Samstag, 2. Oktober 2010

Verbalinkompetenz

Das verbale Ausdrucksvermögen bezüglich ihrer Emotionen ist bei manchen Zeitgenossen erschreckend eingeschränkt. Wenn die Reporter des Berliner Regionalfernsehens beispielsweise nach einem gelungenen Konzert oder einem Sieg des heimischen Fußballvereins den Besuchern das Mikrophon entgegenhalten, beschränken sich die Äußerungen auf einige wenige Variationen, die überwiegend aus »voll«, »Hammer« und »geil« zusammengesetzt werden, gelegentlich ergänzt mit lautmalenden Spracheskapaden, die niederzuschreiben schwer fällt. Wie buchstabiert man denn »boaaah« oder »wau/wow/woahu/ohwau« und ähnliche Stöhn- oder Heullaute?

Das war voll geil. Es war hammermäßig. Voll der Hammer. Hammergeil.

Der eine und die andere schafft es sogar, mit erweitertem Wortschatz zu glänzen, indem der Begriff »genial« hinzugefügt wird. Die größtmögliche Begeisterung hört sich dann so an:

Echt voll geil, genial der Hammer!

Ähnliche Einschränkungen scheinen beim Ausdruck von negativen Empfindungen zu herrschen.

Ey, voll krass. Hammerkrass. Ey boah ey. Ich bin total daun. Hammermäßig krass.

Manchmal frage ich mich, ob die Gefühle dieser Menschen genauso eingeschränkt sind wie ihre Fähigkeit, Empfingungen auszudrücken.
Dann wären sie ja doppelt zu bedauern, mit doppelter Behinderung. Oder: Das wäre voll der Hammer krass. Boah ey!

P.S.: Ich musste einfach mal wieder losmeckern über den Verfall der Sprache, obwohl ich weiß, dass es gar nichts nützt.
P.P.S.: Ohne die solchermaßen losgewordene Trübsal geht es mir nun besser. Noch nicht voll genial geil, aber auch nicht mehr so hammerkrass.

5 Kommentare:

  1. Sehr geehrter Herr Jott,

    bezüglich dieser hier ausgeführten und durchaus denkenswerten Bemerkungen, dem Befund einer bedenklich zunehmenden Verflachung der an sich doch so ausdrucksstarken und facettenreichen deutschen Sprache, bin ich ob der Frage nach einem von Ihnen vermutetem gleichermassen drastischen Mangel an differenziertem Gefühlsleben jener fraglichen Probanten auszugehen sei, nun doch in nicht unerhebliche Grübelei verfallen und werde mir ein abschließendes Urteil zu diesem Gedankengang vorerst nicht erlauben.

    Es bleibt wohl allerdings im jeweiligen Individuum verborgen, ob die sprachliche Kompetenz, die ihn in die Lage versetzt, anstelle eines lauthälsigen "voll krass ey", das jubilierende Hochgefühl seines durch sinnliche Wahrnehmungen angeregten seelischen Wohlbefindens gebührenden Ausdruck zu verleihen, tatsächlich mit einer gleichermassen gesteigerten Freude in Korrelation steht.

    Sollte ich in dieser Sache zu weiterführenden Erkenntnissen gelangen, werde ich mich keinesfalls scheuen, sie zu gegebener Zeit auch kundzutun.

    Bis dahin verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und dem Wunsche für ein erfreuliches Wochenende

    Ihr BvB

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  2. Werter und geschätzter Herr von Bentheim,
    bezüglich Ihrer Nachforschungen, die durchaus auch philosophischer Art zu sein mich dünken, wünsche ich Ihnen selbstverständlich bestes Gelingen und Inspirationen der vortrefflichsten Art.
    Ihre Erkenntnisse erwartet mit nicht unerheblichen Emotionen der Vorfreude Ihr ergebener
    GJM

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