Montag, 20. Januar 2014

Von einem »christlichen« Sumpf, der zum Himmel stinkt

Es darf sich von mir aus jeder Mensch öffentlich daneben benehmen wie er möchte. Wer demonstrieren will, dass auch nur einigermaßen akzeptables Benehmen, von gutem Benehmen ganz zu schweigen, nicht zum persönlichen Repertoire gehört, der möge das tun. Wer dumm ist und seine Dummheit hinausposaunen mag … meinetwegen.

Es sei denn, und das ist der Anlass für diese Zeilen, es sei denn, jemand besudelt, beleidigt und verunglimpft mit seinen Entgleisungen andere Menschen und ich gerate in die Gefahr, mit solchen üblen Ausdünstungen in einen Zusammenhang gebracht zu werden.

Ich bin Christ. Und wenn sich jemand erdreistet, angeblich im Namen des christlichen Glaubens unfassbar niveaulose Verbalinjurien abzusondern, dann muss ich widersprechen, denn sonst werde ich womöglich noch in den gleichen Jauchetopf geworfen.

facliAktuell werden hier und da auf unerträgliche Weise homosexuelle und lesbische Menschen verurteilt und verbal geprügelt, so dass ich mich frage, wes Geistes manche Schreiberlinge, die sich Christen nennen und um fromme Sprüche nie verlegen sind, eigentlich sind. Beispiele? Die gibt es überall in den sozialen Netzwerken. Bitteschön, hier sind einige Zitate von Facebook, eins zu eins kopiert, samt aus offensichtlicher Bildungsferne resultierenden Schreibfehlern:

»Ich sag dir mal was, wenn homos kinder kriegen KÖNNTEN, würden noch viel mehr Kinder in den "Müll" geworfen werden.«

»... meinst du im ernst hier wäre irgend jemand, der Prostitution und Unzuch in irgend einer form befürworten würde oder anders darüber denken würde wenn es homosexuelle Unzucht ist?«

»Die EKD ist weder evangelisch noch Kirche. Ein verkommener Haufen. Und selbst die Freikirchen rutschen immer tiefer.«

»Eine Gesellschaft die nicht mehr die Familie Vater und Mutter schützt, dafür die Homosexualität propagiert, ist dabei sich selbst auszurotten. Homos können nunmal keine Kinder zeugen.«

»...  dass uns mit scheinbarem Glücksgewinn ("die Frucht war schön anzusehen") in Wirklichkeit tödliches Gift angeboten wird (z.B. bei Ehebruch / Homosexualität usw.)«

Pfui Teufel! Wo so viel Hass und solch menschenverachtender Unflat öffentlich ausgeschüttet werden, da steckt vermutlich genau dieser dahinter. Denn im Evangelium ist von solchen Entgleisungen und Ausfällen nicht die Rede.

Selbst wenn - nur mal ganz hypothetisch – selbst wenn Homosexualität Sünde wäre, dann hätten wir als Nachfolger des Jesus Christus, nach dem wir uns »Christen« nennen, doch wohl die Aufgabe, seinem Beispiel zu folgen. Als man eine »Sünderin« zu ihm brachte, die auf frischer Tat beim gesellschaftlich geächteten Sex ohne Trauschein - noch dazu mit einem verheirateten Mann - erwischt worden war, schwieg Jesus beharrlich. Er weigerte sich, die Frau zu verurteilen. Als die gesetzestreuen Tugendwächter schließlich aufgegeben hatten und verschwunden waren, fragte er die Frau, wo denn ihre Ankläger seien. Weg waren sie, fort und verstummt. Niemand klagte sie mehr an. Auch Jesus nicht. Er schon gar nicht.

Man darf unterschiedlicher Meinung sein, das ist normal und jedermanns Recht. Wer Homosexualität für Sünde halten möchte und dafür Gründe zu haben meint – der möge sich öffentlich darüber ausbreiten, wenn er es für nötig hält, und einer sachlichen Diskussion stellen, wenn er den Mut und das moralische Format dafür mitbringt. Aber man darf nicht in der oben zitierten und oft noch grässlicherer Weise über irgend einen Mitmenschen herziehen, dafür gibt es keine Entschuldigung.

Also mein Fazit in aller Deutlichkeit: Mit Christen, die andere Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihres sozialen Status oder aus welchen angeblichen Gründen auch immer verächtlich machen, beschimpfen, angreifen oder beleidigen, möchte ich bitte nicht in einen Topf geworfen werden. Deren Topf stinkt nämlich ganz erbärmlich zum Himmel.

Wir hatten in der deutschen Geschichte schon mal solch einen üblen Sumpf, der rosa Winkel, Judensterne und unermessliches Unheil brachte …

So. Das musste mal gesagt beziehungsweise geschrieben werden.

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4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich finde diesen Beitrag sehr gut. Ich möchte auch nicht in den "homophoben" Topf geworfen werden. Allerdings muss man bei der Verwendung der Geschichte aus Johannes 8 auch beachten, dass Jesus der Frau danach sagt, sie solle nicht mehr sündigen. Es ist nicht so, dass Jesus ihr Handeln mit Egalität behandelt und nur darauf bedacht ist, sie vor der Steinigung zu bewahren. Er möchte auch, dass die Frau ihr sündiges Handeln beendet. Beide wissen, dass das Handeln der Frau falsch ist und Jesus fordert sie auf, diese falschen Handlungen aktiv zu beenden.
Und so sehe ich es als die Aufgabe der Christen, Nachfolger Christi, andere nicht zu verurteilen, sondern vor Verurteilung zu schützen. Aber eben auch, auf falsches Verhalten hinzuweisen. Nach dem 1. Johannesbrief 3,18 zeigt sich echte Liebe durch Taten und durch Wahrheit.

Hans-Christian Beese hat gesagt…

Volle Zustimmung, dass Hass und Verurteilung keine Option für Christen ist. Doch der schroffe, gereizte Ton herrscht auf beiden Seiten. Bei der LGBT-Debatte geht's für Christen nicht um Details, sondern letzten Endes um Grundlagen. Die bei diesem Thema besonders halsbrecherische Akrobatik "historisch-kritischer" Hermeneutik, mit deren Hilfe die Bibel das genaue Gegenteil des offensichtlichen Wortlauts aussagt, ist für niemanden hilfreich.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Ich habe nicht die Absicht, hier eine Diskussion darüber zu veranstalten, inwieweit biblische Texte für wen wann welche Verbindlichkeit besaßen oder besitzen. Das wäre ein ganz anderes Thema, zu dem ich unter anderem im offenen Brief an den Herrn Apostel Paulus einiges geschrieben habe.
Hier geht es nur um den oft mehr als unangemessenen Ton bei manchen frommen Zeitgenossen.

Hans-Christian Beese hat gesagt…

Egal, wie sachlich formuliert, scheint gegenwärtig jede Äußerung seitens des "fundamentalistisch-homophoben" Staatsfeindes Nr. 1 in mancher Ohren "unangemessen" zu klingen.

Ich würde gern zu dem Thema nur schweigen, wenn nicht gefühlt jeder zweite emergente Beitrag (der sich gerade mal nicht um die Unsinnigkeit von "Sühnetheorien" oder um Fairtrade-Tische dreht) die Vertreter der konservativen Sicht zum Thema praktizierte Homosexualität mit sloterdijkschem Herrenzynismus aufs Korn nähme.