Montag, 30. August 2010

The most functional word…

Well, it's shit ... that's right, shit! Shit may just be the most functional word in the English language:

  • You can smoke shit, buy shit, sell shit, lose shit, find shit, forget shit, and tell others to eat shit.
  • Some people know their shit, while others can't tell the difference between shit and shineola.
  • There are lucky shits, dumb shits, and crazy shits. There is bull shit, horse shit, and chicken shit.
  • You can throw shit, sling shit, catch shit, shoot the shit, or duck when the shit hits the fan.
  • You can give a shit or serve shit on a shingle.
  • You can find yourself in deep shit or be happier than a pig in shit.
  • Some days are colder than shit, some days are hotter than shit, and some days are just plain shitty.
  • Some music sounds like shit, things can look like shit, and there are times when you feel like shit.
  • You can have too much shit, not enough shit, the right shit, the wrong shit or a lot of weird shit.
  • You can carry shit, have a mountain of shit, or find yourself up shit creek without a paddle.
  • Sometimes everything you touch turns to shit and other times you fall in a bucket of shit and come out smelling like a rose.

When you stop to consider all the facts, it's the basic building block of the English language. And remember once you know your shit, you don't need to know anything else!

You could pass this along, if you give a shit; or not do so if you don't give a shit. Well, Shit, it's time for me to go. Just wanted you to know that I do give a shit and hope you have a nice day, without a bunch of shit. But, if you happened to catch a load of shit from some shit-head... Well, Shit Happens!

Samstag, 28. August 2010

Rezepte für ein langes Leben

satire.gif»Jeder sucht sich aus der Bibel das heraus, was für den jeweiligen Sonntag gerade passt«,

sagte Helmut Schmidt einmal im Deutschen Bundestag. Das stimmt nicht nur bezüglich der Politik, auch die Wissenschaftler verstehen es sehr gut, das Forschungsergebnis zu präsentieren, was gerade passt.

Dass viele Menschen zu dick sind, ist unstrittig. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat ein Milliardengeschäft mit den »Light« und »Bio« Etiketten aufgebaut, und viele glauben schlicht und einfach, was die Werbung ihnen suggeriert: »Kauf mich, und du wirst automatisch schlank / gesund«.

Leichtgläubigkeit als Ursache der Volksverdickung – könnte man daraus ableiten. Schützt Intelligenz beziehungsweise Bildung vor den überzähligen Pfunden? Dem Vernehmen nach sind ja überwiegend die weniger gebildeten Menschen zu fett:

Bildung und Wissen wirken sich laut Studie auch auf das Ernährungsverhalten aus. So seien 70 Prozent der Befragten mit Hauptschlussabschluss übergewichtig gewesen, erklärte Seehofer. In der Gruppe der Teilnehmer mit Abitur oder Fachhochschulabschluss waren es dagegen nur rund 50 Prozent. Außerdem sinke mit steigendem Pro-Kopf-Einkommen der Anteil der Fettleibigen.
(Quelle: Die Welt)

Man kann daraus also tatsächlich schließen, dass Bildungsmangel dick macht, weil die weniger Gebildeten die Marketingstrategien nicht hinterfragen und den Webeversprechen glauben, dass sie mit »low fat« oder »sugar free« zu ranken und schlanken Menschen werden. Sie kaufen Pepsi Light und Cola Zero, womöglich Joghurt ohne Zucker und werden immer dicker. Nun hat eine Studie offenbart, warum das so ist:

Die Forscher glauben, dass Süßstoff zu Problemen bei der Kontrolle der Kalorienaufnahme führt, weil die Verbindung zwischen der Empfindung von Süßigkeit und Nahrung mit vielen Kalorien gestört wird. Möglicherweise sei das auch eine Erklärung dafür, dass die Fettleibigkeit seit dem Aufkommen künstlicher Süßstoffe derart rapide zugenommen habe, berichten sie im Fachmagazin Behavorial Neuroscience.
(Quelle: Die Welt)

Zwar wurden diese Versuche mit Ratten durchgeführt, aber das macht ja nichts. Sind wir nicht alle irgendwie Ratten? Manche Männer sind Schweine, andere Gockel, manche Frau ist eine Gazelle, eine andere ein scheues Reh – vermutlich steckt hinter all diesen Verkleidungen ja letztendlich doch immer eine Ratte.

Doch halt! Alles Unfug! Bildungsmangel macht nicht dick! Wieder andere Wissenschaftler haben nämlich bewiesen, dass es gar nicht darauf ankommt, ob Zucker oder Süßstoff verwendet wird:

Vier einfache Verhaltensregeln verlängern das Leben durchschnittlich um 14 Jahre: nicht rauchen, etwas Sport treiben, mäßig Alkohol trinken und täglich fünf Portionen Obst und Gemüse essen. Das berichten britische Forscher um Kay-Tee Khaw von der Universität Cambridge, die seit 1993 das Schicksal von mehr als 20.000 Probanden im Alter von über 45 Jahren verfolgt haben. Diese Beobachtung sei unabhängig von gesellschaftlicher Schicht und Körpergewicht, betonen die Mediziner im Fachjournal „PLoS Medicine“.
(Quelle: Die Welt)

Na fein. Das Körpergewicht hat nichts mit der Lebenserwartung, der Gesundheit zu tun. Täglich einen halben Liter Wein oder einen ganzen Liter Bier trinken, nicht rauchen, Obst essen, und Sport treiben – das ist das Rezept für ein langes Leben, ob der Mensch nun dick oder mager ist. Solange er, wie wieder andere Wissenschaftler festgestellt haben, nicht auf regelmäßige Orgasmen verzichtet:

Sex steigert die Herzfrequenz auf bis zu 120 Schläge pro Minute. Der Blutdruck nimmt kurzfristig, aber deutlich zu und bei einem Orgasmus wird in der Minute 40 mal ein- und ausgeatmet. Hinzu kommt:
- Sex hält schlank. Je nach Vorlieben können beim Liebesspiel schon mal 500 Kalorien verbraucht werden.
- Dabei wird das Herz geschont. Zehn Minuten Schnee schaufeln, ein paar Stockwerke Treppensteigen oder ein heftiger Streit belasten das Herz weit mehr.
- Der Kreislauf wird angeregt und trainiert. Nachteilig für die Leistungsfähigkeit ist Sex nur unmittelbar danach. Aber wer tritt schon direkt nach dem Akt zum 100-Meter-Sprint-Wettkampf an?
- Die Haut wird gesünder. Wer schwitzt, reinigt seine Poren, und eine gute Durchblutung hält Haut und Schleimhäute länger jung. Das Bindegewebe wird stärker, einer Cellulite oder Krampfadern wird vorgebeugt. Darüber hinaus soll Sex Altersflecken auf der Haut entgegenwirken.
- Die Geschlechtsorgane werden mit frischem Blut versorgt. Bei Männern kann das einer Prostataerkrankung entgegenwirken.
(Quelle: WDR)

»Befriedigender Sex, dazu gehört auch Masturbation, kann zwar keine Krankheiten wie Rheuma oder Diabetes heilen, doch vor allem auf psychosomatischer Ebene vermag er kleine Wunder zu bewirken«, erklärt die Urologin Kornelia Hackl. »Dabei liegt sein Geheimnis im Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung – der Basis aller Lebendigkeit.« Und so kann »Doktor Sex« gegen Rückenschmerzen, Spannungskopfweh, depressive Verstimmung und vieles mehr beinahe wie ein Heiler wirken …
Quelle: Focus

Ob nun Sport und Orgasmus zu einer Verdoppelung der Gesundheit führen, wurde vermutlich noch nicht erforscht. Man könnte aber noch den Kaffee ins Spiel bringen, denn auch da gibt es Forschungen, die beweisen, dass er einem langen Leben und der Gesundheit förderlich ist. Auch die Region, in der man lebt, hat ja Auswirkungen auf Lebenserwartung und Leibesumfang.

Ich freue mich auf die nächste Studie, die dann beweisen wird, dass doch der Zucker der Bösewicht und Sex schädlich ist. Oder dass Dicke grundsätzlich intelligenter sind als Dünne. Oder dass Kaffee und Zigaretten zusammen für ein langes Leben sorgen, während Zigaretten ohne Kaffee schädlich sind. Oder auch nicht, wie ja kürzlich Fachärzte dem eingangs zitierten ehemaligen Bundeskanzler bescheinigt haben.

Ehefrau Loki sagte zum Abgewöhnen Anfang des Jahres der Morgenpost:

»Sogar die Ärzte raten uns davon ab. Die Umstellung würde zu viel Stress für den Körper bedeuten.«
(Quelle: Die Welt)

Schön, dass wir die Wissenschaften haben, mit all ihren Forschern, die sensationelle Erkenntnisse am laufenden Band produzieren. So wird es nicht langweilig in den Medien und ich suche mir aus der Bibel das heraus, was für das Festmahl am kommenden Sonntag am besten passt:

So gebe dir Gott vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und von Korn und Most die Fülle! 1. Mose 27, 28

Preise den Herrn, meine Seele, … der Gras hervorsprossen läßt für das Vieh … und Wein, der des Menschen Herz erfreut; damit er das Angesicht glänzend mache vom Öl und Brot des Menschen Herz stärke. Psalm 104, 14-15

Dienstag, 24. August 2010

Kerstin Hack: Vergebung

Impulsheft Nummer 43 Das 43ste Impulsheft aus dem Down to Earth Verlag nimmt sich eines Themas an, bei dem vieles leicht gesagt und schwer getan ist: Vergebung. Die Autorin weiß, dass unsere menschliche Reaktion in der Regel anders aussieht, als uns gut tun würde:

Vergebung entlastet und befreit – doch ist sie keineswegs einfach. Wir wollen nach erlittenem Unrecht oft erst einmal Rache und Ausgleich. Vergebung scheint zunächst wenig attraktiv zu sein.

Das Resultat der Vergebung ist jedoch die Mühe wert, die man zunächst mit dem Gedanken und dem Vorgang hat, jemandem vergeben zu wollen. Bemerkenswert an diesem Impulsheft ist (wieder einmal, wie so oft bei ihren Heften und Büchern), dass Kerstin Hack nicht im theorieschwangeren Nebel stochert, sondern auch und womöglich vor allem aus eigenem Erleben schreibt:

Während des Schreibens erlebte ich selbst einige schmerzhafte Situationen. Ich hatte die Wahl, ob ich der Wut und Rache Raum gebe oder ob ich vergebe. Kurz: Ich habe das, was ich hier beschreibe, selbst erprobt und weiß, dass es gut ist. Es ist nicht leicht zu vergeben. Aber nicht zu vergeben ist noch viel schwerer.

Nun kam mir das Impulsheft wie gerufen, denn ich habe kürzlich eine Situation im beruflichen Umfeld erlebt, die mir das Vergeben schwer gemacht hat. Einerseits hatte ich mir in der Sache objektiv ein Fehlverhalten einzugestehen, aber der Punkt war andererseits, dass jemand, den ich für »kollegial befreundet« gehalten hatte, zum »Anschwärzer« an übergeordneter Stelle wurde und das führte zu ernsthaften Konsequenzen für mich.
Aus Schaden, sagt der Volksmund, wird der Einsichtsreiche klug. Die Situation hat mich daran erinnert, dass es noch längst nicht das Selbe ist, wenn zwei das Gleiche tun. Das war die eine Einsicht und ich konnte mich sehr schnell entscheiden, diesbezüglich zukünftig - egal, was andere tun und lassen - eben »nach dem Buchstaben des Gesetzes« zu handeln.
Aber was den Kollegen betrifft, der sich als Judas gebärdet hat, wohl um des eigenen Vorankommens willen oder einfach so, weil es seine Art sein mag, war die Entscheidung so leicht nicht. Es traf (obwohl die fragliche Person nicht »jemand Nahes« ist) in etwa zu, was Kerstin Hack in diesem Impulsheft so formuliert:

Wenn jemand Nahes nicht zu einem hielt, erlebt man das als Verrat. Das Vertrauen ist zerbrochen. Hier kann Vergebung den Weg zur Heilung ebnen. ... Zum Vergeben ist es nicht nötig, dass der andere darum weiß. Vergebung ist immer eine persönliche Entscheidung. »Ich will das, was mich belastet hat, nicht länger mit mir herumtragen.«

Es hat mir selbst gut getan, nicht weiter auf Rache zu sinnen und (innerlich) Gerechtigkeit - also einen Ausgleich für die ungerechte Behandlung - zu fordern, wütend zu sein. Der Kollege hat nichts davon, dass ich vergebe, sondern vor allem erst einmal ich. Genau das beschreibt Kerstin Hack sehr treffend und verständlich in diesem Heft. Sie schildert, was durch das erlittene Unrecht in einem Menschen vor sich geht, wie man damit umgehen kann und welche Ansätze vor dem Weg in die Verbitterung bewahren können.
Vieles, was ich jetzt in diesem Impulsheft gelesen habe, bestätigt und vertieft das eigene Erleben beim Umgang mit meinem konkreten Vorfall kürzlich und ähnlichen Situationen, die womöglich in der Zukunft liegen mögen. In dieser Welt wird es immer ungerecht zugehen. Letztendlich ist aber niemandem gedient, wenn ich nicht vergeben will oder kann.

Vergebung heißt: Einen Gefangenen freizugeben – und dann festzustellen, dass man selbst der Gefangene war. —Lewis B. Smedes

Mein Fazit: Ein lohnendes Impulsheft, aus dem Leben für das Leben. Nicht nur die Autorin bestätigt, dass es hier nicht um graue Theorie geht - ich schließe mich dem an und empfehle das Heft gerne als im wahrsten Sinne des Wortes befreiende Lektüre. Angenehm »unfromm« formuliert und voller wirklich guter Tipps und Gedankenanstöße.

Bestellen kann man direkt beim Verlag: [Kerstin Hack: Vergebung. Impulse für ein freies Leben.]

Sonntag, 22. August 2010

Vom Sandschreiben und Steinewerfen

Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war, und stellen sie in die Mitte und sagen zu ihm (Jesus): Lehrer, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. In dem Gesetz aber hat uns Mose geboten, solche zu steinigen. Du nun, was sagst du?
(Johannes 8, 3-5)
Übrigens – mancher mag es nicht hören, aber es ist so: Selbstverständlich hatten diese Pharisäer und Schriftgelehrten recht? Es existierte zweifellos ein solches Gesetz:
Wenn ein Mann mit einer Frau Ehebruch treibt, wenn ein Mann Ehebruch treibt mit der Frau seines Nächsten, müssen der Ehebrecher und die Ehebrecherin getötet werden.
(3. Mose 20, 10)
Aber die anklagenden Herren hatten etwas vergessen. Wenn sie tatsächlich die Frau auf frischer Tat ertappt hatten, wo war dann der Mann, mit dem sie inflagranti erwischt wurde? War er gerade unabkömmlich? Auf Geschäftsreise? War ihm nicht wohl und er musste nun vor der Steinigung das Bett hüten? Oder war er ein so angesehener und wichtiger Bürger, dass man mal eben die andere Hälfte des Gebotes außer Acht lassen musste? Womöglich gar ein Politiker oder ein Schriftgelehrter?
Jesus antwortete zunächst nicht, sondern schrieb mit dem Finger auf die Erde. Manche deuten das Schreiben mit dieser Prophetie aus Jeremia:
Und die von mir abweichen, werden in die Erde geschrieben werden (so, dass die Schrift bald verwischt oder verweht wird); denn sie haben den HERRN, die Quelle lebendigen Wassers, verlassen.
(Jeremia 17, 13)
Könnte man so sehen. Ich bin kein Theologe, aber da Jesus »die Schriften« kannte, ist das für mich nachvollziehbar. Andere Erklärungen habe ich auch schon gehört, die mir auch nicht widersinnig scheinen, zum Beispiel dass Jesus die entsprechenden Sätze aus dem mosaischen Gesetz in den Sand notierte. Aber soooo wichtig ist es ja gar nicht, warum oder was Jesus da schrieb. Sonst wäre es in dem Bericht sicher enthalten.
Als die Ankläger weiter nervten, bekamen sie schließlich doch noch eine Antwort:
Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.
(Johannes 8, 5)
Darauf hin machten sich die Herren aus dem Staub; die Frau verschwand jedoch nicht, obwohl sie die Gelegenheit gehabt hätte.
Jesus aber richtete sich auf und sprach zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat niemand dich verurteilt?
Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr.
(Johannes 8, 10-11)

Interessant scheint mir hier, dass von Sündenbekenntnis, Umkehr, Bekehrung nicht die Rede ist. An der Tatsache des Ehebruchs gab es wohl keinen Zweifel, aber Jesus hielt keine Bußpredigt und führte keinen Befreiungsdienst durch, nachdem ein »Übergabegebet« aufgesagt worden war. Sondern er sprach der Frau seine Vergebung zu und forderte sie auf, zukünftig nicht mehr zu sündigen.

Könnte es sein, dass wir viel zu oft viel zu viel von einem Menschen verlangen, bevor wir ihm Gottes Liebe und Vergebung versichern?
Jesus ist nicht gegen Ehebruch oder gegen Homosexualität oder gegen Moslems oder gegen sonst etwas gestorben, sondern für uns alle. Ein Problem mit solcher bedingungslosen Liebe und Annahme können doch eigentlich nur selbstgerechte Menschen haben. Die brauchen nämlich keine Erlösung.

Donnerstag, 19. August 2010

Danke, Leonard Cohen!

Leonard Cohen - Leonard CohenMit Superlativen gehe ich eher zurückhaltend um, doch in diesem Fall kann ich ohne Bedenken sagen, dass ich gestern eines der schönsten Konzerte meines Lebens zu besuchen die Freude hatte. Leonard Cohen war in Berlin und sein Auftritt in der Waldbühne war mehr als ein Konzert. In den Pressemeldungen liest sich das beispielsweise so:

Seine zum Teil 40 Jahre alten Hits wie Hallelujah, Partisan oder Sisters of Mercy sang Cohen mit einer Ergriffenheit, die weder aufgesetzt noch kitschig war. Man hatte das Gefühl, der junge Cohen hat diese Lieder für den alten Cohen geschrieben. (BZ)

Ein Abend mit Cohen ist ein Weihespiel. Es ist ein Eintauchen in seine Lieder, in die Verse und Melodien, die er seit 1968 veröffentlicht und die bei den meisten seiner Zuhörer längst zum Bestandteil der eigenen Biografie geworden sind. Man erinnert sich an die Umstände, als man vom Tod von Lady Di hörte, als man Neil Armstrong auf dem Mond sah - und als man das erste Mal Suzanne oder Bird on a Wire von Cohen lauschte. (Berliner Morgenbost)

Der Journalist hat recht – ich kann mich noch heute daran erinnern, wie ich im Zimmer meines Bruders saß und einer Schallplatte lauschte, die er eben gekauft hatte. Vor allem Teachers und One of us cannot be wrong nahmen mich neben So long, Marianne sofort gefangen, schon beim ersten Hören. Das war 1968 – ich war 13 Jahre alt. Seit damals hat mich Leonard Cohens Musik begleitet in guten wie in schlechten Zeiten.

Ich hatte gestern ein gutes Konzert erwartet, aber was uns in der Waldbühne erwartete, war – die Morgenpost hat mit »Weihespiel« nicht ganz unrecht – ein Erlebnis, das die Seele anrührt, den ganzen Menschen durchdringt. Freude schenkt. Frieden im Inneren herstellt. Tränen hervorbringt, die wohltuend sind. Man bemerkt auch auf den harten Bänken ohne Rückenlehne in der Waldbühne nicht, wie viel Zeit tatsächlich vergeht. Pünktlich um 18:30 kamen die Musiker auf die Bühne und erst um 22:10 Uhr war dann zu Ende, was mit dem Begriff Konzert nur unzureichend beschrieben werden kann. Die hervorragenden Musiker, die im Laufe des Abends auch selbst ersichtlich immer mehr begeistert waren, trugen erheblich zum Zauber bei.

Ich schwärme? Ja. Genau. Und ich bin sicher nicht der einzige Besucher, der diesen Abend nie vergessen wird.

Wer die Chance hat, ein Konzert mit Leonard Cohen zu besuchen, sollte nicht zögern. Es wird sich lohnen.

Montag, 16. August 2010

Sprachlos

Eine Leseprobe aus diesem BuchDie Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte. Satzfetzen, Bruchstücke von Gedanken, Handlungsfäden, die richtungslos waren, literarische Sackgassen von erstaunlich kurzen Dimensionen waren alles, was der Autor finden konnte. Er wollte schreiben, aber er wusste nicht worüber.

Dies war in der Vergangenheit keine Hürde gewesen, die er als unüberwindlich empfunden hätte. Oft entstanden seine Geschichten aus einem einzigen Satz - entwickelten sich beim Schreiben. So waren Erzählungen entstanden, deren Verlauf und Ende ihn selbst überrascht hatten, engen Freunden sagte er dann oft, die Geschichte hätte "sich selbst geschrieben". Anderen Texten waren Überlegungen und Planungen vorausgegangen. Das Beunruhigende war jetzt, dass er zum ersten Mal, seit er zurückdenken konnte, weder einen Anfang fand noch irgendeine Vorstellung hatte, worüber er schreiben wollte.

Er sann über gelesene erste Sätze nach. The man in black fled across the desert... - hervorragend, aber nicht geeignet, denn gedanklich konnte er nichts an diese oder eine andere Flucht anschließen. Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete, hatte an einem Frühlingsnachmittag...auch keine Hilfe, denn wenn man nichts zu schreiben weiß, hat man keinen Namen, der am Anfang des Manuskriptes stehen kann. Jeden Morgen, wenn er das Funkhaus betreten hatte, unterzog sich Murke einer existentiellen Turnübung: er sprang in den Paternosteraufzug...doch woher einen Schauplatz wie das Funkhaus nehmen? Fest gemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt... noch eine Sackgasse, aus der nur der Rückzug blieb.

Nichts wollte aus ihm heraus. Er war ein wortloser Autor. Er war ein sprachloser Schriftsteller. Der Begriff Schreibblockade tauchte mit zunehmender Häufigkeit in seinen Überlegungen auf. Er wies ihn zurück, verlachte ihn, zollte ihm keinerlei Respekt, doch ohne den gewünschten Erfolg. Aus Minuten wurden Viertelstunden, aus Viertelstunden ein schier endloser Vormittag. Schreibblockade. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.

Zum Trotz begann er, Sätze zu formen. Wie froh bin ich, dass ich hier bin! Schlimmster Feind, was ist das Herz des Menschen! Dich zu treffen, den ich so hasse... er hielt inne. Es war sinnlos, Goethe ins Gegenteil zu verkehren. Daraus würde nie eine Erzählung, die des Erzählens wert gewesen wäre. Schreibblocklade!

Die Frau im blauen Kleid floh über den Alexanderplatz und der Mechaniker folgte... mit Entsetzen betrachtete er dieses jämmerliche Plagiat und drückte erneut die Löschtaste. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.

Ich habe eine Schreibblockade. Er betrachtete den Satz und fand Gefallen an den vier Worten. Daher schreibe ich unter Nachkriegsbedingungen, leide Mangel an lebensnotwendiger Buchstabennahrung und unverzichtbarer Kapitelkleidung. Und doch werde ich überleben. Die Westmächte werden mir zu Hilfe eilen, mit Wortrosinenbombern und Satzüberlebensrationen.

Die Stirn gerunzelt las er die Zeilen, schüttelte den Kopf und schickte auch diesen Text ins unersättliche Datengrab. Die Westmächte nahmen ihn so wenig zur Kenntnis wie jene sprichwörtliche Muse, der er nie begegnet war, geschweige denn, dass er ihren Kuss auf den Lippen gespürt hätte. Oder küsste die Muse eher auf die Wange? Homer hatte eine Dreiheit von Musen gekannt, Hesiod sprach gar von neun verschiedenen Schutzgöttinnen der Künste. Mindestens drei von ihnen konnten einem Dichter zur notwendigen Inspiration verhelfen; vielleicht sollte er versuchen, Erato auf sich aufmerksam zu machen? Die Muse der Liebesdichtung ... Liebesdichtung? Erdichtete Liebe oder Dichtung über die Liebe? Und welche Liebe? Die verhinderte, die einseitige, die erfüllte, die schal gewordene, die unersättliche, die hoffnungsvolle? Wie wählte man die Liebe aus, die zu beschreiben sich lohnte?

Vielleicht konnte der weise König Salomo ihn inspirieren, ihm wenigstens einen Anfang, ein paar erste Sätze schenken? Er nahm die Bibel aus dem Regal und blätterte, bis er den gesuchten Text fand. Er küsse mich mit Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist köstlicher als Wein. An Duft gar köstlich sind deine Salben; ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Mädchen ... konnte er die Bibelsprache übersetzen in einen zeitgemäßen Text? Köstlicher als Wein - das war auch heute noch verständlich. Die Sache mit dem Salböl schien schon schwieriger, doch das ausgegossene Salböl mit einem Namen zu verbinden schien ihm bereits unmöglich. Und überhaupt: Wieso stand da "er küsse mich" und im nächsten Halbsatz "deine Liebe"? Er las weiter. Zieh mich dir nach, lass uns eilen! Der König möge mich in seine Gemächer führen! Wir wollen jubeln und uns freuen an dir, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein! Mit Recht liebt man dich ...

Erneut diese Verwirrung der Personen. "Der König" soll sie ziehen, aber "deine Liebe" ist des Rühmens wert. Er kapitulierte vor dem König Salomo und seiner Sulamith, vor dieser Liebe, die so geheimnisumwoben über acht Kapitel zu entbrennen schien und doch keine Erfüllung fand, denn schließlich bat die Liebende am Ende: Enteile, mein Geliebter, und tu es der Gazelle gleich oder dem jungen Hirsch auf den Balsambergen!

Er blickte auf die Uhr. Der viele Wein im Hohelied der Liebe brachte ihn auf den Gedanken, dass ein Glas Rotwein seine innere Verkrampfung lockern mochte. Es war 11 Uhr. Alkohol am Vormittag war ihm bisher fremd gewesen. So sollte es, befand er schließlich, auch bleiben.

Er stand auf und verließ sein Arbeitszimmer, stand dann unschlüssig im Flur. Die Küche lockte ihn nicht, er verspürte weder Hunger noch Durst. Im Wohnzimmer lud das Sofa zum entspannten Lesen ein, doch das hatte er schon in den letzten Wochen ausgiebig getan, ohne selbst eine einzige brauchbare Zeile zu schreiben. Musik hören - auch danach war ihm nicht zumute. Der Tag war nicht ungewöhnlich warm, doch fühlte er sich verschwitzt. Er ging schließlich ins Badezimmer und entledigte sich seiner Kleidung. Dann trat er unter die Dusche und überließ sich dem heißen Wasser, genoss das beinahe schmerzliche Brennen auf der Haut. Seinen verkrampften Schultermuskeln verschaffte die Hitze spürbare Erleichterung, tief atmete er die dampfgeschwängerte feuchte Luft. Er griff zum Duschgel und wusch gründlich seinen Körper, während seine Gedanken zurückeilten.

Vor nunmehr über zehn Jahren hatte seine Frau mit der Videokamera anlässlich einer Urlaubsreise das Ferienhaus aufgenommen und war just in dem Moment in das ländlich ausgestaltete Badezimmer gekommen, als er unter der Dusche stand. Sie hatte den Vorhang beiseite gezogen und ließ die Kamera langsam an seinem nassen Körper nach unten gleiten, hielt jedoch inne, bevor das Bild die Region erfassen konnte, die Dritten nicht zu zeigen war. Sie schwenkte die Kamera zurück zu seinem Gesicht und widmete sich dann weiteren Räumen ihres Domizils.

Er lächelte anlässlich der Erinnerung und schloss die Augen, um die Seife aus den Haaren zu spülen. Er verharrte noch einige Augenblicke mit geschlossenen Lidern im heißen Wasserstrahl, bevor er sich abtrocknete und das Fenster öffnete, damit die feuchte Luft entweichen konnte.

Vielleicht konnte er eine Kurzgeschichte über einen Mann in der Dusche schreiben? Eine Figur ersinnen, die wegen der Seife die Augen geschlossen hielt und nicht bemerkte, dass jemand das Badezimmer betreten hatte? Dies eröffnete zahlreiche Möglichkeiten. Von der schönen und liebeswilligen Unbekannten bis zum feindlichen Agenten, der einem Mordauftrag nachzukommen gedachte. Von der Dusche konnte die Erzählung in ein wahlweise modernes oder altertümlich eingerichtetes Schlafzimmer führen, oder nach blutigem Zweikampf die Flucht vor weiteren übel gesonnenen Zeitgenossen schildern. Natürlich konnte auch das Badezimmer der einzige Schauplatz bleiben, auf welchem sich Zärtlichkeit oder Brutalität ereignen würde.

Ohne sich anzukleiden ging er zurück zu seinem Arbeitsplatz und begann, zu schreiben: Der Mann stand mit zusammengekniffenen Augen unter der Dusche. Schaum glitt über seine Schultern am Körper hinab, das Rauschen des Wassers überlagerte das leise Knarzen der Klinke jenseits des Duschvorhangs. Behutsam wurde die Tür geöffnet und mit geräuschlosen Schritten trat eine Gestalt in den Raum. Als der Mann den Luftzug auf der nassen Haut verspürte, wischte er notdürftig den Schaum aus den Augen und blickte in ein fremdes Gesicht. Vor ihm stand

Weiter kam er nicht. Stand da eine Frau oder ein Mann? Jung oder alt? Bedrohlich oder anziehend? Schreibblockade! Du hast eine Schreibblockade.

Vor ihm stand eine junge Frau in einem leichten Sommerkleid, die mit verheißungsvollem Lächeln seine Blöße betrachtete.

Er löschte den Satz. Solch plumpe Formulierungen lagen ihm fern.

Vor ihm stand ein Herr mittleren Alters in einem tadellosen Abendanzug, der eine Pistole auf ihn gerichtet hielt.

Er tilgte auch diesen Satz und gab die Geschichte auf. Er war sprachlos. Wortlos. Satzlos. Inspirationslos. Musenlos.

Ein Spaziergang mochte Ablenkung bringen, so zog er sich schließlich wieder an und verließ ziellos das Haus. Aufmerksam musterte er die Menschen, die ihm begegneten, mochte doch aus einer zufälligen Begegnung eine Geschichte erwachsen, die zu erzählen lohnte. Ein Gesicht möglicherweise, dessen Ausdruck Rückschlüsse auf die erwartungsfrohe Stimmung zuließ, deren Grund Inhalt einer Geschichte sein konnte. Ein ungewöhnliches Bekleidungsstück, dessen Herkunft der Phantasie eine Erforschung gestattete. Ein Paar, dem die Liebe oder der Streit, deren Historie berichtenswert war, von weitem angesehen wurde. Eine einsame Person, deren Verlorenheit in der Welt er literarisch nachforschen konnte. Ein Kind, das Gedanken nachhing, die ungewöhnlich weit über sein Alter hinauswuchsen.

Er ging eine Stunde durch die Straßen, ohne dass auch nur die geringste Beobachtung ihn hätte interessieren oder gar inspirieren können.

Zurück am Schreibtisch öffnete er einige alte Dateien, überfolg sowohl gelungene als auch eher durchschnittliche Texte, die er geschrieben hatte. Doch auch das brachte ihn nicht weiter, führte nicht zu neuen Ideen oder alten Ideen, die er hätte frisch verpacken können. Im Grunde genommen gab es nicht viele Geschichten, es gab nur ein paar, die von vielen Autoren immer wieder in Variationen und mit unterschiedlichen Ausschmückungen erzählt wurden. Diese Handvoll Geschichten war nie langweilig geworden. Sicher gab es missglückte Ansätze und erbärmliche Versuche, peinliche Entgleisungen sowohl inhaltlicher als auch stilistischer Ausprägung. Daneben gab es aber die vielen hervorragenden Beispiele, wie man von der Liebe oder dem Kampf zwischen Gut und Böse berichten konnte, oder von Kombinationen dieser beiden Grundmuster. Eigentlich, überlegte er, gab es nur diese beiden Geschichten. Gut gegen Böse und die Liebe an und für sich - und das, was das Leben oder die Phantasie aus diesen Zutaten zu mischen vermochte.

Die Phantasie jedoch ließ ihn seit Wochen im Stich und das Leben mischte ebenfalls nichts, was er als Stoff für einen Text hätte erkennen können. Dabei warteten, das wusste er, zumindest seine treuen Leserinnen und Leser auf einen neuen Text. Er hatte in der Verlegenheit bereits ein Kapitel aus einem unvollendeten Buch als Auszug veröffentlicht, und dann noch ein Kapitel aus einem früheren Roman nachgeschoben, der inzwischen vergriffen war. Doch das waren Notlösungen, die ihn nicht zufrieden stellen konnten. Er wollte schreiben, aber er fand nur Dürre, wo sonst ein Brunnen der Inspiration gesprudelt hatte.

Er sah erneut auf die Uhr und befand, dass es nun angemessen spät war. Er schlenderte in die Küche, musterte das Weinregal und entkorkte schließlich eine Flasche französischen Rotwein, schenkte sich ein Glas ein und trank einen Schluck.

Dann ging er mit Glas und Flasche zurück zum Computer, öffnete entschlossen ein leeres Dokument und begann zu schreiben:

Die Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte...

 

Aus dem Buch Gänsehaut und Übelkeit

Sonntag, 15. August 2010

Wie bitte, Herr Petrus?

»Was steht da eigentlich?« fragte ein Teilnehmer ratlos, nachdem im Hausbibelkreis folgender Text vorgelesen worden war:

Da seine göttliche Kraft uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt hat durch die Erkenntnis dessen, der uns berufen hat durch seine eigene Herrlichkeit und Tugend, durch die er uns die kostbaren und größten Verheißungen geschenkt hat, damit ihr durch sie Teilhaber der göttlichen Natur werdet, die ihr dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist, entflohen seid: eben deshalb wendet aber auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe!
Denn wenn diese Dinge bei euch vorhanden sind und zunehmen, lassen sie euch im Hinblick auf die Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus nicht träge und nicht fruchtleer sein. Denn bei wem diese Dinge nicht vorhanden sind, der ist blind, kurzsichtig und hat die Reinigung von seinen früheren Sünden vergessen.
Darum, Brüder, befleißigt euch um so mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen! Denn wenn ihr diese Dinge tut, werdet ihr niemals straucheln. Denn so wird euch reichlich gewährt werden der Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus.
(1. Petrus 1, 3-11; Revidierte Elberfelder Übersetzung)

»Was steht da eigentlich?« Eine sehr gute, eine richtige Frage. Es wird wohl kaum jemanden geben, der sie klar und knapp auf Anhieb beantworten kann. In unserer Runde jedenfalls war niemand zugegen, dem das gelungen wäre.

962108_gospel_reading.jpgDie Hauskreisleiterin hatte uns an diesem Abend eine Aufgabe gestellt: »Findet jeweils zu zweit mindestens zwei Fragen zu diesem Text.«

Wenn jedoch der gesamte Text unverständlich scheint, wie soll man dann Fragen aus ihm entwickeln? Die Ratlosigkeit hatte in unserem Hausbibelkreis Platz genommen.

»Was heißt hier allen Fleiß aufwenden?«, fragte jemand. »Wieso fleißig, worin fleißig – verstehe ich irgendwie nicht.«

Da hatten wir den Salat, der so oft serviert wird: Man nehme einen Ausschnitt aus der Bibel und versuche, ihn zu verstehen. Genau das geht häufig nicht.

Der Brief, dem diese Verse entstammen, wurde von Petrus als Brief geschrieben. Nicht als Reihe von kleinen Lehreinheiten in überschaubaren Abschnitten, sondern als ein Brief.

Man liest normalerweise Briefe vom Anfang bis zum Ende, anstatt sich einige Zeilen herauszusuchen – zumindest ich halte es so. Als die beste aller Ehefrauen und ich uns kennen und lieben lernten, schrieben wir uns lange, sehr lange Briefe. Acht Seiten waren keine Seltenheit. Ich wäre nie und nimmer auf die Idee gekommen, von Seite 3 den untersten Absatz zu lesen, in der Hoffnung, dass ich verstehen würde, was meine zukünftige Frau mir in diesem Brief mitteilen wollte.

Die Antwort, was Petrus mit dem zitierten Auszug aus seinem Schreiben ausdrücken wollte, inwiefern er es für notwendig hielt, dass die Empfänger »allen Fleiß aufwenden« sollten, erschließt sich – auch in der Elberfelder Übersetzung – recht leicht, wenn man den Brief als Brief behandelt – indem man ihn komplett liest.

Der Anlass des Schreibens wird zum Beispiel aus diesen Sätzen verständlich:

Ich halte es aber für recht, solange ich in diesem Zelt bin, euch durch Erinnerung aufzuwecken, da ich weiß, dass das Ablegen meines Zeltes bald geschieht, wie auch unser Herr Jesus Christus mir kundgetan hat. Ich werde aber darauf bedacht sein, dass ihr auch nach meinem Abschied jederzeit imstande seid, euch diese Dinge ins Gedächtnis zu rufen.
(2. Petrus 1, 13-15)

Das kann man verstehen. Petrus wusste, dass er bald sterben würde, und er wollte mit diesem Brief die Gläubigen an das erinnern, was sie von ihm und den anderen Aposteln über das Leben als Christen gelernt hatten. Der Anlass eines Briefes ist ja nicht unerheblich, wenn man den Inhalt verstehen möchte. Interessant ist natürlich auch die Frage, an wen Petrus eigentlich schrieb.

Diesen zweiten Brief, Geliebte, schreibe ich euch bereits, in welchen beiden ich durch Erinnerung eure lautere Gesinnung aufwecke…
(2. Petrus 3, 1)

Aha. Da gibt es also einen ersten Brief, wenn dies der zweite ist. Also blättern wir in der Bibel zurück und erfahren etwas genauer, wer die Empfänger waren und in welcher Lage sie sich befanden. Petrus schrieb nämlich, wie er im ersten Satz des ersten Briefes deutlich machte, an ganz bestimmte Menschen:

Petrus, Apostel Jesu Christi, den Fremdlingen von der Zerstreuung von Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien, die auserwählt sind nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, in der Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi: Gnade und Friede werde euch immer reichlicher zuteil!
(1. Petrus 1, 1-2)

Da kann man schon konkreter forschen: Wer sind denn diese »Fremdlinge von der Zerstreuung?« Es sind diejenigen Juden, die aufgrund der Verfolgung in ihrer Heimat in fremde Länder geflohen waren. Asylanten, gläubige Judenchristen im Exil. Menschen, die sich zu Christus bekehrt hatten, worauf hin sie Hab und Gut verloren, aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nun in Städten und Gegenden wohnten, die »heidnisch« waren.

Die Umgebung färbt leicht auf den Menschen ab. Ein Mensch, der fliehen musste, der erlebt hat, dass sein Glaube an den Erretter Jesus Christus zur Vertreibung aus der Heimat geführt hat, mag darüber hinaus den einen oder anderen Gedanken bewegen, ob denn die Entscheidung wirklich richtig war. Vielleicht hatte er sich vorgestellt, dass nun sein Leben leichter, erfüllter, schöner werden würde? Hatte nicht Jesus all die Grausamkeiten durchlitten und war auferstanden, damit sein Sieg das Christenleben zu einem glorreichen Siegeszug über Umstände und Feinde machen würde?

An Menschen in solcher Lage schrieb Petrus. An Menschen, deren Zweifel und deren Angst verständlich waren. Ihnen legte Petrus ans Herz, »allen Fleiß aufzuwenden«, auch wenn und obwohl er selbst demnächst sterben würde.

Dieser Hintergrund macht schon etwas klarer, was in den eingangs zitierten Sätzen eigentlich steht. Zugegeben, die Elberfelder Übersetzung ist nicht jedermanns Sache. Dazu kommt, dass Petrus dazu tendierte, so kompliziert wie möglich zu schreiben. Vielleicht wollte er es dem Paulus gleichtun? Schrieb er doch am Ende dieses Briefes:

…wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen Briefen, wenn er in ihnen von diesen Dingen redet. In diesen Briefen ist einiges schwer zu verstehen…
(2. Petrus 3, 15-16)

Mit Verlaub, lieber Bruder Petrus, auch in deinen Briefen ist einiges schwer zu verstehen. Doch zurück zum Ausgangstext. Mir hilft es beim Verständnis, solche Bandwurmsätze in kleinere, überschaubare Formulierungen umzustellen. Den ersten Abschnitt könnte man beispielsweise so zerstückeln:

  • Seine göttliche Kraft hat uns alles zum Leben und zur Gottseligkeit geschenkt.
  • Und zwar durch die Erkenntnis dessen (Jesus Christus), der uns berufen hat, durch seine eigene Herrlichkeit und Tugend.
  • Dadurch hat er uns die kostbaren und größten Verheißungen geschenkt, damit wir durch sie Teilhaber der göttlichen Natur werden.
  • Wir sind dem Verderben, das durch die Begierde in der Welt ist, entflohen.
  • Petrus fordert uns auf: Eben deshalb wendet aber auch allen Fleiß auf und reicht in eurem Glauben die Tugend dar, in der Tugend aber die Erkenntnis, in der Erkenntnis aber die Enthaltsamkeit, in der Enthaltsamkeit aber das Ausharren, in dem Ausharren aber die Gottseligkeit, in der Gottseligkeit aber die Bruderliebe, in der Bruderliebe aber die Liebe!

Das Darreichen – nun ja, man kann es verstehen, oder? Es heißt, dass die Gläubigen, die dem Verderben entflohen sind, sich nun nicht gehen lassen sollen, sondern dass es einer gewissen Anstrengung bedarf, treu zu bleiben. Vor allem angesichts der(oben beschriebenen) Lage, in der sie sich befanden.

Das führt zu Tugend (Tüchtigkeit, Fähigkeit), diese Tüchtigkeit führt dazu, dass die Erkenntnis wächst. Wer mehr Erkenntnis hat, kann den Verführungen besser widerstehen, ist also fähig zur Enthaltsamkeit, was Sünde betrifft. Das ist kein einmaliger Schritt, sondern Ausharren ist notwendig, um Gottseligkeit (Gottesfurcht) aufrecht zu erhalten. Wer das schafft, ist fähig, die Brüder (Mitchristen) wirklich zu lieben und wird schließlich in der Lage sein, auch die Nichtchristen zu lieben – das ist dann die Liebe, die das Ziel ist.

»Was heißt hier allen Fleiß aufwenden?«, war die Frage eines Hausbibelkreisbesuchers gewesen. Die Antwort fällt nun leicht. Ein Blick auf den Zusammenhang, in dem der Autor die Sätze geschrieben hat, die Bandwurmsätze etwas zerstückelt, und alles wird – auch im Elberfelder-Deutsch – begreifbar.

Dies mag genügen, um zu verdeutlichen, was ich nicht müde werde zu schreiben und zu sagen: Ein Häppchen hier und ein Bissen dort aus der Bibel sind keine solide Ernährung und oft genug Ursache für irrwitzige Lehren und Ideen. Wir müssen, wenn wir unseren Glauben stärken und vorankommen wollen, auch biblische Bücher so lesen, wie sie geschrieben wurden. Natürlich kann man aus einzelnen Abschnitten eine Menge lernen und erkennen, aber das sehe ich als Ergänzung, als Intensivierung, nicht als Grundlage. Es gab in den Briefen meiner damals noch zukünftigen Ehefrau Abschnitte, die ich immer wieder las, aber nie und nimmer hätte ich mich auf einzelne Abschnitte beschränken wollen. Wir lernten einander auch durch die Briefe kennen, wollten einander verstehen und begreifen – und nicht nur zur Kenntnis nehmen. Jedoch wären die Briefe nicht für ein richtiges Kennenlernen ausreichend gewesen.

Wenn ich Gott kennen lernen will, wenn ich mehr über Jesus, den Heiligen Geist, den Vater erfahren möchte, dann muss ich, um noch einmal Petrus zu zitieren, »allen Fleiß aufwenden«. Das geht nicht mit drei Minuten Tageslosung und ein oder zwei Versen vor dem Einschlafen. Das ist eher eine Lebensaufgabe und es erschöpft sich nicht im Lesen.

Die von mir favorisierte Elberfelder Übersetzung ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Das macht ja nichts, es gibt zahlreiche andere Übersetzungen. Aber lesen muss schon jeder selbst…

Donnerstag, 12. August 2010

Im Urwald

Heute haben wir einen Urwald besucht, in dem buchstäblich noch Natur pur zu finden ist. Das Warnschild am Eingang ist durchaus ernst gemeint.
Hier greift der Mensch nicht ein. Bäume werden alt, fallen und bleiben liegen. Neues Leben entsteht auf den gestürzten Riesen. Unter ihnen. Um sie herum.

Das Gebiet, in dem die Natur von Menschenhand unberührt tun und lassen kann, was sie will, ist nur 48 Hektar groß, aber die Einblicke in den böhmischen Wald in seiner wilden Form sind mitreißend.
Wenn ein Mensch unter einem solchen nach hunderten Jahren gefallenen Riesen steht, begreift er sich auf einmal in einer etwas weniger gewaltigen Größe.
Ist ja auch mal ganz gut. Na denn. Schöne Grüße aus dem Böhmerwald.

Dienstag, 10. August 2010

Prost.

Unsere gestrige Mittagsmahlzeit - ein Getränk für die Dame, eins für den Herrn.

Montag, 9. August 2010

Denker

Der sitzt in Budweis auf dem großen Stadtplatz und denkt nach. Der auch:


Worüber, weiß man nicht.

Freitag, 6. August 2010

Der Unfall

In zahlreichen Kurzgeschichten und Erzählungen habe ich, das liegt in der Natur eines Autoren, auch Unfälle geschildert. Doch wenn es wirklich passiert, das Undenkbare, der Unfall mit Personenschaden, dann ist auf einmal alles anders als in einer Erzählung. Und vor allem wird es wohl ziemlich lange dauern, bis das Erlebte soweit verarbeitet ist, dass nicht diese Bilder auftauchen, wenn ich die Augen schließe…

Wir fuhren auf dem Waidmannsluster Damm in relativ dichtem Verkehr, gegen 16:30 Uhr näherten wir uns unserem Ziel, der Wohnung meines Sohnes. Dorthin waren wir eingeladen, meinen Enkel Nummer 3 erstmals zu sehen. Ich war weder abgelenkt vom Verkehrsgeschehen, noch müde, hatte keinen Alkohol genossen, fuhr mit Tempo 45 bis 48, auf jeden Fall unter der (erlaubten) 50.

In einer Erzählung liest man gelegentlich »aus heiterem Himmel«, »plötzlich« oder »unverhofft«. Einen besseren Ausdruck finde ich auch für das tatsächliche Geschehen nicht. Die Ampelanlage zeigt Grün. Plötzlich rennt ein junger Mann auf die Fahrbahn, ohne auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, drei oder vier Meter vor meinem Auto. Die Vollbremsung ist ein reiner Reflex, keine Überlegung. In solchen Momenten werden Sekundenbruchteile tatsächlich zu Ewigkeiten: Ich sehe ihn auf die Fahrbahn rennen, der Fuß tritt das Bremspedal durch, das Auto wird langsamer, aber es ist schon klar, dass es nicht reichen wird. Dann der Aufprall des Körpers, das Wegschleudern, der junge Mann fliegt mehrere Meter durch die Luft vor einen entgegenkommenden BMW. Der Fahrer des BMW versucht nach rechts auszuweichen mit Vollbremsung. Der junge Mann liegt neben dem BMW. Mein Auto steht. Handbremse, Motor aus, Warnblinker – ohne Überlegung, auch Reflex.

Aussteigen. Zum Verletzten gehen. Andere Menschen sind schon bei ihm. Blut auf dem Asphalt. Der junge Mann ansprechbar, aber offensichtlich nicht ganz bei sich. Eine Dame gibt sich als Notfallmedizinerin zu erkennen und kümmert sich um den Mann. Ich weiß, dass ich mein Telefon mitgenommen habe, greife vergeblich in sämtliche Hosentaschen. Erst eine halbe Stunde später werde ich das Telefon in der Hemdtasche bemerken. Andere Menschen telefonieren bereits mit Feuerwehr und Polizei. Ich hocke neben dem Verletzten, sage »Der Notarzt ist unterwegs, bleiben Sie möglichst ruhig liegen.« Die Notfallmedizinerin bringt irgendwoher ein Handtuch, das sie unter seinen Kopf legt. Sirenen. Der Notarztwagen ist da. Platz machen für Sanitäter und Arzt…

Wie viel Zeit ist vergangen? Es scheint eine Ewigkeit zu sein, obwohl es nur etwa sieben oder acht Minuten waren. Ein zweiter Notarztwagen kommt an. Ein Sanitäter fragt mich, ob ich Hilfe brauche. Nein, ich glaube, nicht. Das erste Polizeifahrzeug ist in Sicht. Dann sind es vier, dann acht Polizeifahrzeuge. Eine Polizistin fragt mich, wie es mir geht. Ich weiß es nicht. Aber ich bin nicht verletzt. Alles wird weiträumig abgesperrt, der Verkehr umgeleitet. Dreißig Minuten nach dem Unfall ist es ruhig an der Kreuzung. Ringsherum soll, entnehme ich dem Funkverkehr der Polizei, ein Verkehrschaos herrschen, da die engen Seitenstraßen nicht für den Feierabend-Durchfahrtsverkehr geeignet sind. Aber nichts wird mehr durchgelassen, außer die Busse der BVG.

Zwei Stunden später ist dann alles aufgezeichnet, fotografiert, protokolliert. Vom Zustand des jungen Mannes ist nichts bekannt. Den Schaden an unserem Fahrzeug schätzt ein Polizist vom Verkehrsunfallkommando auf 3000 Euro. Ich betrachte die eingedrückte und verschobene Motorhaube, den eingedrückten Kühlergrill, frage mich, was wohl mit einem menschlichen Körper geschieht, wenn der Aufprall solche Schäden im Blech und Chrom hinterlässt.

Ich setzte schließlich die Fahrt fort. Ob ich fahren könne, fragen mehrere Polizisten und meine Frau. Ich weiß es nicht, aber ich will es probieren. Wenn man vom Pferd fällt, soll man wieder aufsteigen und weiter reiten…

Später zu Hause sind die Bilder immer noch da. Plötzlich ein rennender Mensch auf der Fahrbahn. Der Bremsweg wird nicht reichen. Es wird zum Aufprall kommen. Wie in Zeitlupe kommt das Unausweichliche näher.

Und die sinnlosen Gedanken: Wenn wir eine Minute früher oder eine Minute später losgefahren wären… Wenn wir am Freitag statt am Donnerstag den Besuch geplant hätten… Wenn… Wenn…

Um 21:30 Uhr ruft der Polizeioberkommissar an, der mich am Unfallort vernommen hat. Der Patient würde zur Beobachtung über Nacht im Krankenhaus bleiben, habe aber keine schweren Verletzungen, keine Brüche, keine inneren Organe beschädigt. »Der muss wohl einen Schutzengel gehabt haben«, meint der Polizist am Telefon. »Ich wollte Ihnen das nur mitteilen, damit Sie am Samstag etwas unbeschwerter in den Urlaub fahren können.«

Aufatmen. Gott sei Dank. Warum angesichts der Schäden am Fahrzeug ein menschlicher Körper ohne wirkliche Schäden aus dem Zusammenprall herausgekommen ist, bleibt mir ein Rätsel. Der Polizist hatte wohl recht mit dem Schutzengel.

Nachts wachte ich mehrmals auf, weil ich einen jungen Mann auf die Fahrbahn rennen sah. Nein – jetzt ist es nur ein Traum. Und er ist nicht schwer verletzt. Ich kann wieder einschlafen. Für eine Weile.

Es ist alles ganz anders als in einer Erzählung. Völlig anders.

Spiegel, Ei und Pommes

Spiegel Ei und Pommes

Der Preis war zwar günstig auf der Tageskarte unseres italienischen Lieblingsrestaurants, aber ich hatte dann doch Bedenken: Wie isst man einen Spiegel? Ist er klein genug, um ihn unzerteilt zu schlucken? Oder muss man ihn in mundgerechte Stücke zerlegen? Und sind die Scherben dann womöglich schädlich für den Verdauungstrakt?

Donnerstag, 5. August 2010

Gastbeitrag Bob Dylan: The fifth daughter

am I the seventh son or the first father? Now the fifth daughter on the twelfth night
Told the first father that things weren’t right
My complexion she said is much too white
He said come here and step into the light
He says hmm you’re right
Let me tell the second mother this has been done
But the second mother was with the seventh son
And they were both out on Highway 61

 

P.S.: [Quelle]

P.P.S.: [Video]

Mittwoch, 4. August 2010

Regentag sorgt für aufgeräumte Regale

Wenn es im Urlaub so richtig regnet, kann man ja mal eine lange aufgeschobene häusliche Unternehmung in Angriff nehmen, dachte ich gestern. Mehr als zwei Stunden wird so was ja kaum dauern.
Die Ausgangslage waren recht schief stehende CD-Regale. In selbigen herrschte ein manchmal etwas eigenwilliges Alphabet.
Also holte ich die erste Hälfte CDs auf den Tisch:
Dann wurden die beiden Regale links miteinander verschraubt, ausgerichtet, unterfüttert und das alphabetische Einsortieren nahm seinen Lauf.
Nach mehr als zweieinhalb Stunden war dann die linke Hälfte geschafft. Mein ursprünglicher Zeitplan hatte sich als Illusion entpuppt.
Doch da das Wetter nach wie vor hundsmiserabel war, packte ich nun die zweite Hälfte aus den rechten Regalen auf den Tisch:
Wieder Regale verschrauben, ausrichten, unterfüttern… und wieder sortieren, einordnen.
Und nach fünfeinhalb Stunden war es dann tatsächlich geschafft. Alles wieder am Platz, und zwar in ordentlich geraden Regalen.
So. Nun kann der Regen verschwinden und die Sonne wieder scheinen.

Dienstag, 3. August 2010

Elfriede Jelinek: Lust

Diese Landschaft ist recht groß, das muß gesagt werden, eine lockere Fessel um unser Schicksal, das im Nebel liegt.

Mit solchen Sätzen könnte man sich ja noch anfreunden. Doch wenn es dann über zwei Burschen auf Mopeds heißt…

Es stürzen sie und fallen.

…dann runzelt man die Stirn. Mindestens.

Dieses Buch hat keine Handlung. Es hat keinen Stil und kein Niveau. Womöglich hat sich Frau Jelinek etwas dabei gedacht, mehr als 200 Seiten grauenhaft verschwurbelte Sätze und Satzbrocken zu Papier zu bringen, womöglich wollte sie provozieren. Womöglich wollte sie ein feministisches Denkmal setzen, womöglich gar in der Gesellschaft etwas in Bewegung bringen.

Foto: WikipediaDoch das ist dadurch, dass dieses Werk, das vermutlich bewusst nicht die Bezeichnung »Roman« auf dem Titel trägt, unlesbar ist, gründlich misslungen. Wer etwas bewirken und bewegen will, muss sich schon einer Sprache bedienen, die der Leser auch mehr als 50 Seiten lang erträgt.

Der Vater wirft sich auf die Sparbüchse der Mutter, wo ihre Heimlichkeiten sich aufhalten, um vor ihm verborgen gehalten zu werden. Von einer Stunde zur andren, ob gewichtige Nacht oder wichtiger Tag, er ist der einzige Einzahler, er gerät außer sich. Sein Geschlecht ist ihm schon fast zu schwer zum Heben.

Diese Sätze sollen den Geschlechtsverkehr illustrieren, oder auch solche:

Er stopft sein Geschlecht in die Frau. Die Musik schreit, die Körper schreiten voran. … Die Waffe trägt er unter dem Gürtel. Jetzt ist er wie ein Schuß herausgeknallt. … Der Mann hat sich heiter ergossen und geht, während Schlamm aus seinem Mund und seinem Genital austritt, sich vom Genuß seines Tagesgebäcks säubern.

»Lust«, 1989 erschienen, habe ich auf einem Flohmarkt für 50 Cent als Taschenbuch gekauft, da ich noch kein Werk von Jelinek gelesen hatte. Ich hätte die 50 Cent besser einem Obdachlosen gespendet oder in den Opferstock einer katholischen Kirche eingeworfen, um guten Gewissens eine Kerze entzünden zu können, obwohl ich nicht katholisch bin.

Keine Handlung. Keine Sprache. Nur eine wüste Abfolge von abstrusen Sätzen, verunglückten Metaphern und aufgebauschten Nichtigkeiten. Ich habe 50 Seiten durchgehalten, weiter werde ich nicht lesen. Es wird mir wohl nichts entgehen, wenn ich das Buch nun größtenteils ungelesen weglege. Und Lust auf andere Werke von Frau Jelinek kann nach diesen 50 Seiten nicht entstehen.

Mein Fazit: Selbst wenn es für 50 Cent auf dem Flohmarkt zu finden ist: Finger weg von diesem unlesbaren, überflüssigen und grauenhaften Buch.

Montag, 2. August 2010

Wird Berlin 2011 grün?

Wenn sie den Regierenden Bürgermeister direkt wählen könnten, würden sich 40 Prozent für Künast entscheiden, 37 Prozent für Klaus Wowereit. 18 Prozent sind unentschlossen. Für Künast weist die Umfrage hohe Zustimmung in anderen politischen Lagern aus. So sagten 62 Prozent der befragten SPD-Anhänger, es sei gut, wenn Künast Regierende Bürgermeisterin würde. (Berliner Morgenpost)

Die Bürger hätten ja kürzlich einen anderen Bundespräsidenten gewählt, durften aber nicht. Auch bei den Berliner Wahlen im Herbst 2011 wird nicht über einen Direktkandidaten abgestimmt, sondern über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses. Die dorthin gewählten Damen und Herren werden dann eine Bürgermeisterin oder einen Bürgermeister wählen, eine/n Regierenden sogar. (Gibt es eigentlich in anderen Bundesländern und Städten Nichtregierende Bürgermeister?)

Foto: Bündnis 90 / Die GrünenIch gehöre nicht zum politischen Lager von Frau Künast, könnte mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch vorstellen, dass mein Kreuz auf dem Wahlschein zum Grün tendieren wird, falls die Wahl dann zwischen Wowereit und Künast entscheiden soll. Für die beiden kleinen demokratischen Parteien (CDU 17 Prozent, FDP 4 Prozent) zu stimmen, kommt ja schon fast der Abgabe einer Papierkorbstimme gleich.

Frau Künast haben wir mal vor einer Weile beim Einkaufen getroffen, mit zwei politisch korrekten Jutetaschen kam sie uns entgegen. Sie hat sogar gelächelt. Dem Vernehmen nach soll sie gar nicht so verbissen sein, wie sie im Fernsehen häufig wirkt, sondern Humor, Aufrichtigkeit und Offenheit besitzen.

Herrn Wowereit haben wir beim Einkaufen noch nicht getroffen, muss auch nicht sein.

Na ja. Es wird (voraussichtlich) noch ein Jahr dauern, bis der Wahltermin heranrückt. Aber man kann ja als Berliner schon mal überlegen…

Sonntag, 1. August 2010

Mir henn a neies Lamm

Mein Schulkamerad Robin wohnte auf einem Dorf vor den Toren der Stadt Memmingen. Wenige Wochen erst war ich, ein Berliner Junge, in der Kleinstadt im Allgäu zu Hause. Ich lernte die ungewohnte Sprache zu verstehen, in der sich Kinder und Erwachsene unterhielten.

»Mogst a Gschöpftes?«, hatte mich die Bäckerin gefragt, als ich ein Brot kaufen wollte. Ich nickte tapfer, ohne zu wissen, was sie mich gefragt hatte.

»So a Simple, so a damischer! Saubua!«, rief mir eine Dame hinterher, als ich wie aus Berlin gewohnt mit dem Fahrrad zügig auf dem Gehweg unterwegs war. Ich lächelte sie an – vom Ton etwas irritiert, aber sie mochte ja durchaus etwas Nettes gesagt haben.

dös is aa a neies Lamm»Mir henn a neies Lamm, mogst des ohschaun?«, hatte mich Robin nach der Schule eingeladen. Ich verstand wieder nur Bahnhof, aber ich schloss mich ihm an, denn er wurde gerade mein Freund. Als er fortfuhr, es gebe zum Mittagessen »Kässpatzen«, wurde mir mulmig. Ich stellte mir Sperlinge vor, irgendwie mit Käse zubereitet. Die Spatzen erwiesen sich zu meiner großen Erleichterung als Teigwaren, und das Lamm eroberte mein Herz in Sekunden.

Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein,

sagte Albert Einstein. Was aber braucht man, um ein tadelloser Hirte zu sein? Man könnte ja mal denjenigen betrachten, der von sich selbst sagte:

Ich bin der gute Hirte…

Und schon bei der Fortsetzung des Satzes wird manchem bewusst, dass der Anspruch an einen guten Hirten recht hoch ausfallen kann:

…der sein Leben lässt für die Schafe.

Was war diesem Satz (Johannes 10, 11) vorausgegangen? Jesus hatte einen Menschen geheilt, der von Geburt an blind gewesen war. Das erregte erhebliches Aufsehen in der Gegend. Die Berufshirten der örtlichen Gemeinde befragten den Geheilten und seine Eltern, wollten unbedingt einen Grund finden, diese Heilung, die nicht zu leugnen war, einem »Geist von unten« zuzuordnen. Sie erläuterten dem Geheilten, dass Jesus nachweislich ein Sünder sei. Der Mann antwortete:

Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht; eins weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe.

Schließlich warfen die Hirten den Mann aus der Herde – der einfachste Ausweg. Das Problem war nicht gelöst, aber aus dem Blickfeld. Nach diesen Ereignissen spricht Jesus mit seinen Zuhörern, unter denen auch einige der Berufshirten sind, darüber, was einen guten Hirten von jemandem unterscheidet, der lediglich einen Beruf ausübt, ein Amt, eine Funktion.

Wer Mietling (ein gegen Lohn angestellter Hirte) und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht – und der Wolf raubt und zerstreut sie – weil er ein Mietling ist und sich um die Schafe nicht kümmert. (Johannes 10, 12-13)

Pfarrer, Pastor, Priester – wie immer die Bezeichnung für dieses Amt auch in der jeweiligen Konfession lauten mag, die Aufgabe ist die gleiche: Der Hirte sorgt dafür, dass die Schafe Wasser und Nahrung haben, ist in der Lage, ein verletztes Schaf zu versorgen, und wenn Gefahr droht, ist es der Hirte, der sie abwendet, nicht etwa die Herde. Der Hirte weiß, dass Lämmer Milch brauchen und erwachsene Schafe feste Nahrung. Der Hirte kennt die Schafe so gut, dass er es bemerkt, wenn ein Schaf leidet, wenn ein Schaf fehlt. Er bemerkt es nicht nur, sondern er reagiert und ruht nicht, bevor er Abhilfe geschaffen hat. Die Schafe wiederum kennen den Hirten und folgen ihm, weil Vertrauen gewachsen ist.

Weil jemand ein überzeugender Redner ist, ist er nicht automatisch ein guter Hirte. Auch die Tatsache, dass jemand ein ausgezeichneter Bibellehrer ist, macht ihn nicht zum Hirten. Bibelwissen und Eloquenz, gepaart mit langjähriger Erfahrung und einem tiefen eigenen Glauben und persönlich erlebtem Wirken Gottes reichen immer noch nicht aus. Ein Evangelist mag Tausende Menschen in das Reich Gottes bringen – er muss nicht automatisch pastorale Fähigkeiten und Eigenschaften haben. Das macht gar nichts, denn es werden ja nicht nur die Hirten benötigt, sondern auch die anderen Aufgaben müssen erfüllt werden. Aber ist man ein »Pastor«, nur weil man sich mit dem Titel schmückt?

Andererseits gibt es Männer und Frauen, die echte Hirten sind, ohne dass sie den Titel Pastor, Pfarrer oder Priester tragen. Sie hüten und behüten, sorgen und versorgen, leiden und leiten. Sie schauen den einen guten Hirten an und tun, was er getan hat. Ob nun für eine Handvoll Schafe, oder für ein einzelnes, oder für eine große Herde.

Robins »neies Lamm« folgte mir nach einigen Wochen überall hin, vertraute mir, kannte meine Stimme und hörte auf sie. Ich war kein guter Hirte, sondern ein Freund des Sohnes der Familie, ich hätte weder mein Leben für dieses noch sonst ein Schaf gelassen. Dennoch hat mir das Erlebnis in jungen Jahren geholfen, manche biblischen Passagen, in denen von Schafen und Hirten die Rede ist, besser zu verstehen. Und genauer hinzuschauen, ob jemand Hirte nur als Beruf oder auch aus Berufung ist.

Als ich einige Jahre später als »verlorenes Schaf« in Kriminalität und Drogen verstrickt durch Europa reiste, gab es einen Pastor, einen Hirten, der maßgeblich daran beteiligt war, dass ich heute noch lebe: Mein Großvater, Pastor von Beruf – und von Berufung, zweifellos.

 

P.S.: Wer sich dafür interessiert, wie ich damals am Abgrund gelandet bin und wie mein Großvater zum Lebensretter wurde, kann hier nachlesen: Es gibt kein Unmöglich!: Roman