Samstag, 19. Februar 2011

Von der Quibunation und der Kropalakostung

Nehmen wir an, Herr A. möchte seinen Kollegen Herrn B. davon überzeugen, dass es gut, dass es sogar lebenswichtig wäre, eine Quibunation durchführen zu lassen, weil andernfalls Herrn B. unausweichlich das Schicksal der Kropalakostung droht.

Herr B. weiß weder, was eine Quibunation sein soll, noch kann er mit Kropalakostung etwas anfangen. Er versichert Herrn A., dass es ihm gut geht und dass er keine Angst verspürt vor der Kropalakostung.

Herr A. erwidert etwas, was die Verwirrung nur noch steigert. »Es steht geschrieben«, sagt er, »dass es ohne Quibunation keinen Ausweg gibt, die Kropalakostung kommt dann wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel – wenn man am wenigsten damit rechnet. Und dann ist es zu spät für die Quibunation.«

Herr B. muss beim Zuhören an Professor Pirkheimer denken, dessen Aussagen in einer Loriot-Sendung mit einem ähnlich gearteten Zitat dem Absatz von Badesalz und Wurzelbürsten zu neuen Höhenflügen verhelfen sollte. Er verabschiedet sich nun höflich bei Herrn A. und geht – innerlich kopfschüttelnd – seines Weges.

 

QuestionsWenn der geneigte Leser mit den Begriffen Quibunation und Kropalakostung nichts anzufangen weiß, dann kann ich ihm versichern, dass es mir genauso geht. Ich fand beim Schreiben, dass die Silben hübsch klingen, aber eine Bedeutung haben sie nicht.

Genau so wie dem Leser dieses Aufsatzes geht es unseren Mitmenschen (Herr B. sei ihr Vertreter), wenn sie von wohlmeinenden Christen (Herr A. sei ein solcher) mit Sätzen und Worten konfrontiert werden, denen sie keine Bedeutung zuzuordnen in der Lage sind.

»Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.«

Schon die Tatsache, dass der Satz mit einem »Denn« beginnt, irritiert. Das Wort ohne einen vorausgegangenen Zusammenhang macht stutzig. »Denn« leitet eine Begründung ein, aber was hier begründet werden soll, hat Herr B. nicht erfahren. Und überhaupt: »Sünde« - was soll das denn sein, denkt er und ist leicht indigniert. Er führt ein ordentliches, ein anständiges Leben. Und, so überlegt er, wenn der Tod »Lohn der Sünde« sein soll, warum sterben dann auch gute Menschen manchmal allzu früh?

Herr A. bekräftigt inzwischen: »Es steht geschrieben: Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.«

Herr B. ist ein höflicher Mensch, er will sich nicht streiten, aber er fragt in dem Bemühen, seinen Gesprächspartner zu verstehen, nach: »Es steht geschrieben, sagen Sie, was meinen Sie damit?«

Herr B. antwortet triumphierend: »Das steht in der Bibel!«

Gegen dieses Argument, da ist er sicher, kann niemand auf der Welt einen Einwand erheben, denn wer würde dem Wort Gottes widersprechen?

Jedoch: Herr B. verabschiedet sich nun höflich von Herrn A. und geht – innerlich kopfschüttelnd – seines Weges.

Herr A. hat kein Verständnis für die Welt des Herrn B. und deshalb versteht Herr B. nicht, was Herr A. zu sagen versucht. Was hat Herr A. alles nicht verstanden? Sicher einiges, hier nur drei Punkte von vielen:

  • Ein normaler Mensch in unserer Gesellschaft kann mit Begriffen wie »Sünde«, »Verdammnis«, »Errettung«, »Heil« »Gnadengabe« so viel anfangen wie der Leser dieses Artikels mit »Quibunation« und »Kropalakostung«.
  • Er lebt meist ein anständiges und nach den gesellschaftlichen Konventionen moralisch unanstößiges Leben, ist fleißig, nimmt Rücksicht auf seine Mitmenschen und verspürt keinerlei Bedürfnis, auf mystische Weise »errettet« zu werden.
  • Er liest womöglich gerne Bücher, vielleicht auch einmal die Bibel, aber deren Autoren sind für ihn keineswegs mit Autorität über sein persönliches Leben ausgestattet. Er gesteht dem Buch zu, dass es gewisse Lebensweisheiten und poetische Verse für Hochzeit oder Beerdigung enthält, durchaus auch von historischer Bedeutung ist und einige spannende Geschichten erzählt, aber das trifft auch auf andere religiöse oder philosophische Werke zu. Die Begründung, dass etwas in der Bibel stünde, ist so aussagekräftig wie der Hinweis, dass Stephen King es geschrieben hätte.

Wenn Herr A. das nicht versteht, wird Herr B. ihn niemals verstehen. Was sich ein langjährig gläubiger Christ an Überzeugungen und Glaubensinhalten angeeignet hat, wird von seinen Mitmenschen vielleicht akzeptiert und toleriert, aber das macht es nicht verbindlich für die eigene Lebensgestaltung. Man gesteht den Christen zu, dass sie ihre Religion ausüben dürfen und sollen, aber gleiches gilt für andere Religionen und Lebensentwürfe.

Herr A. wird die Welt, das Denken und das Empfinden des Herrn B. womöglich niemals verstehen, weil er bereits dermaßen in seine fromme Parallelgesellschaft zurückgezogen lebt, dass ihm alles »weltliche« völlig fremd geworden und eine wirkliche Kommunikation nicht mehr möglich ist. Und je mehr er mit frommen Sprüchen und unverständlichen Forderungen seine Mitmenschen nervt, desto mehr Grund finden diese, alle Christen für wunderlich, weltfremd, nicht ganz normal und aufdringlich zu halten.

 

Viele gut gemeinte evangelistische Anstrengungen, auch und vielleicht vor allem im Internet, laufen ins Leere, weil sie für den Zuhörer weltfremd und unverständlich sind.

Es mag unterhaltsam sein, Zitate aus der Bibel auf Facebook zum besten zu geben. Unterhaltsam für denjenigen, der es tut und für diejenigen, die sowieso schon fromm sind. Ich kann daran nichts Verwerfliches erkennen, aber evangelistisch oder missionarisch ist so etwas sicher nicht. »Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. 2.Kor.3,3-18« - das versteht keiner, der nicht eingeweiht ist, und das Zahlen-Buchstaben-Kürzel hinter dem Satz hilft auch nicht weiter.

Internetseiten von Gemeinden und Kirchen sind ebenfalls überwiegend gut gemeint und genauso wirkungslos. Wenn auf der Startseite ein Bibelspruch prangt und ansonsten dem Besucher vorgeschlagen wird, die Gottesdienste am Sonntag und weitere Veranstaltungen zu besuchen, dann kann er nicht erkennen, was er denn davon haben soll, der Einladung zu folgen. Auch solche Internetseiten sind nicht per se falsch, denn sie können ja für Gemeindemitglieder durchaus informativ oder unterhaltsam sein. »Mittwochs ist Hauskreis« - ein Kreis von Häusern? Häuser umkreisen?

Sollte sich ausnahmsweise mal ein fremder Besucher in einen Gottesdienst verirren, dann werden ihm so manche unverständlichen Dinge widerfahren. »Würdig das Lamm, das geopfert ward …« wird da gesungen, und »He is exalted, the king is exalted on high …«. Welches Lamm, denkt der Besucher, und welcher König? Sind das zwei verschiedene Wesen? Wiederum: Auch daran gibt es nichts auszusetzen, dass Gläubige gemeinsam Gott anbeten. Dass in der Predigt ein Bibeltext behandelt wird, ist auch völlig in Ordnung, aber fragen wir uns dabei, ob jemand, der keine Ahnung vom Christentum hat, begreifen kann, wovon die Rede ist? Sind unsere Zusammenkünfte überhaupt geeignet, jemanden einzuladen, der von Jesus nichts weiß außer vielleicht noch, dass Weihnachten etwas mit ihm zu tun hat?

 

Vielleicht hätte Herr A. seinem Kollegen Herrn B. beim Umzug helfen sollen, oder ihn bei der Arbeit unterstützen können? Weiß Herr A., was Herrn B. beschäftigt, worüber er nachdenkt, welche Sorgen er hat, welche Hobbys er pflegt?

5 Kommentare:

die Vorgärtnerin hat gesagt…

So einen Fall von Insiderwissen hatte ich Mittwoch auch.
Da stand an der kath. Kirche der Hinweis, dass der Chor (den ich gerne mit meinem Gesang bereichern will) heute im Familienkreis singt und danach zum Offenen Singen im kath. Vereinsheim einlädt.
Da ich weder wusste, wo sich der Familienkreis trifft noch, wann "danach" sein würde, bin ich betrübt nach Hause gedackelt.

Dass sich der Text in diese Richtung entwickeln würde, war mir dank meiner christlichen Sozialisation recht bald klar.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Insiderwissen ist ja okay, solange es inside verwendet wird.
Vielleicht kannst du ja den Chor trotzdem noch ausfindig machen?

Kerstin hat gesagt…

Du bloggst mir aus dem Herzen.
Ich habe seit Jahren nie das Gefühl gehabt, dass ein Gottesdienst geeignet wäre, jemanden mitzunehmen, der nichts von dem Verein weiß.
Am Ende wird er in der Predigt noch als "Nichtchrist" bezeichnet, bah.

Leute mit Jesus in Kontakt bringen... lieber daheim und per straßentauglichem Vokabular.

Günter J. Matthia hat gesagt…

...das scheint mir auch die bessere Variante zu sein. Schade eigentlich.

Stephan Hollandt hat gesagt…

Dieser Post gibt mir Anlass, mich mal wieder zu melden und kund zu tun, dass mir der Blog im Allgemeinen und dieser Beitrag im Besonderen ausgesprochen gut gefallen.Herzlichen Gruß aus dem ausgekühlten, aber sonnigen Thüringen!