Mittwoch, 6. April 2011

Von bösen Moslems und bösen Christen

Es kann sich in den USA jeder dahergelaufene Trottel Pastor nennen, und manch einer tut es auch. 20 bis 30 Anhänger hat »Pastor« Terry Jones, der Mann, der unbedingt einen Koran verbrennen musste. Die amerikanischen Medien hatten sich - im Gegensatz zur abgeblasenen Koranverbrennung im September 2010 - diesmal zurückgehalten und die absurde Veranstaltung ignoriert. Der selbsternannte Pastor stellte sein Video ins Internet - ebenfalls ohne irgend ein Medienecho und ohne nennenswerte Zuschauerzahlen. So weit, so gut.

File:Golden Crescent Moon.jpgAufmerksamkeit für die Veranstaltung entstand erst, als beim angeblichen Protest gegen die Koranverbrennung Moslems in Afghanistan Menschen umbrachten, die mit dem Geschehen in Florida überhaupt nichts zu tun hatten. Selbst wenn sie bei der Verbrennung des Koran mitgemacht hätten, wäre dies kein Grund, ihnen das Leben zu nehmen, aber die Ermordeten waren sicher keine Sympathisanten des Terry Jones.

Die Versuchung liegt nahe, hier Unrecht (öffentliche Bücherverbrennung) und Verbrechen (Ermordung von Menschen) gegeneinander in die Waagschale zu legen. Der Mob in Afghanistan gibt dem Pastor in Florida tatsächlich im Nachhinein Recht, denn einer Religion, die solche Gewaltexzesse fordern und fördern würde, wäre unbedingt entgegen zu treten. Zwar nicht mit dem Verbrennen von Büchern, aber doch sehr entschieden.

Nun ist allerdings Terry Jones so »christlich« wie die Mörder »moslemisch« sind. Es geht weder auf der einen noch auf der anderen Seite um den Glauben an einen Gott. Hassprediger aller Couleur missbrauchen die jeweilige Religion für ganz andere Ziele als sie vorgeben; Macht, Einfluss, Geld, Politik ... alles mögliche spielt eine Rolle, aber auf keinen Fall die Liebe zu Gott oder der Dienst für ihn.

Manch ein Kommentator hat in diesen Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass der Islam im Gegensatz zu anderen Religionen vor allem durch Gewalt und Mord auffällt. Das stimmt. Doch woran das liegt, wird kaum beachtet. Es reicht ja meist, festzustellen, dass hier die Guten und dort die Bösen zu finden sind.

Die Geschichte des Christentums ist streckenweise eine sehr blutige, brutale und grauenhafte Geschichte. Von erbarmungslosen Eroberungskriegen bis zur Enthauptung von Christen, die ihren Glauben anders lebten als die kirchliche Führung es wollte, von Sklaverei bis zu geistlichem und körperlichem Missbrauch; zum Teil bis heute.

File:Contre-jour.jpgIst daran der christliche Glaube Schuld? Kein vernünftiger Mensch wird das wohl heute noch so sehen. Man weiß zu unterscheiden zwischen denen, die wie Terry Jones den Glauben missbrauchen und dem Glauben an sich. Es ist Vernunft eingekehrt.
Beobachtet man die Gewaltexzesse in islamischen Ländern, dann ist von Vernunft nicht viel zu bemerken. Vielleicht liegt das auch daran, dass normale Menschen, ob sie nun an Jesus oder Mohammed glauben, für die Medien uninteressant sind. Die Vernünftigen, die Gebildeten, die sprengen sich und andere nicht in die Luft und die ermorden keine UN-Helfer. Sie verbrennen auch keine Bücher. Sie bekommen folglich auch keine Schlagzeilen.

Gleichwohl gibt es deutlich mehr Gewalt und Verbrechen im Namen des Islam als es bei anderen Religionen heute der Fall ist. Vielleicht wird der Islam, wenn die Vernunft aufgrund vermehrter Bildung und Aufklärung zunimmt, immer weniger als Deckmäntelchen für Fanatiker taugen, so wie das Christentum als Deckmäntelchen für Terry Jones und ähnliche Gestalten nicht taugt? Womöglich werden die Fanatiker weniger zahlreich, wenn das Bildungsniveau steigt?

Es wäre zu wünschen.

7 Kommentare:

berlinjc hat gesagt…

Bevor ich hier Weiteres äußere, will ich nur klarstellen, dass es für mich immer einen großen Unterschied zwischen dem einzelnen Menschen und einem System geben kann. Hinsichtlich des Islam gilt ebenso, dass es zig verschiedene Strömungen gibt, womit es natürlich schwer ist, vom Islam an sich zu schreiben. Naja, will jetzt keine Diplomarbeit daraus machen (ach, "Diplom" gibt's ja eh nicht mehr, oder?)...

Meine Beobachtung ist die:
Der Koran selbst ist anders zu lesen als die Bibel, was wohl an der Literaturgattung, dem Kontext und dem/den Verfasser/n liegt. Dem Koran lässt sich m.E. recht eindeutig entnehmen, dass unter bestimmten Umständen Gewalt seitens des Islam zulässig oder gar geboten ist. Manch Bibelverse könnte man in eine ähnliche Richtung drehen, wobei dies exegetisch vom Ergebnis falsch werden dürfte (Jesus als höchste Offenbarung Gottes mit dem Gebot der Feindesliebe...).
D.h.: Solange man den Koran nicht nur symbolisch verstehen will, wird man immer eine Grundlage für Gewaltanwendung finden.
Doch wie groß ist die Chance, dass "der" Islam den Koran vergeistlichen wird?

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo berlinjc, "dass es zig verschiedene Strömungen gibt" - haben wir ja auch. Katholiken, Protestanten, Baptisten, Pietisten, Charismatiker, Methodisten, Alt-Katholiken, Orthodoxe, Pfingstler Evangelikale, Freaks ...
Was die Gewalt betrifft hast Du recht, wenn man davon ausgeht, dass der alttestamentliche Gott (beziehungsweise das Gottesbild, von Menschen in die Bibel gemalt) mit Jesus beziehungsweise dem Neuen Testament ungültig geworden ist.
Eine Vergeistlichung des Korans mag noch ein paar Hundert Jahre dauern, geht aber dort, wo Moslems in westlichen Kulturen leben, wesentlich schneller. Da reichen meist eine oder zwei Generationen. Allerdings geht das dann manchmal nach Hinten los, wie radikalisierte Jugendliche zeigen. Und da sind wir dann wieder beim Ausgangspunkt: Ist das der Islam oder sind das die Lebensumstände der (beispielsweise) arabischen / türkischen Jugendlichen in Berlin, die zu Hass und Gewalt führen?

berlinjc hat gesagt…

Wenn man das wüsste! Lebensumstände oder Islam? :-)
Vielleicht ein Mix?
Letztlich immer der Mensch selbst.
Das Nachdenkenswerte ist für mich, dass es sowohl sehr gebildete und "behütet" aufgewachsene Gewalttäter gibt ebenso wie solche, die schwierige Lebenstumstände hatten.
Grundsätzlich halte ich den Verweis auf Lebensumstände nicht falsch, aber oftmals für überwertet.

Ich will auch gar nicht auf "die Moslems" zeigen (habe gerade die DVD "Fair Game" gesehen - indirekt geht es dabei um die Kriegstreiber aus dem Weißen Haus - da scheint keiner besser zu sein), halte aber den Koran in Sachen Gewaltlegitimation für sehr bedenklich.
Weil der Koran die Gewalt-Tür offen hält, dürfte es letztlich nebensächlich sein, wie die Lebensumstände sind (damit will ich nicht tatsächliches Leid relativieren).

Günter J. Matthia hat gesagt…

Eben. Genau. Es kommt bei Gewalttätern weniger auf die Religionszugehörigkeit an als auf andere Faktoren. Die Gewalt-Tür kann man mit oder ohne Islam oder Christentum öffnen. Auch als Atheist oder Jude. Bei Buddhisten bin ich mir da nicht so sicher - die sind außerordentlich friedlich. ;-)

berlinjc hat gesagt…

Was ich aber eben bedenklich finde, ist, dass es Religionen/Ideologien gibt, die Gewalt legitimieren, wenn es Widerstand gegen diese Art der Religion geben sollte. So eben im Koran zu lesen. Das fördert die ohnehin menschliche Schwäche zur Gewalt.

Buddhisten machen mitunter auch "in Gewalt". Kenne mich nur oberflächlich mit dem Buddhismus aus, habe keine tantrischen Schriften studiert, war nur eine zeitlang "Hobby-Laie" mit bissel Zen-Meditation usw. Aber es gibt angeblich tantrische Vorschriften, die u.U. das Töten gebieten. Auch die Geschichte des tibetanischen Buddhismus ist immer wieder voll mit Gewalt.

Endgültigen Frieden gibt's wohl erst nach dem zweiten Kommen Jesu... oder als Vorgeschmack die Nachtruhe.

Gute Nacht!

Günter J. Matthia hat gesagt…

Du schreibst: »Was ich aber eben bedenklich finde, ist, dass es Religionen/Ideologien gibt, die Gewalt legitimieren, wenn es Widerstand gegen diese Art der Religion geben sollte.«

David, der vielgepriesene Autor der Psalmen, hat unbekümmert in eines seiner Jubellieder mit Blick auf die Heiden hineingeschrieben: »Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert!«

Pfui, Herr David! So was schreibt man nicht in einen Psalm.

berlinjc hat gesagt…

Das ist wirklich auch unlieb von David. Wenn der mir zwischen die Finger gekommen wäre, dann...
ach nee, darf ich ja nicht.
:-)

So verstehe ich die Psalmen: als Gebete/Lieder, die an Gott gerichtet sind. Manchmal scheint Prophetisches in den Psalmen aufzutauchen, wobei die Unterscheidung zwischen rein menschlichen Wünschen und göttlichen Wünschen nicht immer ganz einfach ist. Wahrscheinlich wie bei unseren Gebeten...
Da es in diesem David-Fall keine vergleichbare göttliche Weisung von Jesus her gibt, sondern stattdessen die Kinder-Segnung, würde ich dieses Gebet dem Zorn Davids zuschreiben und nicht dem Zorn Gottes.

Das könnte der Punkt sein:
Wie sollen wir die Bibel auslegen, vor allem, wenn es unterschiedliche literarische Gattungen gibt?
Ich bin nun kein Islam-Experte, aber Gleiches entdecke ich bei der Koran-Auslegung nicht.
Die Moslems, die den Koran eher mystisch auslegen, sind eine Minderheit und werden von Sunniten und Schiiten nicht ernst genommen. Für diese beiden größten Gruppen des Islam sind die Worte Mohammeds im Koran nicht anfechtbar. Der Koran sei als direkte Handlungsanweisung für das islamische Leben zu verstehen. Ein Psalm wie der von David würde also nicht als persönliches Gebet zu verstehen sein, sondern als eine Anweisung zum Handeln.

Naja, vielleicht verstehe ich das alles auch noch nicht ganz. Die Wahrscheinlichkeit ist groß. :-)