Liest man die biblischen Berichten und Erzählungen aufmerksam, dann gibt es zwei Alternativen: Entweder Gott macht Fehler, die er dann korrigieren muss, oder die Autoren der Bibel haben Gott und sein Wirken nicht immer so ganz verstanden.
Das ging schon bei den Berichten über die Schöpfung und die Sache mit dem verlorenen Paradies los: Zunächst betrachtete Gott sein Werk als vollendet und gut, dann fiel ihm auf, dass der Mensch als Single nicht glücklich war. Also bekam Herr Adam eine Frau Eva an die Seite gestellt.
Nun war wirklich alles gut. Alles? Nicht ganz. Denn in dem wunderbaren und nach Gottes Aussage vollkommenen Garten Eden trieb sich ein Wesen herum, das uns als Schlange vorgestellt wird. Dieses überraschenderweise sprachbegabte Geschöpf Gottes hatte Übles im Sinn und verführte die arglosen Menschen, von einer Frucht zu naschen, die nicht zum Verzehr bestimmt war.
Warum stand ein Baum mit verbotenen Früchten eigentlich ausgerechnet im Paradies? Was hatte die sogenannte Schlange im Garten, in dem »alles sehr gut« war, zu suchen? Wieso war Gott nicht da, als er gebraucht wurde, um die Verführung seiner Geschöpfe durch ein anderes seiner Geschöpfe zu verhindern?
Fragen, die ohne Antwort bleiben. Seit diesen Vorfällen jedenfalls gibt es die »Erbsünde«, mit der die Menschheit, nicht etwa die Schlangenschaft, sich herumzuschlagen hat. Jedes »unschuldige« Baby wird schon »schuldig« geboren.
Ein paar Generationen später lesen wir, dass es Gott »reute, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden«. Er stellte fest: Das Experiment Mensch ist nicht geglückt. Also weg mit der Sippe, vielleicht geht es der Schöpfung ohne ihre Krone besser.
Warum hat ein allwissender, nicht an die Zeit gebundener Gott nicht vorausgesehen, dass die Vertreibung aus dem Paradies und die Auferlegung harter Arbeit nicht zur Besserung sondern zum totalen Chaos führen würde? Plante Gott, nach der Vernichtung der Menschheit einen zweiten Versuch zu starten, Adam & Eva 2.0?
Der Vorsatz wurde nicht ausgeführt - Gott ließ sich umstimmen, verwarf seinen Entschluss der völligen Vernichtung seiner Schöpfung und ein paar Menschen überlebten zusammen mit etlichen Tieren auf der Arche. Die Erbsünde überlebt mit ihnen, und Gott hatte sich damit abgefunden: Wir lesen, dass Gott nach der Sintflut »in seinem Herzen« sprach: »Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.«
In den nächsten Jahrhunderten gab es diverse Modellversuche mit Gesetzen, Vorschriften und Opfern die Kluft zwischen Schöpfer und Geschöpf zu überbrücken. Es gab auch Mord und Kriege, um »die Sünde« von der Erde zu tilgen. Irgendwie hat sie jedoch immer überlebt. Die Menschheit war nicht in der Lage, den von Gott ersonnenen Wegen zu ihm in geeigneter Weise zu folgen.
In diesen Tagen feiern viele Menschen Advent und Weihnachten - als Erinnerung an die alles verändernde Geburt des Erlösers und Messias Jesus Christus. Seit rund 2000 Jahren gelten, wenn man seinen uns überlieferten Lehren glaubt, die Regeln, Vorschriften, Gesetze und Opfer nicht mehr, die Gott der Menschheit genannt hatte, um mit ihm ins Reine zu kommen, da sie sich als untauglich erwiesen hatten. Paulus, Apostel und prominenter Autor im Neuen Testament, fasst zusammen: »Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus.«
Hat sich nun also Gott über Jahrtausende seit der Schöpfung immer wieder geirrt und dann neue Wege ausprobiert, um mit seinen Geschöpfen ins Reine zu kommen? Mir fällt es leichter, davon auszugehen, dass in den biblischen Schriften die Autoren ihre fehlerbehafteten Ansichten und Überzeugungen dargestellt haben (was ich für statthaft halte, schließlich waren sie alle Menschen, und keine Götter), als anzunehmen, dass Gott sich mehrfach geirrt hat und dann seine Irrtümer korrigieren musste. Ich muss und werde Gott nicht begreifen, mir genügt es, so gut ich es verstehe und vermag, demjenigen zu folgen, dessen Geburt wir uns jetzt und dessen Tod und Auferstehung wir uns im Frühjahr besonders erinnern.
Bild: Temptation of Adam and Eve, Masolino; ca. 1425. Fresco Brancacci Chapel, S. Maria del Carmine, Florence;
Quelle: Witcombe
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