Außen pfui, innen hui?
Am Sonntag nach dem Gottesdienst saßen meine Frau und ich so lange mit einer Autorin beim Kaffee, dass die Kinder unserer Gesprächspartnerin trotz Limonade und Süßigkeiten ungeduldig wurden. Wir waren ins Gespräch gekommen, weil ich eine Neuerscheinung aus einem Verlag auf dem Tisch liegen hatte, der permanent inhaltlich gute Bücher herausbringt, die sich durch handwerkliche Mängel auszeichnen. Das ist, mit Verlaub, leider bei frommen Publikationen häufig der Fall.
Nicole B., so heißt die Autorin, hat das an einem eigenen Werk erlebt. Daraus ein winziges Beispiel von leider sehr vielen:
Diese Lasten abzuwerfen, das ist es , was die Seele begehrt.
Dass es zwischen Wort und Satzzeichen in der deutschen Sprache unter keinen Umständen ein Leerzeichen gibt, egal ob Komma, Doppelpunkt, Semikolon, Ausrufe- oder Fragezeichen, sollte ein Verleger (oder zumindest sein Lektor) wissen. Und er sollte darauf achten, dass sich solche Schlampereien nicht in Büchern aus seinem Verlag finden lassen.
Nicole erzählte, dass sie keine Datei, sondern Papier abgeliefert habe. Sie beherrscht die deutsche Sprache. Irgendjemand, der das offenbar nicht von sich sagen kann, hat das Manuskript abgetippt und dabei den Text mit zahlreichen Fehlern garniert: Abstände zwischen Wort und Satzzeichen, Zeilenwechsel, wo keine hingehören, allerlei falsch geschriebene Worte... Sie bekam keine Gelegenheit, das Buch vor dem Druck noch einmal in Augenschein zu nehmen und war entsetzt, als sie das Ergebnis in Händen hielt.
Inzwischen publiziert sie über einen anderen Verlag und hat beachtliche Verkaufserfolge, eine eigene Radiosendung und viele künftige Projekte im Kopf.
Wir unterhielten uns über die Frage, ob guter Inhalt schlechte Form rechtfertigt beziehungsweise entschuldigt. Wir waren der gleichen Meinung: Nein. Ein gedrucktes Buch ist kein schnell mal eben hingetippter Beitrag in einem Internet-Forum oder Blog, und ein gedrucktes Buch, dessen Autor evangelistische Intentionen verfolgt, sollte erst recht ansprechend und handwerklich einwandfrei sein. Andernfalls wird ein Leser von vorne herein mit der Botschaft konfrontiert: Wir geben uns keine Mühe, ordentlich zu arbeiten, möchten aber, dass Du dich trotzdem für unseren Glauben interessierst.
Natürlich kostet mehr Qualität mehr Geld. Einen ehrenamtlichen Lektor, der Rechtschreibung und Ausdruck beherrscht, wird man mit der Lupe suchen müssen. Einen Layoutexperten, der auf Gestaltung und ansprechende Form achtet, muss man in der Regel entlohnen. Und angesichts leerer Kassen in christlichen Verlagen ist das oft nicht finanzierbar.
Also opfert man die Qualität, um überhaupt etwas publizieren zu können. Und daraus folgt der schlechte Ruf, den „fromme“ Produktionen zumindest bei denjenigen haben, denen es nicht egal ist, auf welche Weise ihnen der Inhalt präsentiert wird.Es gibt bei aller Sparsamkeit jedoch Abhilfe. Je fehlerfreier der abgelieferte Text ist, desto entbehrlicher werden Korrekturen. (Nicole hat zwar ihr fehlerfreies Manuskript nicht geholfen, weil die Fehler alle vom Verlag stammten, aber sie hat daraus gelernt, darauf zu bestehen, dass sie persönlich vor dem Druck eines Textes die Freigabe erteilt.)
Mir unterlaufen Tippfehler, keine Frage. Ich bin dankbar, wenn Leser mich darauf hinweisen, denn ich bin daran interessiert, möglichst gute Qualität anzubieten. Manchen Fehler sieht man einfach selbst nicht, und wenn man den eigenen Text fünfmal liest. Einem Leser fällt dann sofort ins Auge, was der Aufmerksamkeit des Autors entgangen ist.
Daher mein Tipp Nummer 1 zum Schreiben: Lesen lassen!
Das beinhaltet, Kritik zu suchen und anzunehmen. Man sollte die Testleser ausdrücklich darum bitten, auf formale und inhaltliche Mängel zu achten und diese auch zu nennen, statt aus Angst, der Autor könne verletzt sein, nur Lobeshymnen anzustimmen.
Frage vornehmlich an die Leser, die selbst keine Autoren sind: Entschuldigt guter Inhalt schlechte Ausführung? Autoren dürfen natürlich ebenfalls antworten.