Freitag, 8. April 2011

Bärbel und der Traum vom Ballkleid

Jan Vermeer van Delft - Milchausgießende MagdBärbel war stolz darauf, dass sie den großen Krug voller Milch auf dem Kopf balancieren konnte, während sie der Molkerei zustrebte. Die erwachsenen Frauen machten es genauso, aber dass sie mit 13 Jahren diese Kunst schon beherrschte, war doch bemerkenswert. Fand zumindest Bärbel.

Die Milch in dem Tonkrug gehörte ihr ganz allein. Sie hatte dem Bauern im Stall geholfen, eine Woche lang, und als Belohnung durfte sie nun die Ausbeute des abendlichen Melkens nach Gutdünken verwenden. Bärbel hatte vor, die Milch zu verkaufen. Sie wusste, wie viel Geld sie bekommen würde, und sie hatte bereits ausgerechnet, dass der Erlös ihr den Kauf von 50 Eiern gestattete. Selbst wenn nicht aus allen auch Kücken schlüpften, war es doch ziemlich sicher, dass sie mit mindestens 40 Hühnern rechnen konnte. Ihr Vater hatte schon zugestimmt, dass Bärbel die Brutanlage auf dem heimischen Hof für ihr privates Projekt benutzen durfte.

Auf dem Markt hatten Hühner, wenn sie groß genug geworden waren, einen Wert, mit dem sie sich endlich das ersehnte Ballkleid für den Herbsttanz kaufen konnte. Sie sah sich schon von jungen Burschen umringt und bewundert auf der Tanzfläche ihre Runden drehen ...

Die Molkerei kam in Sicht, nun war es fast so weit, der Traum schon greifbar nahe. Natürlich würde sie auf dem Ball dann all die jungen Männer abblitzen lassen, das stand jetzt schon fest. So viele Schmeicheleien ihr auch zugeflüstert werden mochten, sie würde energisch, ganz entschieden den Kopf schütteln. Bärbel stellte sich auf den letzten 50 Metern vor der Milchannahmestelle die Szene so lebhaft vor, dass sie unwillkürlich heftig den Kopf schüttelte. Der Krug fiel von ihrem Kopf und zerbarst auf dem steinigen Weg.

2 Kommentare:

  1. das ist ja eine schrecklich traurige Geschichte.

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  2. Schon, ja, durchaus. Aber wir können was draus lernen. Und das ist dann auch gut so.

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