Samstag, 27. Dezember 2014

Gelesene Bücher 2014

Wie jedes Jahr seit 2010, als ich erstmals das Jahr über notiert habe, welche Bücher ich gelesen hatte und wie sie mir gefielen, vertraue ich meinem Internettagebuch auch heuer wieder die Liste an – zur eigenen Erinnerung und für interessierte Blogbesucher.

Wie immer steht zuerst der Autor, dann nach den drei Schrägstrichen /// der Titel, dann eine kurze Bemerkung, anschließend – für schlechtes Buch, 0 für durchschnittliches Buch und + für gutes Buch, gefolgt von D für Deutsch oder E für Englisch und schließlich K für Kindle oder P für Papier. Schlechte Bücher sind in roter Schrift, gute in grüner Schrift notiert. Bittesehr:

  1. Acker, Andreas /// Die Beschleunigung der Angst /// Sprachlich ab und zu etwas missglückt, aber durchgehend spannend. /// + /// D /// K
  2. Austen, Jane /// Pride and Prejudice /// Beautiful language but not too much going on. Outdated storytelling /// 0 /// E /// K
  3. Baldacchi, David /// Der Präsident /// Recht spannend, nur gelegentlich langatmig. Passable Übersetzung.  /// + /// D /// K
  4. Daugherty, C.J. /// Night School - Du darfst keinem trauen /// Spannend bis zum Schluss und hervorragend ins Deutsche übersetzt. /// + /// D /// K
  5. Detering, Hermann /// Der gefälschte Paulus /// Höchst interessante Denkanstöße und Theorien. /// + /// D /// K
  6. Diemer, Andreas /// Die fünf Dimensionen der Quantenheilung /// Viel Stoff zum Nachdenken und in Erwägung ziehen. /// 0 /// D /// P
  7. Farrel, Bill & Pam /// Red Hot Romance Tipps for Women /// … typical evangelical American stuff without much relevance in real life. /// - /// E /// P
  8. George, Elizabeth /// Just one evil act /// Much too longwinded, no thrilling story, langauge often uninspired. /// 0 /// E /// P
  9. Grey, Kiara /// Süße Leidenschaft /// So niveaulos wie langweilig. Unglaublich schlecht, keine Grammattik, keine Rechtschreibung, kein Niveau. /// - /// D /// K
  10. Gunaratana, Venerable Henepola /// Mindfulness /// No easy reading, but fundamental information and practical tips. /// 0 /// E /// K
  11. Hattrup, Dieter /// Thomas Mann: Joseph und seine Brüder /// Mit feiner Ironie und lebendig geschilderter Überblick über das große Werk. /// + /// D /// K
  12. Herrndorf, Wolfgang /// Diesseits des Van-Allen-Gürtels /// Unterhaltsam, humorvoll, treffend ... großartige Erzählungen. /// + /// D /// P
  13. Jakubowski, Martin /// Smartphone-Fotografie - Das Praxisbuch /// Interessante Tipps und etliche gute Anregungen. /// 0 /// D /// K
  14. King, Stephen /// Böser kleiner Junge /// Typisch King - unterhaltsam erzählt, gute Geschichte. Nur in Deutsch und Französisch erhältlich. /// + /// D /// K
  15. King, Stephen /// Mr Mercedes /// Thrilling until the last page … superb storytelling! /// + /// E /// P
  16. King, Stephen /// Revival /// Not his best book ever, but a good one anyway. Only the ending ain't no good. /// + /// E /// P
  17. Kumpfmüller, Michael /// Die Herrlichkeit des Lebens /// Anrührend, bezaubernd, wunderbar geschrieben … ein ringsum gelungenes Buch /// + /// D /// P
  18. Lenz, Siegfried /// Zaungast /// Vielfältig, humorvoll, wunderbare Sprache. Was will man mehr. /// + /// D /// P
  19. Lenz, Siegfried /// Deutschstunde /// Ein meisterhafter Erzähler und eine rundum gelungene Geschichte.  /// + /// D /// P
  20. Lenz, Siegfried /// Der Geist der Mirabelle /// Wunderschön und humorvoll erzählt … kleine Alltagsbeobachtungen /// + /// D /// P
  21. Loyd, Alex & Johnson, Ben /// Healing Code /// Zwiespältige Empfindungen … sehr amerikanisch … fragliche Theorien, wirkungslos. /// - /// D /// P
  22. Munro, Alice /// Runaway   /// Melancholy stories, interesting settings … a good book. /// + /// E /// P
  23. Münzer, Hanni /// Honigtot /// Interessante Familiengeschichte in der Nazizeit mit überraschenden Wendungen /// + /// D /// K
  24. Nietzsche, Friedrich /// Also sprach Zarathustra /// Hanebüchener Unfug, nur gelegentlich literarisch ansprechend. /// - /// D /// K
  25. Poets, M.C. /// Mordswald - Hamburgkrimi /// Bleibt spannend bis zum Ende - guter Krimi mit glaubhaften Figuren. /// + /// D /// K
  26. Preston, Douglas /// The book of the dead /// It takes a while to sort and understand all the settings … all in all quite thrilling. /// + /// E /// P
  27. Schilling, Christian /// Besser fotografieren mit Digitalkameras /// Grundlagen verständlich und übersichtlich dargestellt. Hilfreiche Lektüre. /// + /// D /// K
  28. Storm, Erika /// Die Party am See /// Grauenhafter Schund aus der niedrigsten Sprachschublade. /// - /// D /// K
  29. The Daily Post /// Photography 101 /// A very helpful non-fiction book about all aspects of photography /// + /// E /// K
  30. Überlieferter Volksmund /// 100 Fabeln /// Kein thematische oder geographische Sortierung … schlichter Wortschatz. /// 0 /// D /// K
  31. van Heugten, Antoinette /// Mutterliebst /// Deutlich zu langatmig - aber eine spannende Geschichte ist das allemal. /// 0 /// D /// K
  32. Various authors /// Dark Screams. Volume 1 /// Suspense ... thrill ... surprises - a good book! /// + /// E /// K
  33. Zimmer, Undine /// Nicht von schlechten Eltern /// Was das Buch eigentlich will, wird nicht recht klar. Eher ereignislos, unlogisch. /// - /// D /// P
  34. Zweig, Stefan /// Schachnovelle /// Auch nach vielen Jahren beim erneuten Lesen sehr ansprechend und unterhaltsam. /// + /// D /// K

Und noch etwas Statistik: Das sind, genau wie 2013, 34 ausgelesene Bücher. 24 las ich in deutscher, zehn in englischer Sprache. 20 waren sogenannte E-Books, 14 klassisch auf Papier gedruckt.

Wäre ich genötigt, das beste Buch aus der Liste zu nennen, dann würde ich wohl Stephen King – Mr Mercedes wählen. Das schlechteste? Der Kindle-Bestseller (!) Süße Leidenschaft von einer sogenannten Kiara Grey. Wenn ich Kindle-Bücher als Prime Kunde nicht kostenlos ausleihen könnte, wäre ich nie und nimmer auf diese grausliche Lektüre verfallen. Wenn das wirklich ein Bestseller ist, dann steht es sehr schlecht um das Niveau der Kindle-Kunden.

Und nun bin ich gespannt, wie meine Liste 2015 aussehen wird. Angefangen habe ich bereits mit John  Grisham – Sycamore Row. Das wird, so viel weiß ich schon nach rund 50 Seiten, eine grüne Schrift in der Liste des kommenden Jahres erhalten.

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Donnerstag, 25. Dezember 2014

Ein Blick zurück in Dankbarkeit

»Wie 2014 wird, das bleibt abzuwarten. Ich hoffe und wünsche mir und bete darum, am Ende des kommenden Jahres noch am Leben und bei robuster Konstitution zu sein, aber ich weiß auch, dass der Krebs innerhalb weniger Monate den Schlusspunkt unter mein Leben setzen kann. Meine Chancen, dauerhaft gesund zu bleiben, liegen bei 50 Prozent, dem Onkologen im Klinikum zufolge.«

Mit diesen Worten begann ich meinen Jahresrückblick 2013. Ich kann heute einfach die Jahreszahl austauschen … denn die gleiche Hoffnung, auf der »gesunden Seite« der 50 Prozent zu bleiben, wird die beste aller Ehefrauen und mich auch in das Jahr 2015 begleiten.

Weihnachten 2014Mein Rückblick auf 2014 ist ein sehr dankbarer. Zunächst, weil ich noch lebe, denn das ist nicht selbstverständlich. Doch ich lebe nicht nur irgendwie gerade noch so, sondern es geht mir von einigen Malaisen abgesehen sogar sehr gut.

Ich hatte, abgesehen von einem Hörsturz mit seither anhaltendem Tinnitus im Februar, keine neuen gesundheitlichen Probleme. Dass mein Verdauungsapparat deutlich sensibler ist als vor der Krebserkrankung, daran habe ich mich längst gewöhnt und damit kann ich zurechtkommen. Dass der durch einen Unfall bei der Chemotherapie geschädigte rechte Arm mal mehr, mal weniger schmerzt, auch daran habe ich mich längst gewöhnt. Ich bin sogar froh, dass dies so ist, denn in vielen Fällen, das bestätigte meiner Frau kürzlich wieder unser Interviewer von der Krebsforschung der Charité, führt ein solcher, extrem seltener, aber dennoch nicht auszuschließender Unfall zum Verlust des Unterarms. Und ich habe meinen Arm behalten dürfen – das wiegt schwerer als Schmerzen, die auszuhalten sind. Und wer weiß, vielleicht bessert sich das auch im Lauf der Zeit noch. Es gibt zu wenige vergleichbare Fälle, um da Prognosen zu wagen.

Das gilt auch für die Zehen- und Fingerspitzen, die seit der Chemotherapie taub und kalt sind. Kürzlich in der Sauna fiel mir zum ersten Mal und eher zufällig auf, dass ich mit den Zehenspitzen die Unebenheiten der Fliesen fühlen konnte. Zumindest in der Hitze der Dampfsauna war das Gefühl vorübergehend zurückgekehrt. Daraus eine hoffnungsvolle Tendenz abzulesen will mir nicht gelingen, aber immerhin war es eine deutliche Veränderung des normalen Zustandes.

Meine Blutwerte haben sich seit Januar kontinuierlich gebessert. Der Gamma-GT-Wert ist zwar noch deutlich erhöht, aber im Vergleich zu den alarmierenden Gipfelstürmen nach der Leberoperation im Oktober 2013 ist er inzwischen fast schon im Tal der Normalität angekommen.

Viele Gründe also, dankbar zu sein. Für die verliehene Gesundheit.

Aber darüber hinaus gab es 2014 noch viele weitere Anlässe für dauerhafte Dankbarkeit. Wir konnten zwar keine »große« Urlaubsreise unternehmen, aber statt dessen hatten wir an etlichen verlängerten Wochenenden Gelegenheit, uns bisher unbekannte Gegenden und Orte zu erkunden. Im Müritz-Nationalpark und im Erzgebirge waren wir unterwegs, aber auch in und um Berlin haben wir manche wunderschönen und interessanten Ausflüge erlebt, vom Dahlienfeuer und Teufelsberg bis Caputh und Potsdam, vom Straßenfest bis zu mehreren Theater- und Ausstellungsbesuchen. Auch ein paar wunderbare Konzerte konnten wir genießen.

Nicht alles, was wir uns an Unternehmungen so ausgemalt und vorgenommen hatten, haben wir dann auch verwirklicht, denn manchmal ist es einfach schöner, einfach nur zu Hause zu entspannen und manchmal gibt es zu viel zu tun (wer selbständig arbeitet, kennt eben in der Regel keine »ordentlichen« Arbeitszeiten sondern richtet sich nach den Anforderungen der Kunden).

P5259046Viel Freude gemacht hat mir im Mai die Teilnahme am Benefizlauf »Joggathon 2014«. Dass ich nur acht Monate nach der Leberoperation immerhin zehn Runden schaffen (und damit 245 Euro für den guten Zweck erlaufen) würde, hätte ich vorher nicht erwartet. Jetzt, am Jahresende 2014, fallen mir zehn und mehr Kilometer Dauerlauf in 60 Minuten nicht sonderlich schwer. Falls es also 2015 wieder einen Benefizlauf gibt und ich gesund bleibe, könnte ich aus heutiger Sicht von einem noch besseren Ergebnis ausgehen. Doch das ist Zukunftsmusik. Zurück zum Rückblick auf das vergangene Jahr.

Dankbar bin ich auch für ausreichende finanzielle Versorgung, denn dass man Arbeit hat, beziehungsweise Aufträge von zahlungsfähigen Kunden, ist heutzutage nicht selbstverständlich. Neben meiner 40-Stunden-Woche als Personalreferent hatte ich Kraft genug, im Rahmen unserer selbständigen Tätigkeit neben kleineren Textarbeiten auch umfangreiche CD-Produktionen und mehrere Übersetzungen zu fertigen.

Einiges, was mir vorschwebte, habe ich nicht verwirklicht – vielleicht komme ich ja 2015 dazu? Zum Beispiel die Überarbeitung und Neuauflage meines Romans »Es gibt kein Unmöglich!« und die Arbeit an einem gemeinsamen Buch mit der besten aller Ehefrauen über unser Leben und Erleben seit und mit der Krebsdiagnose.

Der Blick auf das beinahe vergangene Jahr ist jedenfalls geprägt von sehr viel Dankbarkeit und der Blick auf das kommende Jahr ein hoffnungsvoller: Ich werde weiter für die Kräftigung meines Immunsystems und Körpers tun, was in meiner Macht liegt - wenn Gott mir dazu weiterhin Gesundheit verleiht, darf ich auch 2015 wieder Weihnachten feiern.

Meinen geschätzten Blogbesuchern wünsche ich von Herzen ein gutes und gesundes und frohes neues Jahr.

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Freitag, 12. Dezember 2014

Vier Kerzen am Adventskranz



Aus der Serie meiner Anmoderationen präsentiere ich meinen geschätzten Blogbesuchern heute schon, was ich am kommenden Sonntag aller Voraussicht nach zu erzählen gedenke. Bittesehr:

14.12.2014 – Die vier Kerzen


Guten Morgen und herzlich willkommen zu unserem Gottesdienst am dritten Advent.

Eigentlich wollte ich in der Anmoderation vom freigebigen Baum erzählen, aber das verschiebe ich auf ein andermal. Die Fabel war mir dann doch nicht adventlich genug und auch etwas zu lang für diesen Gottesdienst. Stattdessen bilden wir uns, der folgenden kleinen Episode zuliebe, einmal alle ein, heute wäre bereits der vierte Advent.

Vier Kerzen brannten am Adventskranz. In der Stube war es so still, dass man hören konnte, wie die Kerzen zu reden begannen.

Die erste Kerze seufzte und sagte: »Ich heiße Frieden. Mein Licht leuchtet zwar, aber die Menschen halten keinen Frieden.« Ihr Schimmern wurde immer kleiner und verlosch schließlich ganz.
Die zweite Kerze flackerte und sagte: »Ich heiße Glaube. Aber ich bin wohl überflüssig. Die Menschen wollen von Gott nichts wissen. Es hat keinen Sinn mehr, dass ich leuchte.« Ein Luftzug wehte durch den Raum, und auch die zweite Kerze war aus.

Verzagt und schüchtern meldete sich nun die dritte Kerze zu Wort. »Ich heiße Liebe. Ich habe keine Kraft mehr zu brennen. Die Menschen schieben mich beiseite. Sie sehen nur sich selbst und nicht die anderen, die sie doch lieb haben sollen.« Und mit einem letzten Aufflackern war auch dieses Licht ausgelöscht.

Da kam ein Kind in das Zimmer. Es schaute die Kerzen an und rief: »Aber Ihr solltet doch brennen und nicht aus sein!« Beinahe fing es an zu weinen.

Da meldete sich nun die vierte Kerze zu Wort. Sie sagte: »Hab keine Angst! Solange ich brenne, können wir auch die anderen Kerzen wieder anzünden. Ich heiße Hoffnung.«

Mit einem Holzstab nahm das Kind Licht von der Hoffnung und brachte die anderen Kerzen wieder zum leuchten.

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Ehre, wem Ehre gebührt:
  • Die Kerzen kommen von rgbstock: [Advent Wreath]
  • Die kleine Kerzenfabel findet man verschiedentlich im Internet, zum Beispiel hier: [Weihnachtsstadt]
  • Mehr von meinen Wortbeiträgen zu Gottesdiensten gibt es nebenan auf meinem anderen Blog: [Meine Anmoderationen]

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Mittwoch, 10. Dezember 2014

Gastbeitrag Shel Silverstein: Der freigebige Baum

Es war einmal ein Baum ... und dieser Baum liebte einen kleinen Jungen. Und täglich kam dieser Junge und sammelte das Laub des Baumes und machte daraus Kronen und spielte König des Waldes.
Er erkletterte den Stamm und schaukelte auf den Ästen und aß die Äpfel. Und dann spielte er Verstecken. Und wenn er müde wurde, schlummerte er im Schatten des Baumes.
Und der Junge liebte den Baum ... sehr.
Und der Baum war glücklich.

The Giving TreeDoch die Zeit verging.
Und der Junge wurde älter. Und der Baum war oft allein.
Dann kam eines Tages der Junge zu dem Baum und der Baum sagte: »Komm, Junge, komm und klettere an meinem Stamm empor und schaukle auf meinen Ästen und iss Äpfel und schlummere in meinem Schatten und sei glücklich!«
»Fürs Klettern und Spielen bin ich zu alt«, gab der Junge zurück. »Ich will Dinge kaufen und glücklich sein. Ich will Geld haben.«
»Es tut mir leid«, sprach der Baum, »doch Geld besitze ich nicht. Nur Blätter und Äpfel. Nimm meine Äpfel, Junge, und verkaufe sie in der Stadt. Dann wirst du Geld haben und glücklich sein.«
Und so stieg der Junge auf den Baum, sammelte die Äpfel und trug sie davon. Und der Baum war glücklich.

Doch der Junge blieb lange fort ... und der Baum wurde traurig.
Und dann kam der Junge eines Tages zurück, und der Baum bebte vor Freude und er sagte: »Komm Junge, komm und klettere an meinem Stamm empor und schaukle auf meinen Ästen und sei glücklich!«
»Ich bin zu beschäftigt, um auf Bäume zu steigen. Ich will ein Haus, in dem ich es warm habe«, sprach der Junge. »Ich will eine Frau und Kinder, also brauche ich ein Haus. Kannst du mir ein Haus geben?«
»Ein Haus besitze ich nicht«, antwortete der Baum. »Der Wald ist mein Zuhause. Aber du kannst meine Äste absägen und daraus ein Haus bauen. Dann wirst du glücklich sein.«
Also sägte der Junge die Äste vom Baum und trug sie davon, um sein Haus zu bauen. Und der Baum war glücklich.

Doch der Junge blieb lange fort.Und als er zurückkehrte, war der Baum so glücklich, dass er kaum sprechen konnte.
»Komm, Junge,« flüsterte er, »komm und spiele.«
»Für das Spielen bin ich zu alt und zu traurig«, gab der Junge zur Antwort. »Ich will ein Boot, das mich weit von hier wegtragen kann. Kannst du mir ein Boot geben?«
»Fälle meinen Stamm«, sagte der Baum, »und baue dir ein Boot. Dann kannst du in die Ferne segeln ... und glücklich sein.«
Und so fällte der Junge den Baumstamm und baute sich ein Boot und segelte davon.
Und der Baum war glücklich ... aber nicht so richtig glücklich.

Nach einer sehr langen Zeit kam der Junge wieder zurück.
»Es tut mir leid, Junge«, begrüßte ihn der Baum, »aber ich habe nichts mehr, was ich dir schenken könnte. Meine Äpfel sind fort.«
»Meine Zähne sind zu wackelig für Äpfel«, sagte der Junge.
»Meine Äste sind fort«, sprach der Baum weiter. »Du kannst nicht mehr darauf schaukeln.«
»Ich bin zu alt für das Schaukeln auf Ästen«, erklärte der Junge.
Der Baum sagte: »Mein Stamm ist fort ...«
»Ich bin zu alt für das Klettern«, brummelte der Junge.
»Das tut mir leid«, seufzte der Baum, »ich wünschte, ich könnte dir etwas schenken ... aber ich habe nichts mehr. Ich bin nur noch ein alter Stumpf. Es tut mir leid ...«
»Ich brauche nicht mehr viel«, sagte der Junge, »nur einen ruhigen Platz, wo ich sitzen und ausruhen kann. Ich bin sehr sehr müde.«
»Nun, »sagte der Baum und streckte sich so gerade aus wie nur möglich, »nun - ein alter Baumstumpf taugt hervorragend zum Sitzen und Ruhen. Komm Junge, setz dich hin. Setz dich und ruhe aus.«
Und das tat der Junge.
Und der Baum war glücklich.

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Ehre, wem Ehre gebührt:

  • Shel Silverstein war Musiker, Komponist, Drehbuchautor, Dichter, Karikaturist und Schriftsteller. Ein Multitalent. Unter anderem stammen von ihm Lieder wie A Boy Named Sue, Sylvia’s Mother, The Cover of the Rolling Stone und The Ballad of Lucy Jordan.
  • Bild: [Wikipedia]
  • Englischer Text: [All Poetry]
  • Übersetzung: Günter J. Matthia

Donnerstag, 4. Dezember 2014

Buddha und Jesus: »Deine Feinde solltest du lieben.« Ach du kriegst die Tür nicht zu!

Feinde … Todfeinde dürften die wenigsten meiner geschätzten Blogbesucher haben. Ich muss mich jedenfalls nicht verstecken, um am Leben zu bleiben. Wenn hier heute von Feinden die Rede ist, dann sind auch nicht Terroristen und Islamisten oder sonstige –isten gemeint. Sondern eher der tückische Nachbar, der missgünstige Kollege, der hinterlistige Chef und ähnliche Zeitgenossen.

Warum sollte nun jemand eigentlich auf die abwegige Idee kommen, seine Feinde zu lieben, ihnen Gutes zu wünschen und ihnen sogar womöglich auch noch wohlzutun? Der Gedanke liegt wohl den meisten Menschen zunächst fern. Dennoch taucht er in verschiedenen Kulturkreisen auf. Zum Beispiel bei Buddha und bei Jesus.

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.*

Das soll Jesus, dem Evangelisten Matthäus zufolge, gelehrt haben. Im Buddhismus wird das etwas greifbarer und praktischer. So wird nachdrücklich empfohlen, sich auf eine Meditation unter anderem mit diesen Worten einzustimmen und vorzubereiten:

Mögen meine Feinde gesund, froh und friedevoll sein. Möge ihnen kein Unheil zustoßen, mögen ihnen keine Schwierigkeiten begegnen. Mögen ihnen keine Probleme erwachsen. Möge ihr Tun immer erfolgreich sein.
Mögen sie auch Geduld haben, Mut, Verständnis und den festen Willen, unvermeidliche Schwierigkeiten, Probleme und Rückschläge zu überwinden.**

Da kann man schon mit Fug und Recht rufen: Ach du kriegst die Tür nicht zu! Wozu soll das denn gut sein?

Es gibt mehrere ganz handfeste Gründe:

Zunächst, ohne überhaupt an die Feinde zu denken, ist es so, dass derjenige, der ganz bewusst Liebenswürdigkeit und Güte praktiziert, unweigerlich sich selbst beschenkt: Geist und Seele entspannen sich, es kehrt Friede ein. Dadurch werden körperliche Spannungen abgebaut, Schmerzen gemindert und allgemein die Gesundheit gestärkt. Das ist ein alter Hut, den auch die Schulmedizin längst begriffen hat. Was wir denken, wie wir handeln und was wir aussprechen hat Einfluss auf unser Befinden, ob wir es wissen und wollen oder nicht. Mit negativen Gedanken - auch anderen gegenüber - schaden wir uns letztendlich selbst.

Ganz praktisch betrachtet erschließt sich außerdem folgende Logik: Wenn unsere Feinde gesund, froh und friedevoll sind, dann werden sie meist kaum noch unsere Feinde bleiben. Wenn sie keine Probleme haben, keine Schmerzen leiden, keine Neurosen oder Psychosen haben, wenn sie frei von Angstzuständen, Paranoia und Anspannungen sind ... wären sie uns dann immer noch feindlich gesinnt? Es ist also eine ganz praktische Lösung für uns selbst, unseren Feinden dabei zu helfen, ihre Probleme zu lösen, denn dann können wir endlich in Frieden und Ruhe leben. Wer den Geist seines Feindes mit Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit und Friedfertigkeit füllen könnte, wäre doch selbst am besten dran.

Auch das ist übrigens keine moderne Erkenntnis. Dieses Prinzip hat Karl May, man mag von ihm halten was man will, am Beispiel von Old Shatterhand und Winnetou sehr eindrücklich dargestellt.

mq2yYOKWenn du jemanden hasst, dann denkst du doch ungefähr so: Der soll hässlich sein! Es soll ihm schlecht gehen! Schmerzen soll er haben! Ihm soll alles misslingen! Die Menschen sollen ihn ablehnen und hassen!

Was durch solche Gedanken tatsächlich geschieht, ist folgendes: Unser eigener Körper produziert eine so schädliche Chemie, dass wir selbst Schmerzen bekommen, unser Herzschlag beschleunigt sich, Muskelverspannungen treten auf, unsere Gesichtszüge ändern sich, es kommt zu Appetitlosigkeit oder regelrechten Fressanfällen, zu Schlaflosigkeit und infolge all dieser (nicht eingebildeten, sondern echten) Phänomene werden wir mehr und mehr unleidlich, zänkisch und verlieren nach und nach jeglichen inneren Frieden. Uns geschieht letztendlich genau das, was wir unserem Feind wünschen. Dadurch werden wir noch missmutiger, ärgerlicher, unversöhnlicher ... was zur weiteren Verschlechterung des eigenen Zustandes führt. Unserem Feind geht es womöglich deutlich besser als uns. Die Folge: Neid und noch mehr Hass stauen sich auf.

Um einer solchen Spirale zu entkommen (oder gar nicht erst hineinzugeraten), kann man eins tun, nämlich das was Jesus gelehrt, was Buddha empfohlen hat: Die Feinde lieben, indem man ihnen ganz bewusst und aufmerksam Gutes wünscht und zuspricht und - soweit das möglich ist - sogar auch praktische Probleme aus dem Weg räumen hilft. Dazu muss man übrigens weder Christ noch Buddhist sein. Oder sonst was. Es reicht völlig, ein Mensch zu sein.

Wenn du nicht weißt, wie du damit anfangen sollst - wie wäre es, ob du nun meditierst oder nicht, bewusst und aufmerksam jeden Tag so an deine Feinde zu denken:

Mögen meine Feinde gesund, froh und friedevoll sein. Möge ihnen kein Unheil zustoßen, mögen ihnen keine Schwierigkeiten begegnen. Mögen ihnen keine Probleme erwachsen. Möge ihr Tun immer erfolgreich sein.
Mögen sie auch Geduld haben, Mut, Verständnis und den festen Willen, unvermeidliche Schwierigkeiten, Probleme und Rückschläge zu überwinden.

Das sind natürlich keine magischen Formeln. Da gibt es keinerlei mystische Wirkung, nur weil du das aufsagst. Wenn du aber mit deinen Gedanken, mit Geist und Seele dabei bist, wenn du dich zumindest darum bemühst, das auch so zu meinen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass du mit der Zeit beobachten wirst, wie es dir selbst besser und besser geht.

Ob mir selbst das denn gelingt, fragt sich bestimmt der eine oder andere Leser. Oder manche Leserin. Das verdient eine ehrliche und klare Antwort: Nicht immer, schon gar nicht sofort, wenn mir Feindseligkeit entgegenschlägt. Aber immer öfter und immer zügiger. Und ich bin fest entschlossen, in meinem Bemühen nicht müde zu werden, die Worte des Mannes aus Nazareth mit dem Herzen zu beherzigen:

Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

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Quellen: *Bibelzitat aus Matthäus 5, 43-45, Luther-Übersetzung /// **Vorbereitung zur Meditation aus dem Buch »Mindfulness« von Venerable Henepola Gunaratana (eigene Übersetzung) /// Foto: [RGB-Stock]
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Mittwoch, 3. Dezember 2014

Paulus: Wir sind wandelnde Tote

Zu den Schriften des Paulus beziehungsweise den Texten, die ihm zugeschrieben werden, habe ich auf diesem Blog schon gelegentlich kritische Anmerkungen gemacht. Heute soll einer seiner Sätze aber mal als nachdrückliches Ausrufezeichen dienen. Das kam so: Ich las einen Artikel meines irischen Freundes und Autorenkollegen Dylan Morrison, dessen Texte ich schon öfter übersetzt habe. Dieser aktuelle Beitrag malt ein deutliches Bild dessen, was der Satz in Römer 6, 11 eigentlich für unser Leben bedeutet, wenn wir ihn mal durchdenken. Wir sind wandelnde Tote. Und das ist auch gut so. Warum? Das schildert der folgende Beitrag, der in großen Teilen eine Übersetzung (mit freundlicher Genehmigung natürlich) seines Artikels Dead Folk Walking ist; einige ergänzende Einschübe stammen von mir.

Der Apostel Paulus, auch als Saulus von Tarsus bekannt, war für seine jüdischen Freunde so etwas wie ein Psychologe. Da er gleichzeitig Mystiker und ein sehr selbstbewusster Lehrer in religiösen Dingen war, geben so manche seiner Schriften oder ihm zugeschriebene Briefe Stoff für »christliche« Lehren her, die beim zweiten Blick auf falschen Schlüssen aus dem Inhalt basieren.

Wenn jemand dir rät, dass du »verantwortliche Beziehungen« innerhalb der christlichen Kreise pflegen und dir von anderen Menschen »in dein Leben hineinsprechen lassen« solltest, dann mag das gut gemeint sein, vielleicht weil du mit deiner Spiritualität nicht so ganz in die gängigen frommen Vorstellungen passt. Und du willst ja alles richtig machen - also bist du gehorsam und fügst dich, obwohl du ein ungutes Bauchgefühl dabei hast. Innerlich sträubst du dich, aber der Druck der Gruppe oder Gemeinschaft ist stärker …

Es fällt jedoch gar nicht schwer, auf die Anwendung solcher Vorschläge zu verzichten - nicht aufgrund von eingebildeter Perfektion, sondern anhand des Herangehens von Paulus an das Thema psycho-spirituelle Gesundheit.

»Geht von der Tatsache aus, dass ihr für die Sünde tot seid, aber in Jesus Christus für Gott lebt«

Das ist einer der befreiendsten Sätze, die unser mystischer Therapeut jemals geäußert hat. Alles hängt von dem kleinen Begriff »von der Tatsache ausgehen« beziehungsweise in anderen Übersetzungen »etwas annehmen und damit kalkulieren« ab.

Eine Tatsache braucht man nicht zu diskutieren, damit kann man fest rechnen. Das heißt für dieses Zitat, dass wir uns nicht in einem gestörten Zustand Gott gegenüber befinden, sondern ohne jegliche Furcht eins mit der göttlichen Liebe sind. Der gute alte Paulus scheint also den Schluss zu ziehen, dass wir wandelnde Tote sind: Das frühere fragmentierte und ängstliche Ego können wir getrost für gestorben und beerdigt halten. Der mystische Paulus erkannte die vergängliche Natur unserer eigenen psychisch-spirituellen Sinnestäuschung, nämlich irgendwie von der göttlichen Quelle getrennt zu sein.

Der menschliche Geist hat sich nie auf die maßlose Reise des »verlorenen Sohnes« bei seiner Jagd nach dem Glück gemacht. Unser Geist war und blieb vielmehr immer ein Funke des göttlichen Feuers, obschon er unter dem Gezeter und den rudernden Armen des Egos außer Sicht geriet. Unser Seelenleben hat sich die Lüge einer göttlichen Missbilligung einreden lassen und folglich eine Sammlung von allerlei Waffen für den Kampf dagegen zugelegt.

Doch Paulus behauptet hier, dass die alte Natur des Ego bereits tot und begraben sei. Wir müssen uns nicht mehr um die Fehlfunktionen des Ego, oder um ein tief religiöses Wort zu benutzen, die Sünde, kümmern. Nein, statt dessen gibt es und gab es schon immer eine alternative Lebensweise, nämlich Gott gegenüber lebendig zu sein.

Das klingt alles noch sehr theoretisch. Wie sieht das in der Praxis aus?

Zunächst ist das Kreisen um die Schuldgefühle unseres Egos nicht mehr notwendig. Das ist eine schlechte Nachricht für bestimmte Ausprägungen der evangelikalen Kirchen: Das alte Gedankenmuster, nie gut genug zu sein, kann nämlich endgültig entsorgt werden. Es war ja auch noch nie zutreffend.

Wir brauchen keine Fleißpunkte vor Gott mehr sammeln - oder, was vielleicht noch schlimmer ist, vor unseren Zeitgenossen. Wir sind nämlich endlich wach geworden und erkennen die von Paulus beschriebene Tatsache: Wir leben bereits für Gott und sind bereits für die Sünde gestorben. Das heißt im Umkehrschluss, dass wir nicht von ihm getrennt existieren können. Wir leben und bewegen uns und sind in unserer ganzen Existenz mitten in der göttlichen Liebe. Kann ein Fisch seine Heimat im Ozean aus Versehen verlieren? Wohl kaum.

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Wir haben nichts weiter zu tun als so bewusst wie möglich von der Tatsache auszugehen, dass wir der göttlichen Liebe ganz nah sind, denn das ist die wirkliche Wirklichkeit. Paulus schlägt also eine radikal andere Sicht auf uns selbst vor, auf andere Menschen gleichermaßen. Die göttliche Quelle ist der Schlüssel zu Freude und authentischer Freiheit - Freiheit von der verwirrten und angsteinflößenden Welt des Ego.

Nun kommen wir zurück zum einleitenden Gedanken, »verantwortliche Beziehungen« innerhalb der christlichen Kreise pflegen zu müssen und sich von anderen in die Lebensgestaltung hineinreden zu lassen: Natürlich ist nichts daran verkehrt, mit anderen gläubigen Menschen Zeit zu verbringen, Freunde zu haben, die eine spirituelle Sicht auf das Leben besitzen. Überhaupt nicht. Aber sind solche Ein- und Verbindungen lebensnotwendig? Das kann man auch nicht einfach so bejahen. Schauen wir die beiden Punkte einmal genauer an.

1. Verantwortliche Beziehungen

Ich habe diese sogenannten verantwortlichen Beziehungsgeflechte in religiösen Kreisen über die Jahre in verschiedenen Ausprägungen zur Genüge kennen gelernt. Ich betrachte solche Zwangsverantwortlichkeiten heute als unvereinbar mit dem eingangs zitierten Gedanken beziehungsweise Postulat des Paulus. Denn wenn wir bezüglich der Fehlfunktionen des Egos tot sind, wozu sollen wir dann andere Menschen brauchen, die wie Zuchtmeister oder Aufseher über unser Seelenheil wachen? Wenn das neue Leben, das Leben für Gott, das Paulus so selbstsicher als Realität bezeichnet, tatsächlich wahr ist, warum sind viele Christen dann dermaßen damit beschäftigt, Angst vor einer Überrumpelung durch die für tot erklärte alte Lebensweise zu haben?

Sie sind oft so voller Unsicherheit und Angst, dass sie religiöse Gemeinschaften brauchen, in denen es »Wächter« über ihren Lebenswandel gibt. Und wenn solchermaßen geschundene Menschen dann irgendwann unter all dem Druck zusammenbrechen und aus den Zwängen ausbrechen, werfen Sie meist leider gleich den gesamten Glauben über Bord.

Entweder, dieses »neue Leben in Christus für Gott« ist real, oder es handelt sich um ein Märchen, das sich im Lauf der Jahrhunderte als solches entpuppt haben sollte. Ich tendiere zu ersterem.

2. Menschen, die dir ins Leben reden

Eine Menge Menschen reden uns Tag für Tag ins Leben hinein, so gut wie jeder, der uns im Alltag begegnet. Manches übergehen wir, und das ist auch gut so. Manches beherzigen wir, und auch das ist gut so. Aber um solches, meist eher belangloses Reden geht es ja hier nicht.

In einigen christlichen Zirkeln hält man es für notwendig, dass ein »geistlich reifer« Bruder oder eine ebensolche Schwester dir Korrektur und Anweisungen für dein Leben erteilt. Diese Person kennt natürlich Gottes Gedanken und Wege viel besser als du selbst, vor allem bezüglich deines eigenen Lebens. Auch so etwas habe ich zur Genüge kennen gelernt. Oft zeigte sich später, dass solch ein »weiser seelsorgerlicher Ratgeber« mindestens so viel Mist bauen konnte wie ich selbst. Mancher vielgepriesener Mann Gottes, der anderen bezüglich ihrer Lebens- und Eheführung »göttliche Worte« mitzuteilen wusste, hat schon seine Ehefrau gegen die Sekretärin eingetauscht. Woher sollst du wissen, wie es in demjenigen aussieht, der dir da ins Leben reden soll und darf?

Falls der Mystiker Paulus also mit seinem Satz recht gehabt hat, dann sind wir durchaus in der Lage, die göttliche Stimme der Weisheit in uns selbst wahrzunehmen. Frei von Voreingenommenheit und verzerrten Sichtweisen sind die Gedanken des Geistes in uns jederzeit verfügbar. Mal ist es ein »Bauchgefühl«, manchmal ein präziser Gedanke oder eine klare Einsicht ... die göttliche Liebe weiß schon, wie sie jeden einzelnen Menschen im Fluss seines Lebens auf einzigartige und unübertreffliche Weise erreichen und ansprechen kann. Besser als je ein Mensch das könnte, und sei er uns noch so nahe.

Natürlich werden »geistlichen Ratgeber« das flugs zurückweisen, werden uns geistliche Arroganz und trügerische Selbstherrlichkeit vorwerfen. Zu unrecht. Denn wir tun nichts anderes, als den Apostel Paulus in seinem Schreiben an die römischen Gläubigen beim Wort zu nehmen. Und das paulinische Wort ist (ironischerweise) gerade in den hier angesprochenen evangelikalen Zirkeln unantastbar.

Wir dürfen also den pseudo-geistlichen Worten anderer Menschen jederzeit zuhören, sollten sie aber immer mit Vorsicht genießen. Das gilt natürlich auch für diese Zeilen, die du gerade gelesen hast. Wenn weise Worte eines anderen Menschen einen Misston in deinem geistlichen Bauchgefühl erzeugen, dann schenke ihnen ein freundliches Lächeln und geh weiter.

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Original von Dylan Morrison (siehe einleitender Absatz oben): [Dead Folk Walking - Writer Dylan Morrison]

Bild: gleiche Quelle.

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