In den letzten Tagen war die deutsche Einheit wie jedes Jahr um den 3. Oktober herum in vieler Munde, und mein Eindruck mag täuschen, aber ich meine, überwiegend von Problemen gehört und Meckereien gelesen zu haben. Nicht, dass alles in Butter wäre, aber vor lauter Kritisieren und Klagen vergisst man allzu leicht die Dankbarkeit. Das wäre allerdings nichts Neues unter der Sonne.
Und als er in ein Dorf einzog, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die von fern standen. Und sie erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, Meister, erbarme dich unser. (Lukas 17, 12-13)
Jesus tat genau das, er erbarmte sich, sie wurden gesund. Sicher feierten sie ein Freudenfest und bedankten sich bei dem, der ihnen geholfen hatte. Wäre ja eigentlich selbstverständlich, sollte man meinen. Pustekuchen:
Einer aber von ihnen kehrte zurück, als er sah, daß er geheilt war, und verherrlichte Gott mit lauter Stimme; und er fiel aufs Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm; und das war ein Samariter. (Lukas 17, 15-16)
Wer bedankt sich heute noch für die unblutige, friedliche Beendigung der Teilung unseres Landes? Wer bedankt sich noch dafür, dass Todesschüsse und Minen nicht mehr zum deutsch-deutschen Alltag gehören? Und wer erinnert sich überhaupt noch, dass unser Land einmal aussätzig war und jetzt gereinigt ist?
Ich will erhrlich sein: Als ich im Jahr 1987 am 16. August in Berlin Gwen Shaw, eine Prophetin aus den USA, sagen hörte:
Glückselig sind diejenigen, die mir dienen auf den Straßen Berlins. Freut euch und seid dankbar und teilt die Freude, die ich euch gegeben habe, jedermann in allen Teilen meiner Stadt Berlin, mit: Die Mauer kann nicht bleiben; sie wird fallen...
...dachte ich so ungefähr: Schön wär's, aber das werde ich nicht mehr erleben. Ich habe jedenfalls keinem Menschen mitgeteilt, dass demnächst die Mauer fällt.
Zwei Jahre später erfüllte sich diese Prophetie. Wenigstens dankbar will ich sein und bleiben, wenn ich schon damals ein ungläubiger Thomas war. Wie wohl die meisten Anwesenden...