Mittwoch, 3. Oktober 2007

Dankbarkeit

Heute ist Feiertag. Gesetzlicher Feiertag. Verordneter Feiertag. Aber wer feiert eigentlich, und was?

In den letzten Tagen war die deutsche Einheit wie jedes Jahr um den 3. Oktober herum in vieler Munde, und mein Eindruck mag täuschen, aber ich meine, überwiegend von Problemen gehört und Meckereien gelesen zu haben. Nicht, dass alles in Butter wäre, aber vor lauter Kritisieren und Klagen vergisst man allzu leicht die Dankbarkeit. Das wäre allerdings nichts Neues unter der Sonne.

Und als er in ein Dorf einzog, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die von fern standen. Und sie erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, Meister, erbarme dich unser. (Lukas 17, 12-13)

Jesus tat genau das, er erbarmte sich, sie wurden gesund. Sicher feierten sie ein Freudenfest und bedankten sich bei dem, der ihnen geholfen hatte. Wäre ja eigentlich selbstverständlich, sollte man meinen. Pustekuchen:

Einer aber von ihnen kehrte zurück, als er sah, daß er geheilt war, und verherrlichte Gott mit lauter Stimme; und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und das war ein Samariter. (Lukas 17, 15-16)

Wer bedankt sich heute noch für die unblutige, friedliche Beendigung der Teilung unseres Landes? Wer bedankt sich noch dafür, dass Todesschüsse und Minen nicht mehr zum deutsch-deutschen Alltag gehören? Und wer erinnert sich überhaupt noch, dass unser Land einmal aussätzig war und jetzt gereinigt ist?

Ich will erhrlich sein: Als ich im Jahr 1987 am 16. August in Berlin Gwen Shaw, eine Prophetin aus den USA, sagen hörte:

Glückselig sind diejenigen, die mir dienen auf den Straßen Berlins. Freut euch und seid dankbar und teilt die Freude, die ich euch gegeben habe, jedermann in allen Teilen meiner Stadt Berlin, mit: Die Mauer kann nicht bleiben; sie wird fallen...

...dachte ich so ungefähr: Schön wär's, aber das werde ich nicht mehr erleben. Ich habe jedenfalls keinem Menschen mitgeteilt, dass demnächst die Mauer fällt.

Zwei Jahre später erfüllte sich diese Prophetie. Wenigstens dankbar will ich sein und bleiben, wenn ich schon damals ein ungläubiger Thomas war. Wie wohl die meisten Anwesenden...

8 Kommentare:

  1. Ich wohne genau an der ehemaligen Grenze und habe das Spektakel hautnah miterlebt. Meine Mutter kam in mein Zimmer und sagte: "Die Grenze ist auf!" Ich dachte, sie veräppelt mich und bin mit meinem damaligen Freund sofort zur Grenze gefahren und das war nur hammermäßig. Alles voller Trabbis, Menschen und Gejohle. Es war ein Freundenfest. Echt nur cool...

    Am nächsten Tag ging es dann schon los. Die Läden brachten ihre älteste Ware als Super-Sonderangebot auf die Straße. Und ich fand das stellvertetend wahnsinnig erniedrigend.

    Lästereien übers Begrüßungsgeld und die kritischen Stimmen wurden laut. "Wie soll das funktionieren?! Das gibt noch Ärger!" Die Stinke-Trabbis nervten (Gab bald Parkhaus-Verbot, weil permanent der Schadstoff-Alarm losging) und es "sächselte" an jeder Ecke.
    Die Euphorie war schnell vorbei.
    "Bei uns war nich alles schlecht" prallte auf "Ach, red nich. Pleite ward ihr doch schon lange!" und aus Grenzstreifen wurden geistige Grenz-Gräben.
    Jetzt läuft der Neid andersherum. Der Soli-Zuschlag ist in aller Munde. Grad gestern ein Bericht im Fernsehen. "Die da" haben Kitas und "wir"?
    "Die da" haben die ganzen Spaßbäder".
    "Die da" haben Investitionsförderungen, die "uns" das Wasser abgraben etc.
    Und die DDR Vergangenheit wird verklärt und "verlustigt".

    Dankbarkeit seh ich nicht.

    Bin ich dankbar?

    Weil "die da" bieten z.Bsp. zu so unverschämten Preisen an, dass "wir" bestimmte Aufträge einfach nicht mehr bekommen.

    Ich sollte auch mal wieder zurückdenken, wie es war, als man sich an der Grenze gegruselt hat. Wie man ab und an "etwas" gehört hat und es hieß: "Oh, wieder Wild auf ne Mine gekommen" Wie die Welt an einer bestimmten Stelle einfach zuende war, abgeschnitten. Beim Ausreiten haben wir den Grenzsoldaten immer gewunken. Manchmal haben sie zurückgewunken. Eine fremde Welt da drüben. Unerreichbar. Und wenn man sie erreichte, war es unheimlich. Als Kind nimmt man sowas ja noch anders wahr. Ich war z.Bsp. erstaunt, dass es da Farbe gab (DDR-Fernsehen war schwarz/weiß).

    Man ist damit aufgewachsen, es war für mich Normalität. Ich habe die Teilung nicht miterlebt und was es für einzelne bedeutete. Das "war halt so".

    Ich glaub, ich denk da heute nochmal drüber nach :)

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  2. Ich will heute eigentlich auf meinem Blog auch noch ne ähnliche Predigt loslassen, nur noch schärfer formuliert. Der Günter ist mir leider schon zuvorgekommen!
    Ich weiß noch wie Euer Dr. Margies in unserer Gemeinde ähnliche Sätze losgelassen hat: "es ist Zeit für die Widervereinigung zu beten, weil es Gottes Wille ist daß die Mauer bald fällt!" Ich habe zwar damals zugestimmt, konnte es mir aber dennoch nur sehr schwer vorstellen.
    Ich denke Dankbarkeit für die Wiedervereinigung ist unerlässlich für unser Volk und schon lange für uns als Christen!

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  3. Es ist traurig aber wahr, dass die negative Sichtweise hinsichtlich der Wiedervereinigung immer wieder zu hören ist, übrigens von beiden Teilen Deutschlands.

    Oft höre ich nach wie vor Meinungen und Vorurteile, dass ich den Eindruck gewinnen könnte, die Wiedervereinigung habe nie stattgefunden...
    Das Denken in Ost und West, sprich in Feindblöcken, bestimmt vielfach
    noch immer das Bewußtsein.

    Aus diesem Grund finde ich diesen Beitrag
    mit der positiven Sichtweise der Dankbarkeit wohltuend konstruktiv !

    Danke :-)

    Das -Befreiungsdenkmal- passt auch
    positiv zu diesem Thema :
    siehe Günters Blog vom 10. August 2007

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  4. Ich habe ein Buch im Schrank gefunden. "Deutschland uneinig Vaterland" Herausgegeben vom Stern 1991. Nach ein paar Seiten hab ich beschlossen es wegzuschmeissen. NUR negativ, bedrückend, beängstigend, traurig. Es stehen ja keine Lügen drin aber NUR das schlechte sehen?! Ja, es macht Angst. Die Arbeitslosigkeit, die Erniedrigungen, die Ausländerfeindlichkeit, das Wissen, dass immer nach unten getreten wird, Abwanderung, Wut, Hilflosigkeit. Man hat einem Volk von heute auf morgen seine Identität weggerissen und ist auf ihr herumgetrampelt.
    Hammerhart. Manch einem war Sicherheit wichtiger als Freiheit und das ist absolut verständlich und es macht traurig da zuzusehen.

    Ich glaube, ich hab leider einen Blick fürs negative.

    Wenn ich dankbar bin, dann hab ich das Gefühl des Verrats an denen, die dazu diesen speziellen Grund dann nicht haben.

    Aus dem Knoten komme ich noch nicht raus.

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  5. @trümmerlotte
    Es gab Farbfernsehen in der DDR, nur die Geräte waren sauteuer. Ansonsten war Farbe manchmal knapp. In Büchern und Zeitschriften gab's immer einen Farbteil (ca. 30% der Abbildungen). Jetzt ist's mir allerdings manchmal zu bunt, in mehr als einer Hinsicht.

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  6. Echt? Ach... ich hätte schwören können, dass DDR 1 und 2 s/w waren... ich glaube das kam erst mit dieser PAL Geschichte, dass Farbe möglich war *grübel* Egal. Das DDR Sandmännchen war jedenfalls 10 x toller als unseres und ohne Pittiplatsch und Schnatterinchen keine Trümmerlotten-Kindheit *g*

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  7. Des Rätsels Lösung: Wir hatten damals im Westen Fernsehgeräte, die PAL bunt anzeigen konnten und SECAM - trotz Farbe - nur in Grautönen. Jedenfalls hatte meine Oma so was, wir besaßen gar kein Fernsehgerät.
    So wie manche Zeitgenossen heute Fernsehgeräte oder DVD-Player beziehungsweise Videorecorder besitzen, die nicht NTSC-farb-fähig sind. Wäre nichts für mich, da viele DVDs und Videos aus USA in der Sammlung sind.

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  8. Der Titel des Buches lautet übrigens "Deutschland ungleich Vaterland", nicht "uneinig". Uneinig hörte sich auch saublöd an.

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