Dienstag, 31. Januar 2017

Das wohl persönlichste Buch …

Ich habe, meine regelmäßigen Blogbesucher und Leser meiner Artikel und Bücher wissen das, schon allerlei unterschiedliche Texte verfasst. Darunter sind neben Sachtexten zu diversen Themen und Fiktionen auch zahlreiche persönliche Empfindungen und Erlebnisse zu finden. Einen womöglich repräsentativen Ausschnitt aus der Vielzahl meiner Texte bietet die [Übersicht auf meinem textlastigen Blog] nebenan bei Wordpress.

Am gegenwärtigen Projekt arbeiten nun die beste aller Ehefrauen und meine Wenigkeit gemeinsam. Einen Titel hat das Buch noch nicht und es ist auch bei weitem noch nicht fertig, nicht einmal die erste Rohfassung ist auch nur zur Hälfte komplett. Damit aber meine geschätzten Blogbesucher angesichts der Dürre hier auf dem Blog nicht glauben, ich wäre untätig, will ich heute den Entwurf der Einleitung zum geplanten Buch anbieten.

Bittesehr:

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Die Notoperation wird vorbereitet, aber ein Chirurg hat noch eine Idee, eine Hoffnung, wie mir vielleicht – es ist nicht wahrscheinlich aber immerhin auch nicht ausgeschlossen – ein künstlicher Darmausgang erspart werden kann …
- Blogeintrag aus dem März 2012

Mein Leben, das mir geschenkte Weiterleben, sieht anders aus als in der Zeit vor dem März 2012 – innerlich und äußerlich. Darum geht es in diesem Buch.

Ich fing noch im Krankenhaus an, zu notieren, was ich nicht vergessen wollte. Nur für mich selbst zunächst. Später schrieb ich auf meinem Blog darüber und bekam viele Zuschriften von Lesern, die selbst an Krebs erkrankt waren oder nahe Verwandte mit ähnlichem Schicksal hatten. Sie fühlten sich durch meine Berichte und Schilderungen ermutigt und manches war ihnen auch in ganz praktischer Hinsicht hilfreich. Mit einigen Lesern entwickelte sich eine Brieffreundschaft, aus der dann sogar persönliche Begegnungen zuIMG_0529_sepiastande kamen, die zu bis heute andauernder Freundschaft führten.

Der Anstoß, aus den Notizen und Berichten ein gemeinsam verfasstes Buch zu machen, kam dann von Eva, der besten aller Ehefrauen. Sie hatte via Facebook und in persönlichen Notizen notiert, was und wie sie empfand. Auch sie bekam Zuschriften von Freunden und Verwandten – sogar uns nicht persönlich bekannte Menschen drückten ihre Anteilnahme und Unterstützung aus. Wie viel das bedeutet, wie sehr so etwas zu stärken und Hoffnung zu geben vermag, muss vermutlich selbst erlebt werden, um es voll und ganz schätzen zu können.

In diesem Buch begegnen Sie also zwei Erzählern. Um dabei mögliche Irritationen beim Lesen zu vermeiden, erkennen Sie Günter J. Matthia an dieser Schrift, während die Textbeiträge von Eva Miller-Matthia in dieser Schriftfamilie gesetzt sind.

Eva: Die Idee, gemeinsam dieses Buch zu schreiben, ist mittlerweile über vier Jahre alt. Als sowohl Operation als auch Chemotherapie überstanden waren und wir nach vielen Monaten in unseren gewohnten und doch neuen, für uns einer Art Wiedergeburt gleichenden, Alltag zurückgefunden hatten, kam der Gedanke auf, das Erlebte aus unser beider Perspektiven aufzuschreiben.

Im März 2013, also genau ein Jahr nach der Diagnose Darmkrebs, wurde alles plötzlich wieder greifbar, jedes Gefühl und jeder Gedanke kam mit einer unerwarteten Intensität zurück. Tagelang hatte ich fertige Sätze im Kopf und formulierte meinen Teil des Erfahrungsberichts weiter, aus dem hoffentlich eines Tages ein Buch werden würde. Viele Freunde fanden die Idee ausgezeichnet und ermutigten uns, die Sache durchzuziehen. Nicht zuletzt ließen uns die vielen Mails, die Günter aufgrund seiner Berichte via Blog und Facebook, aber auch Zeitschriftenartikeln, von anderen Krebspatienten und deren Angehörigen erhalten hat, vermuten, dass ein solches Buch Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen könnte.

Zugegeben, heute, Anfang 2017, fällt es mir deutlich schwerer, die Gefühle und Gedanken von damals in einer ähnlichen Intensität zu aktivieren, wie sie mich damals ungebeten überfielen. Aber sie sind nicht gänzlich verschüttet, sind noch abrufbar.

Wenn ich morgens mit unserem Hund durch die Dunkelheit stapfe, dem oftmals geradezu spektakulären Sonnenaufgang entgegen, ist die Dankbarkeit besonders greifbar. Aber auch bei der Verrichtung alltäglicher Dinge oder wenn die Arbeit gerade nicht besonders viel Freude macht, ist es nicht weit weg: das Wissen, dass das Hier und Jetzt nicht selbstverständlich ist, dass alles hätte anders ausgehen können, dass jeder Moment zählt und Wertschätzung verdient.

Bin ich etwa dankbar für den Krebs? Nein. Ich hasse ihn heute genauso wie vor zehn Jahren, als er mit dem Tod meines Vaters als Schreckensgestalt in unser Leben kam. Aber ich bin dankbar für die Veränderungen, die in unserem Leben Einzug gehalten haben. Wenn ich an etwas festhalten will, ist es die Dankbarkeit – für jeden gemeinsamen Tag seit dem März 2012 und für all das, was wir in unserem Leben ändern konnten.

Der vielfältige Beistand, den Eva und ich erleben durften und hoffentlich auch weiter erleben werden, durch so viele mitempfindende Menschen, die Gebete, ob nun »zum Universum« oder zu einem namentlich benannten Gott, von für mich angezündeten Kerzen in katholischen Kirchen bis zu ganz und gar weltlich-irdischen Genesungswünschen … für all das sagen wir auch mit diesem Buch ein herzliches und tief empfundenes Dankeschön!

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P.S.: Foto © November 2012 Photographer Mensch; Ralf Arndt, Berlin

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Montag, 23. Januar 2017

So alt schon?

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… nun ja – gemeint ist mit der netten Süßigkeit meine Bilderausstellung nebenan bei Tumblr – die feiert heute ihr dreijähriges Jubiläum. Wer die Lichtbilder beschauen will, möge auf den folgenden Schriftzug klicken:

[G. J. Matthia bei Tumblr]

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Montag, 16. Januar 2017

Dummheit siegt. (Die Schmährede eines Sprachnostalgikers)

Dummheit siegt. Leider. Das widerspricht zwar der Evolutionstheorie, aber am Beispiel des Verfalls der deutschen Sprache ist der Beweis leicht zu führen.

Dummheit bezeichnet umgangssprachlich eine törichte Handlung sowie einen Mangel an Intelligenz oder Weisheit. Im Unterschied zu anderen Bezeichnungen, die auf Mangel an Intelligenz hinweisen, bezeichnet Dummheit (alltagssprachlich) aber auch die Einstellung, nicht nur etwas nicht wahrnehmen zu können, sondern auch es nicht wahrnehmen zu wollen. (-Wikipedia[1])

Vor allem der letzte Teil dieser Definition scheint mir in den letzten Jahren immer mehr um sich zu greifen. Nicht nur in den sozialen Medien, aber vor allem dort. Es mag auch sein, dass es sich eher um Faulheit in erheblichem Ausmaß handelt als um Dummheit, aber ist solche Faulheit nicht letztendlich Ausdruck der Dummheit?

clip_image002Zum Beispiel der Gebrauch des Verbs »realisieren«. Jedem Menschen mit Internetzugang steht seit Jahren kostenlos der Zugang zum Duden zur Verfügung. Zu Bedutungswörterbüchern und Überstzungshilfen gleichermaßen. Wenn jemand soziale Netzwerke nutzt, ist es also weder technisch ein Problem, sich über die Bedeutung und den Gebrauch von Worten zu informieren, noch kostet es zusätzliches Geld. Und dennoch wurde und wird »realisieren« immer häufiger falsch verwendet. Der Ursprung dürfte in mangelnder Sprachkenntnis des Englischen gelegen haben. Da las jemand »he realized …« und tippte »er realisierte«. Das ist reine Dummheit im Sinne der Definition am Beginn dieses Beitrages. Aber es hat sich fortgesetzt und lawinenartig verbreitet.

clip_image004Häufig zeigt sich beim Missbrauch des Verbs, dass es den Schreibenden grundsätzlich an Kenntnissen in der deutschen Sprache mangelt, wie dieses Beispiel überdeutlich demonstriert.

Auch die Behauptung, dass etwas »keinen Sinn macht« oder »Sinn macht«, häuft sich zusehends. Sinn kann man nicht machen, Sinn ergibt sich. Auch dieses schlechte, weil falsche Deutsch entspringt wohl mangelhafter Übersetzung, denn »make sense« ist im Englischen nicht nur gebräuchlich, sondern richtig. Übersetzen bedeutet aber mehr, als Wort für Wort aneinanderzureihen.

clip_image006Dass so etwas massenhaft nachgeplappert wird, ist ein Ausdruck von Dummheit, denn alle Quellen zu Definition und Gebrauch des Wortes »Sinn« stehen jedermann offen. Selbst wenn also jemand aufgrund widriger Umstände keine Schule besuchen durfte oder in seiner Schulzeit so kränklich war, dass der Besuch des Deutschunterrichtes dauerhaft unmöglich wurde, zeugt es von Faulheit oder Dummheit, sich nicht spätestens als erwachsener Mensch zu informieren.

clip_image007Es ist jedoch nicht nur der falsche Gebrauch von Begriffen und Redewendungen zu beklagen, sondern auch die Dummheit, die sich daran zeigt, dass manche Worte vielen Zeitgenossen gar nicht mehr bekannt sind. Zum Beispiel der Begriff »Abstimmung«. Da wird beispielsweise von der Redaktion einer seriösen Sendeanstalt zum »Voting« eingeladen. Hinz und Kunz tippen unbekümmert (meist mit Großbuchstaben am Anfang) »Voten«, wenn »abstimmen« gemeint ist. »Votclip_image009en und gewinnen!«, liest man, und »Leute, Votet jetzt!«. Es ist ein Graus.

Wenn ein beeindruckendes, mitreißendes, aufrüttelndes, besonders erfreuliches oder auf andere Weise herausragendes Erlebnis gemacht wurde, dann zeigen viele Zeitgenossen inzwischen ein bedauernswertes Unvermögen, dem sprachlich Ausdruck zu verleihen.

imageStatt dessen schreiben sie »Ein Hammer Film«, »das war echt der Hammer« oder »boah ey! Hammer!«. Gibt es außer der Werkzeugkiste denn keine anderen Analogien mehr? Als Steigerung fällt ihnen dann nur noch »geil« ein. Ursprünglich bezeichnete das Wort umgangssprachlich sexuelle Erregung oder deren auslösendes Moment, inzwischen ist es zum Ersatzwort für »gut« geworden.

Auch die Groß- und Kleinschreibung scheint inzwischen regellos dem Belieben des Individuums vorbehalten zu sein. »Ich Arbeite gerne am Computer…« – solche Entgleisungen habe ich häufig in Bewerbungen gelesen. Vermutlich soll der Großbuchstabe die Ernsthaftigkeit unterstreichen?

Andere bitten um »Feedback« - ursprünglich ein Begriff aus der Akustik. Wenn beispielsweise Lautsprecher und Mikrophon auf der Bühne zu dicht beieinander stehen, kommt es zum Feedback. Das funktioniert auch mit manchen Instrumenten. Jimi Hendrix hat das Feedback zwischen schwingenden Gitarrenseiten mit Lautsprechern als künstlerisches Mittel eingesetzt. Will ernsthaft jemand solche Geräusche hören, wenn er um »Feedback« zu einer These oder einem Buch oder sonst etwas bittet?

Leider schaffen es solche Sprachverirrungen inzwischen sogar in den Duden. »Feedback« ist dort zu finden, »Voting« gleichermaßen. Und dem Wort »realisieren« hat der Duden vor einer Weile, o tempora, o mores, diese Definition hinzugefügt: »(in einem Prozess der Bewusstmachung) erkennen, einsehen, begreifen«. Und vom unsäglichen »Handy« will ich hier gar nicht erst reden …

Somit kann ich resigniert nur zu dem Schluss kommen: Dummheit siegt.

Quod erat demonstrandum.


[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Dummheit