Zu einem gesunden Leben mit einem starken und funktionierenden Immunsystem gehört auch ein gesundes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Um diesen Glauben an sich selbst zu stärken, muss man manche selbst errichteten Verbotsschilder im eigenen Leben abreißen.
Der erfolgreiche Autor und Trainer Leo Babauta (von dem wesentliche Inspirationen auch zu diesem Beitrag stammen) erzählte unlängst, dass er über lange Jahre seines Lebens den Wunschberuf und die Selbstständigkeit nicht in Angriff genommen hat, weil er sich das nicht zutraute. Er trennte sich nicht von schlechten Gewohnheiten, weil er überzeugt war, nicht die notwendige Disziplin zu besitzen. Er war als Heranwachsender Mädchen gegenüber besonders scheu und später im Leben gelang es ihm kaum, Freunde zu finden oder sich am Arbeitsplatz zu behaupten – weil er sich nie den Schritt aus dem vertrauten Umfeld, weg von gewohnten Pfaden, zugetraut hat. Er glaubte einfach nicht, dass er dazu fähig wäre.
Niemand wird wohl jemals völlig davon frei sein, dass sich gelegentlich Zweifel bezüglich der eigenen Möglichkeiten einstellen, aber man kann es lernen, mehr und mehr an sich selbst zu glauben. Das bedeutet allerdings nicht, dass man nie wieder auf die Nase fallen oder scheitern wird. Im Gegenteil. Genau das wird passieren.
Und das ist gut so.
Der Trick ist nämlich der, dass man begreift: Es ist vollkommen in Ordnung, zu scheitern, sich auf ein Wagnis einzulassen und dabei nicht perfekt zu sein. Jemanden freundlich zu begrüßen – und derjenige ist nicht sofort hin und weg. Kreativ etwas erschaffen und dafür von Menschen verurteilt werden. Misserfolg erleben, nicht vollkommen sein, Fehler machen, nicht von allen Menschen Zustimmung ernten, nicht von jedermann akzeptiert werden: Das sind keine negativen Dinge, sondern positive.
Nun mag jemand fragen: Wie kann Versagen positiv sein? Ganz einfach: So lernt man wirklich etwas hinzu. Du kannst zum Beispiel ganz gemütlich ein dickes Buch über die Mathematik lesen, aber du wirst erst dann feststellen, ob du es wirklich kapierst, wenn du anfängst, Aufgaben zu lösen. Erst dann entdeckst du, wo dir noch Verständnis oder Wissen fehlt. Oder du lernst und lernst eine Menge über das Fotografieren, über Blende, Tiefenschärfe, Belichtungszeit, Licht … du musst schon Fotos machen und betrachten, um festzustellen, ob es dir gelingt, mit dem Wissen im Kopf und der geeigneten Kamera in der Hand auch gute Fotos zu machen.
Man lernt etwas am besten, indem man studiert und die praktische Anwendung ausprobiert. Dabei passieren Fehler, also lernt man etwas dazu, probiert wieder … und so weiter. So betrachtet sind Fehler und Misserfolge nichts anderes als kleine Resonanzen, die notwendig sind, um dazuzulernen und zu wachsen.
Und was soll daran positiv sein, wenn man Ablehnung erfährt? Ganz einfach: Man lernt es, über den Bereich des sozial minimal Akzeptablen hinaus zu gehen. Die besten Menschen in der Geschichte wurden nicht von allen und jedem akzeptiert. Zum Beispiel Verkünder der Wahrheit: Sokrates, Jesus, Gandhi, Proudhon und Bakunin, Martin Luther King Jr. und viele weitere.
Einer meiner Freunde experimentiert mit künstlerischen Formen der Darstellung und Selbstdarstellung – dabei erntete er für einige Nacktfotos (die keineswegs auch nur im Entferntesten pornographisch oder erotisch waren), vehementen Gegenwind. Erschrocken löschte er das Album aus dem Internet. Nicht, weil er mit den Fotos unzufrieden war, sondern weil er beschimpft wurde. Ich riet ihm dann dazu, dem eigenen Empfinden zu folgen: Wenn die Bilder ausdrückten, was er ausdrücken wollte, dann waren sie gut. Punkt. Dass das nicht jedem gefallen würde, damit musste er dann genauso rechnen wie jeder andere Mensch, der seine Kunst der Öffentlichkeit vorstellt.
Mancher traut sich gar nicht erst, sich kreativ auszudrücken. Das ist schade. Vieles, vor dem wir uns fürchten, sollten wir stattdessen anstreben. Das kann man aber nur dadurch lernen, dass man es praktiziert. Wenn ich heute einige meiner frühen Texte lese, muss ich den Kopf schütteln. Aber damals habe ich mich damit an die Öffentlichkeit getraut. Heute würde ich anders – besser aus meiner Sicht – schreiben, aber immerhin habe ich seinerzeit nicht für nur die Schublade formuliert. Und nur so konnte ich dazulernen.
Alle Theorie ist als Unterbau nicht zu verachten und gut, aber ohne Praxis hat sie keine Auswirkungen auf unser Leben und Befinden.
Ein paar Vorschläge:
- Durchbrich ab und zu das Unbehagen bezüglich ungewohnter Situationen. Mit jedem Durchbruch erweiterst du deine Grenzen. Du kannst ja gar nicht vorher wissen, ob du dich wohlfühlen wirst.
- Stell dich der Begegnung mit Menschen, ohne vorher zu wissen, ob sie dich akzeptieren, ignorieren oder ablehnen werden.
- Halte gute Vorsätze bewusst fest und höre nicht auf die negative innere Stimme, die dir weismachen will, dass du es sowieso nie schaffst.
- Wenn dein guter Vorsatz verloren geht (nun hast du doch wieder Zigaretten gekauft!), dann heb ihn wieder auf und lass nicht locker. Dass du es heute nicht geschafft hast, heiß ja nicht, dass es nicht morgen klappt.
- Durch wiederholte Versuche lernst du, dass es okay ist, zu versagen und zu scheitern, weil du dadurch letztendlich entscheidend weiter kommst. Und ob etwas gescheitert ist, hängt nicht vom Jubel oder den Buhrufen anderer Menschen ab.
- Durch wiederholtes Experimentieren lernst du, dass du stärker bist, als du dachtest, dass du mehr Fähigkeiten hast, als du vermutetest und dass du mehr Unbehagen aushältst, als du für möglich gehalten hast.
Mit dieser Praxis wirst du mehr und mehr dich selbst finden. Und feststellen, dass du schon die ganze Zeit großartig warst.
.