Donnerstag, 27. Oktober 2016

Leonard Cohen: You Want It Darker

Wenn vom Kunst die Rede ist, sei es nun Literatur, Musik oder eine der anderen Erscheinungsformen, dann ist jede Rezension naturgemäß subjektiv. Was mir Freude macht, mag einen anderen Menschen langweilen, was mir missfällt, ist für andere Menschen womöglich ein Hochgenuss. Und das ist auch gut so. Was ich also hier über Leonard Cohens »You Want It Darker« zu sgaen habe, ist eine sehr persönliche Sicht.

Mit Superlativen bin ich zurückhaltend, ich könnte auch nicht sagen, welches Album von Leonard Cohen sein bestes wäre - aber »You Want It Darker« ist auf jeden Fall ein Meisterwerk. Dem 82jährigen ist so etwas wie ein krönender Abschluss seines künstlerischen Schaffens als Musiker gelungen. Es wird zwar aller Voraussicht nach laut Adam Cohen ein weiteres Album, ein orchestrales Werk, geben, aber das bleibt abzuwarten.

14724593_10207683434792001_5442476281373428787_nAuf »You Want It Darker« schließen sich für mich viele Kreise. Zum Beispiel hieß es einst (1969) bezüglich der Geschichte von Abraham und Isaak: »You who build these altars now to sacrifice these children, you must not do it anymore. A scheme is not a vision and you never have been tempted by a demon or a god.« Das war der zornige, gegen Gott und die Welt aufbegehrende Cohen. Auf dem neuen Album kommt er im Titelsong auf diese biblische Geschichte zurück und singt: »Hineni Hineni - I’m ready, my Lord.« Hineni ist das hebräische »Hier bin ich«, mit dem Abraham seinen unbedingten Gehorsam ausgedrückt hat. »Magnified and sanctified be Thy Holy Name« - da schließt sich auch der Kreis zum »broken, very lonesome Hallelujah«. Ohne, dass die Augen vor der Tatsache verschlossen würden, dass Gebete oft genug ohne Antwort bleiben: »A million candles burning for the help that never came.«

Im nächsten Lied, »Treaty«, zeigt sich (für mich, wie gesagt ist das alles sehr subjektiv) die Kluft zwischen Christentum und Judentum und der Wunsch nach einer Brücke, einem Vertrag zwischen den beiden Religionen. »I seen you change the water into wine, I seen you change it back to water too. ... I do not care who takes this bloody hill, I’m angry and I’m tired all the time. I wish there was a treaty between your love and mine.«

Ist es Altersweisheit, die sich in »On The Level« äußert? »Now I’m living in this temple where they tell you what to do. I’m old and I’ve had to settle on a different point of view.« Wir kommen in unseren reiferen Jahren zu anderen Schlüssen als in der Jugend. Und lassen dabei so manche Sichtweise als untauglich hinter uns. »When I turned my back on the devil, turned my back on the angel too.«

Jedes der Lieder ist in gewisser Weise ein Abschied - aber kein weinerlicher, auch kein zorniger oder enttäuschter, sondern das Album atmet Gelassenheit, Ruhe und sehr viel Frieden. Es ist für mich Leonard Cohens religiösestes Werk, abgesehen von seinem literarischen Book of Psalms natürlich. Der Kreis der Auseinandersetzung mit Gott, seinen Wegen und seinem Willen, schließt sich nicht in Resignation, sondern ungefähr so, wie es Johnny Cash ausgedrückt hat, als er sich dem Ende seines langen Lebens näherte: My arms are too short to wrestle with God.«

»You Want It Darker« wird auf jeden Fall eines meiner bevorzugten Leonard Cohen Alben bleiben. Die sparsame Instrumentierung passt so gut zu den Liedern, dass tatsächlich ein Gesamtkunstwerk entsteht, in dem Texte, Musik und Arrangements perfekt zusammenpassen. Ein Abschiedsalbum ohne Sentimentalitäten - traurug durchaus, aber nicht trost- oder hoffnungslos. Beim Anhören von Nick Caves »Skeleton Tree« färbt die Trauer auf mein Befinden ab - bei »You Want It Darker« empfinde ich trotz der innerlichen Auseinandersetzungen mit Gott und der Welt (und dem, was uns in der Welt so alles begegnet) Frieden, wenn die letzten Töne verklingen.

Hier kann man das Album bei Interesse kaufen: