Donnerstag, 11. Juni 2009

Charismatisch-emergent-katholisch-pfingstlich-evangelikal...

Manchmal frage ich mich, wann wir mal mit dem Etikettieren fertig sein werden. Vermutlich nicht in diesem Leben.

Neulich kam es im Büro zu einem Dialog mit meinem neuen Chef. Er hatte sich im Internet über mich kundig gemacht und es ergab sich ein nettes Gespräch.

Der Chef: »Sie sind ja wohl sehr gläubig?«
Ich: »Ich bin Christ, ja.«
Der Chef: »Sind Sie denn katholisch?«
Ich: »Nein. Aber ich habe einige katholische Freunde.«
Der Chef: »Also evangelisch.«
Ich: »Nein, auch nicht. Aber ich habe auch einige evangelische Freunde.«
Der Chef: »Hmmm. Ach so.«
Ich: »Ich habe auch Freunde, die Atheisten sind.«
Der Chef: »Gestern hat mir Herr Y. (ein türkischer Mitarbeiter in der Firma) erzählt, dass er sich mit Ihnen am besten von allen Mitarbeitern im Personalbereich versteht.«
Ich: »O ja, wir verstehen uns prima.«
Der Chef: »Aber der ist doch Moslem?«
Ich: »Ja.«

Wir unterhielten uns dann noch sehr angeregt über diese und jene, fromme und weniger fromme, heitere und ernste Themen. Warum ich nun aber Christ bin und weder katholisch noch evangelisch... und noch dazu Freund eines bekanntermaßen praktizierenden Moslems... na ja, das kann man ja andermal weiter besprechen. Er hat es wohl nicht so ganz verstanden.

Ein Dialog bei anderer, nämlich emergenter Gelegenheit vor einigen Wochen:

Mein Gesprächspartner: »Bist du denn immer noch in der XXX (hier nannte er den Namen einer als charismatisch bekannten Gemeinde in Berlin)?«
Ich: »Ja.«
Mein Gesprächspartner: »Das finde ich ja nun bewundernswert.«
Ich: »Wieso?«
Mein Gesprächspartner: »Ich könnte das wohl nicht aushalten.«
Ich: »Aus manchen Predigten nehme ich durchaus Behaltenswertes mit nach Hause.«
Mein Gesprächspartner: »Aber die XXX ist ja nun nicht gerade als Terrain bekannt, auf dem emergenten Denkens geschätzt würde.«
Ich: »Na ja, deswegen kann man doch aber trotzdem hingehen.«
Mein Gesprächspartner: »Ja sicher. Man kann. Wenn man es aushält.«
Ein Neuankömmling in der Runde: »Also ich hätte mal wieder Lust auf so einen richtig knackigen pfingstlerischen Gottesdienst...«

Ist schon lustig mit uns Menschen. Ob nun fromm oder nicht, Chef im Industriebetrieb oder kunstschaffender Querdenker, wir kleben gerne Etiketten auf. Damit Ordnung herrscht, vermutlich. Vor einigen Jahren, sagen wir fünf oder acht, hatte ich auch noch sehr schnell den passenden Aufkleber zur Hand.

Ich bin jedoch mittlerweile wohl eher unordentlich veranlagt. Und das stört mich noch nicht mal.

9 Kommentare:

  1. noch so ein schönes Wort, dass es wohl nicht gibt:

    bejahenswert.



    (was die Wortbestätigung kann, kann ich schon lange. Nur, dass meine schöner klingen.)

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Ich hab's zur Zeit leicht mit meinem Etikett. Bin ja wieder evangelisch.
    Da gibt sich jeder gern schnell mit zufrieden und stellt keine dummen Fragen.
    Ist aber möglicherweise ein Etikettenschwindel von mir ;-) *g*

    Ps. Habe den Vorkommentar gelöscht, weil ein Rechtschreibfehler drin war.
    Und sowas trau ich mich nicht bei Günter stehen zu lassen.

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  4. @juppi: Gibt es auch beneinenswert?

    @Donraldo: Tss tss tss - Etikettenschwindel. Na so was aber auch!

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  5. Bei Jesus brauchen wir kein Etikett! Wie schön! :-)

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  6. ich muss gestehen dass ich mich mit der Etekierung ganz wohl fühle, um einzuschätzen wie andere drauf sind oder so? wobei ich andere Etikette nicht ablehne, mich interesiert der Hintergrund von Predigern und anderen Christen

    P.S Wortbestätigung:poletti

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  7. Hallo Overcome,

    das Problem ist, dass diese Etiketten ganz schön täuschen können. Denn mit dem Etikett verbinden wir gewisse Vorstellungen - und womöglich ist der andere gar nicht »so drauf«, wie er es dem Etikett nach sein müsste...

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  8. sind etiketten heutzutage eigentlich noch wirkungsvoll? es gibt ja heute innerhalb einer denomination schon zig verschiedene varianten, so dass man nicht mehr sagen kann, FeG'ler sind so, baptisten so, brüder so, pfingstler so, landeskirchler so und katholiken so etc. wenn jemand sagt, eine gemeinde sei charismatisch, muss er damit nicht mal mehr meinen, dass dort geistesgaben praktiziert werden, sondern kann inzwischen genauso gut damit ausdrücken, dass im lobpreis leute aufstehen und die hände heben. von daher, wo sollte etikettieren heute bitte noch sinn ergeben?

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  9. Hallo Jovan,

    genau meine Meinung - ergibt keinen Sinn. Was an der "charismatischen" Gemeinde, die hier erwähnt wurde, "charismatisch" sein soll, bleibt relativ unklar, wenn man sie besucht, abgesehen von zwei oder drei sogenannten prophetischen Worten nach der Anbetungszeit - und meist sind das eher freundliche Ermutigungen aus einer frommen Seele als Prophetien...

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