Samstag, 1. September 2007

Ich mag Microsoft

„See that funny looking building down there? That's the place Paul Allan built", sagte mein Freund Bob Zorich und wies mit ausgestrecktem Finger auf ein merkwürdig anmutendes Gebäude. Wir standen auf einer Anhöhe in Bellevue und blickten auf Seattle hinab. „You know Paul, don’t you? That’s the guy who works with Bill. Bill Gates."
Ich nickte. Zwar kannte ich weder Paul Allan noch Bill Gates persönlich, aber die Namen waren mir selbstverständlich nicht fremd, gehöre ich doch einer Generation an, die miterlebt hat, wie aus klobigen Kästen mit kryptischer Bedienung Geräte geworden sind, die heute aus kaum einem Haushalt, geschweige denn der Wirtschaft, wegzudenken wären. Einen nicht geringen Anteil hatten Paul und Bill, die beiden Gründer von Microsoft, denn dank ihrer Software wurde der Computer für jedermann benutzbar.

Es gehört heute offenbar zum guten Ton bei manchen Zeitgenossen, kein gutes Haar an Microsoft zu lassen. Auch mein guter Freund Haso stimmt immer wieder ein in den Chor der Microsoft-Basher. (Für „Basher“ kann ich beim besten Willen keinen deutschen Ersatz finden. Ein Basher ist jemand, der gerne virtuelle Ohrfeigen und Schlimmeres verteilt.) Nun gut, mag er seine Finger mit Befehlen wie „apt-get install libx11-6 libx11-dev libxtst6 xlibs-dev xinetd wget“, „apt-get install linux-headers-`uname -r` build-essential” und „apt-get install gcc binutils-doc cpp-doc make manpages-dev autoconf automake1.9 libtool flex bison gdb gcc-doc gcc-4.0-doc libc6-dev-amd64 lib64gcc1“ herumquälen, wenn es Spaß macht. Ich gönne ihm auch von Herzen Abenteuer, die wie eine erfolgreiche Raubtierzähmung anmuten, denn er schreibt: „…wie Windows Demut lernen kann und nicht alles dominieren muss.“ Jungs wollen spielen und Abenteuer erleben, warum sollte Haso da eine Ausnahme machen. Womöglich macht es ihm ja Spaß, bis 4:11 morgens an Open-Source-Software-Macken zu laborieren, denn er schreibt: „…und vor einer Viertelstunde war endlich das letzte größere Problem gelöst, das ich als Windows-Aussteiger noch zu lösen hatte: UMTS läuft nun auch unter Linux.“

Mir machen andere Dinge Spaß, ein gutes Buch zu lesen zum Beispiel. Ich schlafe nachts, weil bei meinem Windows-PC einfach alles läuft, was laufen soll, ohne bis 4 Uhr früh vor dem Bildschirm zu sitzen. Ich suche meine Abenteuer auf andere Weise - was sie allerdings keineswegs besser oder schlechter macht.

In Seattle traf ich viele Menschen, die ein ganz anderes Bild von Paul und Bill haben. Vielleicht ist es bezeichnend, dass ich häufig in den Gesprächen nicht „Mr Gates“ oder Mr Allen“ höre, sondern dass von Paul und Bill die Rede ist.
  • Menschen, die ihre Kinder in von Microsoft gestifteten und unterhaltenen Kindergärten unterbringen.
  • Menschen, die in von Microsoft finanzierten Krankenhäusern gesund geworden sind, deren alte und pflegebedürftige Angehörigen dank Microsoft einen menschenwürdigen Lebensabend genießen. In Amerika ist ja nicht jeder wie hierzulande rundum gegen Krankheit und Gebrechen versichert, sondern nur diejenigen, die sich das nicht ganz billige Vergnügen einer Versicherung leisten können. Denjenigen, die keinen Arzt bezahlen können, hilft Microsoft mit Krankenhäusern und Arztpraxen. Egal, ob sie Kunden sind oder nicht.
  • In Seattle war ich in Kirchen zu Gast, die tatkräftige Unterstützung von Paul und Bill erleben und deshalb Mittel für die Evangelisation genauso frei haben wir für die Speisung der Armen und das Bekleiden der Bedürftigen.
  • In Seattle habe ich das EMP besucht, jenes eingangs erwähnte Gebäude, das Paul Allan gebaut hat und das so gar nicht wie ein Gebäude aussieht. Ich wäre, wenn die Zeit es zugelassen hätte, tagelang im EMP gewesen. Dieses – Museum ist der falsche Begriff – Ausstellung passt auch nicht – EMP heißt Experience Music Project, also Musik-Erlebnis-Projekt – war für mich als Musikliebhaber und ehemals Musiker natürlich ein besonders kräftiger Magnet.
In Deutschland wird gerne gemeckert. Besonders über Erfolgreiches. Es ist, als müsse man einfach ein Haar in der Suppe finden, koste es, was es wolle.
Microsoft ist erfolgreich. Mit gutem Grund, wie ich meine. Nicht nur Hinz, sondern auch Kunz kann einen Windows-Computer bedienen, ins Internet gehen, Blogs schreiben und allerlei Unfug treiben. Wer tiefer in die Bedienung und Möglichkeiten der Software einsteigen möchte, findet direkt auf den Microsoft Seiten im Internet jederzeit Hilfe und Tipps für jedes auch nur denkbare Problem. Man muss nicht hunderte Foreneinträge durchsuchen, um vielleicht auf die Lösung eines Problems zu stoßen.
Selbstverständlich kann man auch mit Linux & Co arbeiten, aber welche Mühe halsen sich die Menschen damit auf...

Windows sei, argumentieren allerlei Linuxisten, anfällig und voller Sicherheitslücken. Auch Haso stimmt mit ein, indem er einen Beitrag von Golem verlinkt: „US-Geheimdienst half bei Entwicklung von Windows Vista - Neue Sicherheitsfunktionen mit Hilfe der NSA entstanden?“ Das klingt vorwurfsvoll. Als sei das verboten. Als sei das schlimm. Als wäre das bedenklich. Als wäre das anrüchig.

Selbst wenn die Staatsmacht sich meine Festplatten und meinen E-Mail-Verkehr anschauen sollte, stört mich das nicht sonderlich. Da sind weder Raubkopien noch Kinderpornographie, weder Bastelanleitungen für Bomben noch Verschwörungen zu finden.
Es stört mich genauso wenig, dass ich auf dem Weg zur Arbeit täglich auf der Autobahn von etlichen Kameras erfasst werde. Ich bleibe im zulässigen Geschwindigkeitsbereich.
Ich mache mir nichts daraus, dass ich im Kaufhaus auf Schritt und Tritt elektronisch beobachtet werde. Ich habe nicht vor, fremdes Eigentum in meiner Tasche verschwinden zu lassen.
Ich fühle mich, wenn ich ab und zu mal die öffentlichen Verkehrsmittel benutze, wesentlich wohler, seit überall auf den Bahnhöfen und in den Zügen Kameras montiert sind. Ich will im Zug keine Scheiben zerkratzen, kleine Jungs entführen oder Mädchen vergewaltigen.

Der Sämann fragt in die aufgeregte Diskussion hinein: Ist Wolfgang Schäuble der Antichrist? Meine Antwort: Nein, ist er nicht, und der Bundestrojaner ist für mich keine Bedrohung.

„That's the place Paul Allan built", sagte mein Freund Bob Zorich. Paul und Bill tun etwas für ihre Stadt, ihre Umgebung. Sie ernten reichlich, ob ihnen das mancher Zeitgenosse nun gönnt oder nicht, aber sie säen auch um so reichhaltiger. Möglicherweise ist die Ernte ja in der Saat begründet? Das wäre biblisch korrekt.
Ihre Software erspart mir nächtliche Sitzungen an meinem Bildschirm, bis gegen 4 Uhr früh dann endlich etwas funktioniert. Ich schlafe, während Haso UMTS ohne Windows dressiert und bändigt. Mein PC ist leicht zu bedienen, während Legionen von Linuxisten nächtelang Augen und Finger anstrengen, um etwas zu schaffen, was Windows einfach so kann.

Ich mag Microsoft.