Dienstag, 12. Juli 2011

Na gut, sagte Jessika, dann ...

... halten wir das mal fest und Johannes schreibt gefälligst weiter.

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Ich habe vermutlich zu gehorchen oder so. Fortsetzung bald! Versprochen.

Als Jesus verloren hatte

Um 19:20 schaltete ich am vergangenen Sonntag das Fernsehgerät ein, um wie gewohnt den Weltspiegel zu sehen. Doch die ARD zeigte statt dessen ein Fußballspiel, welches dann durchaus unterhaltsam anzuschauen war.

Sowohl in der brasilianischen als auch in der US-amerikanischen Fußballfrauschaft gibt es offenbar gläubige Spielerinnen, die für ihre Tätigkeit auf dem Rasen göttlichen Beistand – und somit den Gewinn des Spiels – erbitten. Damit gerät Gott, vorausgesetzt er interessiert sich für Gebete dieser Art, natürlich in eine Zwickmühle. Denn die Regeln schreiben nun einmal vor, dass im Viertelfinale ein Unentschieden nicht stattfinden kann und darf. Notfalls wird so lange ein 11-Meter-Schießen veranstaltet, bis eine Entscheidung gefallen ist.

Mir hat das Ergebnis – die Frauschaft der USA gewann schließlich – durchaus gefallen. Doch ob Gott seine Hand im Spiel hatte (Handspiel ist beim Fußball ohnehin tabu), wage ich zu bezweifeln.

Mich erinnerte das ein wenig an diese häufige Zwickmühle: Der fromme Landwirt betet um Regen, damit seine Saat auf den Feldern nicht verkümmert. Die frommen Mitglieder der Kirchengemeinde beten um Sonnenschein, weil sie einen Ausflug planen. Tja.

Und dann fiel mir eine kleine Erzählung zu einem Text aus Matthäus 15 ein, die ich vor ein paar Monaten aufgeschrieben und dann liegen gelassen hatte. Mit Fußball oder Wetter hat sie nichts zu tun, aber doch mit einer Zwickmühle, in der Jesus sich befand. Die geschätzten Blogbesucher kommen nun also – Interesse vorausgesetzt – dank des ausgefallenen Weltspiegels in den Genuss dieses Denkanstoßes. Bitteschön:

Neulich hat sich diese kleine Episode zugetragen, irgendwo in der Nähe von Tyrus und Sidon. Wir waren auf dem Weg vom Land Genezareth zum galiläischen Meer. Eine Frau aus der Gegend schrie uns hinterher: »Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich! Meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt!«

Unser Meister beachtete die Frau nicht. Er antwortete ihr kein Wort. Wir waren ganz einverstanden mit seinem Verhalten, denn was hatten wir mit den Heiden zu schaffen? Nichts, absolut gar nichts.

Nach einer Weile ging uns das Zetern ziemlich auf die Nerven. Die Frau dachte nämlich gar nicht daran, uns und ihn in Ruhe zu lassen. Sie verfolgte uns und hörte nicht auf mit ihrem Geschrei. Schließlich baten wir Jesus: »Schick sie doch fort, sonst schreit sie uns endlos nach.«

Eigentlich war unsere Bitte überflüssig, denn er war ja nicht taub, er musste folglich das Jammern genauso gut hören wie wir.

»Ich bin nicht gesandt, außer zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel«, gab er uns zur Antwort - laut genug, dass auch die Frau es hören konnte. Damit war für uns die Angelegenheit geklärt, denn sie war nun mal kein verlorenes Schaft aus unserer Herde, sondern eine Kanaaniterin. Vor solchen Leuten warnen uns die heiligen Schriften, denn sie beten auf den Höhen Stier- und Kalbsgötzen an, verehren die Liebesgöttin Astarte - wer weiß mit welchen unmoralischen Ritualen! Dass die Tochter einer solchen Frau vom Teufel übel geplagt wurde, war ja eigentlich nur logisch.

Wir gingen weiter, hielten die Sache für geklärt, aber irgendwie gelang es der Sünderin, sich durchzudrängeln und vor Jesus niederzufallen. Seinen Weg zu blockieren. Eine Unverschämtheit.

»Hilf mir!«, jammerte sie.

Er blieb stehen, etwas anderes blieb ihm ja auch nicht übrig, wenn er nicht über sie hinwegsteigen wollte. Er wies die Frau energisch zurecht: »Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot wegnimmt und es vor die Hunde wirft.«

Bravo, dachten wir, das war ja wohl deutlich genug. Nun würde sie aufgeben, denn sie hatte Jesus ja selbst als Herrn angeredet. Folglich musste ihr klar sein, dass seine Auskunft gültig und abschließend war. Vor allem natürlich für eine heidnische Sünderin, die Götzenopfer brachte und nicht zu unserem Volk gehörte. Es gibt nun einmal geistliche Gesetze, die zu respektieren sind. Dass Jesus ihr überhaupt eine Antwort gegeben hatte, war schon großzügig.

Doch die Frau gab nicht auf. »Ja, Herr«, sagte sie, »aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die von ihrer Herren Tisch fallen.«

Wir waren entsetzt. Sie widersprach dem Nein unseres Meisters? Sie akzeptierte nicht, dass er ihr nicht helfen wollte? Er hatte seinen Willen deutlich genug ausgedrückt. Wenn der Herr, der Sohn Davids, etwas nicht will, dann wird es nicht geschehen. Basta oder amen, so ist es jedenfalls. Damit musste sich die Frau abfinden.

Wir wussten ja mehr über Jesus als sie, nämlich dass er stets nur das tat, was er vom Vater hörte. Das hatte er uns mehrfach mitgeteilt. Also wollte offensichtlich Gott selbst nicht, dass dieser Frau oder ihrer Tochter Hilfe zuteil wurde. Das konnte sie als Kanaaniterin natürlich nicht begreifen, aber seine Auskunft war ja deutlich genug gewesen. Wir waren jedenfalls sicher, dass Jesus nun weitergehen würde. Ein Nein von Gott selbst durch den Mund seines Messias war unumstößlich.

Doch dann geschah das Unfassbare. Jesus änderte seine Meinung. Es geschah nicht sein Wille, nicht der Wille des Vaters, den er eben so deutlich erklärt hatte. Statt dessen sagte er zu der Frau: »O Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst.«

Jesus hatte den Streit mit der Frau verloren. Er hatte versucht, sie abzuwimmeln, hatte sie fortgeschickt, ihr ein klares Nein ins Gesicht gesagt. Aber diese hilflose und geknechtete Seele hatte gegen seinen Willen und die Gebote unserer Religion gewonnen.