Dienstag, 31. Dezember 2013

War das nun ein gutes Jahr?–Teil 2

Den ersten Teil meines persönlichen Jahresrückblicks findet der interessierte Blogbesucher hier: Januar bis Juni. Nun geht es mit der zweiten Jahreshälfte weiter.

Juli

So manche Alltagsprobleme werden ja relativiert, wenn man sie im Vergleich zu anderen Ereignissen betrachtet. So schrieb ich beispielsweise am 5. Juli bei Facebook in mein Tagebuch:
Ach übrigens: Heute habe ich mir, seit ein paar Tagen wieder mal wegen der abenteuerlichen Verdauung (8 bis 10 Besuche auf dem stillen Örtchen...) genervt, gesagt: Lieber am Leben mit unangenehmen Darmverkürzungsfolgen als tot ohne Verdauungsprobleme.
Es ist eben alles im Leben relativ. Und ich genieße Tag für Tag die Tatsache, noch immer hier verweilen zu dürfen.
Es ist häufig eine Frage des Blickwinkels, ob man »krank« ist oder nicht. Ich nehme und nahm derartige Verdauungsprobleme jedenfalls nicht zum Anlass, mich womöglich arbeitsunfähig zu melden – andere Menschen bleiben schon wegen ein bisschen Schluckbeschwerden oder Kopfweh zu Hause. Meinetwegen sollen sie.
Im Juli besuchten wir unter anderem ein Konzert von älteren Herren, die wir schon immer mal live erleben wollten, aber bisher hatten wir die Berlinbesuche der Texaner immer verpasst.
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ZZ Top in der Zitadelle – nett war es, unterhaltsam und kurzweilig. Kein Super-Extra-Edelklasse-Konzert, aber doch ein schöner lauer Abend, den man nicht bereuen muss.
Berlin wurde auch im Juli von herrlichem Sommerwetter verwöhnt. Wir machten Fahrradtouren, bummelten und wanderten an den Wochenenden. Die Arbeit im Büro ging mir recht komplikationslos von der Hand, ab und zu war ich versucht, mich über etwas oder jemanden zu ärgern, aber es gelang mir doch jedes Mal, die Bedeutung und Wichtigkeit solcher Vorkommnisse wieder ins rechte Verhältnis zu rücken: Ich arbeite, um den Lebensunterhalt zu verdienen, aber die Arbeit ist nicht mein Lebensinhalt.

August

Im August gönnten wir uns eine Urlaubs-Rundreise. Zuerst nach Weiden in der Oberpfalz, wo mein Bruder lebt, dann in die tschechische Heimatstadt der besten aller Ehefrauen, anschließend nach Memmingen im Allgäu, wo ich viele Jahre gelebt habe (Leser meines Buches »Es gibt kein Unmöglich!« wissen über meine Taten und Untaten dort Bescheid) und dann noch acht Tage an den Bodensee.
Zurück in Berlin hatten wir das Vergnügen, zu einem Geburtstagsbrunch im Prenzlauer Berg eingeladen zu sein, Besuch aus Tschechien für ein paar Tage zu beherbergen und schließlich »Klassik open air« im Britzer Garten zu genießen. Gesundheitlich ging es mir verglichen mit dem Vorjahr gut, nichts deutete darauf hin, dass eine bestürzende Nachricht nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
Das Bewusstsein, dass jeder Tag, jede Woche ein Geschenk ist, war allerdings ständig präsent, seit der Krebsdiagnose im März 2012 hatte sich daran nichts geändert. Natürlich dachte ich nicht ständig darüber nach, aber ich erlebte (und erlebe) doch jeden neuen Tag sehr viel bewusster und deutlich dankbarer als in früheren Jahren, als der Tod zwar eine Tatsache im menschlichen Leben, aber auch noch sehr weit weg in unbestimmter Zukunft war.

September

Der Berufsalltag kehrte wieder ein – wir freuten uns an Stunden im Freundes- und Familienkreis, im Sport- und Fitness- und Wellnessstudio, bummelten durch Einkaufsmeilen und genossen das nach wie vor herrliche Wetter bei Ausflügen in die Natur.
Am 13. September, bei der Nachsorge- beziehungsweise Vorsorgeuntersuchung via Ultraschall, entdeckte mein Arzt auf der Leber eine auffällige Stelle. Ich schrieb in mein Facebook-Tagebuch noch recht unbesorgt:
Zurück vom Arzt - mit Ungewissheit, leider. Bei der Untersuchung via Ultraschall fand er eine Stelle in der Leber, die auffällig sein könnte - aber nicht sein muss. Nächste Woche am Donnerstag deshalb nun eine gezielte CT-Diagnose der Leber.
Die Blutwerte sind einigermaßen in Ordnung - vor allem die sogenannten Tumormarker sind völlig im unverdächtigen Bereich.
Na ja. Wir werden Ende nächster Woche sehen und hören, ob die Leber in Ordnung ist oder nicht.
Wir bereiteten meinen Geburtstag vor – ein Ausflug in die Steintherme nach Belzig und anschließend gemütliches familiäres Beisammensein zu Hause war geplant. Die Computertomographie fand am 19. September statt. Am 23. September, meinem Geburtstag, holten wir dann morgens auf der Fahrt zur Therme die Ergebnisse im Röntgeninstitut ab und lasen: Zwei Lebermetastasen.

Damit waren alle Pläne von einem Moment zum nächsten hinfällig. Statt zur Therme fuhren wir mit den Unterlagen zum Arzt. Noch am gleichen Tag landete ich im Krankenhaus. Es folgten gründliche Untersuchungen, Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse, Galle, Prostata, Lunge … und Gott sei Dank wurde abgesehen von den Lebermetastasen kein Krebs gefunden. Das war einerseits beruhigend, aber andererseits stand es auch noch völlig offen, ob und wie tief die Leber befallen war. Dass Leberkrebs, wenn er spät entdeckt wird, statistisch gesehen fast zwangsläufig innerhalb von acht Monaten zum Tod führt, war mir schon länger bekannt. Was »spät« in diesem Zusammenhang heißen soll, weiß wohl niemand so recht zu sagen.
Nachdem die Untersuchungen abgeschlossen waren, durfte ich (wegen des Feiertags am 2. Oktober nebst Wochenende) noch ein paar Tage zu Hause verbringen, bevor ich zur Operation ins Krankenhaus zurückkehren musste. Wir machten es uns so schön, wie unter den Umständen und angesichts der Ungewissheit möglich. Am 27. feierten wir im Familienkreis meinen »ausgefallenen« Geburtstag nach, am Sonntag vor der Operation wurde ich in unserer Kirche mit besonderem Gebet gesegnet, viele Menschen machten mir Mut und versprachen, in Gedanken und Gebeten bei mir und der besten aller Ehefrauen zu sein.

Oktober

Am 4. Oktober wurde ich operiert – aus dem geplanten »kleinen« minimalinvasiven Eingriff wurde, weil versehentlich von einem Chirurgen der Dünndarm durchstoßen wurde, eine fünfeinhalb Stunden dauernde große Operation, die zwei insgesamt 42 Zentimeter lange Wunden zurückließen. Aber, und das war die gute Nachricht in all den schlimmen Ereignissen, die beiden Lebermetastasen mit darunter liegenden Tumoren konnten »im Gesunden« entfernt werden. Das heißt: Es blieb kein vom Krebs befallenes Gewebe in der Leber zurück.
Bei meinem Gruß an die Facebook-Welt am 7. Oktober konnte ich bereits wieder in die Kamera lächeln – die Genesung vom Eingriff ging verhältnismäßig zügig voran. Und – kaum zu glauben sogar für die Ärzte – am 9. Oktober konnte ich schon wieder nach Hause entlassen werden. Unter strengen Auflagen und Ermahnungen zwar, aber immerhin.
Es folgten Wochen mit Schmerzen, Problemen mit der Verdauung, Problemen mit der Operationsnarbe, Problemen mit dem Kreislauf … ich hatte auch auf diesem Blog darüber berichtet. Alles in allem jedoch erholte ich mich zusehends und konnte vorzeitig bereits am 30. Oktober das Morphium völlig absetzen. Und da mir eine erneute Chemotherapie nach Auskunft der Tumorkonferenz im Krankenhaus keinerlei Vorteile verschaffen konnte, brauchte ich nicht noch einmal die monatelange Gifttortour mit womöglich noch schlimmeren Folgen als 2012 auf mich nehmen.

November

Nicht aufgeben. Nicht klein beigeben. Gefällt werden und doch wieder aufstehen. So etwas sagt sich leicht, aber es ist manchmal schwer getan. Ich notierte am 4. November bei Facebook:
Heute war so ein Tag, den man am liebsten streichen möchte ... nachts ging es los mit intensiven Schmerzen, weil ich wohl irgendwie »ungut« gelegen hatte, es dauerte sehr lange, bis ich zumindest wieder eindösen konnte. Dann um 7 Uhr aufstehen und nüchtern bleiben (wenigstens eine Tasse schwarzer Kaffee war erlaubt) und zur Blutentnahme fahren. Vormittag ziemlich häufig Schmerzen - da half nur flach auf dem Rücken liegen, und der Nachmittag war nicht wesentlich besser. Dazu kamen massive Symptome, die eigentlich vorbei sind - taube Zehen, Zucken in den Fingern ...
Na ja. Um 16 Uhr habe ich mir dann verordnet, trotzdem eine Stunde mit der besten aller Ehefrauen und Hund rauszugehen. Hat gut getan. Dann ein wenig in der Wohnung räumen ... dann wieder liegen ...
Aber eins ist sicher: Morgen wird wieder alles besser. Basta!
Dass ich dann am 11. November bereits wieder die Arbeit aufnahm, haben manche Freunde nicht so recht verstehen können. »Viel zu früh … erhol dich doch erst mal von der großen und langen Operation … willst du nicht lieber in Richtung Rente denken und handeln …« – viele gut und lieb und ernst gemeinte Kommentare und Ratschläge bekam ich zu hören. Ich war mir auch gar nicht sicher, ob das gelingen würde mit der Arbeitsaufnahme noch nicht einmal sechs Wochen nach dem chirurgischen Eingriff. Hätte mein Arzt nein gesagt, wäre ich auch noch zu Hause geblieben. Aber er meinte: »Versuchen Sie es – wenn es nicht klappt, ist ja nichts verloren. Dann war es eben ein vergeblicher Versuch.«
Jeder mag das ganz persönlich und natürlich unterschiedlich sehen, aber für mich war und ist es eben so, dass die Arbeit ein gewaltiges Stück Normalität im Leben darstellt. Und wenn ich mir diese Normalität zurückerobern kann, so mein Gedankengang, dann bin ich einen Schritt weiter im Kampf gegen den Krebs.
Was im November (und auch Dezember) erst einmal nicht weiter untersucht wurde, waren zwei im September beim Röntgen im Krankenhaus in der Lunge beobachteten »pulmonale Rundherde« – aller Wahrscheinlichkeit harmlos, aber im Januar 2014 soll auch das noch genauer untersucht werden.

Dezember

Und damit bin ich schon beim gerade noch aktuellen Monat. Wenn mich Menschen fragen, wie es mir geht, dann gelingt eine richtige Antwort so simpel nicht. Denn einerseits geht es mir sehr gut: Ich habe keine Schmerzen, auch die noch leicht gerötete Operationsnarbe verursacht keine Beschwerden, am 30. Dezember gelangen mir wieder 60 volle Minuten Dauerlauf (mit 8,3 zurückgelegten Kilometern) und die gelegentlichen Verdauungsprobleme gehören inzwischen so zum Alltag, dass ich sie kaum noch sonderlich beachte. Aber andererseits sind bei den Kontrollen seit der Leberoperation zwei Blutwerte nach wie vor auffällig. Zum einen die »alkalische Phosphatase ALKP02«, zum anderen der »Gamma-GT Wert GAGT02«. Das kann durch einen Tumor verursacht sein, muss aber nicht zwangsläufig einen Tumor als Ursache haben. Da kommen noch etliche andere mögliche Gründe in Frage. Meine »Tumormarker« dagegen deuten auf keinerlei Krebszellen im Organismus hin – das klingt beruhigend. Aber sie waren auch nicht auffällig, als im September die Leber bereits befallen war – ergo ist auch darauf kein Verlass.
So sehe ich dem Januar, der ausführliche Untersuchungen mit sich bringen wird, mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Meistens überwiegt die Hoffnung, dass es weder Metastasen noch Tumor in meinem Körper gibt. Andererseits bin ich nüchtern und intelligent genug, um zu wissen, dass meine Chancen auf endgültige Heilung vom Krebs eben wirklich nur bei 50 Prozent liegen.
Was tut man mit solch einer Ungewissheit? Ich weiß nicht, wie andere damit umgehen würden, aber ich entscheide mich jeden Tag aufs Neue, dankbar zu sein, weiter zu kämpfen (also alles zu tun, was in meiner Macht liegt – das ist ja nicht viel, aber immerhin etwas) und das Leben mit all seiner Vielfalt an schönen und erfreulichen Momenten trotz Krebs oder vielleicht wegen Krebs bewusst zu genießen.
Was mir und uns beiden als Ehepaar sehr viel bedeutet und bis heute schon ungeheuer geholfen hat, ist die liebevolle Anteilnahme von so vielen Menschen, die wir zum Teil noch nicht einmal persönlich kennen gelernt haben. Unsere Kinder samt Partnern und Enkeln, etliche Blogbesucher, Facebook-Freunde, Menschen aus unserer Kirchengemeinde, Arbeitskollegen, langjährige Freundschaften … sehr viele begleiten mich und uns mit guten Wünschen, Gebeten zu Gott oder zum Universum, in der Ferne angezündeten Kerzen, anderen Gesten und zahlreichen Geschenken bis hin zur praktischen Hilfe. Und das ist kostbarer als materielle Schätze es sein könnten! Daher will ich zum Schluss dieses Rückblicks auf 2013 nur noch – und aus vollem Herzen – sagen: Danke!
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Montag, 30. Dezember 2013

War das nun ein gutes Jahr oder nicht?–Teil 1

Wie 2014 wird, das bleibt abzuwarten. Ich hoffe und wünsche mir und bete darum, am Ende des kommenden Jahres noch am Leben und bei robuster Konstitution zu sein, aber ich weiß auch, dass der Krebs innerhalb weniger Monate den Schlusspunkt unter mein Leben setzen kann. Meine Chancen, dauerhaft gesund zu bleiben, liegen bei 50 Prozent, dem Onkologen im Klinikum zufolge.
Aber wie und was 2013 war, das ist ja nun klar und in den letzten Stunden des Jahres erwarte ich da keine großen Überraschungen mehr. Daher sei hier eine Art Rückblick gestattet, sofern die geschätzten Blogbesucher daran Interesse haben. Falls nicht, kann ja jeder und jede woanders hinsurfen oder ein Buch zur Hand nehmen.

Januar

Im Januar erholte ich mich noch von den akutesten Folgen der Chemotherapie, war aber bereits so weit wieder hergestellt, dass wir nach Budweis reisen konnten und überhaupt die vier Wochen vor meinem Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ausgiebig genießen konnten, unter anderem kulturellen Veranstaltungen, Besuch von lieben Menschen, die wir vorher nur virtuell über das Internet kannten und zum Geburtstag der besten aller Ehefrauen ein paar Stunden in der Steintherme Belzig. Alles in allem fühlte ich mich wohl und gesund, obwohl einige Chemotherapieschäden noch deutlich vorhanden waren.

Februar

Zurück ins Berufsleben – das war am Anfang recht anstrengend, zumal kein »Hamburger Modell« möglich war. Ich fing gleich mit 8 Stunden pro Tag an, zuzüglich Pausenzeiten, also im Durchschnitt 8 Stunden und 45 Minuten in der Firma. Das Frühstück war im Vergleich mit der heimischen Tafel eher übersichtlich:
Aber natürlich waren (und sind bis heute) Nahrungsmittel ohne chemische Konstervierungsstoffe, Rückstände von Kampfmitteln gegen Insekten, Geschmacksverstärker, Antibiotika und sonstige Giftstoffe die Quelle der Ernährung. Abgesehen vom gesundheitlichen Aspekt schmecken BIO-Produkte auch deutlich besser. Den höheren Preis nehmen wir gerne in Kauf. Und sind dankbar, dass wir uns das leisten können.
Eine Computertomographie und gründliche Untersuchung im Februar brachte das erfreuliche Ergebnis, dass keine Metastasen oder Tumore zu finden waren.

März

Am 8. März notierte ich auf meiner Facebookseite:
So manche Zuschriften, die ich von Krebspatienten oder von deren Angehörigen bekomme, treiben mir die Tränen in die Augen. Das macht aber nichts, weil sich niemand auf dieser Welt jemals seiner Tränen schämen muss.
Eine Darmspiegelung, die durchgeführt wurde, weil weder via Ultraschall noch via Computertomographie ein Teil des Darms sichtbar gemacht werden konnte, ergab Beruhigendes: Alles in Ordnung, kein Tumor, keine Schäden im Darm (abgesehen von der Operationsnarbe natürlich).
Im März gelang es mir auch nach langwierigen und mühsamen Monaten mit entsprechenden Übungen, die durch die Chemotherapie verursachte Impotenz soweit zu überwinden, dass wieder Erektionen möglich wurden. Dazu gab es im April dann einen vielkommentierten und inzwischen im Internet weit verbreiteten Bericht auf diesem Blog.
Ostern feierten wir mit internationalen Logiergästen und Berlin war im März fast durchgehend tief verschneit. Das konnte der guten Stimmung und Dankbarkeit für das tägliche Wohlergehen keinen Abbruch tun.

April

Wir hatten das Vergnügen, Meat Loaf live zu erleben. Im Rahmen seiner Abschiedstournee von den Bühnen der Welt gab er auch in Berlin ein Konzert. Wir waren und sind keine hundertprozentigen Fans, aber es hat sich gelohnt, einen der letzten Dinosaurier der Bombast-Rockmusik auch einmal auf der Bühne zu erleben.
Der Frühling kam, und zwar mit Macht: Plötzlich waren Mußestunden auf dem Balkon wieder möglich.
Meine körperliche Erholung machte trotz noch immer anstrengender Bürotage Fortschritte, so dass ich mich entschloss, beim alljährlichen Benefizlauf »Joggathon« mitzumachen. Einige Schäden aus der Chemotherapie beeinträchtigten das Leben nach wie vor, aber nicht so, dass ich nicht damit zurecht geko0mmen wäre. Und eine Stunde Joggen schien nun ein erreichbares Ziel, eine Herausforderung, die ich gerne von mir selbst annehmen wollte.
Am 30. April schrieb ich in mein Facebook-Tagebuch:
Erfreuliches vom Arzttermin: alle Blutwerte in bester Ordnung, Tumormarker im Keller, Leberwerte bessern sich weiter (sahen durch die Chemotherapie ziemlich böse aus) und sind jetzt wieder im Normalbereich. Mein Doktor: »Eine so vielversprechende Entwicklung sieht man als Arzt leider viel zu selten.«
Dazu sage ich nur: Gott sei Dank!
Und hoffe, dass ich in einem halben Jahr anlässlich der nächsten großen Untersuchungsrunde ähnlich gute Nachrichten hören werde.
Ich konnte natürlich noch nicht ahnen, dass »die nächste große Untersuchungsrunde« eine bittere und böse Überraschung zutage bringen würde.

Mai

Der Mai brachte viele schöne Momente: Unseren Hochzeitstag, Ausflüge in die Umgebung, leckere Speisen (selbst zubereitet oder in Restaurants genossen) und einen sehr schönen Kurzurlaub an der Elbe mit Natur pur, ohne Hektik, mit viel Ruhe – als die große Flut gerade ihren Anfang nahm. Wir kamen ungeschoren davon, unser Auto konnte ich noch rechtzeitig dem heimtückischen Angriff der Elbe entreißen.
Neben unserem Dodge hatte es am Abend zuvor noch vier weitere Parkplatzreihen in Richtung Ufer gegeben. Am Morgen unserer Abreise war kein Ufer mehr vorhanden …
Gesundheitlich ging es mir weiter besser, so dass ich immer mehr guter Hoffnung war, den Krebs hinter mir gelassen zu haben.

Juni

Ausgerechnet am Tag des Benefizlaufes zeigte sich das Wetter von seiner unangenehmen Seite. Der Regen nahm und nahm kein Ende, die Strecke war völlig aufgeweicht und stand teilweise unter Wasser. Na und? Unterstützt von meinem Freund Jens, der an meiner Seite lief, obwohl er deutlich schneller hätte unterwegs sein können, schaffte ich die 60 Minuten und immerhin neun Kilometer.
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Für mich war das ein gewaltiger Sieg – ein großer Schritt auf dem Weg aus der Krankheit in die Gesundheit. Diesen Sieg konnte mir dann auch im September die schlimme Diagnose nicht mehr rauben, denn geschafft war nun einmal geschafft.
Wir unternahmen im Juni unter anderem zwei 40-Kilometer-Fahrradtouren und besuchten das Sommerkonzert der Berliner Philharmoniker in der Waldbühne – alles bei wunderschönem Sommerwetter.
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Genug für heute. Der zweite Teil des Jahresrückblicks folgt morgen.
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Dienstag, 24. Dezember 2013

Freitag, 20. Dezember 2013

Mehr oder weniger weihnachtliche Grüße

Es ist viel von Besinnlichkeit die Rede, von Freude, vom Freudemachen, vom Genießen ... gutes Essen, erlesene Geschenke, romantische Konzerte, anheimelnder Kerzenschein, frisches Tannengrün ... Advent und Weihnachten ist für die Wirtschaft ein großes Geschäft und für professionelle Öffentlichkeitsredner Anlass zu den alle Jahre wieder gleichen Klischees. Das ist nun einmal so und vermutlich sogar gut so, wenn wenn es der Wirtschaft gut geht und die Politiker und religiösen Würdenträger sich salbungsvoll äußern dürfen, dann kann man daran ja nichts aussetzen.

Dennoch seien Zweifel erlaubt: Ist das alles? Geht es in der Weihnachtszeit wirklich um ein schmuckvolles Jahresendfest, das womöglich bei vielen Menschen Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden - und nach den Feiertagen sind Frust, Enttäuschung und Elend um so größer? Von Kindern, die statt des erhofften neuen Mobiltelefons von den Eltern anders beschenkt wurden bis zur inneren Leere und Einsamkeit der Alleinstehenden, die um so schmerzhafter wird, je glücklicher vorgeblich die anderen feiern.

Weihnachten ist kein biblisches Fest - Jesus wurde soweit die Forschung dies ergründen kann in den Sommermonaten geboren und es gibt in der Bibel keine einzige Aufforderung, die Geburt des Erlösers überhaupt als einen besonderen Tag zu feiern. Vielmehr wurde einem in der geschichtlichen Tradition verwurzelten Winterfest (hierzulande das germanische Julfest) ein religiöser Mantel umgehängt und im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgeschmückt und erweitert, so dass heutzutage viele Menschen - gläubig oder nicht - den Ursprung von Weihnachten in der Bibel suchen. Als kirchlicher Feiertag ist der 25. Dezember allerdings erst seit 336 in Rom belegt.

Aber auch das ist ja nicht wirklich schlimm. Wie beim Oster- und Pfingstfest, ebenfalls nirgends als Feieraufforderung oder gar Gebot im heiligen Buch der Christenheit zu finden, schadet es ja nichts, wenn der Mensch über die Auferstehung Christi nachsinnt und sich Gedanken über die Kraft aus der Höhe oder - zu Weihnachten - über das Menschwerden Gottes macht.

Ich gehöre keineswegs zu den Weihnachtsverweigerern. Wir feiern im Familienkreis das Beisammensein, tauschen Geschenke aus, erfreuen uns an guten Speisen. Ein Weihnachtsbaum schmückt die Stube und überall in der Wohnung hat die beste aller Ehefrauen dekorative Elemente an geeigneten Stellen untergebracht. Wir besuchen klassische Adventskonzerte genauso wie ein Gospelkonzert in einer großen Kirche, auch dem Weihnachtsgottesdienst in unserer Gemeinde bleiben wir nicht fern. Das alles genieße ich, dagegen habe ich kein Wort zu sagen.

Ich meine allerdings durchaus, dass es nicht verkehrt wäre, all den geschäftlichen Rummel und die übersteigerten Erwartungen an dieses eine Fest im Jahr deutlich zurückzufahren. Wenn weniger Gier nach teuren Geschenken geweckt würde, weniger Veranstaltungen zu absolvieren wären, könnte dann mehr echte Anteilnahme am Schicksal des Mitmenschen entstehen? Ob es sich nun um unseren »Nächsten« handelt oder jemanden ein Stückchen weiter weg - könnten wir, statt zur Beruhigung des Gewissens ein paar Euro in die Spendensammlung zu geben, vielleicht sogar ganz ohne finanziellen Aufwand etwas schenken, was wirklich kostbar ist, was bleibende Freude über die Weihnachtstage hinaus ? Zum Beispiel: Echte Anteilnahme. Aus dem Herzen kommende Ermutigung. Zusammenhalt in guten wie in bösen Zeiten.

Ich wünsche meinen Blogbesuchern in diesem Sinne ein frohes Weihnachtsfest!

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Freitag, 13. Dezember 2013

Von Ungewissheiten und Hoffnungen

Ich möge, meinte mein Arzt, bitte nicht in Panik geraten und mir keine unnötigen Sorgen machen. »Mit großer Wahrscheinlichkeit ist nichts weiter los, als dass die Leber, aus der immerhin zwei kastaniengroße Stücke herausgeschnitten wurden, noch etwas Zeit braucht, bis sich die Werte normalisieren.« Ohne meine Vorgeschichte wäre noch nicht einmal Grund genug gegeben, weitere Untersuchungen folgen zu lassen.

Injection Needle: An injection needle filled with a red substance over a white reflective surfaceAber – sie ist nun einmal nicht aus der Welt zu schaffen, meine sogenannte Vorgeschichte. Und die heißt nun einmal Darmkrebs und Lebermetastasen. Daher ist ein ALKP02-Wert von 192 zusammen mit dem GAGT02 von 300 eben doch Veranlassung, genauer hinzuschauen. Das soll dann Anfang Januar geschehen: MRT des Bauches und CT oder Röntgen der Lunge.

Natürlich versuche ich, mir keine Sorgen zu machen, und in Panik werde ich so schnell sicher nicht geraten. Ich weiß ja, dass die Sorgen nichts ändern können – zumindest nicht zum Guten. Sorgen haben eher negative Auswirkungen auf den Organismus.

Sie lassen sich nicht völlig ausschalten, das ist andererseits auch wahr. »Wenn nun irgendwo, zum Beispiel in der Lunge, neue Metastasen sind? Wenn ein anderes Organ vom Krebs befallen ist?« Und so weiter. So melden sie sich zu Wort, die Sorgen.

Ich versuche, sofort mit Hoffnung zu reagieren, den Sorgen die guten und positiven Dinge entgegenzusetzen, die ich seit der Diagnose Krebs im März 2012 erlebt habe. Und meist gelingt das auch recht gut.

Anfang Januar wird dann die eine oder andere akute Ungewissheit beseitigt – und das ist ja auch nicht verkehrt.

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Freitag, 6. Dezember 2013

Sex zerstört den Glauben? - Ein offener Brief an den Apostel Paulus

Sehr geehrter Herr Paulus von Tarsus!

Bevor ich heftig gescholten werde, will ich eingestehen, dass es natürlich unfair ist, Ihnen einen offenen Brief zu schreiben. Sie sind bereits rund 2000 Jahre tot und können, soweit meine Kenntnisse reichen zumindest, nicht antworten. Daher erwarte ich auch von Ihnen, werter Herr Paulus von Tarsus, keinerlei Replik.

Darüber hinaus ist es ja strittig, welche der Ihnen zugeschriebenen Texte in jenem Buch namens Bibel überhaupt von Ihnen stammen. Verzeihen Sie daher alle Anmerkungen meinerseits zu Briefen, die Sie nie verfasst haben. Sie können selbstverständlich nichts dafür, falls viele Jahre nach Ihrem Ableben irgendwelche Kirchenfürsten nach Gutdünken Schreiben verfassen und den Namen Paulus darunter setzen. Außerdem sind einige der Briefe, die wirklich aus Ihrer Hand stammen, werter Herr Paulus von Tarsus, uns nicht erhalten geblieben. Oder sie lagern in vatikanischen Archiven, weil die Inhalte mit der offiziellen Kirchenlehre kollidieren würden. Womöglich haben Sie ja selbst manches relativiert oder korrigiert? Falls ja, dann ist das heutzutage leider nicht mehr bekannt.
Und noch eins sei vorausgeschickt. Sie konnten selbstverständlich nicht ahnen, dass Ihre Schreiben an diverse Personen und Gemeinden Jahrhunderte später ausgesucht und mit den Texten anderer Autoren gebündelt und als »Wort Gottes« bezeichnet werden würden. Sie haben ja gelegentlich selbst angemerkt, dass Sie nur Ihre persönliche Meinung und nicht etwa eine göttliche Weisung zu Papier bringen ließen. Es ist also mit Sicherheit nicht Ihnen anzulasten, dass in einigen Kirchen paulinisches Wort mit göttlichem Wort gleichgesetzt wird. Und ich kann mir sogar vorstellen, dass Sie manches nicht zur Veröffentlichung freigegeben hätten - zumindest nicht ohne Anmerkungen und Erklärungen, wenn Sie geahnt hätten, dass Ihre Schreiben in einem noch 2000 Jahre später erhältlichen Buch landen.

Quelle: http://www.rgbstock.com/photo/mgD8aFY/Love+at+DuskNun aber zu dem, was mich zum Schreiben dieses offenen Briefes veranlasst: Sie haben der Gemeinde in Korinth gegenüber recht deutlich gemacht, dass Sie die Sexualität des Menschen für ein leider zur Fortpflanzung notwendiges Übel hielten. Trotz der Tatsache, dass Sie noch zu Lebzeiten mit der Wiederkunft Jesu Christi gerechnet haben, kann ich nicht nachvollziehen, warum Sie den Jugendlichen von erotischen Beziehungen abgeraten haben. Meinten Sie wirklich, dass Sex in der Lage ist, den Glauben an Gott den Vater und Jesus Christus, seinen Sohn zu zerstören?

Aus Ihrer eigenen Leibfeindlichkeit haben Sie ja keinen Hehl gemacht. Sie haben sich sogar damit gebrüstet, dass Ihr Körper so allerlei Unbill auszuhalten hatte und dass Sie trotzdem nicht vom Weg der Nachfolge abgewichen sind. Aber war es angebracht, von sich auf andere zu schließen? Einerseits haben Sie sich, was Speisevorschriften und Feiertage betrifft, deutlich vom den Juden überlieferten Gesetz abgewandt, andererseits wollten Sie den Christen in Korinth die Einhaltung jüdischer Moralgesetze vorschreiben ... und darüber hinaus sogar Enthaltsamkeit als frommes Nonplusultra empfehlen.

Es mag natürlich auch daran liegen, dass die meisten Menschen (in meinem Kulturkreis zumindest) Ihre Briefe nicht in der Sprache lesen können, in der sie geschrieben wurden. Wir sind auf Übersetzungen und Überarbeitungen von Übersetzungen angewiesen, so dass es natürlich zu abweichenden Begriffen und damit bei uns verbundenen Vorstellungen kommen kann. Wenn wir in Ihren Schreiben das Wort »Unzucht« entdecken, dann mag es sein, dass wir an etwas ganz anderes denken als Sie beim Verfassen. »Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt.« Da denkt man heutzutage gleich: Dieser Schreiberling predigt die Askese. »Tötet nun die Glieder, die auf Erden sind, Unzucht, Unreinheit, schändliche Leidenschaft, böse Begierde und die Habsucht, die Götzendienst ist. Um solcher Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.« Da sehen wir den grimmig dreinblickenden alten Herrn, der Gott darstellen soll, der kaum anderes zu tun hat, als misstrauisch die Menschen hauptsächlich bezüglich des Geschehens unterhalb der Gürtellinie zu beäugen. Weiter lesen wir: »Aber um Unzucht zu vermeiden, soll jeder seine eigene Frau haben und jede Frau ihren eigenen Mann. ... Wenn sie sich aber nicht enthalten können, sollen sie heiraten. ... Also, wer seine Jungfrau heiratet, der handelt gut; wer sie aber nicht heiratet, der handelt besser.«

Ein notwendiges Übel, diese Beziehung mit dem eigenen Mann, der eigenen Frau. Dient nur dazu, Unzucht zu vermeiden, wenn sich jemand nicht jeglicher erotischer Regungen enthalten kann. So so. Und vom künftigen Wohlverhalten der Briefempfänger machen Sie es gar abhängig, wie Sie beim nächsten Besuch auftreten: »Was wollt ihr? Soll ich mit dem Stock zu euch kommen oder mit Liebe und sanftmütigem Geist?« Das passt so gar nicht zum Evangelium, in dem doch von Gnade, Vergebung und dem Kommen des Reiches Gottes die Rede ist. Im Übrigen widersprechen Sie sich dann auch noch selbst, wenn Sie schreiben: »Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.« Ihnen ist alles erlaubt - den Brieflesern wollen Sie so manches verbieten.

Verbrennung von Templern wegen angeblicher Sodomie - Quelle: WikipediaIch bin, sehr geehrter Herr Paulus von Tarsus, fast sicher, dass Sie manche dieser Äußerungen heute nicht so von sich geben würden. Vor allem nicht, wie bereits gesagt, wenn Sie geahnt hätten, dass man Ihre Zeilen irgendwann in einigen christlichen Kreisen als »Wort Gottes« bezeichnen und lehren würde. Das hat zu sehr viel Leid, sehr viel Ungerechtigkeit und sehr viel Ablehnung des Evangeliums durch an und für sich interessierte Menschen geführt. Leider. Und in Gott sei Dank vergangenen Jahrhunderten sogar zu Folterungen und zum Mord im Namen Gottes. Pfui Teufel!

Es scheint mir, da Ihre Texte nun einmal so überliefert sind wie wir sie vorfinden, angebracht, Ihnen zu widersprechen. Sie waren ja zu Lebzeiten kein Feind von Diskussionen, obwohl Sie dazu neigten, das letzte Wort haben zu müssen und notfalls auf Ihr Amt zu verweisen. Aber immerhin haben Sie sich andere Meinungen angehört.
Ich halte es nicht für richtig, die Sexualität des Menschen als lediglich zur Fortpflanzung leider notwendiges Übel zu betrachten. Wenn wir davon ausgehen, dass Gott, der Vater im Himmel, den Menschen gewollt und erschaffen hat, wäre es ihm ja ein leichtes gewesen, die Fortpflanzung auf eine Weise sicher zu stellen, die mit Emotionen, Orgasmus und Leidenschaft nichts zu tun hat. So etwa wie bei den Pflanzen … kommt ein Insekt geflogen und bringt männlichen Samen, der natürlich ohne Erektion und Ejakulation erreichbar ist, zur weiblichen Eizelle, die keinerlei erotische Erlebnisse braucht, um befruchtet zu werden.
Nein, werter Herr Paulus von Tarsus, unsere Geschlechtsorgane sind so geschaffen, dass sie uns schon in jungen Jahren und dann ein Leben lang angenehme Empfindungen bis hin zur Ekstase, viel Freude und immer wieder neues Vergnügen bescheren. Und der Schöpfer dieser Geschlechtsorgane heißt nicht Satan. Wenn jemand wie offenbar Sie selbst ein asexueller Mensch ist, dann sei ihm das unbenommen. Aber ein solches Leben hätten Sie nicht zum Nonplusultra erheben dürfen – selbst wenn Sie nicht ahnen konnten, was daraus im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende wird.

Abschließend will ich es nicht versäumen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass vieles in Ihren uns überlieferten Texten keinerlei Einwände oder Anmerkungen bei mir auszulösen vermag - häufig vermag ich bei der Lektüre ja und amen zu sagen. Bei anderen Autoren ist das übrigens nicht anders, seien es nun Texte in jenem Buch namens Bibel, von dem Sie, werter Herr Paulus von Tarsus noch nichts wussten, seien es andere Schriften.

Mit freundlichen Grüßen in die Vergangenheit,

ein Leser Ihrer Schriften.
P.S.: Zitate aus der Luther-Bibelübersetzung
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Sonntag, 1. Dezember 2013

Ich weigere mich, die Einteilung in »christlich« oder »weltlich« mitzumachen. - Ein Interview

Heute erschien ein Interview, das ich einer Gemeindezeitschrift gegeben habe. Namentlich der Johannes-Gemeinde, die - obwohl ich kein Mitglied bin - doch meine Heimatgemeinde in dem Sinne ist, dass ich mich zugehörig fühle und auch als Moderator gelegentlich an der Gestaltung der Gottesdienste mitwirke. Das Interview möchte ich meinen Blogbesuchern nicht vorenthalten. Bittesehr:

Frage: Lieber Günter, wer wissen will was du so tust oder wie es dir geht, braucht eigentlich nur deine diversen Internetaktivitäten bei Facebook oder über deinen Blog zu verfolgen. Da lernen wir zum Beispiel dass du nach deiner Leber-Operation dich wieder fit machen willst für den Joggathon 2014. Was hast du sonst noch für Pläne für 2014?
 
Antwort: Ich weiß schon zu filtern, was ich via Blog oder Facebook verrate - man erfährt zwar dort manches über mich, aber sicher nicht alles. Und das ist auch gut so.
Dass ich beim Joggathon 2014 mitlaufen möchte, ist richtig. Meine Teilnahme 2013 war ein ganz persönlicher Etappensieg im Kampf gegen den Krebs und seine Folgen. Die Lebermetastasen und die Operation jetzt im Oktober 2014 sind ein böser Rückschlag, aber ich will eben trotzdem und jetzt erst recht wieder zu Kräften kommen, weiter kämpfen und weiter leben. Egal wie viele Runden und bei welchem Wetter – wenn  ich im Juni 2014 überhaupt eine Stunde Dauerlauf schaffe, wird das wiederum ein persönlicher Sieg sein, so Gott will und ich lebe.
Ich könnte mir auch vorstellen, 2014 an einem Buch zu arbeiten, in dem die beste aller Ehefrauen und ich über unser inneres und äußeres Erleben und Ergehen seit der Diagnose Darmkrebs berichten. Ich könnte mir vorstellen, dass wir diverse kürzere Reisen unternehmen. Ich könnte mir vorstellen, mich wieder vermehrt ehrenamtlich zu engagieren ... aber: bei allen vorwärts gerichteten Gedanken und Vorstellungen ist mir immer bewusst, dass jeder Monat, jede Woche, jeder Tag bei guter Gesundheit ein Geschenk ist. Wer noch nie von einer tödlichen Krankheit befallen wurde, weiß ganz theoretisch ebenso, dass sein Leben endlich ist. Richtig bewusst geworden mit aller Ernsthaftigkeit ist mir das jedoch erst, als ich im März letzten Jahres hörte: Sie haben Krebs.
 
Foto: (C) 2012 Photographer Mensch, Berlin Frage: Es ist schön zu sehen, dass es dir wieder besser geht! Die Gemeinde war um dich besorgt und viele haben für dich und Eva gebetet. Wie war es in dieser schweren Zeit um deine Beziehung zu Gott und zur Gemeinde bestellt? Würdest du in dem geplanten Buch auch über solche geistliche Erfahrungen berichten oder wäre es eher ein »weltliches« Buch?
 
Antwort: Die Anteilnahme und die Gebete unserer Gemeinde – sowie vieler Menschen weit darüber hinaus, Atheisten und Andersgläubige ausdrücklich eingeschlossen – waren und sind uns außerordentlich wertvoll. Es ist kaum auszudenken, wie es wäre, in einer solchen Situation alleine dazustehen. Grausam. Wir sind dankbar für all die Fürbitte, Aufmunterungen und Trostworte bis hin zur praktischen Hilfe, die wir erlebt haben. Die Gemeinde hat uns mitgetragen und tut das noch heute.
In meiner Beziehung zu Gott hat sich nichts Grundlegendes geändert. Ich traue ihm jederzeit zu, Menschen, mich eingeschlossen, mit körperlicher Heilung zu beschenken, aber ich weiß, dass es weder einen Anspruch darauf noch eine Garantie für bleibende Gesundheit gibt. Wenn mein Glaube an Gott vom körperlichen Wohlbefinden oder angenehmen Lebensumständen abhinge, wäre das eine recht armselige Angelegenheit. Allerdings bin ich durch die Krebserkrankung zu einer neuen und tiefen und vorher nicht gekannten Dankbarkeit für jeden Tag, den ich leben und erleben darf, gelangt – das hat sich durchaus geändert.
Was das angesprochene Buch und überhaupt meine Einstellung betrifft: Ich weigere mich, die Einteilung in »christlich« oder »weltlich« mitzumachen. So wie ich rund um die Uhr Christ bin, ob nun im Gottesdienst oder am Arbeitsplatz oder beim Einkauf, so bin ich ja nicht plötzlich temporär ungläubig, wenn ich beispielsweise einen Krimi schreibe. Und ob ein anderer Mensch in die Schublade »christlich« oder »weltlich« gehört, würde ich nie und nimmer beurteilen wollen, weil schon »christlich« überhaupt nicht zu definieren ist und weil mich das überhaupt gar nichts angeht.
Selbstverständlich würden Glaubensfragen und -erfahrungen in ein solches Buch einfließen. Allerdings formuliere ich möglichst immer auf eine Weise, die auch für Menschen verständlich ist, die meinen Glauben nicht teilen.
 
Frage: Soviel ich weiß, bist du kein professioneller Journalist oder Germanist. Wie bist du zum Schreiben gekommen und welches ist dein Lieblingsgenre?
 
Antwort: Das ist richtig. Ich habe auf einer Fachhochschule ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert und arbeite zum Broterwerb als Personalreferent in einem Industrieunternehmen. Das Schreiben als Leidenschaft hat mich aber schon als Kind begleitet. Ich habe für die Familie kleine – und wie ich meinte lustige oder spannende – Geschichten geschrieben und abends vorgelesen, Aufsätze in der Schule oder für die Schule waren meine Lieblingsbeschäftigung...
Das Schreiben lernen, das war dann ein Prozess über viele Jahre und irgendwie wird man damit sowieso nie fertig. Wenn ich ein besonders faszinierendes Buch lese, dann frage ich mich noch heute jedes Mal: Was macht der Autor da mit mir? Wie gelingt es der Autorin, mich dermaßen einzufangen und zu fesseln? Und dann blättere ich nach der atemlosen Lektüre noch mal zurück, ob ich wohl dahinter komme. Natürlich habe ich aber auch Fachbücher über das Schreiben studiert und in jüngeren Jahren einen nicht ganz preiswerten zweijährigen Kurs absolviert.
Ein Lieblingsgenre habe ich gar nicht. Das spiegelt sich in meinen Kurzgeschichten wider - von der Liebesgeschichte oder erotischen Miniatur über den Krimi und Nachdenkliches bis zur Neuerzählung biblischer Geschichten aus ungewohnter Perspektive ist eigentlich alles vertreten.
 
Frage: Das klingt  nach mehr als einem Doppelleben das du da führst. Welches deiner Bücher würdest du jemandem empfehlen, der dich auch mal als Autor kennen lernte möchte? Schließlich ist ja bald Weihnachten und damit Zeit für Wunschlisten.
 
Antwort: Es gibt ein Buch, »Neuland« heißt es, das Erzählungen und Kurzgeschichten einer großen Bandbreite enthält, von der Liebesepisode über einen kafkaesken Restaurantbesuch und die Geschichte des barmherzigen Samariters – allerdings spielt sie heute und in Greifswald – sowie allerlei spannende und vergnügliche Kurzgeschichten bis zum Blick auf das mögliche Ende der Welt. »Neuland« bekommt man bei Amazon mit der ISBN 978-1481025287. Wer lieber einen Roman liest als mehrere Erzählungen, dem empfehle ich »Sabrinas Geheimnis« - ein Thriller, der in Berlin Lichterfelde beginnt und auf dem berühmten Zebrastreifen der Abbey Road in London mit einem kaltblütigen Mord endet. ISBN 978-1463636869. Beide Bücher sind auch als E-Buch für den Kindle erhältlich. Wer ein wenig mehr über meine Kindheit und Jugend erfahren möchte, kann zum autobiographisch gefärbten Roman »Es gibt kein Unmöglich!« greifen, ISBN 978-3837066197.
 
Frage: Na, das ist doch eine schöne Auswahl. Ich nutze auch gleich die Gelegenheit jemanden vom Fach zu fragen: Gibt es ein aktuelles geistliches Buch eines anderen Autors, das du der Gemeinde zum Lesen empfehlen könntest?
 
Antwort: Nein. Natürlich nicht, da ich ja die Unterscheidung in christlich und weltlich wie gesagt ablehne. Ich habe 2013 bereits über 30 Bücher gelesen, darunter etliche gute, aber ich wüsste nun nicht zu sagen, welche »unweltlich« genug waren, um die Trophäe »geistlich« zu verdienen.
 
Frage: Na, dann muss ich ohne »Trophäe« auskommen. Ich danke dir für das Gespräch und wünsche Dir und Eva weiterhin viel Kraft und Liebe!
 
Antwort: Bevor ich mich ebenfalls für das Gespräch und Interesse bedanke, will ich gerne noch zwei gute Bücher, geistlich hin, weltlich her, erwähnen, die ich 2013 gelesen habe: Joseph Ratzinger: Jesus von Nazareth - die Kindheitsgeschichten und Randall Arthur: Forgotten Road. Nein, drei Bücher. Da ist ja auch noch Charlotte Link: Im Tal des Fuchses. Und dann natürlich Stephen ... nein, Stopp! Bevor ich kein Ende finde: Ich bedanke mich ebenso herzlich und wünsche Dir gutes Gelingen beim Zusammenstellen der Ausgabe unserer kleinen Gemeindezeitschrift.
 
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