Mittwoch, 2. September 2009

Bring dein eigenes Gehirn mit!

Zu Recht weitgehend verpönt sind hierzulande die »typischen Amerikaner«, die eingeflogen werden, ein paar Predigten halten, deren Bodenhaftung zumindest zweifelhaft ist und die dann in von ihnen so bezeichneten »Prophetien« das Blaue vom Himmel versprechen, auch wenn der Himmel grau oder schwarz sein wird. Es gibt aber - Gott sei Dank! - nicht nur »typische« Amerikaner.

Wenn eine Gemeinde zu ihren Bibelgesprächskreisen mit der Bitte »Bring your own brain« (Bring dein eigenes Gehirn mit) einlädt, dann ist schon die Tatsache, dass die Gläubigen denken dürfen und sollen, eine kleine Sensation. »Looking for answers? We were hoping, you had some.« (Auf der Suche nach Antworten? Wir hatten gehofft, dass du einige mitbringst) steht über den Einladungen. Auch das ist erfrischend anders: Da weiß wohl die Leiterschaft einer Kirche nicht alles, hat nicht alle Antworten parat? Na so was! Aber hallo!

Die Gemeinde nennt sich »House for all sinners and saints« (Haus für alle Sünder und Heiligen). Das dürfte in etwa das umschreiben, was die ersten Gemeinden in der Apostelgeschichte und den neutestamentlichen Briefen waren.

Manch einer mag es nach diesen kurzen Beschreibungen womöglich nicht glauben wollen: Die Rede ist von einer Kirche, in der die lutherische Liturgie samt Eucharistie gefeiert wird, mit einer »richtigen« ordinierten Pfarrerin. Die Rede ist aber auch von einer Gemeinde, in der »das Wirken des Heiligen Geistes durch die Beziehungen bezeugt wird«, wo »die Menschen zueinander gehören, sowohl in der Freude als auch im Leid«.

Nadia Bolz-Weber, die Pastorin dieser außergewöhnlichen Kirche ist am 3. September in der evangelisch freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) Berlin-Schöneberg zu Gast, um aus ihrem Buch Salvation on the small screen? 24 hours of Christian Television zu lesen. Sie sagt über ihr Buch: »This is my book. It will change your life. Ok, not really.« Na, wenn das keine tiefschürfende Aussage ist! Ein Kritiker meinte: »I was not disappointed. The author writes with wit, and the kind of humor that is lacking in today's writing. She also raises some very good questions that have needed to be raised.«

Um 19:30 Uhr kann man sie in der Hauptstraße 125, 10827 Berlin kennen lernen. Ich werde mir das nicht entgehen lassen und würde auch meinen Blogbesuchern (soweit sie sich nicht in unzumutbar weiter Entfernung von Berlin befinden) dringend ans Herz legen, mal jemanden zu erleben, bei dem das Bild des »typischen Amerikaners« ganz erheblich ins Wanken geraten dürfte.

Das eigene Gehirn darf übrigens, davon gehe ich aus, mitgebracht und sogar eingesetzt werden.