Es begab sich aber zu der Zeit, als Herr W. Sonnenkönig zu Berlin war, dass ich in Kreuzberg in geselliger Runde an einem Stammtisch saß und unsere angeregte Unterhaltung sich um Gleichnisse bewegte. Dabei wurde in mir die Idee geboren, die zu den ersten drei Geschichten aus dem Leben eines Herrn K. führte. Mein fiktiver Herr K. heißt Herr K, weil der Anstoß zum Stammtischgespräch von einem echten Herrn K. kam, sozusagen ehrenhalber.
Ich habe nun aber gesehen, dass ein gewisser Herr Brecht vor einer nicht unerheblichen Anzahl von Jahren bereits gerne einen Herrn K. hat dieses und jenes denken und erleben lassen: Geschichten vom Herrn K. Das gleiche Kürzel - das geht nun gar nicht. Das sei ferne! Brecht ist Brecht.
Daher suche ich nun für meinen Herrn K. einen neuen Namen. Daniel heißt er zweifellos, aber wie weiter? Und warum?
Posts mit dem Label Herr K. werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Herr K. werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Donnerstag, 19. Februar 2009
Herr K. reist nach Greifswald
Aus einer Kneipe kamen drei überwiegend in schwarzes Leder gekleidete Jugendliche, sahen ihn mit seinem Rollkoffer die Straße entlanggehen. Sie gingen davon aus, dass dieser Fremde womöglich eine lohnende Beute mit sich führen mochte.
Einer der Angetrunkenen fasste Herrn K. von hinten um den Hals, ein anderer entriss ihm den Griff des Koffers. Der dritte ließ ein Messer aufschnappen. »Kein Mucks, du Schwein! Sonst stech ich dich ab!«
Herr K. wehrte sich, instinktiv und aus Panik. Bei klarem Verstand hätte er womöglich stillgehalten, aber der Schreck traf ihn zu unvorbereitet. Er konnte wegen des Würgegriffes nicht schreien, aber er bäumte sich gegen die Umklammerung auf und trat mit dem Fuß nach dem vor ihm stehenden Angreifer.
Nun ging alles so schnell, dass Herr K. kaum mitbekam, was mit ihm geschah. Die drei stießen ihn in einen Hauseingang, das Messer bohrte sich erst in den rechten Oberarm und dann in den linken Oberschenkel. Eine Hand suchte nach der Brieftasche, die er im Jackett trug. Der Jugendliche zerrte und zog, dann riss er den Stoff der Anzugjacke auf und schaute sich den Inhalt der Brieftasche an. Kreditkarten und Ausweise interessierten ihn nicht, er war auf Bargeld aus. Das war jedoch nicht zu finden.
Er stieß Herrn K. den Ellenbogen ins Gesicht. »Gib dein Geld her, du Schwein!«
Eine Antwort war dem Überfallenenn nicht möglich, da er im Würgegriff kaum noch Luft bekam. Einer der Räuber tastete nach dem Portemonnaie in der Gesäßtasche, zog es heraus und zeigte seinen Genossen die wenigen Geldscheine, die er vorgefunden hatte.
»Nur 150 Euro? Wo hast du dein Geld versteckt, Schwein?«
Der Griff um den Hals lockerte sich und Herr K. krächzte: »Mehr habe ich nicht bei mir.«
Der Ellenbogen traf erneut sein Gesicht, eine Faust schlug ihn in den Magen. Herr K. fiel zu Boden.
Die Jugendlichen leerten seinen Koffer aus, wühlten in den Kleidungsstücken und fanden nichts von sonderlichem Wert.
»Zieh dich aus!«, befahl der Wortführer.
Herr K. richtete sich mühsam auf und gehorchte. Anzug und Hemd wurden auf verstecktes Geld abgetastet. Auch die Unterwäsche musste er ablegen. Es fand sich kein weiteres Geld.
Die drei Angreifer nahmen seine Armbanduhr an sich, kein kostbares Stück, auch sein Mobiltelefon, ein älteres Modell, stopften sämtliche Kleidungsstücke samt den eben abgelegten in den Koffer. Dann wandten sie sich samt Gepäck zum Gehen. Herr K. kauerte im Hausflur, hoffte, dass der Alptraum nun vorbei sei. Da traf ihn von hinten ein gewaltiger Schlag auf den Kopf und er sank bewusstlos auf die Steinfliesen.
Wenige Minuten später kam eine Theologiestudentin auf dem Weg zu einer Diskussionsgruppe die Treppe hinunter. Sie war spät dran. Als sie den blutverschmierten nackten Mann im Flur liegen sah, stockte ihr Schritt. »Oh mein Gott, was ist denn das?« Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Jackentasche, um einen Notruf abzusetzen. Das Display blieb trotz Druck auf den Einschaltknopf dunkel. »Scheiße, wieder nicht aufgeladen...«, murmelte sie. Sie machte einen großen Bogen um Herrn K. und trat aus der Haustüre. Sie war wirklich spät dran. Sicher kam bald jemand anderer vorbei, der dann die Polizei holen konnte...
Im dritten Stockwerk wohnte ein Lehrer, der vierzehn Minuten später das Haus betrat. Er sah Herrn K., auch er zögerte einen Moment. Sein Mobiltelefon funktionierte, er drückte die SOS-Taste. Als die Verbindung aufgebaut war, sagte er: »Hier liegt ein nackter, blutiger Mann im Hausflur. Schicken Sie bitte Rettungskräfte.« Dann beendete er das Gespräch. Er hatte jetzt keine Zeit, wollte schnell noch duschen, bevor die bestellte Prostituierte kam. So etwas wie blutende Nackte überließ man besser den Profis. Er stieg die Treppe hinauf, als ihm einfiel, dass er überhaupt nicht gesagt hatte, wohin die Rettungskräfte kommen sollten. »Na ja, die haben ja Geräte, mit denen sie den Ort des Notrufes anzeigen können. Die werden den Weg schon finden...« Der Lehrer ging duschen.
Gerade als Herr K. wieder das Bewusstsein erlangte, betrat die Prostituierte das Haus. »O mój wielki Boże«, entfuhr es ihr, »biedactwo!« Sie ließ ihre Handtasche fallen und beugte sich zu ihm hinunter. »Sie sind verletzt. Ich hole Hilfe«, versprach sie. Herr K. war noch zu benommen, um zu antworten. Er hatte Mühe, überhaupt zu begreifen, wo er war und warum.
Die junge Frau nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte Herrn K. über die Stirn. Sie zog ihren Mantel aus und bedeckte damit seinen Körper. Aus ihrer Jeanstasche zog sie ein Mobiltelefon und drückte eine Taste. Sie sprach kurz auf Polnisch mit jemandem, dann steckte sie das Gerät wieder ein. »Können Sie aufstehen? Ich habe ein Auto vor der Türe.« Herr K. rappelte sich mühsam auf. Die Frau wickelte ihm ihren Mantel um die Hüften und geleitete ihn langsam zu einem kleinen Renault.
Am nächsten Vormittag verließ Herr K. die Wohnung des Arztes, zu dem ihn die Prostituierte gebracht hatte. Die Stichwunden waren sofort nach seiner Ankunft gereinigt und verbunden worden, der Mann hatte ihn untersucht und keine Brüche feststellen können, dann fand Herr K. ein Nachtlager im Gästezimmer der Familie. Ein Schlafanzug hatte bereitgelegen. Beim Aufwachen fand Herr K. Wäsche und Kleidung auf dem Stuhl neben dem Bett, ein wenig zu groß alles, aber dankbar zog er sich an.
Der Arzt wies jedes Ansinnen auf eine Rechnung weit von sich. »Die junge Dame hat für die Behandlung bezahlt, auch die Medikamente, die ich Ihnen zur Vermeidung von Entzündungen mitgebe. Hier ist noch Verbandmaterial für die nächsten Tage.«
»Ich würde gerne die Adresse der Frau haben«, sagte Herr K. beim Abschied, »ich möchte ihr die Kosten erstatten, mich bedanken.«
»Sie hat mich ausdrücklich darum gebeten, genau dies nicht zu tun. Sie ist illegal in Deutschland, deshalb hat sie auch nicht den Notarzt angerufen. Mit Behörden kann und will sie nichts zu tun haben. Sie ist Verkäuferin in Świnoujście, arbeitet aber an den Wochenenden hier als Prostituierte, um ihrer krebskranken Mutter in der Heimat die Medikamente zu finanzieren. Ihr reguläres Einkommen reicht nicht dafür. Sie wünscht Ihnen gute Besserung. Hier sind noch hundert Euro, damit Sie irgendwie weiter oder nach Hause kommen.«
Sprachlos, mit Tränen in den Augen, trat Herr K. auf die Straße.
P.S.: Herzlichen Dank an meinen Arbeitskollegen Jakub P., der mir polnische Worte verraten und erklärt hat.
Samstag, 14. Februar 2009
Herr K. besucht einen Gottesdienst

- 09:55 Uhr - Herr K. sitzt auf seinem Platz im Gemeindesaal, da der Gottesdienst um 10:00 Uhr beginnt. Zumindest beginnen sollte, der Einladung nach. Ringsum plaudern Menschen, in den Gängen, im Foyer, durch die Fenster sieht Herr K. Autos in Richtung Parkplatz rollen.
- 10:00 Uhr - Keine Änderung der Situation. Nichts deutet darauf hin, dass irgend etwas in absehbarer Zeit anfangen würde. Herr K. liest zum vierten Mal den Zettel mit den Veranstaltungshinweisen für die nächste Woche.
- 10:10 Uhr - Fünf Menschen betreten die Bühne, nehmen hinter Keyboard und Schlagzeug Platz, greifen zur Gitarre oder zum Mikrophon. Nach einer halben Minute stimmen sie ein Lied an. Die Leute im Saal stört das nicht sonderlich bei ihren Gesprächen, Begrüßungen und Plaudereien. Einige, die schon saßen, stehen allerdings auf, Herr K. weiß nicht recht, warum. Vorsichtshalber bleibt er sitzen.
- 10:15 Uhr - Eine Sängerin auf der Bühne bittet darum, die Plätze einzunehmen, da man nun anfangen wolle. Das Lied wird fortgesetzt. Die Besucher verlassen tatsächlich die Gänge und nun stehen fast alle, den Blick zur Leinwand gerichtet, auf die der Text des Liedes projiziert wird. Herr K. singt leise mit, lässt allerdings einige Zeilen aus. Er versteht nicht, was da steht. Wie kann er etwas singen, was er nicht begreift?
- 10:26 Uhr - Ein Mann löst die Musiker auf der Bühne ab, um die Anwesenden zu begrüßen und dann das vorzutragen, was auf dem Zettel steht, den Herr K. mehrmals gelesen hat. Auf der Leinwand erscheint der Zettel ausschnittweise im Großformat.
- 10:36 Uhr - Inzwischen erklärt der Mann auf der Bühne, dass Gott einen fröhlichen Geber lieb habe. Herr K. fragt sich, ob man die Liebe Gottes wirklich so einfach bekommt. Je größer die Summe in der Kollekte, desto mehr wird man geliebt? Nun gut, der Ansager hat das nicht behauptet, es wäre lediglich die logische Schlussfolgerung aus der Ankündigung. Sei's drum, vielleicht soll man jetzt nicht denken, sondern spenden. Der Mann auf der Bühne zitiert nun aus seiner Bibel, dass jeder geben solle, was er sich im Herzen vorgenommen hat. Herr K. hat sich eigentlich gar nichts vorgenommen.
- 10:40 Uhr - Die Musiker kommen wieder auf die Bühne. Es sei Zeit für die Anbetung, erfährt Herr K., und dass jeder eingeladen sei, auch nach vorne vor die Bühne zu kommen, um dort zu singen. Näher an den Musikern. Oder näher an Gott? Die Sängerin erklärt, dass vorne die Salbung stärker sei. Herr K. bleibt in seiner Reihe, an seinem Platz. Er weiß nicht, was Salbung ist und will auch eigentlich nicht mit Salbe behandelt werden. Einige stellen sich vor die Bühne und bewegen sich im Rhythmus. Heben die Arme hoch. Vielleicht wird die Salbe, die wohl unsichtbar sein muss, so ergriffen? Herr K. ist ratlos.
- 10:45 Uhr - Es werden Eimer durch die Reihen gereicht, in die der fröhliche Geber nun seine fröhliche Gabe legen darf. Herr K. reicht den Eimer an den Nachbarn weiter, ohne etwas zur Sammlung beizutragen. Er hat ein wenig ein schlechtes Gewissen. Im Kino oder Theater muss man ja auch bezahlen...
- 11:00 Uhr - Die Musik, die bisher eher poppig-beschwingt war, wird besinnlicher. Es ändert sich allerdings nichts an der Herrn K. außerordentlich verblüffenden Tatsache, dass ein Lied mit dürftigen acht oder zehn Textzeilen durch Wiederholungen und Wiederholungen der Wiederholungen leicht sechs bis sieben Minuten dauern kann. Ob vielleicht nur wenige Lieder zur Verfügung stehen? Aber dann könnte man doch die Zeit des Musizierens auch kürzer gestalten? Oder eine klassische Melodie zu Gehör bringen?
- 11:10 Uhr - Während die letzten Klänge verklingen, hat der Pastor den Weg zum Rednerpult gefunden. Alle, die immer noch stehen, setzen sich wieder. Herr K. sitzt schon eine Weile. Bevor der Pastor predigt, dürfen einige Menschen über das Mikrophon sprechen. Sie sagen merkwürdige Sätze. Einer erzählt, dass er während des Gesanges eine Blumenwiese gesehen habe, und dass das bedeuten würde, dass Gott die Menschen liebt. Herr K. wundert sich. Womöglich hätte er doch die Salbe abholen sollen, um das nun zu begreifen?
- 11:20 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. hört zu. Es scheint um Erfolg zu gehen.
- 11:30 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. beobachtet, wie ein junges Paar ein paar Reihen weiter vorne tuschelt. Der Mann streicht der Frau sanft über die Wange. Muss wohl eine liebevolle Tuschelei gewesen sein.
- 11:40 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. fragt sich, warum er dabei quer durch die Bibel von einem halben Vers hier über zwei Verse dort zu einem Viertelvers irgendwo anders springt. Vermutlich will er seine Gedankengänge mit einem biblischen Fundament versehen. Herr K. hat Mühe, den Gedankengängen zu folgen.
- 11:50 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. überlegt, wen er zur Geburtstagsfeier in vier Wochen einladen möchte.
- 12:00 Uhr - Der Pastor predigt. Herr K. versucht, wieder den Anschluss an die Predigt zu finden. Ihm ist allerdings nicht so ganz klar, was die vom Pastor beschriebene paradiesische Situation mit seinem Leben zu tun haben könnte. Es ist viel von Sieg und Überwindung die Rede, von Kraft aus der Höhe, die dabei hilft.
- 12:10 Uhr - Der Pastor sagt Amen. Die Musiker kommen wieder auf die Bühne. Menschen, die Gebet oder Segen wünschen, dürfen während der nun folgenden Musik nach vorne kommen. Die Gemeinde steht wieder. Mancher dürfte froh darüber sein, nach so langem Sitzen. Herr K. fragt sich, ob es im Foyer Kaffee geben wird.
- 12:15 Uhr - Es wird immer noch gesungen. Einzelne, die wohl mit außerordentlichem Mut versehen sind, entfernen sich aus dem Saal. Herr K. zögert. Er will ja nicht unangenehm auffallen.
- 12:20 Uhr - Die letzten Töne sind verklungen, die Menschen strömen aus dem Saal.
- 12:30 Uhr - Herr K. hat einen Kaffee ergattert, für 70 Cent. Der Preis ist in Ordnung, findet er. Eine ältere Dame spricht Herrn K. an, ob er zum ersten Mal hier sei. Herr K. nickt. Ob er denn Lust habe, am Mittwoch zum Hauskreis zu kommen, fragt die Dame. Herr K. weiß nicht, was ein Hauskreis ist, aber er schreibt sich Adresse und Uhrzeit auf.
- 13:00 Uhr - Frau K. fragt ihren Mann, ob ihm der Besuch in der Gemeinde gefallen und was denn der Pastor gepredigt habe. Herr K. runzelt die Stirn. »Nun ja«, murmelt er, »vielleicht war das eine Veranstaltung für Eingeweihte...«
Zum thematischen Weiterlesen und -denken:
- Kerstin Hack: Ich bin nicht gottesdiensttauglich
- Johannes Kleske: Wir ticken anders!
- Peregrinatio: Das ist doch kein Gottesdienst!
Dienstag, 10. Februar 2009
Herr K. und der Großauftrag

Im Wartesaal befanden sich um 9 Uhr bereits etwa 50 Personen, die meisten männlichen Geschlechts. Herr K. stellte sich mitten in den Raum und unterbreitete sein Angebot: »Ich brauche sofort Hilfskräfte, die aus zugeschnittenen Holzlatten und Klötzen Paletten herstellen. Ich zahle Ihnen 85 Euro für den Tag.«
»Bar auf die Kralle?«, fragte ein bärtiger Muskelprotz.
»Jawohl, zum Feierabend bekommen Sie das Geld ausgezahlt.«
Ein Jugendlicher mit rot-gelb-grün gefärbtem Haarschopf wollte wissen: »Bin ick denn ooch vasichert?«
»Wenn etwas passiert, wovon ich nicht ausgehe, sorge ich dafür, dass Sie bestmöglich behandelt werden. Ich stelle natürlich Werkzeuge und Schutzhandschuhe. Sie müssten nur den Nagel statt die Finger treffen, wenn Sie einen Hammer in die Hand nehmen.«
Einige der Arbeitssuchenden waren bereit, den Job zu übernehmen. Herr K. gab jedem die Anschrift der Firma, sagte ihnen, bei wem sich sich melden sollten und die Männer gingen zur nahen U-Bahn-Station, um sich auf den Weg zur unverhofften Arbeit zu machen.
Um 11 Uhr machte Daniel K. einen Rundgang durch die Produktionshalle. Die vormittags angeworbenen Aushilfen waren fleißig bei der Arbeit, allerdings waren es bei weitem nicht genug Männer, um den gewaltigen Auftrag zu schaffen. So kehrte Herr K. zum Jobcenter zurück. Es gelang ihm erneut, einige der dort wartenden Arbeitssuchenden anzuweben. Er versprach ihnen eine gerechte Entlohnung und sie machten sich sofort auf den Weg zur Firma.
Dort ging die Arbeit nun zügiger voran, doch als Herr K. um 12:30 Uhr die fertigen Paletten zählte, wurde ihm klar, dass er noch mehr Hilfskräfte brauchen würde. Um 13 Uhr und um 15 Uhr gelang es ihm wiederum, die Mannschaft aufzustocken.
Auf dem Rückweg nach dem letzten Besuch im Jobcenter kam er am Herrmannplatz vorbei, wo etliche Männer vor einem Imbiss standen, Bierflaschen in der Hand und Trübsinn im Gesicht.
»Haben Sie keine Arbeit?«, fragte Herr K.
»Nö. Uns will ja keener haben.«
»Würden Sie denn bereit sein, mir zu helfen, einen großen Auftrag heute noch fertig zu stellen? Es geht um das Zusammennageln von Paletten.«
»Kommt uff die Knete an.«
»Sie werden es nicht bereuen!«
Tatsächlich kamen vier der Müßigen mit zur Firma, nahmen Hämmer in die Hand und nagelten munter drauf los.
Um 19 Uhr war es geschafft. 750 Holzpaletten standen zum Versand bereit.
Herr K. fing an, den Hilfskräften ihren Lohn auszuhändigen. Jeder bekam 100 Euro in bar.
Nun entstand erhebliche Unruhe. Diejenigen, die morgens die Arbeit begonnen hatten, wurden sauer. Der bärtige Muskelprotz maulte: »Ich schufte hier den ganzen Tag, bekomme 100 Euro, und der Heini, der gerade mal drei Stunden den Hammer geschwungen hat, bekommt genauso viel? So eine Schweinerei!«
Ein schmächtiger Türke stimmte zu: »Ist nischt gerecht! Isch habe ganzen Tag Staub geatmet, bin nicht Pause gegangen, und nun nicht mehr als Faulpelz da drüben?«
Herr K. schüttelte den Kopf. Er meinte: »Waren wir uns nicht einig, dass Sie 85 Euro für den Tag bekommen? Und nun sind es sogar 100, weil die ganze Lieferung pünktlich geschafft ist. Wo hätte ich Sie denn bitteschön übervorteilt? Es ist doch wohl meine Sache, wie ich mein Geld verteile, oder?«
»Trotzdem, das ist fies«, schimpfte der Punk mit dem Jamaika-Schopf.
»Weil ich großzügig bin, bin ich fies?«, fragte Herr K. »Manchmal verstehe ich die Welt nicht mehr...«
Abonnieren
Posts (Atom)