Dienstag, 22. Juli 2008

Wie kann ich eigentlich Zeit, die gerade ist, umarmen?

Blöde Frage, oder? Völlig sinnlos formuliert, auf so etwas kann man nicht antworten. Jedoch: Solcher Unfug wird uns dauernd angeboten.

Da liest man: »...umarmen Widersprüche in der Bibel.« Toll. Wie das geht, wird unsereinem in der Regel nicht erklärt. Sucht man einen Widerspruch und sagt dann zu ihm: »Lieber Widerspruch, darf ich dich mal herzlich drücken?« Und wenn er dann den Kopf schüttelt, der Widerspruch, was dann? Gewalt anwenden? Oder einen Kollegen des Widerspruches suchen?

Man liest auch: »Jetzt ist die Zeit!« - eine überwältigende Erkenntnis! Gestern war sie noch nicht, die Zeit, heute ist sie plötzlich. Sie muss irgendwie erschaffen worden sein, so über Nacht, oder sie hat sich per Evolution aus der Vorzeit über die Halbzeit zur Zeit entwickelt. Jedenfalls ist sie jetzt, die Zeit. Eine ganz famose Erkenntnis.

»Du kannst einen Unterschied machen!«, ruft gelegentlich einer den Zuhörern zu. Okay. Man nehme einen Ter, eine Portion Ed, vergesse das Schi nicht und füge eine passende Portion Un hinzu. Schon hat man ihn gemacht, den Unterschied. Gar nicht schwer. Eigentlich kinderleicht, kann jeder, nicht nur die junge Generation, der das so oft bescheinigt wird.
Auf ähnliche Weise funktioniert es übrigens, »Sinn zu machen«. Die Zutaten sind sogar übersichtlicher: Ein Nn und ein Si.

Nicht ganz so leicht ist es offenbar, fremde Sprachen zu verstehen und sie dann auch noch ins Deutsche zu übertragen. Sich gar die Mühe zu machen, etwas nachzusschlagen, was irgendwie »keinen Sinn macht«, wäre zu viel verlangt...
  • »To embrace« - das heißt eben nicht nur umarmen, sondern hat je nach Zusammenhang viele weitere Bedeutungen.
  • »Now is the time« - da formuliert man »Es ist an der Zeit...« oder »Der Zeitpunkt ist da...«.
  • »To make sense« heißt schlicht und einfach »sinnvoll sein«. Die Verneinung, »to make no sense«, bedeutet, dass etwas keinen Sinn ergibt.
Aber nein, lieber nicht nachdenken, was man so von sich gibt. Womöglich umarmt man andernfalls noch die deutsche Sprache und fängt an, einen Unterschied zu machen im Ausdruck. Es ist nicht die Zeit, das zu tun!

2 Kommentare:

  1. ich finde ja dieses ganze wir "anbeten dich" immer lustich. bei uns heisst es in anlehnung daran oft: "wir aufräumen dich", "ich austrinke jetzt" usw. das macht spass. jedenfalls aufrege ich mich nicht über so was.

    neulich ist mir auch ein übersetzungsfehler passiert. manchmal kommt man ja gar nicht auf die idee, dass der autor nicht das meinte, was man versteht. in dem fall sprach der autor vom "late mr.so-and-so" und ich verstand das deutsche "der späte so-und-so", was sich bei uns auf ein spätwerk bezieht. später hörte ich dann, dass sich die formulierung auf den verstorbenen herrn so-und-so bezieht. naja, liess sich korrigieren.

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  2. Ja ja, der späte So-und-so ist deshalb spät dran, weil er tot ist. Oder so ähnlich...

    :-)

    Ich aufrege mich auch nicht in der Regel, ich amüsiere mich über solche Übersetzungs- oder Übertragungskunstwerke.

    Ärgerlich bin ich nur, wenn man mir Geld für Stümpereien abverlangen will, zum Beispiel habe ich in einem gerade erschienenen Buch geblättert, das Todd Bentley geschrieben und ein offenbar völlig unbegabter oder ahnungsloser Mensch ins Deutsche "übersetzt" hat. Der Verlag verlangt dafür 14,95 Euro. Ich habe drei Seiten gelesen und dabei fünf Fehler entdeckt. Da werde ich mir lieber bei Gelegenheit die Originalausgabe besorgen...

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