Freitag, 27. Juli 2007

Ein moderner Hiob?


Offenbar hat diesem Mann niemand eine Bibel in die Hand gegeben oder, falls er nicht lesen kann, gesagt, was es mit dem Bund zwischen Gott und Mensch auf sich hat. Welt-online berichtete:

Ein Gericht in Rumänien hat die Klage eines Mannes gegen Gott wegen „Betrugs, Vertrauensbruchs und Korruption“ abgewiesen. Die Staatsanwaltschaft in der westrumänischen Stadt Timisoara begründete ihre Entscheidung damit, dass Gott „keine juristische Person“ sei und „keine Adresse“ habe, wie die Zeitung „Evenimentul Zilei“ am Mittwoch berichtete.

Der 40-jährige Mircea Pavel, der wegen Mordes eine 20-jährige Haftstrafe absitzt, hatte gegen „den Genannten Gott, wohnhaft im Himmel und in Rumänien vertreten durch die orthodoxe Kirche“ geklagt. „Während meiner Taufe bin ich einen Vertrag mit dem Beschuldigten eingegangen, der mich vor dem Bösen bewahren sollte“, erklärte Pavel in seiner Klageschrift. Doch bislang habe Gott den Vertrag nicht eingehalten, obwohl er im Gegenzug von ihm „verschiedene Güter und zahlreiche Gebete“ bekommen habe.

Nun mag es sich um einen Versuch handeln, Strafmilderung zu erreichen (weil unzurechnungsfähig) oder Geld von der orthodoxen Kirche (sie hat ja wohl die „verschiedenen Güter“ bekommen) zu heischen. Es mag auch sein, dass der Mann einfach ein bisschen Publicity wollte (was ihm gelungen ist, die meisten Zeitungen haben berichtet).

Mich erinnert das, obwohl Herr Mircea Pavel seinen Gefängnisaufenthalt durch eine Straftat selbst herbeigeführt hat, an das Buch Hiob in der Bibel. Letztendlich läuft es auf die Anklage gegen Gott hinaus: Warum lässt der Allmächtige Böses und Leid zu? Viele Argumente werden bei dieser „Gerichtsverhandlung“ untersucht und nach 39 Kapiteln der Geschichte kommt Hiob zu einer Einsicht, die dem Häftling in Rumänien offenbar verborgen blieb:
Gott: „Mit dem Allmächtigen will der Tadler rechten? Der da Gott zurechtweist, er antworte darauf!“
Hiob: „Siehe, zu gering bin ich! Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Einmal habe ich geredet, und ich will nicht mehr antworten; und zweimal, und ich will es nicht wieder tun.“ (Hiob 40, 1-5)
Ich halte es für legitim, Gott zu sagen, dass ich sein Handeln oder Nichthandeln nicht immer verstehe. Ich halte es auch für zulässig, zwar in allem aber nicht für alles Dank zu sagen. Aber ich weiß auch, dass meine Erkenntnis und Einsicht bei weitem nicht ausreicht, um wirklich hinter alle Kulissen zu schauen.
Hiob gibt ja nicht klein bei, sondern er begreift, dass seine Erkenntnis Stückwerk ist. Später scheint die Einsicht noch etwas weiter zu gehen, denn er sagt:
Hiob: „So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts, Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte. ... Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen.“ (Hiob 42, 3 und 5)
Ich wünsche dem 40-jährigen Mircea Pavel von Herzen, dass er eines Tages sagen kann: „Ich hatte eine verschwommene Vorstellung von Gott, aber nun bin ich ihm begegnet.“ Dann ist er frei, im Gefängnis oder außerhalb.

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