Zugegeben, es ist oft blöd, ständig auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Aber wenn ich davon ausgehe, dass ich mit meiner Körpereigenschaft »behindert« andere zur Dankbarkeit anrege – weil sie merken, es ist nichts selbstverständlich auf dieser Welt –, dann kann ich mit meiner Behinderung leben, auch wenn dies manchmal schwer fällt.Wann, so habe ich mich bei und nach der Lektüre gefragt, wann habe ich eigentlich in meinem Leben darüber nachgedacht, wie es wäre, wenn …? Und kann ich mir das überhaupt vorstellen, schwerstbehindert zu sein?
Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich weiß nicht, was es bedeutet, rund um die Uhr auf Assistenz angewiesen zu sein, abhängig zu sein von anderen Menschen, selbst bei kleinsten alltäglichen Verrichtungen.
Roland Walters Buch öffnet die Augen für eine Welt, ein Leben und Erleben, das wir als nicht Behinderte wohl häufig auszublenden geneigt sind. Sind wir nicht eher unsicher, gehen innerlich (und buchstäblich) auf Distanz, wenn wir es mit Behinderten zu tun bekommen? Weil wir nicht wissen, was und ob und wie der Behinderte empfindet, wie und ob wir ihn ansprechen oder gar mit hinein nehmen können.
Das Buch ist nicht weinerlich geschrieben, nicht anklagend, nicht verbittert, sondern mit trockenen Humor gewürzt, selbst an den Stellen, an denen Unerhörtes zu berichten ist.
Nach drei Wochen wurde ich in ein anderes Krankenhaus verlegt. Dort setzte man sofort alle Medikamente ab, nach dem verbreiteten Motto: »Die teuren Medikamente können wir uns sparen, der ist ja sowieso behindert.«Roland Walters medizinische Diagnose lautet »Spastische Tetraplegie mit Athetosen, gekoppelt mit einer schweren Sprachstörung.« Was das für ein Menschenleben bedeutet, beschreibt er anhand von Streiflichtern auf sein Leben von der Kindheit in der DDR bis heute. Die technische Entwicklung hat manches erleichtert, auch davon erzählt das Buch, ebenso von Erfolgen und Enttäuschungen, Hoffnungen und Konfrontationen. Vor allem aber gestattet »König Roland« einen faszinierenden Blick in eine Empfindungs- und Gedankenwelt, die mir ein Leben lang fremd und unzugänglich geblieben war.
Erst nach heftigen Protesten von meinen Eltern bekam ich dann wieder die Medizin, die für die Heilung nötig waren.
So manches war eine Zumutung, nicht nur die Verweigerung der Medikamente. Die Schwestern brachten das Essen, stellten es ab und kamen nach 20 Minuten wieder ins Zimmer: »Wir haben wohl keinen Hunger?«
Und schon verschwanden sie mit dem Essen, das ich nicht angerührt hatte. Mich zu füttern fiel ihnen nicht ein.
Zum Glück kam nach wenigen Tagen ein lieber Opi ins Zimmer, der mich dann mit Essen und Trinken versorgte.
Der Titel des Buches mutet auf den ersten Blick befremdlich an. »König Roland – im Rollstuhl durchs Universum« – da kommen Assoziationen mit Kinderbüchern oder Science Fiction eher zustande als dass man es mit einem autobiographisch erzählenden Werk zu tun hat. Während der Lektüre erschließt sich dann allerdings der Grund für die Benennung des Buches. Und die Lektüre ist durchgehend eine angenehme, es wird an keiner Stelle langweilig, Roland Walters Stil, sein erfrischend selbstironischer Blick auf das Leben, zaubert immer wieder ein Lächeln auf die Lippen des Lesers. Die liebevolle Gestaltung mit zahlreichen Fotos aus dem Leben des Erzählers trägt dazu bei, dass dies ein rundum gelungenes Erstlingswerk ist.
Mein Fazit: Ein ungewöhnliches schmales Buch, das zu lesen sich unbedingt lohnt und das der Leser kaum aus der Hand legen wird, bevor er auf der letzten Seite angekommen ist.
ISBN 978-3-86256-023-3, erhältlich zum Beispiel schnell und einfach hier bei Amazon:
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