulisse, die sich auch durch beeindruckende Lautstärke auszudrücken vermag. Bemerkenswert fand ich auch die generations- und schichtübergreifende Faszination des Fußballs. Sehr viele Familien mit Kindern waren da, junge Leute, ältere Herrschaften. Es gab Anzüge und Krawatten zu sehen, hübsche Kleider und Blusen, allerdings (wie erwähnt) hatten sich doch die meisten Menschen in den Vereinsfarben verkleidet. Überraschend für mich: Sehr viel weibliches Publikum, ich dachte immer, Fußball im Stadion sei Mänersache.

Kurz gesagt: Schön wars. Hat mir Spaß gemacht, das erste Fußballspiel meines Lebens. Hasos Tochter schickte ihm nach Ende des Spiels eine SMS mit der Aufforderung, er solle mich jetzt jedes Mal mitnehmen, da ich der Hertha Glück bringen würde. Nun ja. Ich meine, die Akteure auf dem Rasen schaffen das auch ohne mich. Dass das nicht das letzte Fußballspiel sein muss, dem ich beiwohne, ist allerdings auch wahr.