Die Schönheit des Vergänglichen lautet die Aufgabe der Aktion Ode an den vernachlässigten Monat für das heutige Datum. Das hätte mich nun beinahe veranlasst, mich der Schönheit von Dingen zuzuwenden, die bereits vergangen sind. Zum Beispiel hätte ich Bilder wie dieses von den Beelitzer Heilstätten heraussuchen können:
Es zeigt eindrucksvoll, wie schön es aussehen kann, denn die Natur erobert, was der Mensch ver- und hinterlassen hat – was für den Menschen vergangen ist.
Doch das Vergängliche ist ja nicht das Vergangene. Vergänglich ist vielmehr so gut wie alles, was wir sind, haben, wollen, besitzen, bewundern, verachten … und vergänglich sind wir auch selbst. Jeder von uns. Zumindest was unser Dasein auf diesem Planeten betrifft.
Daher richte ich nunmehr den Blick (und den der geschätzten Blogbesucher) nicht auf Verfallenes oder Verfallendes, sondern auf Schönheit an und für sich, die der November gestern meinem Auge und meiner Kamera dargeboten hat.
Schön finde ich zum Beispiel den Schein der Gaslaternen, die es in unserem Wohnviertel noch gibt. Auch die Laternen selbst finde ich schön, im Gegensatz zu den meisten elektrischen Variationen, die Berlin so zu bieten hat.
Soviel Schönheit ich in dieser bewährten Straßenbeleuchtung auch sehe – ihre Tage sind gezählt. Irgendwann wird ein energiesparendes Beleuchtungssystem zum Einsatz kommen – oder das Ende der Welt sorgt dafür, dass die Laternen nicht mehr leuchten.
Schön ist es für mich auch jedes Mal, ein ungelesenes Buch zu öffnen und in die Welt einzutauchen, die der Autor dort für mich vorbereitet hat. Ich weiß noch nicht, mit wem er mich bekannt machen wird, wohin er mich entführen und mit welchen Schicksalen er mich konfrontieren möchte. Aber es ist jedes Mal schön, sich darauf einzulassen.
Ich atme den Duft des neuen Buches ein, freue mich, wenn es ein Lesebändchen mitbringt und vom Verlag liebevoll gestaltet und sorgsam hergestellt wurde. Doch ich weiß von vorne herein, dass die Schönheit der Lektüre ein Ende haben wird, dass irgendwann die letzte Seite gelesen ist. Dann wandert das Buch ins Regal. Wenn ich es eines Tages heraushole, um es erneut zu lesen, ist das zwar wiederum unterhaltsam, aber nicht mit der Schönheit des ersten Lesens vergleichbar.
Viele Augenblicke in unserem Leben sind voller Schönheit. Und alle sind vergänglich. Wir versuchen, mit Fotografien, Geschichten, Tondokumenten oder Gemälden die Erinnerung daran festzuhalten, können dem Gefühl des Augenblicks oft auch erneut ein wenig nachspüren, aber der Moment selbst ist vergangen und kehrt nicht wieder.
Der November, in dem vieles in der Natur zu sterben scheint (im Frühling zaubert sie dann wie aus dem Nichts wieder hervor, was tot zu sein schien), kann uns daran erinnern und dazu veranlassen, jeden Augenblick, jede Stunde, jeden Tag unseres Lebens so bewusst wie möglich zu erleben und achtsam zu sein, damit wir all die Schönheit des Vergänglichen nicht verpassen.
So.