Freitag, 30. Juli 2010

Urlaubenische Zustände

Je länger die erste Urlaubswoche währt, desto urlaubenischer geht es zu. Seit Mittwoch Mittag sind die freiberuflichen Verpflichtungen abgearbeitet, die noch offen waren, und nun genießen wir Berlin als Touristen in der Heimatstadt: Mit dem Fahrrad fahren, wohin man sonst das Auto nähme, in Geschäften bummeln, ohne etwas bestimmtes kaufen zu wollen, lecker Essen gehen, wo es schmeckt, Zeit zum Lesen, schlafen, nichts tun…

der Herr alle beide die Dame

Heute waren wir in vier Möbelhäusern, um für unser grünes Zimmer eine Kommode zu suchen, im vierten wurden wir fündig. Danach haben wir spontan ein Kunstobjekt gekauft, das sowohl einen Herrn, als auch eine Dame zeigt. Wenn man seitlich schaut, beide gleichzeitig. Die Statue kommt dann auf die Kommode, wenn selbige geliefert wird, einstweilen wohnen der Herr und die Dame auf dem Teppich. Die Dame schaut eher nach unten, der Herr eher nach oben. Hat der Künstler wohl so gewollt.

Montag, 26. Juli 2010

Halburlaub

Ab heute habe ich Halburlaub, das heißt Urlaub vom Job als Angestellter eines Industriebetriebes, aber noch keinen Urlaub, was die freiberuflichen Arbeiten betrifft. Da steht heute die Fertigstellung der Übersetzung einer technischen Dokumentation an, mit solch putzigen Begriffen wie »Kunststoffverbindungsblöcke« oder »deklarierte lineare Impedanz« und »Körperschallanregung auf die Rohdecke«.

Dann wartet noch ein Online-Shop darauf, dass sämtliche Produkte mit mehreren zusätzlichen HTML-Zeilen versehen werden und wahrscheinlich werde ich bei einem Handbuch in italienischer Sprache die Korrekturen des Lektorates in das Dokument übertragen.

Ab nächste Woche ist dann voraussichtlich Vollurlaub, wenn alles getan und geschafft ist. Das würde bedeuten: Zwei Wochen ohne Arbeit. Geht das überhaupt? Mal sehen…

Sonntag, 25. Juli 2010

Gedanken zum Sonntag: Die Anti-Christen sind da!

Der Antichrist, von dem hier nicht die Rede sein soll, wurde verschiedentlich - jedes mal fälschlich - gesichtet. Hitler, der (jeweilige) Papst, Gorbatschow, Obama... - na ja. Dem einen sin Uhl ist dem andern sin Nachtigall, auch was die Sympathie für Politiker betrifft. Da sind Christen nicht anders als Moslems, Hindus, Juden, Buddhisten und andere –isten.

Die Verwirrung über biblische Begriffe und Personen vor allem unter Christen ist jedoch fast schon wieder so an der Tagesordnung wie vor der Reformation, da die Bibel kaum noch gelesen wird. Die meisten Christen halten den Antichristen für eine bedrohliche Endzeitfigur, verwechseln ihn mit dem »Tier aus dem Abgrund«.

...so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, daß es die letzte Stunde ist. (1. Johannes 2, 18)
Der ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, daß Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. (1, Johannes 2, 22)
Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist. (2. Johannes 7)

Doch halt! Von diesen Antichristen soll hier gar nicht die Rede sein. Es gibt jede Menge Anti-Christen einer anderen Sorte. Heute. Hier. Nämlich Christen, die anti XYZ sind.

Yes or No?Die sind anti Reinhard Bonnke, anti Papst, anti Ökumene, anti Geistesgaben, anti Jesus Freaks, anti Katholische Kirche, anti Volxbibel, anti Lutherbibel, anti Alkohol, anti dies und anti das. Sie posaunen ihre Meinungen hinaus und streiten verbissen, was das Zeug hält. So etwas ist nicht neu, schon Paulus kannte derartige Zeitgenossen. Den Korinthern schrieb er:

Ihr seid noch fleischlich. Denn wo Eifersucht und Streit unter euch ist, seid ihr da nicht fleischlich und wandelt nach Menschenweise? (1. Korinther 3, 3)
Der Chaotenhaufen in Korinth, der sich Gemeinde nannte, hat den Hinweis wohl nicht ernst genug genommen, denn in einem späteren Brief an diese liebenswerten Gläubigen wurde Paulus deutlicher:
Ich fürchte, daß ich euch bei meinem Kommen vielleicht nicht als solche finde, wie ich will, und daß ich von euch als solcher befunden werde, wie ihr nicht wollt: daß vielleicht Streit, Eifersucht, Zorn, Selbstsüchteleien, Verleumdungen, Ohrenbläsereien, Aufgeblasenheit, Unordnungen da sind; daß, wenn ich wiederkomme, mein Gott mich vor euch demütigt und ich über viele trauern muß, die vorher gesündigt und nicht Buße getan haben über die Unreinheit und Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben. (2. Korinther 12, 20-21)

Yes or No?Es ist nicht jeder Gläubige zum Apostel berufen, obwohl sich viele so aufführen. Da wird das Urteil über andere gefällt und per Internet hinausposaunt, oft genug anonym, hinter irgend welchen Usernamen verborgen. Neulich habe ich mal wieder in das Forum bei Pray.de geschaut, und fand das, was dort geduldet und gepostet wird, genauso zum Kotzen wie vor etlichen Jahren, als ich eben deshalb meine Mitarbeit bei Pray.de einstellte.

Man muss ja dem Verurteilten nicht in die Augen sehen, wenn man die Jauchekübel über ihn ausleert - um so leichter fällt es, jemanden oder eine Bewegung niederzumachen. Man schreibt Hasstiraden in christlichen Foren, lästert auf Blogs, trötet seine Vorstellungen via Facebook in die Welt hinaus und sonnt sich in der eigenen uneingeschränkt richtigen Erkenntnis, die niemand hinterfragen kann.
Wer ist berufen, über »richtig« und »falsch« in der Gemeinde zu urteilen? So weit wir uns hier auf den Bereich der christlichen Gemeinde beziehen, der jeweilige Hirte oder ein Apostel. Aber sicher nicht Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher, die weit verbreiteten Anti-Christen unserer Zeit. Selbst Paulus war diesbezüglich zurückhaltend:

Einige zwar predigen Christus auch aus Neid und Streit, einige aber auch aus gutem Willen. Die einen aus Liebe, weil sie wissen, daß ich zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt bin; die anderen aus Eigennutz verkündigen Christus nicht lauter, weil sie mir in meinen Fesseln Bedrängnis zu erwecken gedenken. Was macht es denn? Wird doch auf jede Weise, sei es aus Vorwand oder in Wahrheit, Christus verkündigt, und darüber freue ich mich. (Philipper 1, 15-18)

Paulus betrachtete sich als zur Verteidigung des Evangeliums eingesetzt, er fand klare Worte, wenn in einer Gemeinde die Dinge aus dem Ruder liefen, jedoch auf eine ganz andere Weise als es vielerorts heute zu finden ist.
Er nannte Eifersucht und Neid in einem Atemzug mit Streit und Verleumdungen unter frommen Menschen (wir vergessen bei solchen Ermahnungen und Korrekturen gerne, dass seine Briefe ausnahmslos an Christen gerichtet sind).

Ich kann mir vorstellen, dass er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Kritik und Verleumdung kommt, so weit das angesichts des Versteckspiels mit Usernamen und Pseudonymen in der Anonymität des Internet überhaupt erkennbar ist, vorwiegend von Menschen, in deren Leben geistliche Frucht nicht zu finden ist. Vielleicht sind sie neidisch, dass sie noch nie einen Menschen zu Christus geführt, noch nie eine Gebetserhörung erlebt, noch nie ein prophetisches Wort gesagt oder empfangen haben? Vielleicht haben sie noch nie einen Trauernden getröstet, einen Sterbenden mit Liebe begleitet? Vielleicht sind sie eifersüchtig, weil Gott andere gebraucht, während sie vor sich hin wursteln und zu keinem Ziel gelangen?
So wird die Wirkung zur Ursache und die Ursache wirkt sich aus. Gebete werden nicht erhört, weil jemand selbst im Wege steht:

Ich aber sage euch, daß jeder, der seinem Bruder zürnt, dem Gericht verfallen sein wird; wer aber zu seinem Bruder sagt: Dummkopf! dem Hohen Rat verfallen sein wird; wer aber sagt: Du Narr! der Hölle des Feuers verfallen sein wird. Wenn du nun deine Gabe darbringst zu dem Altar und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar und geh vorher hin, versöhne dich mit deinem Bruder; und dann komm und bring deine Gabe dar! (Matthäus 5, 22-24)
Noch viel deutlicher geht es ja wohl wirklich nicht. Wer seinem Bruder zürnt, ihn verlästert, selbst derjenige, der weiß, dass sein Bruder etwas gegen ihn hat, ist verpflichtet, die Sache aus der Welt zu schaffen, bevor er sich dem Altar Gottes nähert. Andernfalls sind Konsequenzen unvermeidbar. Muss sich also jemand wundern oder beschweren, wenn er vergeblich betet, dauerhaft in Nöten steckt, dass sein Gebet ohne Antwort bleibt, so lange er andere verurteilt, richtet und verleumdet?

P.S.: Ich meine übrigens nicht, dass wir nicht unterschiedliche Meinungen und Auffassungen haben können und dürfen. Ich meine die Art und Weise, wie wir damit umgehen.

Freitag, 23. Juli 2010

Ein Tipp zum aktuellen Geschehen in Stuttgart

Der Lutherische Weltbund hat sich bei seiner Vollversammlung in Stuttgart für die brutale Verfolgung der Mennoniten öffentlich entschuldigt. Mitglieder der Freikirche waren im 16. und 17. Jahrhundert auch mit der Billigung des Reformators Martin Luther unterdrückt und getötet worden.

In der Erklärung bitten die Lutheraner »Gott und unsere mennonitischen Schwestern und Brüder um Vergebung für das Leiden, das unsere Vorfahren im 16. Jahrhundert den Täufern zugefügt haben«.

Zudem äußerten die Lutheraner ihr Bedauern darüber, dass die Verfolgungen in den nachfolgenden Jahrhunderten vergessen und ignoriert wurden. Sie entschuldigten sich zudem dafür, das lutherische Autoren bis heute unzutreffende, irreführende und verletzende Darstellungen über die Täufer und Mennoniten verbreitet hätten.

Feuertaufe. Das radikale Leben der Täufer. Eine ProvokationAus diesem Anlass wiederhole ich hier meinen Hinweis auf ein Buch, das die Geschichte, für die jetzt endlich in Stuttgart um Vergebung gebeten wurde, auf packende Weise lebendig werden lässt:

Nach 43 Wochen Haft im Rathaus von Oetenbach gelang ihm die Flucht. Die reformierte Obrigkeit schäumte vor Wut. Speziell eingesetzte Täuferjäger führten Razzien in verdächtigen Häusern durch und machten den Gläubigen das Leben schwer. Schließlich fanden die Täuferjäger heraus, wo die Meylis lebten und stürmten mit dreißig Mann das Haus. Schwer bewaffnet brachen sie durch die Türen. Als sie feststellten, dass Meyli ihnen wieder entkommen war, verwüsteten sie die Räume. Dann nahmen sie seine beiden Söhne, Hans und Martin, gefangen. Martin war schon verheiratet und so ergriffen die Täuferjäger auch seine Frau Anna und legten sie in Fesseln. Ihr vierzehn Wochen altes Kind nahmen sie ihr weg und gaben es an »rechtgläubige« reformierte Christen.
Die Gefangenen wurden nach Zürich gebracht, dort verurteilt und inhaftiert. Den Männern nahm man die Kleider weg und kettete sie zwanzig Wochen am Steinboden fest. Man folterte sie mit Raupen und Spinnen. Sie bekamen gerade so viel zu essen und zu trinken, dass sie am Leben blieben. Doch die Gefangenen widerriefen ihren Glauben nicht.

Ich habe dieses Buch aus dem Englischen übersetzt und dabei manches Mal Tränen in den Augen gehabt. Ich musste mehrfach den Schreibtisch verlassen, zu erschüttert, um weiter zu arbeiten. Aus der Schulzeit wusste ich noch ganz vage etwas von der Geschichte von 1500 bis 1600, aber dass in unserem Land Menschen gefoltert und getötet wurden, aus solchen Gründen, von rechtgläubigen Protestanten und Katholiken, die plötzlich einen gemeinsamen Feind hatten, war mir verborgen geblieben. Und was die Täufer wirklich wollten, wer sie wirklich waren, das hatte mir sowieso niemand beigebracht.

Das Buch hat ein katholisches und ein evangelisches Vorwort. Der katholische Theologe schreibt unter anderem:

Die katholische Kirche des 16. Jahrhunderts hat diese Täuferbewegung blutig verfolgt, im Zusammenspiel mit den Obrigkeiten fast vernichtet und schwere Blutschuld auf sich geladen. Die katholische Kirche des beginnenden 21. Jahrhunderts hat endlich die Begegnung gesucht, mit den Nachfahren dieser Täuferbewegung. Sie beginnt langsam zu entdecken, welche Erinnerungen noch zu heilen sind, welche Schuld abzutragen und welcher ökumenische Schatz noch zu heben ist.

Der evangelische Theologe erklärt in seinem Beitrag:

Als Christ in landeskirchlicher Tradition kann man diese Geschichte nur mit Entsetzen und voller Scham lesen. Besonders fassungslos hat mich gemacht, in diesem Erzählen zugleich die Stimme derer, die damals so grausam mundtot gemacht wurden, vielfältig und leicht verständlich vernehmen zu können: Warum hat man sie damals nicht gehört? Gewiss, ihre Stimme stiftet auch Unruhe, aber es ist eine heilsame Unruhe (Psalm 139, 21f).

Dies ist kein Buch für Menschen, die seichte Lektüre lieben. Es ist kein Buch für jemanden, der angenehm unterhalten werden will. Es ist auch kein Buch für Christen, die nicht gewillt sind, ihrem eigenen Leben und Denken  einen Spiegel vorzuhalten.

Wer aber bereit ist, sich verstören und in der Gemütlichkeit der frommen Nischen stören zu lassen, dem sei das Buch nachdrücklich empfohlen. Es hat das Potenzial, zu zündeln, in den Gedanken des Lesers. Der dabei womöglich entstehende Brand wäre womöglich bedrohlich für den behaglichen Status Quo der Christenheit in mancher Nische.

Mein Fazit: Aufwühlend, aufklärend, radikal und raumgreifend im Kopf. Ein lesenswertes und gefährliches Buch.

Zu finden beispielsweise hier bei Amazon: Feuertaufe für die Freiheit. Das radikale Leben der Täufer - eine Provokation

Donnerstag, 22. Juli 2010

Spam der Woche: Qual der Wahl

Soll ich »mehr als 3.000 Euro« oder lieber »6000 Euro monatlich« verdienen wollen? Herr McNamurphy sagt ja nicht, ob Adrian das Geld pro Woche, pro Monat oder gar täglich verdient hat. Es könnte also das lukrativere Angebot sein.

spamderwoche

Ansonsten wandelt BAUR.de jetzt offensichtlich Tchibos Spuren und befleißigt sie des schlechtestmöglichen Umganges mit Anglizismen, Herr Wyler hat eine miserable Spamverbreitungssoftware und redet mich mit »Gnter« an – aber das iPad für Senioren wäre doch mal was?

Dienstag, 20. Juli 2010

Rücktrittitis

Sechs kleine Negerlein...

In Deutschland grassiert die Rücktrittitis. Nicht nur in der CDU, auch in anderen Kreisen. Der eine hat keine Lust mehr, der andere keinen Grund. Aber es wird zurückgetreten, mit oder ohne Anlass – vom Amt. Nicht etwa im Streit mit dem Fuß.

Manche Aufgabe eines öffentlichen Amtes ist ehrenwert, manche zwangsläufig, manche gar erzwungen. Da gibt es dann handfeste Gründe wie schwere Krankheit, oder auch Schuld, Verfehlungen, Reue womöglich sogar … – aber bei manchen Menschen, vornehmlich Politikern, reicht offenbar immer öfter die mangelnde Lust am Job. Das Geld in der Tasche wird ja deshalb nicht weniger, in den meisten Fällen.

Nun ist natürlich fraglich, ob eine Änderung der Pensionen und Bezüge (Rücktritt = Einkommen futsch) eine gute Idee wäre. Dann würde mancher und manche lustlos und tatenlos im Amt bleiben, weil der Reichtum ja so angenehm ist. Tatenlose Politiker hingegen gibt es ja schon so genug. Und ideenlose.

Irgendwie fällt keinem so recht ein, wie die Staatsverschuldung eingedämmt werden kann –abgesehen von Kürzungen im sozialen Bereich, bei der Bildung, bei der Entwicklungshilfe …

Herr Köhler, der ohne ersichtlichen Grund nicht mehr mochte, behält lebenslang seine (nicht gerade unerheblichen) Bezüge als Bundespräsident. Braucht er die eigentlich noch als Schmerzensgeld? Immerhin meckert jetzt keiner aus dem politischen Gegenlager mehr an seinen Verlautbarungen herum. Er verlautbart ja nichts mehr.

Wenn ein normaler Mensch (also ein Arbeitnehmer) keine Lust mehr auf den Job hat, dann wird ihm sein Chef vermutlich auch das bisherige Entgelt weiter gewähren, bis zum seligen Ende. Oder wie war das mit der Gleichheit gemeint?

Montag, 19. Juli 2010

Happy Birthday!

Happy Birthday Mr. Mandela

Irgendwo ist auch mein Foto zu finden. Könnte ein paar Monate dauern, es zu finden…

Sonntag, 18. Juli 2010

Christus in uns – gut versteckt?

Als ich vor einigen Jahren am Ende des Buches »Der Schwarm« von Frank Schätzing angekommen war, hatte ich 993 Seiten spannende Lektüre genossen. Auf den letzten sechs Seiten folgt der Erzählung ein Epilog, in dem der Autor überwiegend die Unverträglichkeit seiner Erzählung mit dem Christentum reflektiert. Es wird recht deutlich, warum Frank Schätzings Romangestalten keinem Glauben anhängen, der irgendwelche Relevanz für ihr Leben hätte, denn er lässt Samantha Crowe, eine der wenigen Überlebenden des gerade noch verhinderten Untergangs der menschlichen Rasse feststellen, dass sich Christentum, Islam und Judentum gleichermaßen als gescheitertes Menschenwerk entpuppen. Samantha Crowe macht sich symptomatische Gedanken:

Gott hat mit der Menschheit nicht gerade sein Meisterstück abgeliefert. Er hat gepatzt. Er hat nicht verhindern können, dass die Menschen sündig wurden, also sah Er sich gezwungen, Seinen Sohn zu opfern, um die Schuld zu tilgen. Eine Art Kredit in Blut. Welcher Vater tut so etwas leichten Herzens? Gott selber musste zu dem Schluss gelangt sein, dass Ihm die Menschheit misslungen war.

Nun stammt dies aus einem Roman, der als solcher zu verstehen ist. Und doch spiegelt sich im Epilog des Buches das Bild der Gemeinde Jesu Christi, wie es die Welt heute wahrnimmt.

Das Nachrichtenmagazin FOCUS widmete die Titelgeschichte der Weihnachtsausgabe 2006 dem Thema »Was nützt Religion?« Dabei stellen die Journalisten in einem Vergleich »Das Angebot der Weltreligionen« fest, dass nach dem Tod die Protestanten »auf die Auferstehung der Toten hoffen, von Hölle ist kaum noch die Rede.« Über die Katholiken heißt es:

Optionen: selige Gemeinschaft mit Gott im Himmel, ein vorangehender Aufenthalt im Fegefeuer oder die ewigen Qualen der Hölle.

Was weiß der FOCUS-Vergleich sonst noch über die Christen? Zum Beispiel:

In konservativen Gruppen wie etwa den Evangelikalen wird nicht geschlemmt. Sex ist bei den Katholiken prinzipiell erlaubt, aber Ehebruch ist eine Todsünde. Sex außerhalb der Ehe gilt als Unzucht, Selbstbefriedigung, gelebte Homosexualität, Verhütungsmittel sind verboten.

Den Protestanten bescheinigt die Studie, dass »… heute die meisten größeren Kirchen Sex als Gabe Gottes anerkennen.«

Interessant ist, dass der Weltreligionsvergleich den Glauben als eine Art Club betrachtet, dem man hier oder dort beitreten kann:

Wer einer Glaubensgemeinschaft beitreten will, sollte die Angebote auf seine persönliche Situation hin überprüfen. Heikle Punkte sind meist Speisevorschriften, der Umgang mit Sexualität und die Rolle der Frau. Wichtig ist auch, ob man die Religion als Amateur oder als Profi betreiben will. An letztere werden meist deutlich höhere Anforderungen gestellt.

Wir können uns, soweit wir uns als Christen verstehen, natürlich darüber empören, dass »die Welt« ein so schiefes und verzerrtes Gottesbild hat, so wenig beziehungsweise überhaupt nicht begreift, was das Evangelium eigentlich ist. Wir können uns kopfschüttelnd abwenden und im Kreis der Gläubigen unsere Urteile über Journalisten, Autoren, Künstler und Berichterstatter austauschen, die als Blinde die Farbe zu beschreiben sich aufmachen. Und dabei selbstverständlich scheitern.

Wir sollten uns jedoch womöglich eher darüber empören, dass wir »der Welt« solch ein Bild darbieten. Wer ist denn die Gemeinde, wenn nicht jeder von uns Gläubigen? Wen sehen denn die Menschen, wenn nicht uns im Alltag?

Sie sehen uns nicht im Rahmen des Gottesdienstes, den besuchen sie nämlich nicht. Sie sehen uns nicht bei der stillen Andacht im Kämmerlein, da schließen wir ja sorgfältig die Türe. Sie sehen uns nicht beim Austausch von frommen Phrasen und gelehrten Gesprächen über theologische Details, das tun wir ausschließlich unter uns. Sie lesen nicht die putzigen Bibelvers-Meldungen auf Facebook, Twitter und Co. – was vermutlich auch besser so ist.

Sie sehen uns im Alltag. In ihrem Alltag, ihrem Umfeld, genau da, wo wir mit ihnen zu tun haben. Sie sehen uns, aber sehen sie auch Christus in uns und durch uns? Oder haben wir ihn gut versteckt?

Sonst wäre es doch kaum vorstellbar, dass der Glaube so missverstanden – beziehungsweise überhaupt nicht verstanden – wird.

Freitag, 16. Juli 2010

Der Garten des Teufels – Teil 4

So so, da will jemand das Ende lesen? Selbst schuld… – bittesehr.
Wer den Anfang verpasst hat: [
Teil 1] --- [Teil 2] --- [Teil 3] .
Genug der Vorrede. Los geht es:

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Die Ernte

Sechs Monate waren seit dem ersten Traum von Peter vergangen. Renate betrachtete, was von der filigranen Blüte und dem zarten Stängel übriggeblieben war. Sie wagte kaum zu atmen, um dem Gewächs nicht noch mehr Schaden zuzufügen.

Endlich hatte sie heute ein Unterpfand mitbringen können aus dem Paradies, und dann hatte sie wohl im Schlaf darauf gelegen. Aber dennoch – die etwas zerdrückte Blume war noch immer von überirdischer Schönheit. Und vor allem – sie war hier. Im Diesseits. In ihrem Schlafzimmer, herübergebracht aus dem Traum. Oder träumte sie noch? Nein, entschied sie, sie war im Diesseits, im Hier und im Jetzt. Aus dem Radiowecker hörte sie aktuelle Nachrichten, neben dem Bett stand eine Plastikflasche mit Mineralwasser, und vor allem war Peter nicht hier. Also träumte sie nicht. Sie atmete tief den Duft der Blüte ein.

Renate legte das kostbare Unterpfand vorsichtig auf dem Nachttisch ab und schloss die Augen. Peter hatte ihr die Blume geschenkt. Sie wollte zurück zu Peter und konnte nicht. Es war sein Abschiedsgeschenk gewesen. Niemals wieder würde sie ihn sehen, fühlen, seine Küsse schmecken, niemals wieder seine lieb gewonnene Stimme hören. Und niemals würden ihre Leiber verschmelzen, denn das Später war ihr versperrt in diesem Leben.

Es sei denn, sie gab alles auf, was sie hatte, es sei denn, sie folgte ihm endgültig und nicht nur im Traum. Das Unterpfand, hatte er gesagt, sollte ihr Gewissheit geben, dass manchmal zwei Welten zu verschmelzen in der Lage waren, dass Peter wirklich auf sie wartete.

Das Licht der Morgensonne schien jetzt auf die Blüte. Renate musste mit ansehen, wie die Blume starb. Die Blütenblätter wurden dunkler, braun, dann schwarz, während sie ihre sanfte Geschmeidigkeit verloren, trocken und brüchig wie Jahrhunderte altes Pergament wurden. Die winzigen Blättchen am Stiel rollten sich ein und fielen vom Stängel ab, der Stil selbst verlor sein sattes Grün und wurde grau. Lebenskraft und Sonne vertrugen sich nicht. Es dauerte nur etwa zwei Minuten, dann genügte ein leichter Hauch, und nichts als Staub blieb auf dem Nachttisch zurück.

Staub, nichts als Staub würde auch von ihr zurückbleiben, aber was war schon dieses Leben als Tauschobjekt gegen eine Ewigkeit mit Peter? Sie hatte die Blume mitgebracht aus dem Paradies, sie hatte ein Unterpfand bekommen dafür, dass sie wirklich dort gewesen war. In dieser Nacht und in all den Nächten zuvor. Was in ihrem Verstand noch daran gezweifelt hatte, war nun überzeugt.

Renate stand auf. Es gab viel zu tun an diesem Tag. Sie zögerte und überlegte nicht mehr. Sie hatte sich entschieden.

Gewissenhaft führte sie die Anweisungen aus, die Peter ihr gegeben hatte, falls sie zu ihm kommen wollte. Das Buch des Pater Petrus Datura Suaveolens und das Verzeichnis mit den sechs mal sechs Gewächsen verstaute sie sorgfältig in dem Koffer, dazu sechs mal sechs Beutel mit jeweils sechs Samenkörnern. Sie hatte inzwischen dank der üppig gediehenen Pflanzen aus dem Garten des Teufels reichlich davon, aber es sollten jeweils sechs sein, keines weniger und keines mehr. Es mochten viele viele Jahre vergehen, bevor jemand diesen Koffer und seinen Inhalt sehen würde. Sie schloss ihn in einen feuer- und hitzebeständigen Metallkoffer ein, diesen wiederum in einen Kunststoffkoffer, luftdicht, wasserdicht, eine Errungenschaft der modernen Technik. Schließlich vergrub sie das Ganze zwei Meter tief unter ihrem Gewächshaus. Die Grube hatte sie bereits in den letzten Tagen ausgehoben, aber noch gezögert, bis sie an diesem Morgen ein Unterpfand in Händen gehabt hatte.

Das Erdreich war schnell aufgefüllt und mit einer Walze eingeebnet. Dann zog Renate gerade Furchen in das Rechteck, pflanzte junge Datura Suaveolens hinein, beschriftete das neue Beet ordentlich mit einem Steckschildchen und betrachtete zufrieden ihr Werk. Ein frisches Beet, mehr nicht.

Sie ging hinüber in den Anbau, verstaute sorgfältig die dort vorhandenen Gewächse in Holzkisten, lud sie in ihr Auto und fuhr los. Überall in der Stadt verteilte sie die Pflanzen aus dem Garten des Teufels. Auf Spielplätzen, in öffentlichen Parks, auf Brachflächen, in Kleingartenkolonien. Niemand wunderte sich oder sprach sie gar an. In ihrer grünen Gärtnerinnenkleidung, mit den Kisten voll Pflanzen und dem professionellen Werkzeug hielt man sie für beauftragt und befugt, ihrer Arbeit nachzugehen. Kein Mensch fragt ja auch den Mann, der die kleinen Steine in den Gehweg hämmert, ob er das denn dürfe.

Renate wusste, was sie tat. Sie wusste, dass sie mit den Pflanzen das Böse verteilte. Es ging um weit mehr als um Gifte oder Heilkräfte. Aber das war nicht ihre Sorge, und auf dieser Welt würde sie sowieso niemand mehr zur Rechenschaft ziehen können.

Am frühen Nachmittag war sie fertig. Sie fuhr noch einmal an ihrem Geschäft vorbei, es war ordentlich verschlossen, die Lichtschutzjalousien heruntergelassen. Vielleicht würde man am nächsten Tag einige Pflanzen dort herausholen und retten, vielleicht auch nicht. Sie hatte keine Erben, das Geld hatte sie in gleichen Teilen zwei Kinderhilfswerken vermacht. Ihr Steuer- und Finanzberater würde alles ordnungsgemäß abwickeln. Sie dachte an die Millionenbeträge und lächelte bei dem Gedanken, dass man ihr vermutlich ein Denkmal setzen würde.

Renate fuhr zurück zum Gewächshaus. Sie schlenderte durch die Reihen der Pflanzen, betrachtete liebevoll Abschied nehmend die Vielfalt der Gewächse. Dann schnitt sie die schönste der Ananasblüten ab, für Peter. Sie trat in den Anbau und vergewisserte sich, dass nichts aus dem Garten des Teufels hier zurückgeblieben war.

Neben dem Vorrat an Tongefäßen hatte sie eine Liege vorbereitet, Kissen und Decke bereitgelegt. Dort würde sie schlafen. Auf einem Tischchen stand das Getränk, das sie nach einem Rezept aus Pater Petrus Datura Suaveolens Buch bereitet hatte. Sie würde schnell und schmerzlos hinüberwechseln. Um 22:00 Uhr der Trunk, dann hatte sie noch etwa zehn Minuten ungetrübten Bewusstseins, in denen sie sich auf ihre Liege zur Ruhe begeben konnte. Um 22:15 spätestens würde sie bewusstlos und um 22:30 tot sein.

Für die Polizei würde es nach einem alltäglichen Selbstmord aussehen: Eine reiche, alleinstehende Floristin, des Lebens wohl überdrüssig, an ihrer Einsamkeit zugrunde gegangen, oder woran auch immer. Es war fraglich, ob das Gift analysiert werden konnte, aber das kümmerte Renate nicht. Nichts würde sie jemals mehr kümmern, ging sich doch zu ihrem Peter.

Peter - (unter anderem) auch bekannt als Randal Flagg. Foto von WikipediaRenate sah ihn schon von weitem am Eingang seiner Villa stehen, den Kopf unter dem Hut gesenkt. Sie eilte ihm entgegen. Als sie zwei Schritte vor ihm war, hob er seine Augen. Renates Schrei des Entsetzens war im Diesseits nicht zu hören.

»Das muss ein sehr schreckliches Ende gewesen sein«, meinte der Gerichtsmediziner am nächsten Tag, als er in das verzerrte Gesicht der toten Floristin blickte. »Als hätte sie etwas Grauenhaftes gesehen oder gefühlt in ihren letzten Sekunden.«

Ein verliebter Jüngling zupfte verstohlen eine Blume aus einem Beet im Stadtpark. Niemand beobachtete ihn. Er war auf dem Weg zu seiner Freundin und fand, dass er nicht mit leeren Händen kommen sollte. Er hatte keine Ahnung, was für eine Blume das sein mochte, aber sie hatte ihn geradezu angelockt mit ihrer exotisch anmutenden Blüte. Und dieser Duft, den er einsog …

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Nachbemerkung? Och nö.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Der Garten des Teufels – Teil 3

So. Nun die Fortsetzung. Ein vierter Teil folgt dann morgen. Wenn jemand Teil 1 und Teil 2 noch nicht gelesen hat, empfiehlt es sich, das vor dem Lesen von Teil 3 nachzuholen. Bittesehr: [Teil 1] [Teil 2]

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Die Saat

Es dauerte dann noch sechs lange Monate, bis Renate endlich wusste, ob der Mann tatsächlich oder nur im Traum ihr Gefährte geworden war.

Sie träumte das erste Mal von ihm, als die Saat in einem Tonschälchen aufging, als sich zarte grüne Spitzen dem Licht entgegenstreckten. Sie träumte, dass sie in ihrem Verkaufsraum stand, eine frische Ananasblüte in der Hand, um sie in die Vitrine zu stellen. Dabei dachte sie, dass der Kunde mit dem Koffer an diesem Exemplar seine Freude haben würde.

Die Türe öffnete sich und er betrat mit einem zufriedenen Lächeln auf den Zügen das Geschäft. In der Hand trug er wieder den Hut, in der anderen hielt er eine Blume, die Renate unbekannt war, und das wollte etwas heißen.

»Guten Morgen«, grüßte er höflich, »lassen sie die Ananas ruhig gleich auf dem Tisch, ich nehme sie.«

»Guten Morgen, mein Herr. Ich freue mich sehr, Sie wieder zu sehen. Es ist lange her.«

»Neun Monate und vier Tage.«

»So genau wissen Sie das?«

»Sie etwa nicht, Renate?«

»Doch, ja. Ich werde nie vergessen, was ich empfand, als ich den Inhalt des Koffers studierte. Darf ich Sie, Herr – äh ...«

»Peter. Nennen Sie mich einfach Peter.«

»Gut, also, darf ich Sie, Peter, fragen, woher Sie den Koffer beziehungsweise den Inhalt hatten?«

»Sie dürfen fragen, aber die Antwort werden Sie mir kaum glauben. Ich habe die Samen selbst gesammelt und eingenäht.«

»Und woher hatten Sie das Dokument?«

»Selbst geschrieben. Ich gebe zu, es ist viel Zeit vergangen, ich hatte es zusammen mit der Saat gut verwahrt, bis ich die richtige Erbin gefunden hatte.«

»Sie machen Witze, Peter.«

Er schmunzelte und betrachtete aufmerksam die Ananasblüte. Dann zuckte er mit den Schultern und erklärte ruhig: »Ich wusste doch, dass Sie mir nicht glauben. Aber würden Sie mir wohl diese Blüte überlassen? Zu einem fairen Preis?«

»Ich schenke sie Ihnen. Der Koffer war viel mehr wert als das, was Sie bekommen haben.«

»Irren Sie sich nur nicht. Ich habe mehr bekommen, als es schien. Und ich bitte um Ihr Verständnis: Geschenke nehme ich nicht an. Ich biete Ihnen diese Blume zum Tausch.«

Nächtliche Visionen... - Bild von sxc.huBehutsam stellte er die Pflanze auf die samtene Unterlage. Das Gewächs wirkte wie aus einer anderen Welt. Die Blütenblätter waren so dünn, dass man hindurchsehen konnte. Ein elfenbeinfarbenes Gewebe, im Licht der frühen Sonne schimmernd wie Seide. Eine einzige Blüte tronte auf einem Halm, den spiralförmig feingefächerte Blätter umgaben, die von einem tiefen Grün zu den Spitzen hin in ein wohltuendes Blau überblendeten. Ein Blatt war abgebrochen, an der Bruchstelle war ein winziger Tropfen zu sehen, rot, wie Blut, dachte Renate, es sieht aus wie Blut.

»Es ist Blut, wenn Sie so wollen, denn was ist der Lebenssaft einer Pflanze anderes als der, der im menschlichen oder tierischen Körper pulsiert?«

Renate bemerkte gar nicht, dass Peter auf etwas geantwortet hatte, was sie nur gedacht, aber nicht gesagt hatte. Sie war fasziniert und gefangen genommen von der überirdischen Schönheit der Blüte, des Stieles und der Blätter.

»Woher stammt dieses Gewächs? Wie heißt es?« fragte sie fast flüsternd, andächtig in den Anblick versunken.

»Es stammt aus einem großen Garten, wo es noch viele davon gibt. Es heißt Lebenskraft. Ich finde, das ist ein passender Name.«

Sie beugte sich hinab und atmete den schwachen Duft ein, wie lieblich und wohltuend war er, so unverwechselbar, so überirdisch wie die ganze zarte Pflanze.

Dann war Renate in ihrem Bett aufgewacht. Sie starrte einige Minute an die Decke und meinte, noch immer den Duft der Lebenskraft wahrnehmen zu können. Aber sie lag in ihrem Bett, es gab keine Blume. Als sie in ihrem Geschäft war, stellte sie eine frische Ananasblüte in die Vitrine. Doch niemand kam durch die Ladentür.

Je größer die Pflanzen aus dem Garten des Teufels gediehen, und jedes einzelne der ausgesäten Samenkörner ging auf, jede einzelne Pflanze entwickelte sich kräftig und gesund, desto öfter und intensiver träumte Renate von Peter. In ihren Träumen lud er sie ein, ihn zu besuchen, sie folgte ihm in eine Villa, die äußerlich unscheinbar wirkte, im Inneren jedoch unvergleichliche Schätze barg, Kleinode aus aller Welt, herrliche Gemälde, eine Bibliothek mit unzähligen handgeschriebenen Werken, darunter mehrere Bibeln sowie zahlreiche theologische Werke, die laut Peter aus einem Kloster stammten, von dem die meisten Menschen, die den erfolgreichen Roman eines italienischen Philosophen und Schriftstellers über dieses Kloster gelesen hatten, annahmen, dass die gesamte Bibliothek mit dem Kloster abgebrannt sei.

»Sprichst du von Umberto Eco? Der Name der Rose?«

Peter nickte versonnen. »Ja, und dies hier sind die kostbarsten Bände aus jenem Kloster. Nicht alles ist verbrannt, einiges wurde vor dem Feuer in Sicherheit gebracht.«

Renate machte sich nichts daraus, dass in einem Traum Bücher und Schauplätze aus einem Roman real waren, denn in Träumen nimmt man alles hin, was geboten wird.

Renate verfiel ihrem Peter mehr und mehr. Sie duzten sich längst, häufige Berührungen blieben nicht aus. Allerdings schliefen sie nicht miteinander in diesen Träumen, so sehr sich Renate auch danach sehnte. Peter brach liebevoll, aber entschieden jede Umarmung ab, aus der mehr werden konnte. »Später«, meinte er dann, »wenn wir vereint sind. Später.«

Den ganzen Tag wartete sie nur darauf, dass es endlich Abend wurde, dass sie endlich ihr Tagewerk beenden und ins Bett gehen, träumen konnte.

Mit dem Gedeihen der Saat aus dem Koffer gediehen ihre Träume, wurden realistischer, langsam und unmerklich schwand die Realität und wurde zum Traum, während die Träume zur Realität wurden. Renate wusste gelegentlich nicht, ob sie wachte oder träumte.

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Fortsetzung folgt.

Mittwoch, 14. Juli 2010

Der Garten des Teufels – Teil 2

Falls jemand heute zufällig hier auf den/das Blog gerät: Teil 1 dieser Erzählung findet man hier: [Teil 1]. Ach ja, und nur zur Beunruhigung der geschätzten Leserschaft: Es wird auch heute kein Ende der Geschichte geben und das Ende ist sowieso dann kein erfreuliches. Also don’t say I didn’t warn you. Weiterlesen? Bittesehr:

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Das Vermächtnis

Renate bereute den Tausch nie. Seit sie die Ananasblüte gegen den Koffer des Fremden getauscht hatte, war sie im Besitz eines unermesslichen Schatzes. Sie war schon vorher wohlhabend, seit frühester Jugend durch eine erhebliche Erbschaft, aber nun war sie reich. Unverschämt reich, genau genommen. In einem nicht materiellen Sinn.

Dass sie trotz ihres Vermögens Tag für Tag in ihrem Geschäft stand, Abend für Abend und manche Nacht im Gewächshaus zubrachte, lag daran, dass sie ihre Schützlinge liebte. Mehr als sie jemals für einen Menschen empfunden hatte konnte sie mit ihren Pflanzen fühlen, leiden, sich freuen.

Sie hatte, um das geerbte Geld irgendwie anzulegen, noch vier weitere Geschäfte eröffnet, in denen allerdings nur das übliche Sortiment an Schnittblumen und Topfpflanzen verkauft wurde, von allerbester Qualität zwar, aber nichts wirklich Ausgefallenes. In den vier Filialen arbeiteten 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, außerdem beschäftigte Renate für ihre Wohnung eine Haushälterin, damit sie selbst keine Zeit mit Putzen oder Einkaufen verschwenden musste. Jeder in ihrer Umgebung wusste, dass sie vermögend war, aber wie reicht sie wirklich war, wussten nur ihr Steuerberater und sie selbst. Das Finanzamt hatte keine Ahnung, aber das verursachte Renate kein schlechtes Gewissen. Es war Aufgabe des Steuerberaters, sich darum zu kümmern, dass möglichst viel Geld übrig blieb. Er war mehr ein Finanzmanager als ein Steuerberater, Renate überließ ihm weitgehend ihr Vermögen zur Verwaltung. Sein Honorar war fürstlich, und er leistete dafür hervorragende Arbeit. Details wollte sie von ihm nicht wissen, und wahrscheinlich wollte er sie sowieso lieber für sich behalten. Als vor einer Weile CDs mit Kontodaten deutscher Bürger bei ausländischen Banken seitens der Regierung angekauft wurden, hatte er nur gelächelt. Seine Methoden waren offensichtlich ausgefeilter als die Eröffnung von Bankkonten in der Schweiz.

Sie dachte gerne zurück an jenen Morgen, als sie den Koffer in das kleine Büro hinter den Geschäftsräumen stellte. Der Kunde war zufrieden mit dem sorgsam eingepackten Ananaskunstwerk seines Weges gegangen. Sie hatte es kaum erwarten können, den Laden am Abend zu schließen und sich mit dem Koffer in ihr Gewächshaus zurückzuziehen.

Schließlich war es so weit gewesen. Renate schloss die Türe hinter sich ab und legte den unscheinbaren Lederkoffer auf den Arbeitstisch. Sie schob die Arbeitsleuchte zurecht und öffnete dann bedächtig den Deckel, eine fast zeremonielle Handlung.

Sechsunddreißig kleine Leinenbeutel lagen darinnen. Die Beutel waren leicht, dünn, schlicht. Aber der Inhalt war kostbarer als es Juwelen oder Banknoten gewesen wären. In jedem der sechsunddreißig Beutel waren Samenkörnchen eingenäht. Die Beutel trugen Nummern, sauber mit einer verblassten Tinte auf die jeweils linke obere Ecke geschrieben, 1 bis 36. In dem Fach im Kofferdeckel steckte eine Klarsichthülle, und darin war ein handgeschriebenes Dokument verwahrt, das nicht nur alt, sondern antik war.

An der Echtheit zweifelte sie keinen Moment, die Schrift kannte sie aus einem Buch, das sie in einem Tresor bei ihrer Bank verwahrte. Es war, an einigen Eigenheiten unzweifelhaft zu erkennen, ein Dokument des Pater Petrus Datura Suaveolens. Der Autor des kostbaren Buches – und offensichtlich auch dieses Dokumentes aus dem Koffer – hatte das, was von ihm an Hinterlassenschaft bekannt war, stets mit einem charakteristischen Schriftzug unterzeichnet.

Datura Suaveolens (WikiCommons)»Pater Petrus Datura Suaveolens«, flüsterte Renate. Die Datura Suaveolens ist eine Zierpflanze, die überhaupt nicht seltene Engelstrompete, ursprünglich in Mexiko beheimatet, aber seit vielen Jahren bei Hobbygärtnern und städtischen Gartenämtern auch hierzulande geschätzt und weit verbreitet. Renate zweifelte daran, dass die Menschen, die diese Pflanze in ihren Gärten und Grünanlagen anpflanzten, eine Ahnung von der Wirkung der Blütenblätter hatten. Diese enthielten Atropin und Scopolamin, hochgiftige Alkaloide. In grauer Vorzeit hatte man damit Geisteskranke ruhiggestellt, heutzutage benutzte man die Pflanze als Zierde.

Der Pater hatte sich den Namen »Datura Suaveolens« sicher mit Überlegung zugelegt, das »Petrus« davor war vermutlich eine Konzession an die Kirche gewesen.

Sein Buch, das Renate einst von einer weiten Reise mitgebracht hatte, war alles andere als kirchliche Lektüre. Es enthielt für damalige Zeiten pure Hexerei, aus heutiger Sicht war das Werk ein Almanach der zerstörenden und heilenden Wirkungen von Pflanzen aller Art, vom unscheinbaren Moosgeflecht bis zum majestätischen Baum und seiner Rinde. Die exotischsten Gewächse wurden detailliert beschrieben, ihre Pflege anschaulich erklärt und die Wirkungen auf menschliche und tierische Organismen ausführlich erläutert.

Renate hatte sich oft gefragt, woher dieser Pater die Pflanzen gekannt haben mochte. Entweder hatte er weltweite Verbindungen gehabt oder er war selbst viel gereist. Das schien jedoch kaum vorstellbar, bei der seinerzeit üblichen Reisegeschwindigkeit hätte der Mann mehrere Leben benötigt, um all die Gegenden und Pflanzen zu erkunden, von denen er jedes Detail zu kennen schien.

Dieser Koffer, besser gesagt sein Inhalt, war nun das, was Renate für nicht existent gehalten hatte, obwohl die sechs mal sechs Leinenbeutel in dem Buch als Hinterlassenschaft erwähnt waren. Es waren sechsunddreißig Samenarten, sechsunddreißig Pflanzen, von denen sie in Petrus Buch gelesen hatte, die ihr aber völlig unbekannt und die in keinem botanischen Werk zu finden gewesen waren. Sie studierte das Verzeichnis und ließ ihre Fingerspitzen liebevoll über die Leinensäckchen gleiten. Es war unglaublich. Das höchste Glück, das sich Renate vorstellen konnte.

Auf dem Weg vom Geschäft zum Gewächshaus hatte sie aus ihrem Tresor das Buch geholt und sie blätterte nun mit größter Vorsicht durch die brüchigen Seiten zum Kapitel »6 mal 6 Gewächse aus dem Garten des Teufels«. Sie verglich Punkt für Punkt. Sorgfältig, gewissenhaft. Auf der Liste aus dem Koffer standen genau diese Bezeichnungen. Sie hatte das Vermächtnis des Paters in den Händen.

In den nächsten Wochen studierte sie geduldig zunächst die Zucht- und Pflegeanleitungen, dann besorgte sie die notwendige Ausstattung, was nicht immer einfach war. In einem Fall handelte es sich um Schlick aus einer von Pater Petrus genau bezeichneten Bucht an der Nordspitze Schwedens, in einem anderen um ein Gemisch aus Erde und Staub aus der Gegend knapp unterhalb der Baumgrenze des Himalaja.

Sie ließ von Technikern einen Anbau an ihr Gewächshaus konstruieren, in dem verschiedene Räume mit verschiedenen klimatischen Bedingungen entstanden, ein Computer steuerte die Beleuchtung für Tag- und Nachtwechsel, überwachte Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen und steuerte die variable Länge der Tage und Nächte je nach Jahreszeit. Geld spielte für dieses Projekt keine Rolle.

Selbst bei den Pflanzgefäßen hielt sie sich penibel an die Anleitungen des Pater Petrus Datura Suaveolens, ließ einiges von einem Töpfer herstellen, bei dem sie sich darauf verlassen konnte, dass er die vorgeschriebene Rezeptur für den Ton, die Trockenzeiten, die Temperatur des Ofens und viele weitere Details einhalten würde.

Gelegentlich fragte sich Renate, wie der Pater Petrus Datura Suaveolens in der Lage gewesen sein konnte, auch nur einen Bruchteil der notwendigen Bedingungen zu schaffen, damit diese Pflanzen gedeihen konnten. Es war schlichtweg unvorstellbar. Entweder er hatte sich auf die Beschreibungen beschränkt und die Samen für eine Zeit aufbewahrt, in der Dinge möglich wurden, die ihm unvorstellbar sein mussten, oder es war – mittelalterlich gedacht – Hexerei im Spiel gewesen.

In jedem Säckchen steckten sechs Samen, wenn alle aufgingen, hatte sie 6 mal 6 mal 6 Pflanzen. Sie wollte zunächst von jedem der Samen einen aussäen und fünf behalten, dann würde sie für Jahre Vorrat haben und gegebenenfalls eine misslungene Züchtung wiederholen können. Zeit musste sie sich ohnehin lassen, weil sogar der Stand des Mondes für die Pflanzzeit vorgeschrieben war.

Neun Monate nach dem Tausch Ananas gegen Koffer konnte Renate die ersten zarten Spitzen aus dem Erdreich sprießen sehen.

Als der Traum im Gewächshaus – besser gesagt in seinem Anbau – dann Gestalt annahm, als die ersten Blätter sichtbar wurden, trat der seltsame Kunde wieder in Renates Leben, in gewisser Weise zumindest.

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Fortsetzung folgt.

Dienstag, 13. Juli 2010

Der Garten des Teufels – Teil 1

Wenn ein Mensch im Traum durch das Paradies gehen könnte,
und das Geschenk einer Blume wäre ein Unterpfand dafür, dass seine Seele wirklich dort war,
und wenn er beim Erwachen diese Blume in der Hand halten würde ... dann wahrlich! ... ja, was dann?
-Samuel Taylor Coleridge: Anima Poetae

And you can send me dead flowers every morning
Send me dead flowers by the mail
Send me dead flowers to my wedding
And I won’t forget to put roses on your grave
-The Rolling Stones: Dead Flowers

Das Unterpfand

Verwelkt, zerdrückt, keine Schönheit mehr, aber dennoch ein Gegenstand höchsten Wertes. Nein, kein Gegenstand, das war der falsche Ausdruck. Ein Lebewesen, das zum Sterben verurteilt war, abgetrennt von den Leben spendenden Wurzeln.

Renate betrachtete, was von der filigranen Blüte und dem zarten Stängel übriggeblieben war. Sie wagte kaum zu atmen, um dem Gewächs nicht noch mehr Schaden zuzufügen.

Die Blütenblätter waren so dünn, dass man hindurchsehen konnte. Ein elfenbeinfarbenes Gewebe, im Licht der frühen Sonne schimmernd wie Seide. Eine einzige Blüte, auf einem Halm, den spiralförmig feingefächerte Blätter umgaben, die von einem tiefen Grün zu den Spitzen hin in ein wohltuendes Blau überblendeten. Selbst jetzt, in diesem erbärmlichen Zustand, war die Blume noch schöner als alles, was Renate bisher an schmückenden Gewächsen gesehen hatte. Und sie hatte viele gesehen, ging sie doch täglich in ihrem Fachgeschäft für Floristik mit der Flora in ihren schönsten Formen um.

Sie legte das kostbare Unterpfand vorsichtig auf dem Nachttisch ab und schloss wieder die Augen. Peter hatte ihr die Blume geschenkt. Sie wollte zurück zu Peter und wusste um die Torheit dieses Wunsches.

Bild von sxc.huDie Ananasblüte

Zehn Jahre zuvor hatte ein merkwürdiger Mann ihren Weg gekreuzt. Männer waren ihre Hauptkundschaft, das Geschäft lag nahe am Bahnhof, unzählige Geschäftsreisende ließen ein Taxi draußen warten, um bei der Heimkehr zu ihrer Familie, Frau oder Freundin einen Blumengruß präsentieren zu können. Andere kamen auf dem Weg zum Bahnhof in das Geschäft, denn mit einer Rose in der Hand ist der Mann gut ausgestattet, wenn die Geliebte aus dem Zug steigt. Es kamen auch Frauen, die für ihr Heim oder den Besuch bei Verwandten und Bekannten ein dekoratives Geschenk suchten, aber die männliche Kundschaft überwog. Renate war stolz darauf, dass ihre Kunden, Herren oder Damen, stets zufrieden waren. Sie verkaufte nicht einfach lustlos zusammengebundene Sträuße; bei ihr bekam man das Ausgefallene, das man in den beiden Läden direkt im Bahnhof und auch sonst in der Stadt vergeblich suchte. Kunstwerke aus natürlichen Materialien, von der Rinde einer knorrigen Eiche bis zur winzigsten Kakteenblüte – Renate verarbeitete zu Unikaten, was immer sie im Großmarkt und in der Natur finden konnte.

Wollte ein schüchterner und nicht allzu bemittelter junger Mann eine einzelne Rose für die Dame seines Herzens, dann bekam er für fünf Euro eine Rose, langstielig, frisch. Doch nicht nur die Rose gab sie dann dem Liebenden, um den Stiel wand sich ein hauchdünner Halm mit herzförmigen winzigen Blättern. Sie hatte diese Pflanze, die sie in keinem Lexikon der Botanik finden konnte, einst in Nicaragua entdeckt und züchtete das Liebesgras, wie sie es getauft hatte, seither in ihrem geräumigen Gewächshaus. Dort gab es noch zahlreiche andere Züchtungen und Pflanzen, die sonst nirgends zu finden waren. Natürlich hütete sie ihre Geheimnisse mit starken Schlössern, einer Alarmanlage und ihrem Mozart, einem kräftigen und als Wächter ausgebildeten Schäferhund.

An jenem Morgen vor zehn Jahren war ein Herr mittleren Alters durch die Türe getreten, einen Aktenkoffer in der einen, den Hut in der anderen Hand. Die elektrische Tür schloss sich hinter ihm und er betrachtete anerkennend die ausgestellten Kunstwerke. Renate ließ ihm Zeit, sich umzusehen, beobachtete, wie sein Blick an einer Komposition aus Ananasblüte, verschiedenen Gräsern und einer Fontäne aus fein geschnittener Birkenrinde hängenblieb und wusste, dass der Kunde gleich nach dem Preis fragen würde.

»Guten Morgen«, begann er, »ich suche ein Geschenk.«

Freundlich lächelnd erkundigte sich Renate: »Für eine Dame?«

»Ja und nein, aber sagen wir ruhig, es sei für eine Dame.«

Renate nahm die Antwort gelassen entgegen. Sie schätzte, dass der Kunde etwa fünfzig Euro ausgeben wollte, und zeigte ihm einige Arrangements für fünfundsiebzig Euro.

»Dies hier«, erklärte sie, »ist eine tropische Orchidee, die Blüte wird sich heute Nachmittag öffnen, umgeben von Schößlingen eines seltenen griechischen Beerengewächses, gepflanzt in Erde aus Malaysia. Selbstverständlich bekommen Sie bei mir immer die notwendigen Düngemittel, Erden und Gefäße, damit sie viele Jahre Freude an den Pflanzen haben, und selbstverständlich erkläre ich meinen Kunden sehr genau, wo die Pflanze stehen muss, wie sie zu behandeln ist.«

»Ich weiß, deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen.«

Sie nickte selbstsicher. Seit fünf Jahren führte sie das Geschäft, hatte nie Werbung gemacht außer den Auslagen in ihrem Fenster. Zufriedene Kunden waren und blieben die beste Investition. Die meisten Käufer kamen nicht per Zufall in ihr Geschäft, sondern auf Empfehlung oder als Stammkundschaft.

»Schnittblumen habe ich natürlich auch«, meinte sie lächelnd.

»Diese Ananasblüte dort, was würde die kosten?«

Aha, sie hatte richtig getippt. Der Mann wollte diese Blüte und nichts anderes. Und er würde sie bekommen.

Renate öffnete die Glasvitrine und stellte das Gesteck behutsam auf den Verkaufstisch. »Dies ist etwas ganz Besonderes, allerdings eine Schnittblüte, das heißt, dass sie nach etwa zwei Wochen ihre Schönheit verlieren wird. Diese Ananas werden von mir selbst gezüchtet, die Farbschattierungen, die sie hier sehen, finden Sie nirgends sonst.«

»Sie ist wunderschön.«

»Ja, das ist sie. An einem schattigen Ort, nicht zu heiß, hält sie sich bei entsprechender Pflege etwa zwei, vielleicht sogar drei Wochen.«

»Und was kostet sie nun?«

»Wie viel wäre sie Ihnen denn wert?«

Renate hatte keine Preisschilder in ihrem Geschäft. Der Kunde bestimmte den Wert der Ware, und selten versuchte jemand, etwas billig zu bekommen. Solche Leute blieben in der Regel draußen vor der Türe.

Der Mann hob den Blick von der Blüte und sah Renate forschend an. »Ich würde meinen, dass fünfzig Euro angemessen wären.«

»Da stimme ich Ihnen zu.«

»Das Problem ist nur, dass ich kein Geld bei mir habe.«

Renate erklärte freundlich: »Visa, Eurocard, American Express und EC-Karten sind willkommen.«

Der Kunde legte lächelnd seinen Aktenkoffer auf den Verkaufstisch, öffnete den Deckel und drehte den Koffer zu Renate herum. »Wie wäre es damit als Gegenwert zu Ihrer Blüte?«

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Fortsetzung folgt

Sonntag, 11. Juli 2010

Stiefmütterlich

Januar 2010 Dieser/dieses Blog wurde, das ist nicht zu leugnen, in den letzten Wochen ziemlich stiefmütterlich behandelt. Geschuldet war das der Fülle an Arbeit, nicht etwa der Lustlosigkeit.

Nun ist ein großes Projekt abgeschlossen, die Übersetzung eines Buches. Es ist immer ein gutes Gefühl, ein Aufatmen, ein Erfolgserlebnis damit verbunden, wenn ich sagen kann: Geschafft und gut gemacht. Natürlich sollte das gut gemacht an und für sich dem Auftraggeber beziehungsweise bei Büchern den Lesern vorbehalten bleiben, aber nach etlichen Jahren Übersetzertätigkeit bekommt man doch ein Gefühl dafür …

Es sind nun einige weitere Terminarbeiten zu erledigen, aber der/das Blog soll nach Möglichkeit etwas weniger brach liegen. Ich werde vermutlich nicht zu der täglichen Aktualisierung zurückkehren können, aber es soll doch wieder etwas mehr Leben hier einziehen.

Nun denn. Ich wünsche einen angenehmen Sonntag, wir in Berlin werden sicherlich nicht frieren müssen. Falls andernorts jemandem kalt ist, möge er an warme Tage zurückdenken, so wie wir uns zur Zeit gerne des Winters erinnern.

Montag, 5. Juli 2010

Vom Mosikto am Nacktstrand

Hat viel zu tun, das Viech.Eine Etappe ist dank Wochenendeinsatz geschafft. Am Samstag 9 Stunden, am Sonntag 10 Stunden – dann  war die deutsche Rohfassung des Buches, das ich gerade übersetze, fertig.

Nun geht es daran, noch einmal den gesamten Text auf Tippfehler, Formulierungen und Stilfragen zu überprüfen, was erfahrungsgemäß in etwa 15 bis 20 Stunden zu schaffen ist. Insgesamt wird die Arbeit dann so um die 70 Stunden gedauert haben.

Gleichzeitig habe ich zwei CD-Produktionen auf dem Tisch, und natürlich noch den »normalen« Job mit der 40-Stunden-Woche. Aber es gibt keinen Grund zur Klage, denn all das geschieht ja freiwillig und gegen Entgelt beziehungsweise Honorar. Und ich möchte nicht mit jemandem tauschen, der den Tag damit verbringt, irgendwelche TV-Soaps zu konsumieren…

Der Blogbesucher wird verstehen, dass auch weiterhin gilt:

I'm busier than a mosquito at a nudist colony.

Samstag, 3. Juli 2010

Man nehme, so man hat

Wenn zwei Menschen oft am Abend gleichzeitig am PC arbeiten müssen und das Arbeitszimmer zu klein für zwei ist, obwohl dort zwei PCs zur Verfügung stehen, und wenn dann die Tochter groß geworden ist und eine eigene Wohnung bezogen hat, so dass nunmehr ein zusätzliches Zimmer zur Verfügung steht, dann nehme man einen Schreibtisch…

Schiefe Schubladen - sieht ja keiner

…dessen Schubladen beim Zusammenbauen womöglich etwas schief geraten sind, trage diese und jene Gerätschaften aus dem Arbeitszimmer zum Schreibtisch…

Kabel und Kästchen

…verbinde mit allerlei Kabeln allerlei Kästchen, drücke den einen oder den anderen Knopf, vielleicht auch zwei oder drei Knöpfe…

fertich!

…und mache sich fortan weniger beengt als zuvor an die Arbeit. Einstweilen noch in einem Korbsessel sitzend, der Schreibtischstuhl aber ward bereits bestellt und sollte nächste Woche da sein.

Freitag, 2. Juli 2010

Vom air traffic controller und von shit on a marble floor

…der Zustand hält einstweilen an:

I'm busier than a cross-eyed air traffic controller.

Dies nur für die geschätzten Blogbesucher, die kopfschüttelnd feststellen, dass ich hier nach wie vor kaum etwas einstelle, was irgendwie eigene Mühe erfordern würde.

Nun kam zur sowieso schon reichlichen Arbeit noch ein eiliger Auftrag hinzu, der am Wochenende zu erledigen sein wird. Aus unserem geplanten Flohmarktstand wird daher nichts. Und für den Blog gilt auch die nächsten Tage:

I'm busier than a three-legged cat trying to cover shit on a marble floor while having to go five miles for dirt.

Donnerstag, 1. Juli 2010

Wenn man wüsste…

…was Katzen beim Bücherlesen so denken…

Miau oder wuff?

…wäre man dann schlauer?