Donnerstag, 16. April 2015

Meine Wirklichkeit muss nicht deine sein.

I'm sick and tired of hearing things
From uptight, short-sighted, narrow-minded hypocritics
All I want is the truth
Just gimme some truth
-John Lennon / Gimme Some Truth

Die Wirklichkeit ist die Wirklichkeit. Basta.
Oder doch nicht?
Es ist zwar richtig, dass die Realität für alle Menschen die gleiche ist, aber wie wir sie empfinden, wahrnehmen, wie sie uns persönlich und unser Leben beeinflusst, das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Und weil das so ist, können wir selbst dazu beitragen, wie sie die Wirklichkeiten dieser Welt auf unser Befinden auswirken.

Eigenes FotoDer Begriff Realität (oder Wirklichkeit) scheint zunächst etwas absolutes zu bezeichnen, etwas, das sich unserem Zugriff entzieht. Die Sonne wird an einem heißen Sommertag auf uns herniederscheinen - diese Sonne ist wirklich vorhanden, ob wir es nun glauben, wollen, ablehnen oder ignorieren. Die Sonne ist eine Realität.
Aber unsere persönliche Wirklichkeit wird dadurch geprägt, wie wir sie empfinden. Für den einen ist die Sonne ein extrem heißes und bedrückendes Objekt, für den anderen die Quelle einer tief gebräunten Haut und für den dritten eine riesige Hautkrebserzeugungsmaschine. Wieder ein anderer liebt die Sonne, weil sie bezaubernde Farben und Formen an den Himmel malt. Manche Menschen hielten (oder halten vielleicht noch heute) die Sonne für einen Gott, den man fürchten und dem man dienen muss. Für jeden ist die Sonne etwas anderes und löst andere Empfindungen aus, obwohl sie objektiv betrachtet für jeden Menschen genau der gleiche Himmelskörper ist.

Die Welt ist alles, was der Fall ist.
-Ludwig Wittgenstein / Tractatus logico-philosophicus

Genauso ist es mit vielen anderen Realitäten. Was wir darüber denken, was wir damit tun, das formt auf lange Sicht unsere ganz persönliche Wirklichkeit. Zum Beispiel gilt das auch für den Umgang mit elektronischen Medien wie dem Internet.
Wenn du dich ständig mit Webseiten beschäftigst, die beschreiben, wie furchtbar die Welt und wie ungerecht und grausam das Leben ist, dann wird das auf Dauer deine Sicht, dein Empfinden, dein ganzes Leben beeinflussen und verändern. Wenn du bei Twitter oder auf Facebook Leuten folgst, die ständig nur nörgeln und schimpfen und sich beschweren, dann wird das unweigerlich Einfluss auf deine Persönlichkeit haben.
Dass es auf der Welt auch grausam, ungerecht und böse zugeht, ist die Realität. Das zu leugnen wäre genauso töricht, wie sich ausschließlich mit dieser traurigen Tatsache zu beschäftigen. Die Wirklichkeit, dass Schreckliches geschieht, bleibt die gleiche. Der eine lässt sich davon mehr und mehr niederdrücken, bis er daran zugrunde geht oder der ganze Frust sich in einem Gewaltausbruch entlädt. Der andere nimmt es zur Kenntnis und schaut, wo er Not mindern und Menschen helfen kann. Der dritte bewahrt sich, ohne die Realität zu leugnen, auch den Blick für das Schöne, das Gute, das Positive.

Soweit wir erwachsen geworden sind, sind wir für uns selbst verantwortlich; wie wir denken und handeln, können wir nicht auf andere (oder das böse Schicksal oder einen untätigen Gott) abwälzen. Wir können an den Realitäten nicht immer etwas ändern. Aber was die Realitäten mit unserem Leben anstellen, da haben wir doch oft ein Wörtchen mitzureden. Nicht immer, zugegeben. Aber wo es möglich ist, da sollten wir davon auch Gebrauch machen.

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P.S.: Gedanken und Erfahrungen dazu, wie unser Empfinden und Denken das persönliche Leben formen, stehen auch in diesem Buch:

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