Dienstag, 30. November 2010

Georg Friedrich Haendel at the Mall

Well, of course this is not really a flash mob, else there wouldn’t be several cameras, exquisite sound & light equipment and even a playback to sing along to. These singers know each other, they are a choir and they have been booked for this. But it’s still a nice marketing idea by AlphabetPhotography.

Natürlich ist das kein echter Flash Mob, sonst wären da nicht so viele Kameras gewesen, es gäbe nicht diesen perfekten Sound, hervorragende Ausleuchtung und das passende Playback zum Mitsingen – und vor allem kennen sich die Sänger und haben zusammen geübt. Sie sind eben ein bestellter Chor, kein Flash Mob. Aber es ist trotzdem eine nette Werbeidee der Firma AlphabetPhotogragy.

Samstag, 27. November 2010

Have you read these books?

Have you read these books?  The BBC believes that people will have read only 6 of the 100 books listed here.

Instructions: Copy this into your notepad or other editor. Bold those books you’ve read in their entirety. Italicize the ones you started but didn’t finish or read only an excerpt.

Here are my results:

  1. Pride and Prejudice – Jane Austen
  2. The Lord of the Rings - JRR Tolkien
  3. Jane Eyre – Charlotte Bronte
  4. Harry Potter series – JK Rowling
  5. To Kill a Mockingbird - Harper Lee
  6. The Bible
  7. Wuthering Heights – Emily Bronte
  8. Nineteen Eighty Four - George Orwell
  9. His Dark Materials – Philip Pullman
  10. Great Expectations - Charles Dickens
  11. Little Women – Louisa M Alcott
  12. Tess of the D’Urbervilles - Thomas Hardy
  13. Catch 22 - Joseph Heller
  14. Complete Works of Shakespeare
  15. Rebecca – Daphne Du Maurier
  16. The Hobbit - JRR Tolkien
  17. Birdsong – Sebastian Faulk
  18. Catcher in the Rye - JD Salinger
  19. The Time Traveller’s Wife – Audrey Niffenegger
  20. Middlemarch – George Eliot
  21. Gone With The Wind – Margaret Mitchell
  22. The Great Gatsby - F Scott Fitzgerald
  23. Bleak House – Charles Dickens
  24. War and Peace – Leo Tolstoy
  25. The Hitch Hiker’s Guide to the Galaxy - Douglas Adams
  26. Brideshead Revisited – Evelyn Waugh
  27. Crime and Punishment – Fyodor Dostoyevsky
  28. Grapes of Wrath – John Steinbeck
  29. Alice in Wonderland - Lewis Carroll
  30. The Wind in the Willows – Kenneth Grahame
  31. Anna Karenina – Leo Tolstoy
  32. David Copperfield - Charles Dickens
  33. Chronicles of Narnia – CS Lewis
  34. Emma – Jane Austen
  35. Persuasion – Jane Austen
  36. The Lion, The Witch and The Wardrobe - CS Lewis
  37. The Kite Runner – Khaled Hosseini
  38. Captain Corelli’s Mandolin – Louis De Bernieres
  39. Memoirs of a Geisha - Arthur Golden
  40. Winnie the Pooh - AA Milne
  41. Animal Farm - George Orwell
  42. The Da Vinci Code – Dan Brown
  43. One Hundred Years of Solitude - Gabriel Garcia Marquez
  44. A Prayer for Owen Meaney – John Irving
  45. The Woman in White – Wilkie Collins
  46. Anne of Green Gables – LM Montgomery
  47. Far From The Madding Crowd – Thomas Hardy
  48. The Handmaid’s Tale - Margaret Atwood
  49. Lord of the Flies original cover (1954)Lord of the Flies - William Golding
  50. Atonement – Ian McEwan
  51. Life of Pi - Yann Martel
  52. Dune - Frank Herbert
  53. Cold Comfort Farm – Stella Gibbons
  54. Sense and Sensibility – Jane Austen
  55. A Suitable Boy – Vikram Seth
  56. The Shadow of the Wind – Carlos Ruiz Zafon
  57. A Tale Of Two Cities - Charles Dickens
  58. Brave New World - Aldous Huxley
  59. The Curious Incident of the Dog in the Night-time – Mark Haddon
  60. Love In The Time Of Cholera - Gabriel Garcia Marquez
  61. Of Mice and Men - John Steinbeck
  62. Lolita - Vladimir Nabokov
  63. The Secret History – Donna Tartt
  64. The Lovely Bones – Alice Sebold
  65. Count of Monte Cristo – Alexandre Dumas
  66. On The Road - Jack Kerouac
  67. Jude the Obscure - Thomas Hardy
  68. Bridget Jones’s Diary – Helen Fielding
  69. Midnight’s Children – Salman Rushdie
  70. Moby Dick - Herman Melville
  71. Oliver Twist - Charles Dickens
  72. Dracula - Bram Stoker
  73. The Secret Garden – Frances Hodgson Burnett
  74. Notes From A Small Island – Bill Bryson
  75. Ulysses – James Joyce
  76. The Bell Jar – Sylvia Plath
  77. Swallows and Amazons – Arthur Ransome
  78. Germinal – Emile Zola
  79. Vanity Fair – William Makepeace Thackeray
  80. Possession - AS Byatt
  81. A Christmas Carol - Charles Dickens
  82. Cloud Atlas – David Mitchell
  83. The Color Purple – Alice Walker
  84. The Remains of the Day – Kazu Ishiguro
  85. Madame Bovary – Gustave Flaubert
  86. A Fine Balance – Rohinton Mistry
  87. Charlotte’s Web – EB White
  88. The Five People You Meet In Heaven – Mitch Albom
  89. Adventures of Sherlock Holmes - Sir Arthur Conan Doyle
  90. The Faraway Tree Collection – Enid Blyton
  91. Heart of Darkness – Joseph Conrad
  92. The Little Prince – Antoine De Saint-Exupery
  93. The Wasp Factory – Iain Banks
  94. Watership Down - Richard Adams
  95. A Confederacy of Dunces - John Kennedy Toole
  96. A Town Like Alice – Nevil Shute
  97. The Three Musketeers - Alexandre Dumas
  98. Hamlet – William Shakespeare
  99. Charlie and the Chocolate Factory – Roald Dahl
  100. Les Miserables – Victor Hugo

Well – I guess that the BBC is wrong.  Or I am not “people”?

P.S.: I found this on Heart of Berlin and on Library Thing

Freitag, 26. November 2010

Ein exquisites Adventskonzert

Was ich gar nicht mag, sind Advents-und-Weihnachtslieder-Mitsing-Veranstaltungen. Andere mögen so etwas, daher ist es gut, dass auch deren Geschmack und Gemüt entsprechende Angebote finden wird – aber sicher nicht bei dem Konzert, von dem hier die Rede ist.

Am 5. Dezember 2010 werden Katrin Glenz und Thomas Wahl in Berlin musikalisch fragen: Wie soll ich dich empfangen?

  • Die Frankfurterin »KAT«, mit bürgerlichem Namen Katrin Glenz, legte mit ihrem Debütalbum Polaroid of Truth zwölf Songs im Rock-Pop-Sound hin, das zweite Album hieß Sehnsucht. Die junge Künstlerin ist in der Musikszene alles andere als ein Neuling und erstaunlich vielseitig. Reiste sie doch schon mit Musical-Produktionen um die ganze Welt von Deutschland über Südafrika bis hin nach Spanien und Dubai; sie sang im Background bei Xavier Naidoo und Johnny Logan. 2004 spielte »KAT« im Vorprogramm von »Pink« und »Laith al Deen«. Sie erntete verdiente Begeisterung. 
  • In Hanau aufgewachsen, begann Thomas Wahl schon sehr früh mit dem Klavierspiel und war von Anfang an mehr autodidaktischer Klangerzeuger als reproduzierender Klavierschüler. Er erarbeitete sich im Lauf der Jahre ein umfangreiches Repertoire aus Pop, Jazz und Gospel – letzteres auch zum allsonntäglichen Genuss seiner Kirchengemeinde – ohne wirklich Noten lesen zu können. Inzwischen hat er auch die Klassik für sich erschlossen. Bei allem, was er spielt, wird dem Zuhörer klar, was es bedeutet, sich ein Stück »zu eigen« zu machen. Neben vielen Live-Projekten ist er auch an einigen CD-Produktionen beteiligt und studiert derzeit an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Adventskonzert in Berlin Steglitz

Diese beiden Künstler werden Advents- und Weihnachtsieder in zum Teil neuen und ungewohnten Interpretationen vortragen, einige kurze Hörbeispiele aus der CD finden sich auf der Webseite wiesollichdichempfangen.de – da können sich Schmalzliederphobiker wie ich davon überzeugen, dass es keine der grausigen ZuckergussundSchlagsahneveranstaltungen wird, die sonst im Advent oft angeboten werden.

Also, liebe Blogbesucher, sehen wir uns am 5. Dezember um 15:30 Uhr zum Kaffee und anschließenden Adventskonzert in der Wrangelstraße 6/7 in 12165 Berlin? Ich werde da sein und genießen.

Donnerstag, 25. November 2010

Jessika kommt! Ach du liebe Güte.

Worauf habe ich mich da nur eingelassen. Via Facebook, Blog-Abstimmung und sogar dienstliche E-Mails wurde mir deutlich nahe gelegt, dass es zahlreiche Menschen gibt, die mehr von der mörderischen Jessika lesen wollen. Also werde ich mich an die Arbeit machen und schreiben, soweit es die Zeit erlaubt.

Dass das wirklich Arbeit ist, kann der interessierte Blogbesucher feststellen, wenn er diese Version des Anfanges mit der vom vorigen Blogbeitrag vergleicht.

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Der Kuss - WikiCommonsGiuseppe lächelte und lehnte sich zu ihr hinüber, um ihr all das ins Ohr zu flüstern, was er sich für die nächsten beiden gemeinsamen Tage vorstellen konnte. Sie lächelte, sie lachte, sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter, sie lachte wieder, sie kicherte und schließlich küsste sie ihn leidenschaftlich. Er war ein netter, ein amüsanter Kerl, von etwas schlichtem Gemüt und Verstand, aber das hatte sie ja gewusst, bevor sie ihn angesprochen hatte.
»Signore Di Stefano«, ermahnte sie ihn nach dem langen Kuss, »ritenzione per favore!«
Er murmelte: »Chi la fa l'aspetti.«
Ach ja, dachte sie, was ihr Männer doch immer so für Ideen im Kopf habt. Keiner ist wie mein Bernd, ich hätte ihn vielleicht doch am Leben lassen sollen.

Jessika dachte oft und meist mit Wehmut an Bernd zurück. Schon das fand sie verwunderlich. Wie konnte sie Wehmut empfinden, überhaupt Gefühle haben? Wenn es für ihresgleichen so etwas wie Liebe geben konnte, was sie an und für sich bezweifelte, dann war Bernd derjenige gewesen, der das Wunder bewirken konnte. Sie war sich sicher, dass Bernd sie aus tiefstem Herzen und aufrichtig geliebt hatte. Sie war genauso sicher gewesen, dass für sie Sentimentalitäten wie Sehnsucht, Liebe, Wehmut nicht in Frage kamen. Bis sie ihm die Kehle durchgeschnitten hatte. Der Schmerz in ihrem Herzen hatte sie überrascht und verunsichert. Sie war nach Italien geflohen, nur vor sich selbst. Polizeiliche Ermittlungen hatte sie nie zu fürchten gehabt.
Hier waren die Männer leidenschaftlich, sie gefielen sich in der Rolle des feurigen Liebhabers, aber sie liebten nicht, waren nicht so hingegeben wie Bernd. Giuseppe Di Stefano fand Gefallen am Sex mit ihr, gab sich zuvorkommend und großzügig, aber er achtete, verehrte und liebte Jessika nicht. Dass er seine Frau, seine vier Kinder liebte, wie er gerne behauptete, bezweifelte Jessika. Hätte er sich denn auf diese Affäre eingelassen, wenn das zuträfe?

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Was daraus werden wird, kann ich nicht sagen. Erstens werde ich voraussichtlich wieder meine Leser abstimmen lassen, wie es in bestimmten Fragen weitergehen soll, zweitens schreiben sich solche Geschichten weitgehend von selbst - ich kann wirklich nicht voraussehen, was Jessika letztendlich tun wird.

So. Und nun heißt es warten, liebe Leser, bis ich etwa vier Seiten geschrieben habe, die kommen dann als erste Fortsetzung auf diesen Blog.

Ach ja: Falls jemand keine Ahnung hat, wer Jessika ist und was das alles soll: Jessika ist der Titel einer Kurzgeschichte in meinem Buch [Gänsehaut und Übelkeit]. Dort trat sie erstmals in mein Autorenleben. Und irgendwann, Jahre später, entstand eine längere Fortsetzung, die gibt es kostenlos als E-Book: [Wer bist du, Jessika?]

Mittwoch, 24. November 2010

Jessika zaudert

So könnte der Anfang einer Fortsetzung aussehen. Ungefähr. Bittesehr:

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Giuseppe lächelte und lehnte sich zu ihr hinüber, um ihr all das ins Ohr zu flüstern, was er sich für die nächsten beiden gemeinsamen Tage vorstellen konnte. Sie lächelte, sie lachte, sie gab ihm einen Klaps auf die Schulter, sie lachte wieder, sie kicherte und schließlich küsste sie ihn leidenschaftlich. Er war ein netter, ein amüsanter Kerl, etwas schlicht im Gemüt und im Verstand, aber das hatte sie ja gewusst, bevor sie ihn angesprochen hatte.
»Signore di Stefano«, ermahnte sie ihn nach dem langen Kuss, »ritenzione per favore!«
Er murmelte: »Chi la fa l'aspetti.«
Ach ja, dachte sie, was ihr Männer doch immer so für Ideen im Kopf habt. Keiner ist wie mein Bernd, ich hätte ihn vielleicht doch am Leben lassen sollen.

Jessika dachte oft an Bernd zurück. Wenn es für ihresgleichen überhaupt so etwas wie Liebe geben konnte, dann war er derjenige gewesen, den sie geliebt hatte. Und sie war sich sicher, dass Bernd sie aus tiefstem Herzen und aufrichtig geliebt hatte.
Hier in Italien waren die Männer leidenschaftlich, sie gefielen sich in der Rolle des feurigen Liebhabers, aber sie liebten nicht so bedingungslos, so hingegeben wie Bernd. Giuseppe Di Stefano fand Gefallen am Sex mit ihr, gab sich zuvorkommend und großzügig, aber er achtete Jessika nicht. Nicht so. Nicht so wie Bernd sie geachtet hatte.

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Ja, so ähnlich könnte es losgehen., Aber Jessika ist nicht zufrieden mit der Zahl der Abstimmenden. Sagt sie. Und nun?

Soll Jessika wiederkommen?
Nie und nimmer! Pfui!
Na klar, unbedingt!
Wer ist Jessika?
Auswertung

Montag, 22. November 2010

Ein Leben

19 mal 140 Zeichen. Meine zweite Twitter-Erzählung. Ich dachte, es würden 21 Fortsetzungen, aber bei der 19ten war bereits das Ziel erreicht. Bei manchen Teilen gefällt mir der sprachliche Rhythmus nicht so ganz, aber die Beschränkung auf die 140 Zeichen lässt sich eben nicht aufheben. Na denn:

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Blau zeichnen sich da Höhen in der Ferne ab. Du ahnst nicht, welche Schluchten sie durchziehen, welche Steilhänge sie in deinen Weg stellen.

Du denkst noch über das Ziel nach, studierst noch nicht den Weg. Blaue Höhen - weit weg. Du wirst zur Ruhe finden, wenn dann Einsicht kommt.

Alltägliche Verrichtungen, die blauen Höhen rücken unbemerkt ein wenig näher. Tag für Tag. Nichts Besonderes, nur Alltag. Dennoch unterwegs.

Eine von 19 Twitternachrichten aus der Geschichte Der Weg macht sich dir nun begreiflich, weglos zu sein wird dir Gewinn. Nun zählt der Schritt, es zählt nicht mehr das Ziel. Ist es ein Tor?

Du isst, wenn dich hungert, du schläfst im Fall der Müdigkeit. Du hast die alte Regelmäßigkeit verbannt, du achtest jetzt auf deinen Körper.

Die blauen Höhen rücken nah, als kämen sie zu dir statt du zu ihnen. Du siehst die kleinen Wunder ringsherum. Halt sie fest in deiner Seele.

Zweisamkeit beginnt, der Weg hat dich zu ihr geführt. Das Glück. Du gehst nicht mehr allein. Dennoch musst du, ja wirst du selber schreiten.

Die Bläue weicht, da dich die Höhen nun umfangen. Dir wird erkennbar, was der Dunst verbarg. Du gehst den Weg, und er genügt auch ohne Ziel.

Was mag dich erwarten am Ende deines Weges? Ein Tor wohl - torlos schon jetzt geborgen, weil jeden Augenblick zu fühlen dir bereits gelingt.

Die Wege werden steil, Abgründe klaffen tief. Was gestern galt, muss heute nicht mehr Wahrheit sein. Was morgen stimmt, ist heute Lüge noch.

Was du geglaubt hast, darfst du weiter glauben. Doch Wissen und Erfahrung geben Widerrede deinem Geist. Die Seele ratlos, schweigend, blind.

Ganz ohne Schuld bist du in auswegloser Lage. Ein Freund gibt Rat und Hoffnung dämmert auf. Ein anderer Weg? Dein alter Weg nur neu gedacht?

Der eine rät zu diesem, der andere zu jenem Weg. Sie alle weisen dir ein Ziel, doch keiner einen Weg. Du gehst den nächsten Schritt. Allein.

Nie fragt das Leben, ob etwas dir gefällt. Statt Zweisamkeit nun wieder einzeln schreiten. Erinnerungen bleiben, an kleine Wunder unterwegs.

Zurück willst du? Dort hin, wo alles leichter fiel? Ach, alle sehnen sich nach guten Zeiten, alle könnten wohl verzagen. Doch du bist stark.

Jetzt meisterst du die Steigung, der Aufstieg wird zum Ziel des Tages. Der nächste Tag mag neue Ziele bringen. Das Heute sei sich nun genug.

Du denkst zurück. Wie leicht fiel der Beginn der Reise, denn alles war noch unbekannt. Nun kennst und weißt du, dennoch schreitest du voran.

Die einstmals blauen Höhen hast du nun bezwungen, und neue Höhe schimmert in der Ferne schon. Der Schritt, er zählt; das heute und das hier.

So gehst du eines Tages durch das Tor mit Leichtigkeit trotz all der Schwere. Der Weg, er war das Ziel, das Ziel ist nun erreicht. Zu Hause.

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Vermutlich habe ich den Sinn des Twitterns nicht begriffen, aber das macht ja nichts. Ich schaffe mir meinen eigenen Sinn. Vielleicht fällt mir ja mal wieder was dazu ein…

Samstag, 20. November 2010

Jessika hat die Nase vorn

FeedBooks by GJM

Unter meinen kostenlos angebotenen Büchern hat »Wer bist du, Jessika?«  die Nase vorn. 1.088 mal wurde das Buch bisher heruntergeladen, angeboten wird es seit April 2010. »Die Entblößung«, aus dem Februar 2010, bringt es auf 666. »Doch niemand geht irgendwohin« wurde seit Februar 2010 nur 596 mal abgerufen und das einzige Sachbuch, das ich bei Feedbooks anbiete, »Zurück nach Korinth«, liegt auf Platz 4 mit 580 Downloads. »Neuland« ist erst seit Oktober 2010 im Angebot – also sind die 251 Zugriffe wegen der wesentlich kürzeren Zeit nicht vergleichbar mit den anderen Büchern.

Anders als beim Bloggen und bei Facebook gibt es so gut wie keine Leserreaktionen auf die elektronischen Bücher – das ist vergleichbar mit den gedruckten Werken. »Es gibt kein Unmöglich!« hatte eine erste Auflage von 2.000 Stück – die waren damals nach etwa einem Jahr verkauft. Zuschriften? Ich habe, soweit ich mich erinnere, nur eine einzige bekommen.

Das ist übrigens ganz und gar normal. Ich schreibe ja auch keine Autoren an, um ihnen mitzuteilen, ob und wie mir ihr Buch gefallen hat.

Nun frage ich mich beim Blick auf die Download-Zahlen: Soll Jessika, die offenbar so beliebte, wieder auferstehen? Ich habe sie ja ganz und gar mit Absicht am Leben gelassen, als ich zum Schluss der Erzählung kam. Und das frage ich auch meine Blogbesucher und Facebook Freunde:

Soll Jessika wiederkommen?
Nie und nimmer! Pfui!
Na klar, unbedingt!
Wer ist Jessika?
Auswertung

Donnerstag, 18. November 2010

Liebes Google,

du müsstest bitte noch mal an unserem Haus vorbei fahren, denn

  1. besitze ich dieses Auto nicht mehr, das war der Ford Windstar, der im letzten Dezember das Zeitliche gesegnet hat und
  2. verstehe ich, dass du Autokennzeichen verpixeln musst, aber warum hast du meinen schönen US-Flag-Bumpersticker denn so verschandelt? Kann ich auch eine Entpixelung verlangen?

Also auf geht’s. Entweder neues Bild mit aktuellem Auto oder die US-Flagge kenntlich machen! Dalli dalli!

Foto: Google Streetview

Mittwoch, 17. November 2010

Stephen King: Full Dark, No Stars

Natürlich ist es töricht, beim Lesen eines Buches den Autor zu bedrohen: »Don’t you dare to hurt Tess any more! She has suffered enough!« Dennoch habe ich genau das (am 16. November via Facebook) getan, wohl wissend, dass die Zeilen darüber, was Tess noch erwarten würde, längst geschrieben und gedruckt waren.

Wenn die Personen so lebendig werden, dass der Leser mit ihnen fühlt, leidet, lacht, hofft und verzweifelt, dann hat man ein gutes Buch in der Hand. Wenn man wütend wird, weil das Leben im Buch so unfair ist wie das wirkliche Leben sich gelegentlich präsentiert, wenn man aufatmet, weil ein drohendes Unheil gerade noch einmal abgewendet werden kann, dann hat der Autor geschafft, was er wollte. Kaum einem gelingt das so perfekt wie Stephen King.

»Full Dark, No Stars« hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, mit allen vier Geschichten, die Stephen King erzählt. »The stories in this book are harsh«, schreibt er im Nachwort, »you may have found them hard to read in places«. So ist es, kann ich da nur antworten. Der Knoten im Hals hat es mir bewiesen, und es hätte gelegentlich nicht viel gefehlt, dass auch noch feuchte Augen dazugekommen wären. »If so, be assured that I found them equally hard to write in places« - das glaube ich gerne. Denn man merkt es der Lektüre nicht an, wie viel harte Arbeit darin steckt, und genau das ist es, was Stephen King zu einem Meister unter den Erzählern macht.

Die treuen Leser, die der Autor wie stets als seine »Constant Readers« anspricht, werden dieses Buch sowieso lesen und sich wie ich über so manche kleinen Reminiszenzen an frühere Werke freuen, vom »assume makes an ass out of you AND me« über eine Clown-Fratze in Derry und den Schauplatz Hemmingford Home bis zum »Long days and pleasant nights« als Gruß. Das kennen wir, da schmunzeln wir. So soll es sein.

Denen, die nicht zu den Stammlesern gehören, weil sie vielleicht irgendwann mal gehört haben, Stephen King schriebe Fantasy-Horror (oder weil sie eines seiner frühen Werke gelesen haben), sei dieses Buch als Gegenmittel zum Vorurteil empfohlen, vorausgesetzt sie sind bereit, dem Horror des Lebens im ganz normalen amerikanischen Alltag in die Augen zu blicken. Das kann schlimmer sein als der Schrecken in einer Fantasy-Welt.

Für schwache Nerven und empfindliche Gemüter sind diese vier Geschichten sicher nicht geeignet, denn Stephen King nimmt wie üblich eine starke Taschenlampe mit in den finsteren Keller der menschlichen Abgründe: »If you’re going into a very dark place then you should take a bright light and shine it on everything. If you don’t want to see, why in God’s name would you dare the dark at all?«

Eben.

Dienstag, 16. November 2010

Sonntag, 14. November 2010

Was der weise Nick erzählt und erlebt hat - Ende

Die vorherigen Folgen: [Teil 1] / [Teil 2] [Teil 3]

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Das tat Nikodemus, und er bewies sich als Schriftgelehrter im besten Sinne des Wortes: »Ich selbst sprach zu den Ältesten, Priestern, Leviten und dem ganzen Volke in der Synagoge: Was habt ihr mit diesem Menschen vor? Dieser Mensch tut viele Zeichen und Wunder, wie sie keiner getan hat oder tun wird. Lasst von ihm ab und plant nichts Böses gegen ihn! Wenn die Zeichen, die er bewirkt, von Gott sind, so werden sie Bestand haben; sind sie Menschenwerk, dann werden sie zunichte werden.

Denn auch Moses wirkte, von Gott gesandt, in Ägypten viele Zeichen, die Gott ihn vor Pharao, dem König von Ägypten, wirken hieß. Und es waren da Diener Pharaos, Jannes und Jambres, und diese wirkten auch nicht wenige von den Zeichen, die Moses vollbracht hatte, und die Ägypter hielten sie wie Götter, den Jannes und den Jambres; doch da die Zeichen, die sie wirkten, nicht von Gott waren, gingen sie selbst und die, welche ihnen glaubten, zugrunde.

Und jetzt lasset ab von diesem Menschen! Denn er verdient den Tod nicht.«

Sofort widersprachen die Ankläger und unterstellten Nikodemus: »Du bist ein Schüler von ihm geworden und trittst deshalb für ihn ein.«

Nikodemus, den man nicht zu Unrecht für einen weisen Lehrer hielt, entgegnete ihnen: »Ist etwa auch der Statthalter sein Schüler geworden, so dass er deshalb für ihn eintritt? Hat ihn nicht der Kaiser auf diesen hohen Platz gestellt?«

Da waren die Ankläger ergrimmt – und sprachlos, sie knirschten mit den Zähnen gegen Nikodemus. Eine Antwort fiel ihnen nicht ein.

Pilatus ergriff das Wort, als er ihre Wut sah: »Warum knirscht ihr mit den Zähnen gegen ihn, wenn ihr die Wahrheit hört?«

Die Pharisäer ignorierten den Statthalter und provozierten Nikodemus erneut: »Nimm doch nur seine Wahrheit an und nimm Anteil an ihm!«

Nikodemus nickte bedächtig: »Mit Gewissheit erkläre ich: genau die nehme ich an, wie ihr es gesagt habt!«

Die Menge der Zeugen im Gerichtssaal hielt gespannt den Atem an. Wenn einer ihrer weisesten Lehrer sich so äußerte, dann hatte das Gewicht. Darüber konnte man nicht einfach so hinweg gehen. Der Mut dieses Mannes war bewundernswert, und mit seiner Aussage trat er gleichsam eine Lawine los. Unter den Pharisäern war Nikodemus der einzige, der für Jesus die Stimme erhob, aber einer aus dem Volk, das bisher dem Verfahren mit Bangen und Tränen in den Augen gefolgt war, fasste ebenfalls Mut und bat den Statthalter ums Wort. Pilatus, der noch immer und nach den Worten des weisen Nikodemus um so mehr auf eine Möglichkeit hoffte, Jesus freizusprechen, erwiderte großzügig: »Wenn du etwas sagen willst, so sage es.«

Der Mann erzählte von seinem eigenen Schicksal: »Ich war 38 Jahre durch ein schmerzvolles Leiden ans Bett gefesselt. Und als nun Jesus auftrat, wurden viele Besessene und an mancherlei Krankheiten Darniederliegende von ihm geheilt. Einige Jugendliche hatten Mitleid mit mir, hoben mich samt dem Bett auf und trugen mich zu ihm. Als Jesus mich sah, fasste ihn Erbarmen, und er sprach zu mir: Nimm dein Bett und wandle! Und ich nahm mein Bett und wandelte.«

Die Ankläger sahen ihre Chance und sagten zu Pilatus: »Frage ihn, welcher Tag es war, an dem er geheilt wurde.«

Die Antwort kam wahrheitsgemäß: »An einem Sabbat.«

Nun hatten die Schriftgelehrten, was sie wollten. Sie fragten den Statthalter: »Haben wir dich nicht dahin gehend unterrichtet, dass er am Sabbat heilt und die Dämonen austreibt?«

Ein anderer Zeuge eilte herbei und sprach: »Ich wurde blind geboren, hörte wohl, wenn einer redete, sah aber sein Gesicht nicht. Und als Jesus vorbeiging, rief ich mit lauter Stimme: Habe Erbarmen mit mir, Sohn Davids! Und er hatte Erbarmen mit mir, legte seine Hände auf meine Augen, und ich konnte sogleich sehen.«

Ein weiterer Mann berichtete nun, ermutigt durch die Geduld des Statthalters, von seinem Erlebnis: »Ich war bucklig, und er hat mich durch ein Wort gerade gemacht.«

Wieder ein anderer sagte: »Ich war aussätzig, und durch ein Wort heilte er mich.«

Nun geschah etwas Ungeheuerliches – für damalige Verhältnisse. Es meldete sich nämlich eine Frau zu Wort. Sie trat nicht etwa vor, wie die anderen Zeugen, sondern sie, eine gewisse Veronika, schrie von weitem: »Ich litt am Blutfluss und berührte den Saum seines Gewandes, und der Blutfluss, der zwölf Jahre angedauert hatte, hörte auf.«

Augenblicklich protestierten die Schriftgelehrten: »Wir haben ein Gesetz, eine Frau nicht zum Zeugnis zuzulassen!«

Damit war die Ordnung einstweilen vorbei. Eine Menge Männer und Frauen schrien durcheinander. In all dem Tumult hörte Pilatus die Worte: »Dieser Mensch ist ein Prophet, und die Dämonen sind ihm untertan!«

Pilatus zeigte auf die wütenden Verkläger und fragte das Volk: »Weswegen sind nicht auch eure Lehrer ihm untertan?«

Sie antworten: »Das wissen wir nicht.«

Nun bezeugten auch noch mehrere Menschen, Jesus habe den toten Lazarus nach vier Tagen aus dem Grab auferweckt.

Je länger er zuhörte, was die Augenzeugen, die Geheilten berichteten, desto mulmiger wurde es dem Statthalter. Er begann zu zittern und sagte beschwörend, um Vernunft bittend, zu der gesamten Menge: »Weshalb wollt ihr unschuldiges Blut vergießen?«

Langsam wurde es wieder etwas ruhiger. Pilatus rief Nikodemus zu sich und die zwölf Männer, die gesagt hatten, dass Jesus nicht aus Hurerei geboren sei. Er fragte diesen kleinen Kreis: »Was soll ich tun? Das Volk wird aufrührerisch.«

Sie antworten ihm ehrlich: »Wir wissen es nicht. Das Volk möge selbst zusehen, wie es zurecht kommt.«

Das hatte Pilatus ja schon mehrfach versucht: Den Angeklagten seinen eigenen Volksgenossen überlassen. Alle Versuche waren vergeblich gewesen, denn die Anführer Annas und Kaiphas mit ihren Getreuen bestanden darauf, dass er als römischer Statthalter ein Todesurteil verhängte.

Give us Barabbas - von WikiCommonsPilatus ließ wieder die gesamte Menge herein. Ihm war doch noch etwas eingefallen, was als Lösung taugen mochte, denn es war nun einmal seine Aufgabe, einen Aufruhr im Volk zu verhindern. Er erklärte: »Ihr wisst, dass ihr die Sitte habt, dass euch zum Fest der ungesäuerten Brote ein Gefangener freigelassen wird. Ich habe nun im Gefängnis einen wegen Mordes verurteilten, der Barabbas heißt, und diesen Jesus, der vor euch steht, an dem ich keine Schuld finde. Welchen soll ich euch freigeben?«

Ein lautes Geschrei ertönte: »Den Barabbas!«

Pilatus war entsetzt. Ein verurteilter Mörder musste nun freigelassen werden, da konnte er nicht hinter sein eigenes Wort zurück. Er fragte, wohl schon ohne Hoffnung, hier noch etwas Vernünftiges bewirken zu können: »Was soll ich nun mit Jesus tun, den man den Messias nennt?«

Die Wortführer wiederholten, was sie von Anfang an verlangt hatten: »Er soll gekreuzigt werden.«

Einige fügten noch hinzu: »Du bist kein Freund des Kaisers, wenn du Jesus freilässt. Denn er hat sich Sohn Gottes und König genannt. Du willst also diesen zum Herrscher und nicht den Kaiser.«

Nun griffen sie also ihn an? Er sei nicht seinem Kaiser treu, unterstellten sie? Er, der Statthalter, der sich so um Gerechtigkeit bemühte, anstatt wie andere Stadthalter mit Grausamkeit und eiserner Hand zu regieren, wurde nun zum Verräter gestempelt? Pilatus wurde zornig und schrie sie an: »Immer neigt euer Volk zum Aufruhr und ihr widersprecht euren Wohltätern.«

Sie fragen: »Welchen Wohltätern?«

Pilatus bezwang seine Wut und versuchte es noch einmal mit Vernunft. Seine Frau hatte ihm so manches erzählt über den Glauben, zu dem sie gefunden hatte, und auch über die Geschichte dieses Volkes. Er erklärte: »Wie ich gehört habe, hat euer Gott euch weggeführt aus harter Knechtschaft, aus Ägypten, und euch wohlbehalten durchs Meer geleitet wie durch trockenes Land, und in der Wüste ernährte er euch, gab euch Manna und Wachteln, tränkte euch mit Wasser aus Felsen und gab euch das Gesetz. Und nach alledem erregtet ihr den Zorn eures Gottes: Ihr wolltet ein gegossenes Kalb haben und erbittertet dadurch euren Gott, und er wollte euch vernichten; und Moses flehte um Gnade für euch, und so starbt ihr nicht. Und jetzt bezichtigt ihr mich, dass ich den Kaiser hasse.«

Er stand auf vom Richterstuhl und wollte weggehen. Hier musste er nicht weiter verhandeln, die absurde Situation brauchte er nicht fortzusetzen. Er war immerhin der Stellvertreter des Kaisers und vor ihm standen aufgeregte religiöse Führer eines besetzten Landes.

Als die Juden sahen, dass Pilatus sie stehen ließ und fortging, fingen sie an zu schreien: »Wir kennen als König nur den Kaiser und nicht den Jesus. Freilich, die Weisen brachten ihm aus dem Morgenland Geschenke, als ob er ein König wäre. Und als Herodes von den Weisen hörte, dass ein König geboren wäre, da suchte er ihn, um ihn zu töten. Als aber sein Vater Joseph das erfuhr, da nahm er ihn und seine Mutter, und sie flohen nach Ägypten. Und als Herodes das hörte, da ließ er die Kinder der Hebräer, die in Bethlehem geboren waren, umbringen.«

Als Pilatus diese Worte hörte, bekam er Angst. Er kehrte zu seinem Stuhl zurück und gebot dem Pöbel Schweigen, weil sie noch immer herumbrüllten. Als er sich wieder einigermaßen verständlich machen konnte, fragte er: »Also dieser ist es, den Herodes suchte?«

Sie antworten: »Ja, dieser ist es.«

Der Herodes, von dem hier die Rege war, war inzwischen verstorben, aber seine Schandtaten waren nicht in Vergessenheit geraten. Er entstammte einer wohlhabenden Familie, hielt sich an die jüdischen Riten und Regeln, obwohl er ein Edomiter war. Schon dass er, der Nichtjude, König in Jerusalem war, war vielen ein Dorn im Auge gewesen. Dass er seinen 16jährigen Schwager Aristobulos erst zum Hohepriestern machte und ihn dann nach seinem ersten Auftritt beim Laubhüttenfest im Schwimmbad ertränken ließ, war genauso wenig vergessen worden wie seine mehrfachen Scheidungen und neuen Ehen. Er war mit brutaler Härte gegen die Pharisäer vorgegangen, als diese die nahe Geburt eines Messias verkündet hatten, der statt Herodes König werden sollte.

Inzwischen regierte sein Sohn Herodes Antipas, ein Sprössling aus seiner vierten Ehe, als Herrscher über die Provinz Galiläa. Er stand moralisch seinem Vater nicht viel nach, Johannes der Täufer hatte ihn öffentlich gescholten – und war von Herodes Antipas schließlich umgebracht worden.

Nun wurde in diesem Prozess auf einmal Jesus indirekt die Schuld an den Verbrechen des älteren Herodes zugeschoben. Pilatus sah, dass hier wirklich ein Aufruhr, womöglich von Jerusalem ausgehend im ganzen Volk, zu befürchten war. Er nahm Wasser, wusch sich die Hände vor der Sonne und sagt: »Ich bin unschuldig am Blute dieses Gerechten. Da mögt ihr zusehen.«

Wiederum schrien die Juden: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!«

Pilatus beachtete sie nicht mehr, er hatte nun genug gehört und gesehen und alles versucht, was ihm einfallen wollte. Jesus selbst schien ja, seinen Worten gemäß, mit einer Verurteilung zu rechnen, anders konnte sich Pilatus die Worte »Moses und die Propheten haben meinen Tod vorherverkündet, und meine Auferstehung« nicht erklären. Selbst der angesehene Nikodemus war mit seinem Versuch gescheitert, dem Prozess eine andere Wendung zu geben.

Der letzte Versuch von Pilatus, für Gerechtigkeit zu sorgen, hatte nur dazu geführt, dass nun Barabbas, ein verurteilter Mörder auf freien Fuß gesetzt werden musste. War es nicht wirklich sinnvoller, dass ein Unschuldiger starb, anstatt nun auch noch einen Aufstand und dessen blutige Niederschlagung durch die Armee zu riskieren?

Pilatus ließ den Vorhang vor den Richterstuhl ziehen, auf dem er saß, und sprach zu Jesus: »Dein Volk hat dich der Anmaßung des Königsnamens überführt. Daher habe ich entschieden, dass du entsprechend der Satzung der frommen Kaiser zuerst gegeißelt und danach am Kreuze aufgehängt werdest in dem Garten, wo du gefasst wurdest. Und Dysmas und Gestas, die beiden Missetäter, sollen mit dir gekreuzigt werden.«

Damit war der Prozess beendet, Jesus verließ das Praetorium, mit ihm wurden die beiden Missetäter, heute würde man wohl eher Verbrecher sagen, abgeführt.

 

Nach der Kreuzigung bat Josef von Arimathäa, der ein Jünger Jesu war, aber ein geheimer aus Furcht vor den Juden, den Pilatus, dass er den Leib Jesu abnehmen dürfe. Pilatus hatte nichts dagegen. Josef ging dann unverzüglich zur Hinrichtungsstätte und nahm den Leib Jesu ab, zusammen mit Nikodemus, der zuerst bei Nacht zu Jesus gekommen war und dann mehrfach öffentlich für ihn das Wort ergriffen hatte.

War Nikodemus enttäuscht? Warf er sich vor, versagt zu haben? Oder hegte er eine Hoffnung aufgrund dessen, was Jesus ihm in jener nächtlichen Unterredung gesagt hatte? »Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe.«

Nikodemus hatte eine Mischung von Myrrhe und Aloe mitgebracht, wohlriechende Harze, die zum Einbalsamieren von Toten verwendet wurden, ungefähr 32 Liter – eine ansehnliche Menge. Josef und Nikodemus nahmen den Leib Jesu und wickelten ihn in Leinentücher mit den wohlriechenden Ölen, wie es bei den Juden zu bestatten Sitte war.

Es gab an dem Ort, wo er gekreuzigt wurde, einen Garten und in dem Garten eine neue Gruft, in die noch nie jemand gelegt worden war. Dorthin legten sie Jesus, wegen des Rüsttags der Juden, weil die Gruft nicht weit vom Ort der Kreuzigung entfernt war.

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Mehr ist uns über Nikodemus nicht überliefert, aber ich fand, dass es sich lohnen würde, diese Geschichte wieder einmal zu erzählen. Natürlich will ich, wie eingangs versprochen, die Quellen nicht verschweigen.

  • Beginn und Schluss basieren überwiegend auf den Berichten im Johannesevangelium, hauptsächlich aus den Kapiteln 3, 7 und 19.
  • Ergänzt wurde das mit Hilfe des Artikels bei Wikipedia. [Nikodemus]
  • Die Schilderung des Prozesses vor Pilatus findet man im ersten Teil der »Acta Pilati«. Die älteste bekannte Niederschrift wird von Wissenschaftlern um das Jahr 400 datiert. Der Autor »Ananias« behauptet darin, der Text sei ursprünglich von Nikodemus persönlich verfasst und von ihm lediglich ins Griechische übersetzt worden. [Wikipedia über die Acta Pilati]
  • [Der griechische Text mit deutscher Übersetzung der Acta Piliati]

Ich wiederhole abschließend, was ich in den einleitenden Sätzen bereits gesagt hatte: Wie viel von diesem Bericht der Wahrheit entspricht, wie viel ersonnen ist, das wollen wir nicht untersuchen. Ich fand die Geschichte spannend und hoffe, meinen Lesern ging es ebenso.

Donnerstag, 11. November 2010

Was der weise Nick erlebt und erzählt hat - Teil 3

Die vorherigen beiden Folgen: [Teil 1] / [Teil 2]

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Sie antworten ihm: »Ja, das wissen wir.«

Was wussten sie da eigentlich? Der Begriff ist uns kaum geläufig. Man kannte bei den Juden und bei den Besatzern unterschiedliche Götter, das ist ja heute nicht anders zwischen verschiedenen Völkern. Pilatus hatte bereits vorher in dieser Verhandlung auf seine Götterwelt hingewiesen, als es um die Heilungskraft des Asklepios ging. Die Gattin des Statthalters, das können wir aus diesem Begriff »judaisieren« schließen, glaubte dagegen an den Gott der Juden, obwohl sie keine Jüdin war.

Pilatus fuhr fort: »Hört zu, eben schickte meine Frau und ließ mir sagen: Habe du nichts mit diesem Gerechten zu tun! Denn ich habe in der Nacht viel seinetwegen ausstehen müssen.«

Da antworten sie, fast nie um eine neue Anklage verlegen, dem Pilatus: »Haben wir dir nicht gesagt, dass er ein Magier ist? Siehe, da hat er zu deiner Frau einen Traum geschickt.«

Pilatus hatte nun die Nase voll von diesen widerborstigen Synagogenleuten. Er hatte genug von ihnen gehört. Er rief Jesus zu sich und fragte ihn: »Was bezeugen diese wider dich? Sagst du nichts dazu?«

Jesus antwortete: »Stünde es nicht in ihrer Macht, so würden sie nichts vorgebracht haben. Denn jeder hat Macht über seinen Mund, zu reden Gutes und Böses. Da sollen sie selbst zusehen.«

Die Ältesten mischten sich sofort ein: »Was sollen wir sehen? Erstens, dass du aus Hurerei geboren bist, zweitens, dass deine Geburt den Tod der Kindlein von Bethlehem bedeutet hat, drittens, dass dein Vater Joseph und deine Mutter Maria nach Ägypten geflohen sind, weil sie bei den Leuten nichts galten.«

Diese Beleidigungen blieben selbst aus den Reihen der Juden nicht ohne Widerspruch, einige gewissenhafte Männer erklärten: »Wir bestreiten, dass er aus Hurerei stammt; wir wissen, dass Joseph Maria geheiratet hat und er nicht aus Hurerei geboren ist.«

Es ist uns heutzutage nicht mehr so recht nachvollziehbar, warum eine uneheliche Geburt etwas über den Wert des Menschen aussagen soll – aber damals war das ein schwerwiegender Vorwurf. Als könne ein Kind etwas dafür, unter welchen Umständen es geboren wurde. Doch zurück zum Gerichtssaal – hier war nun ein neuer Streitpunkt gefunden.

Pilatus sagte zu denen, die behauptet hatten, er stamme aus Hurerei: »Eure Aussage entspricht nicht der Wahrheit; denn eine Vermählung hat stattgefunden, wie eure eigenen Volksgenossen zugeben.«

Dem widersprachen die beiden Wortführer Annas und Kaiphas: »Wir, die ganze Volksmenge, schreien und finden keinen Glauben, dass er aus Hurerei stammt! Diese da sind Proselyten und Schüler von ihm.«

Pilatus wollte sich keine Blöße geben, daher rief er Annas und Kaiphas zu sich und fragte sie leise: Was ist das, Proselyten?«

Sie antworten: »Proselyten wurden geboren als Kinder von Griechen und sind jetzt Juden geworden.«

Da stimmte zwar sachlich als Erklärung des Begriffes, wobei man ganz allgemein Ausländer oft als Griechen bezeichnete, aber es stimmte eben nicht bezüglich des Vorwurfes. Nun erklärten die, welche gesagt hatten, dass er nicht aus Hurerei stamme, nämlich Lazarus, Asterius, Antonius, Jakobus, Amnes, Zeras, Samuel, Isaak, Phinees, Krispus, Agrippa und Judas: »Wir sind nicht als Proselyten geboren, sondern wir sind Kinder von Juden und reden die Wahrheit. Denn wir sind bei der Hochzeit von Joseph und Maria anwesend gewesen.«

Pilatus rief diese zwölf Männer heran und verlangte: »Ich nehme euch einen Eid ab beim Heil des Kaisers, dass eure Aussage, er sei nicht unehelich geboren, wahr ist.«

Sie waren ja alle fromme Juden, diese zwölf wie die anderen, also galt es, einen klugen Ausweg aus der Zwickmühle zu finden. Sie erklären: »Wir haben ein Gesetz, nicht zu schwören, da es eine Sünde ist. Annas und Kaiphas aber sollen beim Heil des Kaisers schwören, dass es sich nicht so verhält, wie wir es sagten. Dann wollen wir des Todes sein.«

Damit war der schwarze Peter bei den beiden Hohepriestern gelandet. Die konnten nun ihrerseits entweder – was Sünde war – schwören, oder zugeben, dass der Vorwurf der unehelichen Geburt Unfug war. Annas und Kaiphas blieben stumm. Das war ausgesprochen dumm gelaufen.

Pilatus fragte nach einer Weile: »Wie, ihr antwortet nichts darauf?«

Die beiden vermieden eisern den Eid und schimpften missmutig: »Diesen zwölf Männern wird geglaubt, er entstamme nicht der Hurerei. Wir aber, das ganze Volk, schreien, dass er aus Hurerei geboren und ein Magier ist und behauptet, er sei Sohn Gottes und König, aber man glaubt uns nicht.«

Eine ziemlich freche Behauptung, dass die beiden – nicht zum ersten Mal in diesem Prozess – für sich in Anspruch nahmen, lediglich das vorzutragen, was angeblich das ganze Volk schrie. Die Anwesenden wussten es ja schließlich besser. Immerhin war es Annas und Kaiphas gelungen, wieder auf den ursprünglichen Anklagepunkt zurückzukommen statt über den vom Statthalter verlangten Schwur weiter nachzudenken.

Pilatus, der nicht zuletzt wegen der warnenden Botschaft seiner Frau auf keinen Fall etwas falsch machen wollte, schickte die ganze Menge hinaus außer den zwölf Männern, die Jesu uneheliche Geburt bestritten, und auch Jesus ließ er absondern.

Als sie unter sich waren, fragte er: »Aus welchem Grunde wollen diese Leute ihn töten?«

Sie antworten ihm wahrheitsgemäß: »Sie ereifern sich, weil er am Sabbat heilt.«

Pilatus fragte fassungslos nach: »Wegen eines guten Werkes wollen sie ihn töten?«

Sie erwidern schlicht: »Ja.«

Der Sonnengott, Zeuge des Pilatus (WikiCommons)Pilatus wurde von Zorn erfüllt, heißt es in dem Bericht, heute würde man vielleicht sagte, er war stinksauer. Das ganze Verfahren, das er weder gewollt hatte noch sinnvoll fand, war ihm inzwischen zuwider. Er ging hinaus aus dem Praetorium und erklärte den wartenden Anklägern in harschem Ton: »Ich nehme den Sonnengott zum Zeugen, dass ich keine Schuld an diesem Menschen finde.«

Sofort hagelte es Widerspruch: »Wäre dieser nicht ein Verbrecher, so hätten wir ihn dir nicht übergeben.«

Pilatus hatte wirklich die Nase voll: »Nehmt ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz«, fertigte er die Pharisäer ab.

Die gaben nicht auf. Sie erklärten: »Uns ist es nicht möglich, jemanden zu töten.«

Pilatus blieb nur der Sarkasmus: »Euch hat also Gott verboten zu töten, mir aber erlaubt?«

Er ließ die wütende Meute stehen und ging wieder ins Praetorium, rief Jesus gesondert zu sich und fragte ihn: »Du bist der König der Juden?«

Jesus antwortete: »Fragst du das aus dir selbst, oder haben andere dir das von mir gesagt?«

Pilatus meinte: »Ich bin doch kein Jude! Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überliefert. Was hast du getan?«

Jesus antwortete nicht auf die Frage, denn was er getan hatte, war ja bereits zur Sprache gekommen. Er hatte Kranke geheilt. Am Sabbat. Pilatus wollte im Grunde von ihm hören, ob er ein König sei. Jesus antwortete ihm: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Denn wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener für mich streiten, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Nun aber ist mein Reich nicht von hier.«

Pilatus konnte das Ganze nicht verstehen, ein Reich von dieser Welt oder nicht von dieser Welt, ein König ohne Reich oder wie auch immer, das war alles zu verworren. Er wollte eine klare Antwort und fragte noch einmal nach: »Bist du also ein König?«

Jesus antwortete: »Du sagst es, dass ich ein König bin. Denn dazu bin ich geboren und gekommen, damit jeder, der aus der Wahrheit ist, meine Stimme höre.«

Pilatus, immer mehr von der Unschuld des Angeklagten überzeugt, gewarnt durch die Botschaft seiner Frau, musste sich überlegen, ob er hier womöglich mit Blindheit geschlagen war. Er sah keinen König, kein Reich. Aber er sah einen Gerechten, einen Menschen, der Gutes tat. Machte das einen König aus dem Angeklagten? Irgendwie fehlte es Pilatus an Verständnis. Er fragte: »Was ist Wahrheit?«

Jesus erklärte: »Die Wahrheit stammt vom Himmel.«

Daraufhin wollte Pilatus, weil er sich ja nun wirklich darum bemühte, die Wahrheit zu verstehen und zu einem gerechten Abschluss der Angelegenheit zu kommen, wissen: »Gibt es auf Erden keine Wahrheit?«

Jesus erinnerte ihn an das, was gerade vor sich ging: »Du siehst doch, wie die, welche die Wahrheit sagen, von den irdischen Machthabern gerichtet werden.«

So Unrecht hatte Jesus damit ja nicht, gerade dieser Prozess schien darauf hinauszulaufen. Pilatus ließ Jesus im Praetorium zurück, denn eine Antwort auf diese Bemerkung wollte er nicht geben und ein Urteil schon gar nicht fällen. Er ging hinaus zu den Wartenden und stellte nicht zum ersten Mal fest: »Ich finde keine Schuld an ihm.«

Prompt hatten die Ankläger, da sie mit den bisherigen Vorwürfen offensichtlich nicht weiter kamen, eine neue Variante parat: »Er hat gesagt: Ich kann diesen Tempel zerstören und ihn in drei Tagen wieder aufbauen.«

Der Themenwechsel verblüffte Pilatus: »Welchen Tempel?«

»Den Salomo in 46 Jahren gebaut hat. Er aber sagt, er zerstöre ihn und baue ihn wieder auf in drei Tagen.«

Mehr und mehr hatte Pilatus genug von diesem ganzen Unfug. Er dachte gar nicht daran, diesen hanebüchenen neuen Anklagepunkt auch nur anzunehmen. Niemand hatte den Tempel abgerissen, er stand mitten in der Stadt, und auf die bloße Behauptung hin, das in drei Tagen hinzubekommen, war keine Verurteilung denkbar. Jeder konnte so etwas behaupten, erst der Versuch, den Tempel wirklich abzureißen, wäre strafbar gewesen. Er erklärte: »Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten. Da mögt ihr zusehen!«

Die Schriftgelehrten und Pharisäer erwiderten störrisch: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!«

Pilatus ging wieder in seinen Gerichtssaal. Irgendwie musste er ja die Sache zu einem Ende bringen. Er rief die Ältesten, Priester und Leviten zu einer vertraulichen Besprechung und beschwor sie: »Handelt nicht so! Nichts, dessen ihr ihn bezichtigt, ist des Todes würdig. Denn eure Anklage lautet auf Krankenheilung und Sabbatschändung.«

Die Ältesten, Priester und Leviten entgegneten mit einer neuen List: »Wenn einer den Kaiser lästert, ist er des Todes schuldig oder nicht?«

Pilatus kannte die Gesetze: »Er ist des Todes schuldig«, bestätigte er.

Darauf hatten die Ankläger gehofft: »Wenn einer den Kaiser lästert, ist er des Todes schuldig, er aber hat Gott gelästert.«

Darauf befahl der Statthalter entnervt den Anklägern, aus dem Praetorium hinauszugehen, rief Jesus zu sich und fragte ihn: »Was soll ich mit dir tun?«

»Wie es in deine Macht gegeben wurde.«

»Wie wurde es in meine Macht gegeben?«

Jesus blieb ruhig und sagte: »Moses und die Propheten haben meinen Tod vorherverkündet, und meine Auferstehung.«

Die Juden hatten gelauscht und alles gehört. Sie kamen nach diesen Worten prompt in den Saal gestürmt und fragten Pilatus: »Was hast du davon, diese Lästerung anzuhören?«

Pilatus fertigte sie ab: »Wenn diese Rede eine Lästerung ist, so nehmt ihr ihn doch, führt ihn in eure Synagoge und richtet ihn nach eurem Gesetz!«

Sie antworteten: »In unserem Gesetz steht: Wenn ein Mensch sich gegen einen Menschen verfehlt, so soll er 40 Schläge weniger einen erhalten, wer aber Gott lästert, soll durch Steinigung gesteinigt werden.«

Pilatus ging ausschließlich das römische Gesetz etwas an, er wiederholte nur: »Nehmt ihr ihn doch und bestraft ihn nach eurem Belieben!«

Damit kehrte die ganze kafkaeske Veranstaltung zum Anfangspunkt zurück. Die Männer beharrten darauf: »Wir wollen, dass er gekreuzigt werde.«

Pilatus blieb standhaft: »Er verdient den Kreuzestod nicht.«

Er schaute sich die herumstehenden Menschen an. Er sah, wie viele von den Juden weinten, und stellte fest: »Nicht das ganze Volk will, dass er sterbe.«

Die Ältesten aber erklärten stur mit der gleichen Anmaßung wie zuvor: »Deshalb sind wir, das ganze Volk, gekommen, damit er sterbe.«

Ja ja, das ganze Volk seid ihr paar Angeber, mag Pilatus gedacht haben. Einen nach dem anderen Punkt hatten sie vorgetragen, von der Behauptung, Jesus hielte sich für einen König über die Missachtung des Sabbat und die angebliche Fähigkeit, ein riesiges Gebäude in drei Tagen abreißen und aufbauen zu können bis zur unehelichen Geburt. Aber alles, was diese Menschen, die sich für das ganze Volk hielten, gesagt hatten, war keine Bestrafung, schon gar nicht eine Hinrichtung wert. Noch einmal fragte Pilatus die Ankläger: »Weshalb soll er sterben?«

Sie antworten: »Weil er sich Sohn Gottes und König genannt hat.«

Nun trat Nikodemus, der bisher geschwiegen hatte, vor den Statthalter und sagte mit ruhiger, aber fester Stimme: »Ich bitte, Verehrungswürdiger, mir wenige Worte zu gestatten.«

Pilatus war inzwischen kurz angebunden: »Sprich!«

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Na endlich, lieber Nick, du hast ja ganz schön lange nur zugehört. Wir sind gespannt, was du zu sagen hast…

Fortsetzung? Na klar, die folgt.

Dienstag, 9. November 2010

Was der weise Nick erlebt und erzählt hat - Teil 2

Wer den ersten Teil sucht, wird hier fündig: [Teil 1]

Jetzt wird es etwas kafkaesker...

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Einige Zeit später kam es dann doch zur Anklage gegen Jesus, Nikodemus konnte sich nicht durchsetzen, obwohl er einer der führenden Gelehrten war und blieb. Die religiösen Führer beschlossen schließlich, Jesus mit Hilfe der römischen Besatzer des Landes aus dem Weg zu schaffen.

In den vergangenen Monaten waren einige spektakuläre Wunder berichtet worden, sogar einen Toten hatte Jesus auferweckt, nicht weit von Jerusalem entfernt. Viele Bewohner der Stadt machten sich auf, um Lazarus, den Auferweckten, mit eigenen Augen zu sehen. Der geistlichen Elite entglitt immer mehr die Macht über das Volk. In den Führungszirkeln wurde beratschlagt, ob es nicht besser sei, auch diesen Lazarus zu töten, bevor Jesus noch mehr Zulauf bekam – ihn selbst wollte man auf jeden Fall bei seinem nächsten Auftreten in Jerusalem unschädlich machen.

Es gelang ihnen auch, Jesus mit einer nächtlichen Aktion gefangen zu nehmen und vor das zuständige Gericht zu bringen. Nikodemus hat, den eingangs erwähnten Schriften zufolge, einen genauen Bericht zusammengestellt, für den leitenden Priester und seine Zeitgenossen aufgeschrieben, was sich in der Präfektur des Statthalters Pilatus abgespielt hat. Und damit kommen wir zu den kafkaesken Szenen.

Pilatus war der vom römischen Kaiser eingesetzte Präfekt, er hatte die Aufgabe, in dieser aufrührerischen Provinz für Ordnung zu sorgen. Die Rechtsprechung gehörte zu seinen Pflichten, und wie sich an diesem Prozess zeigte, nahm er seine Aufgabe gewissenhaft wahr. Er gab sich Mühe, nicht irgend ein Urteil zu fällen, sondern Recht zu sprechen.

Um die Ratssitzung abzuhalten, kamen die Hohenpriester und Schriftgelehrten Annas und Kaiphas, Semes, Dathaes und Gamaliel, Judas, Levi und Nephthalim, Alexander und Jairus und weitere führende Juden zu Pilatus, um Jesus wegen vieler Vergehen anzuklagen. Sie trugen ihre Vorwürfe vor: »Wir wissen, dass dieser der Sohn des Zimmermanns Joseph ist, von Maria geboren; trotzdem behauptet er, er sei Sohn Gottes und König. Außerdem schändet er auch den Sabbat, und er will unser väterliches Gesetz abschaffen.«

Pilatus war wenig über die Vorgänge informiert, aber Gesetzlosigkeit war natürlich nicht in seinem Sinne. Er fragte nach: »Was ist es denn, was er tut, dass er es abschaffen will?«

Darauf erklärten die Ankläger: »Wir haben ein Gesetz, dass man am Sabbat keinen heilen darf. Dieser aber hat Lahme und Bucklige, Verdorrte und Blinde und Paralytiker, Taubstumme und Besessene geheilt, und zwar am Sabbat mit üblen Handlungen.«

Pilatus wunderte sich über diese merkwürdige Anschuldigung: »Mit welchen üblen Handlungen?«

Beelzebub, a.k.a. Luzifer /WikiCommons)Sie entgegneten ihm ausweichend: »Ein Magier ist er und mit Beelzebul, dem Herrscher der Dämonen, treibt er die Dämonen aus, und alles ist ihm untertan.«

Pilatus, dem die jüdischen Dämonenlehren fremd waren, sah sich zum Widerspruch und zum Verweis auf seine Religion genötigt: »Das kann es nicht sein, mit einem unreinen Geist die Dämonen auszutreiben, sondern das kann nur mit dem Gott Asklepios geschehen!«

Der Gott Asklepios hieß bei den Römern Aesculapius, wir kennen in unserer Zeit meist den Namen Äskulap. Sein Stab, um den sich eine Schlange windet, ist bis heute das Symbol des ärztlichen und pharmazeutischen Standes und er ziert auch die Flagge der Weltgesundheitsorganisation. Der Ursprung dieses Symbols hat mit etwas zu tun, was Jesus in seinem nächtlichen Gespräch mit Nikodemus erwähnt hatte: »Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.«

Nikodemus war natürlich bekannt, worum es bei dieser Begebenheit ging. Zur Zeit des Mose war das Volk von Schlangen angegriffen worden, Mose bat Gott um Erbarmen. Daraufhin sprach Gott zu Mose: »Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.«

Die Schriftgelehrten gingen nun im Prozess auf diese Frage nicht weiter ein, sie vermieden auch eine Antwort darauf, dass nur der Gott Asklepios für wundersame Heilungen zuständig sein konnte, sondern sie sagten zu Pilatus: »Wir bitten deine Hoheit, ihn vor deinen Richterstuhl zu stellen und zu verhören.«

Pilatus hatte die einleitenden Worte der Ankläger noch im Ohr. Er erkannte einen Kompetenzkonflikt und rief sie näher heran. Er fragte in vertraulichem Ton: »Sagt mir! Wie kann ich, der ich Statthalter bin, einen König verhören?«

Sie erklärten: »Wir behaupten nicht, dass er ein König ist, sondern dass er sich dafür ausgibt.«

Das beruhigte den Statthalter ein wenig, aber er blieb vorsichtig. Pilatus rief seinen Läufer und trug ihm auf: »In rücksichtsvoller Weise soll Jesus vorgeführt werden.«

Ein Läufer war ein Dienstbote, ein Nachrichtenüberbringer. Statt Soldaten zu schicken, um den Gefangenen vorzuführen, wie es sich die Ankläger wohl vorgestellt hatten, wählte Pilatus eine eher dezente Einladung als eine Vorladung vor den Richterstuhl.

Der Läufer ging hinaus, und als er Jesus erkannte, erwies er ihm seine Ehrfurcht. Er nahm ein Tuch, das er in seiner Hand hatte, breitete es auf dem Boden aus und sprach zu ihm: »Herr, wandle auf diesem und geh hinein. Denn es ruft dich der Statthalter.«

Als aber die Neugierigen, die im Gericht herumstanden, sahen, was der Läufer tat, schrien sie gegen Pilatus und schimpften: »Weshalb hast du ihn nicht von einem Herold holen lassen statt von dem Läufer?«

Das Verhalten des Läufers war tatsächlich nur dann angebracht, wenn es um einen König ging. Und einen König lud man nicht mit einem normalen Diener zu sich ein, sondern man schickte einen Herold, einen offiziellen, an einen Ehrenkodex gebundenen Gesandten. Heute würden wir das Wort Diplomat wählen. Und einen König, das hatte Pilatus ja eben richtig festgestellt, konnte man nicht vor einen Statthalter laden, um Gericht über ihn zu halten.

Pilatus hörte den Tumult und rief den Läufer zu sich, noch bevor er Jesus in den Gerichtssaal führen konnte. Er fragte: »Weshalb hast du das getan und dein Tuch auf dem Boden ausgebreitet und Jesus darauf wandeln lassen?«

Der Läufer war sich keines Vergehen bewusst, er antwortet: »Herr Statthalter, als du mich neulich nach Jerusalem zu Alexander schicktest, sah ich diesen Jesus auf einem Esel sitzen, und die Kinder der Hebräer hielten Zweige in ihren Händen und schrien; andere aber breiteten ihre Gewänder vor ihm aus, wobei sie ausriefen: Rette doch, der du weilst in den Höhen! Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn!«

Da unterbrachen die Schriftgelehrten den Läufer mit lautem Geschrei: »Die Kinder der Hebräer riefen doch auf hebräisch, woher weißt du es auf griechisch?«

Der Läufer erwidert ihnen nüchtern: »Ich fragte einen der Juden: Was ist das, was sie auf hebräisch rufen? Und der Jude hat es mir übersetzt.«

Nun mischte sich Pilatus ein, das wollte er genauer wissen, denn wenn das stimmte, dann hielt das Volk diesen Jesus tatsächlich für einen durch göttliche Vorsehung Auserwählten. Dann hatte er es vielleicht doch mit einem König, zumindest einem zukünftigen König, zu tun. Er fragte: »Was riefen sie denn auf hebräisch?«

Die Juden antworteten mit den geläufigen Worten aus dem Psalm 118, die beim Einzug eines Königs üblich waren: »hôschi'âhnâ' bi-merômin barûch habbâ' be-schem 'adônai.«

Pilatus nickte und verstand kein Wort. Er fragte weiter: »Und das Hosanna und so weiter, wie wird das übersetzt?«

Sie antworteten: »Rette doch, der du weilst in den Höhen! Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn!«

Da sagte Pilatus zu ihnen, nicht ohne Sarkasmus in der Stimme: »Wenn ihr die Äußerungen der Kinder bestätigt, was hat dann der Läufer eigentlich falsch gemacht?«

Nun verstummten sie.

Der Statthalter sprach jetzt wieder mit dem Läufer: »Geh hinaus und, auf welche Art du willst, führe ihn herein!«

Da ging der Läufer hinaus und verfuhr nach der vorigen Weise, indem er wieder ein Tuch wie für einen König auf den Boden legte, und sprach zu Jesus: »Geh hinein! Der Statthalter ruft dich.«

Als Jesus hineinging, während die Standartenträger die Standarten hielten, da verneigten sich die Bilder auf den Standarten und erwiesen Jesus Ehrfurcht. Als die Juden das Verhalten der Standarten sahen, wie sie sich neigten und Jesus Ehrfurcht erwiesen, da schrien sie überlaut und schimpften auf die Standartenträger. Ein Sturm der Entrüstung tobte. Pilatus musste ziemlich energisch werden, bis wieder Ruhe eintrat. Dann fragte er die aufgebrachten Ankläger: »Staunt ihr nicht darüber, wie die Bilder sich neigten und Jesus Ehrfurcht erwiesen?«

Die Standarte war ein an einer Stange gehisstes Feldzeichen, meist ein plastisches Bild, das den Sammlungsort eines Truppenteils in der Schlacht markierte und so zur Insignie dieses Truppenteils wurde. Es könnte sich im Gerichtssaal um die Aquila gehandelt haben, die einen Adler darstellte. Mag sein, dass andere Bilder auf den beiden Standarten waren, jedenfalls waren es Bilder, Gegenstände. So etwas verneigt sich nicht.

Die Schriftgelehrten waren noch immer voller Wut und behaupteten: »Wir sahen, wie die Standartenträger diese neigten und ihm Ehrfurcht erwiesen.«

Der Statthalter hatte nichts derartiges bemerkt, aber er rief die Standartenträger zu sich und stellte sie zur Rede: »Warum habt ihr das getan?«

Sie antworten: »Wir sind griechische Männer und im Tempeldienst. Welchen Anlass sollten wir also haben, ihm Ehrfurcht zu erweisen? Wir hielten die Bilder; diese aber neigten sich von sich aus und erwiesen ihm Ehrfurcht.«

Daraufhin sagte Pilatus zu den Synagogenvorstehern und den Ältesten des Volkes: »Wählt ihr tüchtige und kräftige Männer aus, sie sollen die Standarten halten! Dann wollen wir sehen, ob sie sich von sich aus neigen.«

Das ließen sich die Ältesten der Juden nicht zweimal sagen, sie wählten zwölf tüchtige und kräftige Männer aus und ließen sie jeweils zu sechst die beiden Standarten halten, sie mussten vor dem Richterstuhl des Statthalters Aufstellung nehmen. Die Männer standen felsenfest und hielten die Stangen unbeweglich fest.

Pilatus beauftragte nun den Läufer: »Führe Jesus aus dem Praetorium hinaus und wieder herein, auf welche Art du willst!«

Jesus verließ mit dem Läufer das Praetorium. Pilatus holte derweil die bisherigen Träger der Bilder zu sich und erklärt ihnen halblaut: »Ich habe beim Heil des Kaisers geschworen, wenn die Standarten beim Eintritt Jesu sich jetzt nicht verneigen, dass ich dann euch die Köpfe werde abschneiden lassen.«

Die Männer wurden ziemlich blass, aber sie hatten sich andererseits nichts vorzuwerfen, sie hatten nichts falsch gemacht und schon gar nicht ihre Dienstpflichten verletzt. Sie konnten ja nichts dafür, wenn hier sonderbare Phänomene auftraten. Trotzdem: Ein Kopf rollte damals noch leichter von den Schultern als heutzutage. Die Atmosphäre war recht mulmig.

Pilatus befahl, Jesus solle zum zweiten Mal eintreten, der Läufer verfuhr wie vorher, und inständig forderte er Jesus auf, sein Tuch zu betreten. Jesus betrat es und ging hinein. Als er hineinging, neigten sich wieder die Standarten und erwiesen Jesus ihre Verehrung. Die eigentlichen Standartenträger atmeten hörbar erleichtert auf. Keine Köpfe würden rollen, zumindest nicht ihre.

Pilatus hatte natürlich sehr genau hingeschaut. Als er sah, wie sich die Bilder verneigten, geriet er in Furcht und wollte vom Richterstuhl aufstehen. Das hätte den Abbruch der Verhandlung bedeutet – ein einladend einfacher Ausweg aus diesem Tohuwabohu. Während er noch ans Aufstehen dachte, kam jemand in den Gerichtssaal, den seine Frau zu ihm geschickt hatte. Sie ließ ihrem Mann sagen: »Habe du nichts mit diesem Gerechten zu tun! Denn ich habe in der Nacht viel seinetwegen ausstehen müssen.«

Daraufhin rief Pilatus alle Ankläger herbei und sagte zu ihnen: »Ihr wisst, dass meine Frau gottesfürchtig ist, und mehr noch, sie judaisiert mit euch!«

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Tja. Ist sie nun wirklich gottesfürchtig und judaisiert sich mit dem Volk? Und wird der weise Nikodemus weiter nur zuhören oder auch einmal das Wort ergreifen?

Fortsetzung folgt...

Sonntag, 7. November 2010

Was der weise Nick erlebt und erzählt hat - Teil 1

Das alles ist lange her, und vieles aus seinem Leben ist vergessen und verloren. Anderes wird noch heute wieder und wieder erzählt, bedacht, interpretiert und geglaubt oder bezweifelt. Ich stieß neulich auf ein Dokument, das von manchen Fachleuten verworfen, von anderen verteidigt wird; verworfen meist, weil es nicht der offiziellen Linie, der sogenannten reinen Lehre entspricht. Es lagert – dem Internet sei es gedankt – nun nicht mehr nur in staubigen Archiven, sondern wer es lesen möchte, der braucht nur einen Computer und den Zugang zum weltweiten Datennetz. (Die Quellen werde ich am Schluss der Geschichte verlinken.)
Es geht um einen Prozess. Nicht den Prozess, den Franz Kafka zum Gegenstand eines hervorragenden Romanes gemacht hat, aber die Szenen, die in jenem Dokument geschildert werden, könnte Franz Kafka ersonnen haben, so grotesk, geradezu kafkaesk, erscheint dem Leser manches. Jedoch entstand das Dokument schon lange vor seiner Zeit. Wann die ersten Aufzeichnungen wirklich niedergeschrieben wurden, weiß wohl niemand zu sagen, von vielen Forschern wird das Jahr 425 oder 426 unserer Zeitrechnung angenommen. Die Geschichte zog mich in ihren Bann und so habe ich es unternommen, sie meinen Lesern anhand des Dokumentes, aber durchaus auch mit eigenen Worten ergänzt, zu erzählen. Manches ist uns heutzutage kaum verständlich, wenn es nicht ein wenig erläutert wird, das habe ich versucht, beim Erzählen zu tun.
Wie viel von diesem Bericht der Wahrheit entspricht, wie viel ersonnen ist, das wollen wir nicht untersuchen. Es ist eine – so meine ich und hoffe ich – für viele Leser spannende Erzählung, und darauf kommt es an. Fachbücher zum Thema mögen andere verfassen.

Am Beginn steht eine Begebenheit, die vielen Lesern wohl vertrauter ist als das, was später folgt, da der Bericht in den Kanon der als authentisch geltenden Schriften aufgenommen wurde.
Unter den Pharisäern, eine Partei unter den Juden, die auf strengste Auslegung und Beachtung der Gesetze bedacht war, gab es einen Mann mit Namen Nikodemus, er war ein Oberster der Juden. Die Obersten, das waren angesehene und reiche Menschen, einflussreich und geachtet. Darüber hinaus galten sie als gelehrt und weise, was ja auch notwendig war, denn die Pharisäer unterrichteten andere.
Dieser Nikodemus kam bei Nacht zu Jesus und sprach ihn an: »Mein Meister, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen, denn niemand kann diese Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.«
ein weiser Rabbi - WikiCommonsMancher stutzt schon hier. Wir suchen niemanden mehr nach der Tagesschau auf, schon gar nicht jemanden, der nicht zur Familie oder den engsten Freunden gehört. Ein später Besuch war es tatsächlich, und ein offensichtlich höflicher Besucher. »Mein Meister«, das war eine sehr respektvolle Anrede für geistliche Lehrer im Spätjudentum. Die nächtliche Stunde erklärt sich daraus, dass es zu den Gepflogenheiten der jüdischen Gelehrten gehörte, sich bei Nacht mit den Geheimnissen der Tora, der heiligen Schriften, zu befassen. Dies rührte, so meinen die Forscher und Geschichtsschreiber, aus einem Psalm her, in dem es heißt: »Preiset den Herrn, alle Diener des Herrn, die ihr in den Nächten im Hause des Herrn steht.«
Ein Schüler der Tora fragte einst: »Was heißt: in den Nächten?«
Rabbi Jochanan, seinerzeit der führende Kenner und Ausleger, erwiderte: »Das sind die Schriftgelehrten, die sich nachts mit der Tora befassen. Die Schrift rechnet es ihnen an, als würden sie sich mit dem Opferdienst befassen.«
Nikodemus handelte also nicht ungewöhnlich, als er nachts zu Jesus kam, und auch Jesus war die nächtliche Beschäftigung mit den heiligen Schriften nicht fremd, sondern eine gute Gewohnheit. Er hatte zu seinen Jüngern einmal gesagt: »Was ich euch im Dunkeln sage, davon redet später am hellen Tag.«
Nikodemus war nun sicher gespannt, wie Jesus angesichts des Widerstandes, den er gerade von den Schriftgelehrten gewohnt war, darauf reagieren würde, dass er, der Pharisäer, ihn als »Lehrer, der von Gott gekommen ist«, als geistlichen Lehrer, als seinesgleichen, anerkannte.
Jesus antwortete: »Ich sage dir etwas Unabänderliches: Wenn jemand nicht von oben her geboren wird, kann er die Königsherrschaft Gottes nicht sehen.«
Nun ja, das war zwar keine Reaktion auf die Anrede und die ehrenhaften Worte, aber doch ein Einstieg in ein Gespräch, wie es unter geistlichen Lehrern üblich war. Es ist auch durchaus denkbar, dass derjenige, der diese Begebenheit damals aufgeschrieben hat, so manche Floskeln und Höflichkeiten nicht erwähnte, sondern sich auf den Kern des Gespräches konzentrierte. Man schrieb, denn die Schreibmaterialien waren teuer und rar, nur das wirklich Wichtige auf.
Nikodemus reagierte mit einer rhetorischen Frage: »Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er etwa zum zweiten Mal in den Leib seiner Mutter hineingehen und geboren werden?«
Dass dieses Verfahren nicht möglich war, verstand sich von selbst. Der Gelehrte wollte eine genauere Erklärung hören, was Jesus mit dieser »Geburt von oben her« wohl meinen mochte, und er bekam auch eine Antwort.
Jesus erklärte: »Ich versichere dir bei Gott: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in die Königsherrschaft Gottes hineingehen. Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, ist Geist. Wundere dich nicht, dass ich dir sagte: Ihr müsst von neuem geboren werden. Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.«
In unserer, der deutschen Sprache, sind Wind und Geist verschiedene Worte, meist wird das Gesagte so wiedergegeben wie eben zitiert, weil mit dem Geist ein hörbares Sausen gedanklich eher nicht zusammenpasst. Doch was wissen wir schon vom Geist Gottes, von dem hier die Rede ist? In den heiligen Schriften ist auch von seinem Sausen, von großem Getöse wie bei einem Sturm gar, die Rede. Doch wollen wir hier nicht abschweifen.
Nikodemus, noch nicht so ganz zufrieden, antwortete wieder mit einer Frage: »Wie kann dies geschehen?«
Jesus reagierte nun etwas verwundert: »Du bist der Lehrer Israels und weißt das nicht? Ich sage dir mit Gewissheit: Wir reden, was wir wissen, und bezeugen, was wir gesehen haben, und unser Zeugnis nehmt ihr nicht an. Wenn ich euch das Irdische gesagt habe, und ihr glaubt nicht, wie werdet ihr glauben, wenn ich euch das Himmlische sage? Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen. Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe. Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn, einzig in seiner Art, gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn errettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an den Namen des einzig geborenen Sohnes Gottes. Dies aber ist das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Arges tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden; wer aber die Wahrheit tut, kommt zu dem Licht, damit seine Werke offenbar werden, dass sie in Gott gewirkt sind.«
Ob Nikodemus weitere Fragen hatte, oder ob er das alles durchdenkend nach Hause gegangen ist, um zu nächtlicher Stunde die Tora diesbezüglich zu studieren, ist uns nicht überliefert. Der Bericht über die Unterredung endet an dieser Stelle. Spurlos an Nikodemus vorbeigegangen ist dieses Gespräch jedenfalls nicht, denn er meldete sich später öffentlich zu Wort, als seine Kollegen Jesus loswerden wollten.

Die Feindschaft der Pharisäer und Schriftgelehrten hatte ihren Grund, denn was dieser Jesus tat und lehrte, gefiel zwar dem Volk, aber es widersprach allen gängigen Auslegungen der Tora. Der Messias, der von Gott versprochene Retter, sollte – so hatte es auch der Prophet Johannes vor einer Weile öffentlich verkündet – mit Feuer vom Himmel und eisernem Besen für Ordnung sorgen. Man ging selbstverständlich davon aus, dass der Messias das jüdische Gesetz bis auf das letzte Pünktchen und Komma beachten und halten, gegen keine einzige der Vorschriften verstoßen würde. Schon dadurch, dass er am Sabbat Menschen heilte, schied Jesus daher als Christus, als Erretter aus.
Das Volk hingegen jubelte. Jesus war nach Jerusalem gekommen, und er wurde mit Ritualen empfangen, wie sie nur einem König gebührten, mit Mänteln und Tüchern auf der Straße, mit Palmwedeln und Zitaten aus den Schriften, die auf einen normalen Menschen gar nicht angewendet werden durften. Davon werden wir noch etwas später, beim Prozess, noch mehr hören.
Das Volk versammelte sich inzwischen regelmäßig und in großer Zahl, um Jesus zuzuhören, wenn er öffentlich im Tempel lehrte. Einige aus der Volksmenge sagten, wenn sie ihn hörten: »Dieser ist wahrhaftig der Prophet.«
Andere gingen noch weiter: »Dieser ist der Christus.«
Wieder andere zweifelten: »Der Christus kommt doch nicht aus Galiläa? Hat nicht die Schrift gesagt: Aus der Nachkommenschaft Davids und aus Bethlehem, dem Dorf, wo David war, kommt der Christus?«
Es entstand seinetwegen neben all dem Jubel auch eine Spaltung in der Volksmenge. Einige von denen, die besonders frommen Verteidiger des Gesetzes waren, wollten ihn greifen, aber keiner legte die Hände an ihn.
Auch nicht die Abgesandten der religiösen Elite. Die Pharisäer und Priester hatten ihre Diener losgeschickt, um Jesus zu ergreifen. Es war ihnen zu Ohren gekommen, dass man ihn für den Christus, für den von Gott versprochenen Erlöser hielt. Und es blieb ihnen nicht verborgen, dass mit dem Zulauf zu Jesus ihr eigener Einfluss schwand. Die Kundschafter, die bei den Diskussionen und den Reden Jesu zugehört hatten, kamen jedoch mit leeren Händen zu den Hohenpriestern und Pharisäern zurück. Diese fragten ziemlich unwirsch: »Warum habt ihr ihn nicht gebracht?«
Die Diener antworteten: »Niemals hat ein Mensch so geredet wie dieser Mensch.«
Da schimpften die Pharisäer: »Seid ihr denn auch verführt? Hat wohl jemand von den Obersten an ihn geglaubt, oder von den Pharisäern? Diese Volksmenge aber, die das Gesetz nicht kennt, sie ist verflucht!«
Man hielt sich für etwas Besseres als das gemeine Volk, schließlich hatten die Pharisäer den Durchblick durch alle geistlichen Dinge und sie beherzigten alle Gesetze außerordentlich genau. Es ging ja nicht an, dass die ungelehrten Scharen nicht mehr dem folgten, was die studierten Lehrer zu sagen hatten, dass das Volk einem Lehrer aus Nazareth nachfolgte, der überhaupt kein ordentliches Torastudium vorzuweisen hatte. Nikodemus, der ja einer von ihnen war, musste an dieser Stelle des Gespräches allerdings widersprechen: »Richtet denn unser Gesetz den Menschen, ehe es vorher von ihm selbst gehört und erkannt hat, was er tut?«
Seine Kollegen wiesen ihn schroff zurecht und rieten ihm, seine Hausaufgaben zu machen: »Bist du etwa auch aus Galiläa? Forsche und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet aufsteht!«
Das hatte Nikodemus, so nehmen wir getrost an, bereits getan. Er hatte ja von Jesus selbst gehört, was er tat, statt sich auf das Hörensagen zu verlassen.
Immerhin war auf diesen Einwand von Nikodemus hin die Beratung erst einmal zu Ende und jeder ging in sein Haus.

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Fortsetzung folgt

Samstag, 6. November 2010

Was täte die Unterschicht, wenn sie RTL nicht hätte?

Das Medienmagazin proKOMPAKT hat in seiner Ausgabe 44-2010 einen lesenswerten, recht nüchternen Bericht über die Sendung »Das Medium« veröffentlicht, den es auch online gibt: Super Nanny für die Toten

Ziemlich am Anfang heißt es darin:

Der Sender blieb sich und seinem Image als „Unterschichten-Fernsehen“ (Harald Schmidt) treu.

Das ist doch aber keine Überraschung, oder? Von diesem oder ähnlichen Sendern wird doch wohl niemand ernsthaft Qualität oder Niveau erwarten wollen. Doch JS, der Autor des Beitrages in proKOMPAKT, hat - vielleicht aufgrund der aufgeregten Diskussionen vor der Sendung - etwas anderes, einen Skandal, Okkultes oder Anrüchiges womöglich, erwartet, denn er schreibt in dem Artikel:

Der Skandal ist, für wie doof RTL seine Zuschauer hält. Dennoch bleibt zu befürchten, dass Millionen von Zuschauern glauben, was RTL ihnen da auftischt.

Ich erkenne keinen Skandal. RTL hält seine Zuschauer für doof und liegt damit genau richtig. Sonst würde das Geschäftsmodell ja nicht funktionieren - die Einschaltquoten beweisen, wie stark die Unterschicht in Deutschland ist und wie es um den Intellekt – oder die Gleichgültigkeit bezüglich der TV-Berieselung - bestellt ist. Menschen, die RTL einschalten, möchten gerne niveaulosen Schund sehen, möchten nicht denken, möchten nichts lernen oder wissen, möchten weder Bildung noch Werte erwerben. Andernfalls würden sie ja nicht dieses Programm wählen. Es bleibt also nicht zu befürchten, wie proKOMPAKT schreibt, dass Millionen von Zuschauern glauben, was RTL ihnen auftischt, sondern es ist so.
Zu diesem Schluss kommt letztlich auch der Autor des Artikels, denn er stellt gegen Ende seiner Zeilen die wohl rhetorische Frage:

RTL, was täte die Unterschicht, wenn sie Dich nicht hätte?

Eben.

Freitag, 5. November 2010

Das dauert noch

Was sind das denn für Leute?Es wird – bald, ziemlich bald – hier eine neue Erzählung beginnen, aber daran arbeite ich noch. Das ist ja an und für sich kein Hindernis, zumindest schon mal den Beginn zu veröffentlichen, aber gerade die ersten Sätze sind noch etwas störrisch und wollen nicht so klingen, wie es mir vorschwebt.

Da ich zur Zeit mehrere Projekte, zum Teil recht kompliziert, zu bewältigen habe, für die dann auch eine Rechnung geschrieben werden kann, muss der kostenlose Blogservice die zweite Geige zu spielen versuchen. Oder anders ausgedrückt: Das dauert noch, bis hier wieder eine Erzählung beginnt. Die wird voraussichtlich etwa vier bis fünf Teile in verträglicher Länge haben.

Wer sich nun zu Tode langweilt, kann ja eines meiner Bücher lesen. Apropos »zu Tode«: Eine frische Rezension zu »Gänsehaut und Übelkeit« gibt es in Amazonien: Christof Lenzen über das Buch.

Mittwoch, 3. November 2010

Bleistift und Block

bleistift1 »Ich klaue bei IKEA diese kleinen Bleistifte, die finde ich so herrlich. Wenn ich zu IKEA gehe, nehme ich nicht nur einen, sondern immer fünf, und damit schreibe ich. Die hab ich neben dem Bett, neben dem Schreibtisch und in allen Taschen.« -Elke Heidenreich

Der Bleistift ist ja seit dem 18. Jahrhundert kein solcher mehr, da die Mine nicht aus Bleierz, sondern aus einem Graphit-Ton-Gemisch hergestellt wird. Eigentlich handelt es sich um Etikettenschwindel, doch darüber sei hier gnädig hinweg gesehen, denn es soll ja nicht um das Schreibwerkzeug an und für sich gehen, sondern darum, welche Zeilen entstanden, als ich neulich einen alten, vergilbten Block unbekannter Herkunft und einen Bleistift der Marke Staedtler 123 60 2 HB, übrigens keineswegs bei IKEA geklaut, zur Hand nahm:

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Ein Bleistift und ein vergilbtes Blatt, kariert, von einem Block abgetrennt. Die Handschrift, die in Zeiten der omnipräsenten Tastaturen fast in Vergessenheit gerät. Kann denn aus solchen Zutaten etwas entstehen, wachsen, sich entwickeln?

Gedanken, die zurück eilen in der Zeit: Die ersten Schreibversuche abseits des schulischen Pflichtprogramms, seinerzeit natürlich ohne maschinelle Mittel. Unbeholfene Versuche, Empfundenes in Schrift zu fassen. Peinliche Entgleisungen ins Kitschige und Banale. Ab und zu jedoch Zufriedenheit mit zu Papier gebrachten Zeilen. Jedoch: verstanden nur von mir; das familiäre Publikum lediglich freundlich Beifall zollend, man darf und soll ja Kindern nicht die Freude an kreativem Tun rauben.

Dann pubertäre Wortergüsse, sie gingen einher mit heimlichen Ergüssen körperlicher Art. Uneingestandenes Verliebtsein, denn Eingeständnis birgt Zurückweisung und Enttäuschung. Schreiben statt dessen, die Phantasie beflügelt von Hormonen. Die Ergebnisse des Schreibens blieben streng geheim, gehütet unter Büchern im Regal, getarnt, verborgen von Hemmingway und Böll, durchaus auch May.

bleistift2 Ein neues Blatt, der Stift frisch angespitzt. Wie damals, als es noch Buntstifte gab, mit denen in der Schule zu zeichnen und zu Hause zu malen ein Vergnügen war. Die Ergebnisse noch weniger präsentabel als das meiste Geschriebene. Zum Maler oder Zeichenkünstler, das war mir bald klar, taugte ich nicht.

Und heute nun, so viele Jahre später, höre ich wieder das Geräusch der Mine, wenn sie auf dem Block ihre Spuren hinterlässt. Ein ganz und gar mit dem Klackern der Tastatur unvergleichbares Geräusch. Es hat etwas Heimliches, Verschworenes, Sinnliches. Ob öfter mal der Bleistift zur Hand genommen werden sollte? Wie damals, als die Notizen und Entwürfe so entstanden – um später mit der Schreibmaschine abgeschrieben zu werden. Und dann der erste Erfolg, als der »Tropfenfänger«, die Schülerzeitung des Gymnasiums, die erste Kurzgeschichte abdruckte.

Meine Erzählung, in einer Auflage von 500 gedruckt! Anerkennung von Schulfreunden, aber auch von Fremden. Nachdruck dann in einem lokalen Anzeigenblatt, das wohl um Inhalte neben der Reklame arg verlegen war. Das erste Honorar: 20 Mark.

Am Anfang war der Bleistift, am Anfang war der Block. Der Bleistift sprach zum Block: Es werde eine Geschichte! Der Block antwortete: Nur zu! Ich musste nur die Mine führen, der Rest ging wie von selbst.

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Sollte ich wohl öfter zum Bleistift greifen? Was meinen denn die hoch geschätzten Blogbesucher?

Montag, 1. November 2010

Bob Dylan: Stimmung ohne Stimme

Es ist schon ein einzigartiges Völkchen, das die Fangemeinschaft des Herrn Bob Dylan bildet. Nichts, aber auch gar nichts kann diese Menschen davon abhalten, zu den Konzerten zu pilgern und/oder sich wenige Stunden nach dem jeweiligen Konzert die Aufnahme desselben herunterzuladen.

Ich bin offensichtlich kein »Hardcore-Fan«, denn ich lade nicht das beinahe tägliche Konzert auf meinen Computer und ich weiß auch nicht so recht, ob ich – falls Bob Dylan wie vorgesehen 2011 nach Europa kommt – mir einen Konzertbesuch vornehmen möchte. Die letzten Konzerte, die ich besucht habe, waren gut, ich habe angenehme Erinnerungen, aber beim letzten Auftritt in Berlin war es schon so, dass kaum noch ein verständliches Wort aus dem Munde des Herrn Dylan kam, sicher ist das auch der Akustik in der Max-Schmeling-Halle geschuldet, für Konzerte taugt diese Halle nun wirklich nicht. Aber hauptsächlich liegt es daran, dass da ein Sänger ohne Stimme singt.

Warum er mit knapp 70 Jahren überhaupt noch dermaßen fleißig die Welt bereist, ist jedem Konzertbesucher klar: Er hat Spaß an dem, was er da tut. Er lebt sichtlich auf, wenn er auf einer Bühne steht. Und das ist auch völlig richtig, gut so und soll so bleiben. Bleiben werden auch die Fans, die mitreisen von Auftritt zu Auftritt und die schon zwei Stunden nach Ende eines Konzertes Entzugserscheinungen bekommen, weil der Download noch nicht bereit steht.

Aber will ich Bob Dylan nicht vielleicht lieber von CD oder Schallplatte hören? Ich höre mir so etwa alle drei bis vier Monate eines seiner Konzerte an, zuletzt Talahassee aus dem Oktober 2010. Hier ist ein Ausschnitt daraus, der Song, der seit Jahren am Schluss der Konzerte steht, LARS, a.k.a. Like a Rolling Stone:

Und? Will ich das, was von seiner Stimme noch übrig ist, wirklich zwei Stunden genießen, wenn es doch zu Hause so viele LPs und CDs gibt, die mir mit jedem Hören gleich lieb und teuer sind? Hmmm…

P.S.: Falls jemand auf den Geschmack gekommen ist: Sämtliche Auftritte sind bei Expecting Rain – oft schon wenige Stunden nach dem Konzert – zum Download vorhanden, kostenlos selbstverständlich. Man gehe zu expectingrain.com, werde Mitglied / registriere sich, beim nächsten Besuch und Login sieht man dann bei Discussions auch die Bereich Requests for Rare Dylan Recordings (dort kann man sich ältere Aufnahmen wünschen) und Rare Dylan Recordings (dort sind alle Konzerte der letzten Jahre und die älteren Aufnahmen, die von jemandem gewünscht wurden, zu finden). Dann muss man nur noch herunterladen und anhören.