Sonntag, 26. Juni 2011

Jessika - Die Konfrontation /// Teil 6

Der Blick zurück: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4] [Teil 5]. Und nun der ziemlich kurze Teil 6:

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Die Polizei, so erzählte uns der Chef des Hotel Klika, war wegen eines Zechprellers gekommen, der samt Familie auf der Terasse zu Mittag gespeist hatte. Der Mann, ein Österreicher dem Akzent nach, hatte die Rechnung verlangt und als der Kellner damit wieder auf die Terasse kam, war die ganze Familie verschwunden.

Wir kündigten unsere Abreise an und versprachen, unsere Rechnungen zu bezahlen, nachdem wir die Koffer gepackt hatten.

Ich war schnell fertig damit, da ich stets mit wenig Gepäck reiste. Zwei Jeans hatte ich bei mir, für jeden Tag ein Hemd oder T-Shirt sowie Unterwäsche, drei Paar Socken, einen Pullover für kühle Abende oder Tage, einen Regenmantel, Sandalen und ein paar feste Schuhe; Zahnbürste und -pasta sowie Rasierapparat, um die Barthaare alle zwei oder drei Tage auf zwei Millimeter zu trimmen. Und natürlich hatte ich stets meinen Computer und meine Kamera dabei sowie das schlaue Mobiltelefon samt Ladegerät. Mehr brachte ich nie mit, denn Handtücher, Seife und Duschgel gab es im Hotel und Kleinigkeiten konnte ich am Urlaubsort kaufen, falls ich welche benötigen sollte.

Recepce hotelu Klika - Reception - die RezeptionIch ging davon aus, dass Jessika länger brauchen würde als ich, aber sie stand schon mit zwei Koffern an der Rezeption, als ich dort ankam. Sie plauderte vergnügt mit dem Inhaber, während sie zahlreiche tschechische Geldscheine abzählte, die sie dann hinüberreichte. Er zählte nach, wobei ich wieder die mirakulösen tschechischen Zahlen zu hören bekam, mit denen ich nie und nimmer im Leben irgend etwas anfangen können würde. »třista, šest set, tisíc…«

Als ich meine Rechnung verlangte, sagte er: »Das hat vaše snoubenka schon bezahlt.«

Ich war etwas ratlos, wer vaše snoubenka sein sollte.

»Du bist mein Gast«, klärte mich Jessika auf.

Ich hatte nicht vor, in Gegenwart unseres Hotelbesitzers einen Streit anzufangen, daher nickte ich und sagte: »So.«

Wir verabschiedeten uns, versprachen, wieder zu kommen und gingen mit unserem Gepäck zum Parkplatz. Mit den Zimmerschlüsseln waren auch die Toröffner nicht mehr verfügbar, aber daran dachte der Chef des Hotels natürlich und öffnete vom Büro aus.

Jessika lud ihr Gepäck in mein Auto und bat mich: »Fährst du mir hinterher, dann bringe ich das Kabrio seiner Besitzerin zurück und wir können gleich von dort aus abreisen?«

»Kein Problem, vaše snoubenka. Was heißt das eigentlich?«

»Frag doch dein schlaues Telefon, da hast du ja eine Übersetzungs-App drauf.«

»Na gut, falls ich später daran denke. Fahren wir?«

»Wir fahren.«

Ich folgte dem Mercedes über die Resslova, die Husova und Branišovská, an der Universität bogen wir rechts ab und hielten vor dem Hochhaus am Ende der Straße. Hier war Budweis nicht historisch malerisch, sondern so langweilig wie viele Städte weltweit, wenn man die Wohngebiete besucht, die nach dem 2. Weltkrieg bis in die 70ger Jahre gebaut wurden. Betonwüsten eben, ab und zu eine kleine Grüninsel dazwischen. Hier immerhin waren die Gebäude vor ein paar Jahren geschmackvoll gestrichen worden, so dass die Gegend nicht allzu trist wirkte.

Wir fuhren mit einem beängstigenden Fahrstuhl in das achte Stockwerk. Die Kabine hatte keine eigene Tür, nur im Treppenhaus waren welche montiert. Ich hielt sorgsam Abstand von den an uns vorbeilaufenden Mauerstücken und Türen, während sich der Lift eher mühsam nach oben bewegte. Das Rumpeln und Schwanken trug nicht zu meiner Beruhigung bei.

»Die Bewohner des Hauses machen sich keine Sorgen, wenn sie den Fahrstuhl benutzen«, erklärte Jessika. »Es ist noch nie etwas passiert, selbst bei Überladung, also wird auch nichts passieren.«

Natürlich fiel mir sofort ein, was ich in einer Erzählung, der zweiten mit Jessika, geschrieben hatte: Eine Familie, Eltern samt drei Kindern, stürzen mit einem ähnlich altertümlichen Fahrstuhl in die Tiefe. Einen Teil meiner Erzählung hatte ich noch wörtlich im Kopf: Er hätte in jedem anderen Gebäude einen solchen Lift misstrauisch gemieden, aber die Macht der Gewohnheit, gepaart mit der Mühsal, acht Stockwerke zu Fuß zu bewältigen, überwog jegliche Bedenken, die gelegentlich bei besonders misstönendem Quietschen aufkamen. Es war zwanzig Jahre lang nichts passiert, also machte er sich wenig Sorgen, wenn er die knarzende Kabine betrat.

Ich fragte: »Wir fahren nachher schon nach Berlin, oder landen wir unten im Schacht?«

Die Kabine hielt mit einem schrillen Quietschen und ich drückte erleichtert die Metalltüre zum Treppenhaus auf.

»Du kannst ja hinunter laufen, wenn du mir nicht traust«, grinste Jessika.

»Die Frage ist, ob ich dieser Technik hier traue.«

»Ach, aber mir vertraust du?«

Wir blieben vor einer Tür stehen, an der Jana Nováková stand. Jessika klingelte.

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Die Frage an die geschätzten Blogbesucher und Geschichtenleser lautet:

Jana Nováková ...
... wollen wir kennen lernen.
... bekommt nur schnell den Schlüssel.
Auswertung

Na denn, frohes Abstimmen! Fortsetzung folgt.