Mittwoch, 16. April 2014

Bio-Skandale und Autos ohne Bremsen

Es ist schon verwunderlich, wie kurzschlussartig manche Mitmenschen denken. Oder kann da vom Denken schon keine Rede mehr sein?

»Es gibt ja immer wieder Skandale bei Bio-Produkten«, sagte kürzlich eine ältere Dame im Gespräch zu mir, »deshalb kaufe ich mein Fleisch und meine anderen Lebensmittel bei XXXX.« (Statt XXXX nannte die Dame einen Billigdiscounter.) Bei den Kommentaren auf Facebook zu einer Meldung der Berliner Abendschau über das falsch deklarierte Fleisch bei Neuland behauptet jemand: »... solange nicht alle Inhaltsstoffe in Klarschrift genannt werden müssen, ist es absolut egal, was man wo kauft.« Eine andere Stimme an gleicher Stelle: »... gucke ich selten nach der Herkunft. Wie man sieht, stimmt das ja sowieso nicht.«

Da kaufen also Menschen bewusst mit Antibiotika und künstlichen Farb-, Konservierungs- und sogenannten Geschmacksverstärkerstoffen verseuchte Lebensmittel, weil es auch unter den Zulieferern der auf unbedenkliche Waren spezialisierten Lebensmittelhändler Betrüger gibt. Frei nach dem Motto: »Es könnte ja sein, dass auch in dem Biofleisch mal Schadstoffe sind, also kaufe ich von vorne herein vergiftetes Fleisch.« Eine solch verquere Logik will sich mir nicht erschließen.

Natürlich ist es ärgerlich und kriminell, wenn ein Händler wie Neuland von einem Zulieferer betrogen wird und unwissentlich Produkte aus industrieller Fleischproduktion weiterverkauft. Kein vernunftbegabter Mensch wird das gut finden oder beschönigen. Natürlich darf man aufgebracht sein, wenn einem für gutes Geld minderwertige Ware untergejubelt wurde. Aber ist das denn ein Grund, künftig von vorne herein zu gesundheitsgefährdenden und erwiesenermaßen schädlichen Waren zu greifen? Für mich jedenfalls nicht.

Foto: Wikipedia, Common LicenseWenn solche Skandale aufgedeckt werden, ist das ein gutes Zeichen, denn immerhin wird sichtbar, dass Kontrollmechanismen funktionieren. Ob im Fall Neuland zu selten oder zu lasch kontrolliert wurde, das sei dahingestellt. Dass die Kontrollen einsetzen und wirken sollten, bevor die Ware beim Kunden in der Einkaufstasche landen, wäre dringend geboten. Kriminelle werden trotzdem immer wieder ihre Geschäfte zu machen versuchen, das bleibt nicht aus. Sie werden auch in Zukunft vermutlich hin und wieder eine Weile unentdeckt bleiben. Aber würde jemand grundsätzlich nur Autos ohne Bremsen kaufen, weil auch beim teureren Fahrzeug mit Bremsanlage eben diese mal versagen kann?

Der eigentliche Skandal liegt für mich darin, dass Lebensmittel aus der industriellen Massenproduktion auch von nicht völlig bildungsfernen oder bitterarmen Menschen gekauft werden, weil sie so billig sind - genau wie Textilien, die unter menschenverachtenden Bedingungen von Sklavenarbeitern, oft genug im Kindesalter, hergestellt werden.

Wenn solches Zeug nicht mehr gekauft würde, müssten die Hersteller umstellen auf gesundheitlich unbedenkliche und unter menschenwürdigen Bedingungen produzierte Ware. Das ginge sogar ziemlich schnell, sobald der Umsatz fehlen würde. Aber solange »Geiz ist geil« die Maxime der Verbraucher ist, wird sich wohl nichts ändern. Außer der dezimierten Lebenserwartung derer, die ständig industrielle Fleischprodukte und giftstoffbelastete Gemüseerzeugnisse verzehren, natürlich. Aber das ist den Betroffenen so lange egal, bis eines Tages der große Schrecken einsetzt, weil die Auswirkungen im und am eigenen Körper nicht mehr verborgen bleiben.

Foto »Hühnerkäfige in der Massentierhaltung« von [Wikipedia, Common License]

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