Dienstag, 6. November 2012

Die (hoffentlich) letzte Tagesdosis

lastpillsMit dem heutigen Tag und der heutigen Tagesdosis von 3.800 mg schlucke ich hoffentlich zum letzten Mal derartige Tabletten. Ab morgen beginnt dann die hoffentlich letzte siebentägige chemiefreie Phase und mit dem 13. November ist die Chemotherapie offiziell beendet.

Wie so vieles im Leben kann ich die Behandlung rückblickend als vernichtend schlecht oder relativ gut beurteilen … mit einer enormen Bandbreite dazwischen. Es kommt nur darauf an, worauf das Augenmerk sich richtet: Auf das, was hätte sein können, oder auf das, was gewesen ist. Oder auf beides.

Ich wurde mit Oxaliplatin und Xeloda behandelt. Der Xeloda-Beipackzettel verrät unter dem Stichwort Nebenwirkungen als sehr häufig:

    • Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Mundschleimhautentzündung, Bauchschmerzen
    • Hand-Fuß-Hautreaktionen (Handinnenflächen und Fußsohlen kitzeln, werden taub, schmerzen, schwellen an, werden rot), Ausschlag, trockene und juckende Haut
    • Müdigkeit, Schläfrigkeit
    • Appetitverlust

Nicht sehr häufig, aber immerhin häufig treten (unter anderem) auf:

    • Verminderung der Anzahl an weißen und roten Blutzellen
    • Hautausschlag, leichter Haarausfall
    • Fieber, Schwäche, Kopfschmerzen
    • Depressionen
    • Gelenk-, Brust- oder Rückenschmerzen
    • Änderungen im Geschmacksempfinden, Verstopfung, exzessive Blähungen, trockener Mund

Die sehr wahrscheinlichen Folgen der Einnahme des Medikaments haben mich, abgesehen vom Erbrechen, das ich jeweils rechtzeitig vorher mit anderen Medikamenten unterbinden konnte, alle getroffen. Bei den anderen Nebenwirkungen trifft manches zu. Die Veränderungen des Blutes haben zwei Mal eine Therapieverzögerung bedingt, lediglich mit Fieber und Haarausfall hatte ich es nicht zu tun.

Es heißt so schön im Beipackzettel:

Diese Nebenwirkungen können sich verstärken.

Zum Beispiel dadurch, dass ein zweites Medikament zum Einsatz kommt. Beim Oxaliplatin sieht die Liste der sehr häufigen Nebenwirkungen so aus:

    • Reaktionen an der Injektionsstelle
    • Fieber, Müdigkeit, Allergie/allergische Reaktionen, Asthenie, Schmerzen, Gewichtszunahme
    • Periphere sensorische Neuropathie, Kopfschmerzen, sensorische Störungen
    • Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis/Mukositis, Bauchschmerzen, Verstopfung, Anorexie
    • Rückenschmerzen
    • Epistaxis
    • Infektionen
    • Dyspnoe, Husten
    • Hauterkrankungen, Alopezie
    • Geschmacksstörungen
    • Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie, Leukopenie, Lymphopenie
    • Erhöhte alkalische Phosphatase, erhöhtes Bilirubin, Störungen des Blutzuckergehaltes, erhöhtes LDH, Hypokaliämie, erhöhte Leberenzyme (SGPT/ALAT, SGOT/ASAT), Veränderungen des Serumnatriumspiegels

Nun ja, und zu den häufigen Nebenwirkungen zählen unter anderem:

    • Flush
    • Brustschmerzen
    • Schwindel, motorische Neuritis, Meningismus
    • Dyspepsie, gastro-ösophagealer Reflux, Schluckauf
    • Dehydratation
    • Arthralgie, Ostealgie
    • Hämorrhagien, Hämaturie, tiefe Thrombophlebitis, Lungenembolie, rektale Blutungen
    • Depression, Insomnie, Impotenz, Libidoverlust
    • Rhinitis, Infektionen der oberen Atemwege
    • Exfoliation (z.B. an den Händen und Füßen), Erythem, Hautausschlag, gesteigertes Schwitzen, Nagelerkrankungen
    • Dysurie, anormale Miktionshäufigkeit
    • Konjunktivitis, verschlechtertes Sehvermögen
    • Febrile Neutropenie/neutropenische Sepsis (z.B. Neutropenie Grad 3,4 und dokumentierte Infektionen)
    • Erhöhtes Kreatinin

Wer mag, kann ja die Fachbegriffe nachschlagen … jedenfalls haben mich auch von dieser Liste nicht alle möglichen Wirkungen befallen, aber doch etliche – und vor allem die Übereinstimmungen bei den Nebenwirkungen beider Medikamente haben zu der in den Beipackzetteln angekündigten Verstärkung geführt … die Schäden an den Nerven waren Mitte Oktober so stark, dass für den letzten Zyklus das Oxaliplatin gestrichen werden musste.

Mein Rückblick führt mich zu dem Fazit: Es hätte wesentlich schlimmer sein können. Die Zeit zwischen dem 8. Mai und dem 13. November war keine angenehme, es kam zu dem Injektionsunfall am 18. Juli, der zu einer dauerhaften Schädigung des rechten Armes geführt hat, aber dass eine Chemotherapie kein Wohlfühlprogramm ist, war mir von vorne herein klar.

Und ohne Eva, die beste aller Ehefrauen, wäre mir das alles wesentlich schwerer geworden und gefallen. Eine solche liebevolle Stütze an der Seite zu haben … das war und ist unschätzbar kostbar.
Dazu kamen und kommen die Familie und all die Freunde und Bekannten, die uns mit Ermutigung, Gebeten, Unterstützung und vielfältiger Ermutigung begleitet haben und weiter begleiten, auch das ist mir Anlass zu großer Dankbarkeit.

Ob die beabsichtigte und erhoffte Wirkung, für die ich all die Nebenwirkungen in Kauf genommen habe (und nehme, bis sie hoffentlich bald abgeklungen sein werden), eingetreten ist, kann jetzt niemand sagen. Kein Arzt und ich auch nicht. Das wird sich im Lauf der nächsten viereinhalb Jahre zeigen. Entweder, die Therapie war erfolgreich, dann tritt kein Krebs mehr auf, oder sie war vergeblich und die Ärzte finden neue Tumore.

Es ist keine angenehme Situation, mit dieser Ungewissheit leben zu müssen. Aber eine Wahl bleibt ja nicht. Die einzige Wahl war vor der Behandlung die Entscheidung, ja oder nein zur Chemotherapie zu sagen. Das ja fiel nicht leicht … aber nun weiß ich, dass ich nichts ausgelassen habe, was vielleicht zur Heilung beitragen kann.

Nun hoffe ich auf eine schnelle Wiederherstellung der normalen Blutzusammensetzung, denn davon hängt es ab, wann ich wieder ins Berufsleben zurückkehren kann. Darauf freue ich mich. Denn damit kehrt wieder ein Stück Normalität ins Leben zurück.

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