Freitag, 7. Januar 2011

Jessika – ein Verhängnis. /// Teil 5

Um die geneigten Blogbesucher nicht allzu sehr auf die Folter zu spannen und weiteren Frustrationen durch vergebliches Warten vorzubeugen geht es heute weiter. Allerdings nur mit einem recht kurzen Text, und ohne Umfrage am Ende. Die nächste Umfrage kommt dann, wenn ich wieder an einem möglichen Wendepunkt oder Scheideweg angekommen sein werde. Versprochen!

Ach ja, die vorigen Teile: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4]

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Jessika nickte. Der Mann gab ihr die Tasche, den Reisepass behielt er in der Hand. Das Tohuwabohu im Wagen war noch immer im Gange, durch das Zugfenster sah sie, dass etwa 50 Meter von den Geleisen entfernt auf der linken Seite eine Straße entlangführte. Viel Verkehr herrschte dort nicht, aber gerade fuhr ein Lastwagen vorbei. Vermutlich waren ihre Chancen, unbehelligt aus der Situation zu kommen, außerhalb des Zuges größer. Auf den sowieso gefälschten Pass konnte sie getrost verzichten, nur wie sie ungehindert und möglichst unbemerkt aus der Bahn kommen sollte, war ihr noch nicht klar.

Violetta weinte nun laut, wodurch die Aufmerksamkeit der meisten Anwesenden abgelenkt wurde. Jessika ging die drei Schritte zur Tür des Wagens und probierte die Klinke, die Tür ließ sich öffnen. Sollte sie ohne ihr Gepäck den Sprung hinaus wagen? Ohne einen Bahnsteig am Zug sah die Entfernung zum Boden ziemlich beängstigend aus für jemanden, der Schuhe mit hohen Absätzen an den Füßen hatte. Außerdem war da kein Asphalt oder Beton zu sehen, sondern steil zu einem Graben abfallender Schotter. Jedes Zögern verringerte die Chancen, sich aus dem Staub zu machen erheblich. Sie überlegte, ob in ihrem Gepäck irgend welche Gegenstände oder Kleidungsstücke waren, mit denen man auf ihre Identität Rückschlüsse ziehen konnte. Sicher war das der Fall, wenn jemand auf die Idee kommen sollte, DNA-Spuren zu verfolgen, Zahnbürste, Haarbürste, getragene Wäsche... - und Fingerabdrücke sowieso. Jessika war ziemlich sicher, dass den toten Giuseppe Di Stefano niemand mit ihr in Verbindung bringen würde, aber es war eben auch nicht mit Sicherheit auszuschließen. Besser wäre es auf jeden Fall, nicht ohne den Koffer zu verschwinden.

Jemand tippte ihr auf die Schulter. Es war der Mann, der immer noch ihren Reisepass in der Hand hielt.

»Das ist zu hoch zum herausspringen. Sie brechen sich nur die Knochen«, sagte er, während er ihr das Dokument entgegenhielt.

»Ich wollte ja auch nur Luft schnappen!« Jessika schloss die Türe wieder, nahm den Pass und steckte ihn in ihre Handtasche. Einer der uniformierten Bahnbediensteten trat auf sie zu. »Signora, per favore...«

»I am sorry, I don’t understand«, unterbrach sie ihn. »And I need to get back to my seat. Feeling pretty dizzy.«

»Inglese? Mi displace...«

»I’m getting sick...« erklärte Jessika und schob sich an dem Uniformierten und den aufgeregt diskutierenden Fahrgästen vorbei, um schnurstracks den Gang hinunter zu ihrem Abteil zu gehen. Die kleine Violetta und ihre Mutter wurden gerade von dem zweiten Bahnmitarbeiter befragt. Als sie im nächsten Wagen durch den Gang eilte, blickte Jessika kurz zurück. Niemand folgte ihr. Gut. Sehr gut. Du kommst wieder mal ungeschoren davon. Voraussichtlich.

Das Abteil war leer. Sie holte ihren Koffer aus dem Gepäcknetz und ging zum nächsten Ausgang. Als sie nach der Klinke griff, wurde die Türe von außen geöffnet.

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Fortsetzung bald. Versprochen!