Dienstag, 10. April 2012

Aufzeichnungen nach dem Krankenhaus /// Teil 5

Norovirus? Clostridienkolitis? Oder eine Wohltat?

Der Arztbericht formuliert es so:

Am zweiten postoperativen Tag kam es allerdings zu heftigem Erbrechen und Durchfällen, sodass wir den Patienten bei V. a. Norovirusinfektion vorsorglich isolierten.

Wie sich dieses Erbrechen und die Durchfälle aus meiner Patientensicht ereigneten, hatte ich bereits am 2. April bei den Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus hier kundgetan. Wer es noch nicht gelesen hat oder wegen der unappetitlichen Details noch einmal lesen möchte: [27. März, 14 Uhr]

Ziemlich Hals über Kopf wurde ich am frühen Vormittag nach den nächtlichen Übelkeits- und Durchfall-Attacken aus dem 3-Bett-Zimmer geschoben und fand mich kurz darauf in einem Zimmer für Privatpatienten wieder. Ein Flachbildfernseher von vernünftigen Ausmaßen hing in günstigem Winkel an der Wand, das Mobiliar war aus ansehnlichem Holz gefertigt, ich hatte ein eigenes Badezimmer mit Toilette und Dusche und – da Isolation angeordnet war – ich war allein im 2-Bett-Zimmer.

In Krankenhäusern geht man bei einem Verdacht auf Norovirus wohl heutzutage überall auf Nummer sicher. Ich erfuhr von der Schwester (die mit Mundschutz und Extra-Kittel zu mir kam), dass eine Dame der Reinigungskräfte, die auch im Zimmer, in dem ich vorher lag, sauber gemacht hatte, sich am Abend vorher wegen Erbrechen und Durchfall krank gemeldet hatte. Als nun bei mir nachts die gleichen Symptome auftraten, schrillten sofort die Alarmglocken: Norovirus!

Für einen von einer großen und schwierigen Operation geschwächten Organismus ist eine Virusinfektion natürlich noch wesentlich gefährlicher als für den gesunden Körper. Ich erfuhr sehr viel Aufmerksamkeit, regelmäßig wurden Kreislauf, Puls, Temperatur und Blutwerte kontrolliert. An den ersten beiden Tagen (und zugehörigen Nächten) kamen alle, Ärzte und Pflegekräfte, mit Mundschutz und Überkittel, ich war gehalten, bei meinen noch kurzen Gehversuchen auf dem Gang anderen Patienten weder die Hand zu geben noch ihnen überhaupt zu nahe zu kommen, die Teeküche war verbotenes Terrain für mich und meine Besucher wurden gebeten, von den Desinfektionsmitteln vor meinem Zimmer Gebrauch zu machen.

Mein Privatzimmer Nach zwei Tagen waren auf einmal die Masken und Extra-Kittel weg. Der Verdacht hatte sich offenbar nicht bestätigt. Die Stationsärztin erzählte mir etwas von Clostridienkolitis, allerdings eher halbherzig, als suche sie nach einer halbwegs stichhaltigen Begründung, mich nicht in ein 3-Bett-Zimmer zurück zu verlegen.

An dieser Stelle fällt mir etwas ein, was mir im Krankenhaus von der Aufnahmestation über die Intensivstation bis zur normalen Chirurgie aufgefallen ist: Die Mehrzahl der Patienten, soweit sie bei Sinnen und zurechnungsfähig sind, zeichnet sich durch ein gehöriges Maß an Undankbarkeit, rüpelhaftem Benehmen und Mangel an gesellschaftlichen Verhaltensmaßstäben aus. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, woher Ärzte und Pflegekräfte eigentlich die Geduld und Ruhe nehmen, mit solchen Patienten geduldig und freundlich zu bleiben. Mir wäre da öfter mal die Hutschnur geplatzt, obwohl ich ja nur Zuschauer war.

Für mich stand von vorne herein fest: Diese Menschen, vom Reinigungspersonal über Pflegekräfte bis zu den Ärzten, wollen mir mit ihrer Arbeit helfen. Manches, was sie taten, hat mich gequält, mir Schmerzen bereitet, war mehr als nur unangenehm – aber ich wusste ja, dass dahinter nichts anderes stand als der Wunsch, mich einer Heilung und Genesung näher zu bringen. Daher habe ich, soweit es meine Kräfte zuließen, von der ersten bis zur letzten Minute im Krankenhaus jedem ein Lächeln geschenkt, immer danke und bitte gesagt, so oft wie möglich zum Ausdruck gebracht, dass ich die Dienste sehr zu schätzen weiß und so gut wie irgend möglich bei allem aktiv mitgemacht, was ich irgendwie unterstützen konnte.

Ich bin überzeugt, dass mein Verhalten allen Beteiligten gegenüber dafür ausschlaggebend war, dass man mir auch ohne eine medizinische Notwendigkeit das Einzelzimmer bis zum Tag der Entlassung gegönnt hat. Ich genoss dadurch ungestörte Nachtruhe, meine Besucher konnten in angenehmer Umgebung und ohne weitere Anwesende bei mir verweilen und mit mir reden, ich konnte auch am Tag hier und da ein Stündchen schlummern … es war eine Wohltat, ein Extra-Bonus, den ich zwar nicht verdient oder durch eine private Krankenversicherung finanziert hatte, den ich aber dankbar und gerne in Empfang nahm.

Eine Virusinfektion hatte es gar nicht gegeben. Es war ein Fehlalarm, Erbrechen und Durchfall waren lediglich Folgen der Operation gewesen. Ein Fehlalarm, der mir zum Segen wurde.

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2 Kommentare:

Don Ralfo hat gesagt…

Ich habe während meiner Zeit als Krankenpfleger den Eindruck gewonnen, daß dieses rüpelhafte Benehmen mit den verschiedenen Krankheiten stark varieirt. Als Patient auf den verschiedenen Herzstationen habe ich nur sehr wenig davon mitbekommen und den Eindruck gewonnen, daß "Herzkasper" zum Großteil sehr gutmütige Menschen sind. Na ja ist subjektiv. Ich war als Patient ebenfalls sehr dankbar für alle, die sich um mich gekümmert haben. Mit einigen Ausnahmen, denn es gibt ja auf der anderen Seite des Bettes auch manchmal einige Rüpel, die es einem schwermachen! :-)

Günter J. Matthia hat gesagt…

Zum Glück habe ich Rüpel unter den Ärzten oder Pflegekräften nicht erleben müssen. :-)