Montag, 16. Juli 2007

Feuertaufe / Peter Hoover: (Ver)störend - lieber nicht lesen!

Nach 43 Wochen Haft im Rathaus von Oetenbach gelang ihm die Flucht. Die reformierte Obrigkeit schäumte vor Wut. Speziell eingesetzte Täuferjäger führten Razzien in verdächtigen Häusern durch und machten den Gläubigen das Leben schwer. Schließlich fanden die Täuferjäger heraus, wo die Meylis lebten und stürmten mit dreißig Mann das Haus. Schwer bewaffnet brachen sie durch die Türen. Als sie feststellten, dass Meyli ihnen wieder entkommen war, verwüsteten sie die Räume. Dann nahmen sie seine beiden Söhne, Hans und Martin, gefangen. Martin war schon verheiratet und so ergriffen die Täuferjäger auch seine Frau Anna und legten sie in Fesseln. Ihr vierzehn Wochen altes Kind nahmen sie ihr weg und gaben es an »rechtgläubige« reformierte Christen.
Die Gefangenen wurden nach Zürich gebracht, dort verurteilt und inhaftiert. Den Männern nahm man die Kleider weg und kettete sie zwanzig Wochen am Steinboden fest. Man folterte sie mit Raupen und Spinnen. Sie bekamen gerade so viel zu essen und zu trinken, dass sie am Leben blieben. Doch die Gefangenen widerriefen ihren Glauben nicht.
Ich habe dieses Buch aus dem Englischen übersetzt und dabei manches Mal Tränen in den Augen gehabt. Ich musste mehrfach den Schreibtisch verlassen, zu erschüttert, um weiter zu arbeiten. Aus der Schulzeit wusste ich noch ganz vage etwas von der Geschichte von 1500 bis 1600, aber dass in unserem Land Menschen gefoltert und getötet wurden, aus solchen Gründen, von rechtgläubigen Protestanten und Katholiken, die plötzlich einen gemeinsamen Feind hatten, war mir unbekannt gewesen. Und was die Täufer wirklich wollten, wer sie wirklich waren, das hatte mir sowieso niemand beigebracht.
Das Buch hat ein katholisches und ein evangelisches Vorwort. Der katholische Theologe schreibt unter anderem:
Die katholische Kirche des 16. Jahrhunderts hat diese Täuferbewegung blutig verfolgt, im Zusammenspiel mit den Obrigkeiten fast vernichtet und schwere Blutschuld auf sich geladen. Die katholische Kirche des beginnenden 21. Jahrhunderts hat endlich die Begegnung gesucht, mit den Nachfahren dieser Täuferbewegung. Sie beginnt langsam zu entdecken, welche Erinnerungen noch zu heilen sind, welche Schuld abzutragen und welcher ökumenische Schatz noch zu heben ist.
Der evangelische Theologe erklärt in seinem Beitrag:
Als Christ in landeskirchlicher Tradition kann man diese Geschichte nur mit Entsetzen und voller Scham lesen. Besonders fassungslos hat mich gemacht, in diesem Erzählen zugleich die Stimme derer, die damals so grausam mundtot gemacht wurden, vielfältig und leicht verständlich vernehmen zu können: Warum hat man sie damals nicht gehört? Gewiss, ihre Stimme stiftet auch Unruhe, aber es ist eine heilsame Unruhe (Psalm 139, 21f).
Dies ist kein Buch für Menschen, die seichte Lektüre lieben. Es ist kein Buch für jemanden, der angenehm unterhalten werden will. Es ist auch kein Buch für Christen, die nicht bereit sind, ihrem eigenen Leben einen Spiegel vorzuhalten.

Wer aber bereit ist, sich verstören und in der Gemütlichkeit der frommen Nischen stören zu lassen, dem sei das Buch nachdrücklich empfohlen. Es hat das Potential, die Gemeinde Jesu Christi, evangelisch, katholisch, freikirchlich und freischwebend, zu entzünden. Der dabei entstehende Brand wäre ausserordentlich gefährlich für den Stauts Quo der Christenheit.

Mehr zum Buch, Leseproben sowie Bestellmöglichkeiten: Feuertaufe: Das radikale Leben der Täufer - eine Provokation

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen