Es wird viel mit Wellness, wie man Wohlbefinden heute zu buchstabieren sich angewöhnt hat, geworben. Wir sollen uns wohlfühlen, es soll uns gut gehen, unsere Befindlichkeit soll eine rundum zufriedene sein. Dass wir dafür ein paar Euro ausgeben müssen ist nicht schlimm angesichts der seelischen und körperlichen Behaglichkeit, die uns die Werbestrategen versprechen, wenn wir ihre Produkte kaufen.
Vom Wellness-Brotaufstrich angefangen über das Wellness-Wohnumfeld bis zur Wellness-Unterwäsche oder der Wellness-Oase, die man dann ohne Bekleidung aufsucht ... überall und rundum soll Kuschelatmosphäre einziehen.
Auch auf den Kanzeln wird »zunehmend ein Kuschelgott verkündet, an dem wir uns fröhlich erwärmen können. Wurde in den Predigten einst ein männlich imaginierter guter Vatergott verkündet, so wird nun ein irgendwie androgyner, jedenfalls nicht mehr nur männlicher Gott in monotoner Einseitigkeit aufs Liebsein festgelegt. Der zeitgeistaffine Gegenwartsgott ist immer nur reine Liebe, Güte, Gnade und Herzenswärme, ein trostreicher Heizkissengott für jede kalte Lebenslage.« Dies schrieb im Dezember 2010 Friedrich Wilhelm Graf, ein führender deutscher Theologe, im Fokus. (Link zum Artikel)
Wenn ich mir die Einträge in einem sozialen Netzwerk aus dem frommen Lager anschaue, verfestigt sich das Bild. »Jedes Gramm an meinem Körper preist den Herrn!« »... deiner Seele täglich etwas Gutes tun.« »... yay GOD...MORE!!!« »Gott kann aus jeder Situation etwas Gutes machen!« »If your faith isn't working you don't understand Gods love for you.« »~Durch JESUS ist der Himmel IN DIR~« »During prayer the Lord was so wonderful.« »Wow, kommt alle zum Godi, die Salbung ist voll geil!«
Nun möge niemand diese Zeilen so verstehen, dass ich ihm oder ihr eine rundum zufriedene Befindlichkeit missgönnen würde. Es gibt mit guten Grund Gemeinden und Veranstaltungen, in denen die seelische Erhebung im Mittelpunkt steht: Weil es genug Menschen gibt, die das genießen und brauchen. Die einen gehen zum frommen »Soaking«, die anderen suchen einen buddhistischen Tempel auf, wieder anderen gelingt das Wohlbefinden durch ein klassisches Konzert oder eben - wie von der Werbung so gerne versprochen - durch den Erwerb entsprechender Produkte.
Aber darf man den christlichen Glauben derart verbiegen und auf einen Aspekt reduzieren, der zwar angenehm und vielversprechend scheint, jedoch mit der Realität dessen, was die Bibel berichtet, nichts zu tun hat? Soll man wirklich öffentlich einen Gott propagieren, der dauernd lieb ist? Wo ist der große Gott, der erhabene, der ehrfurchteinflößende geblieben?
»Gott entbehrt des Stachels der Negativität, kann also keine Irritationskraft mehr entfalten. Überkommene religiöse Haltungen wie Gottesfurcht oder scheue Ehrfurcht vor dem Heiligen werden zwar noch von einzelnen christlichen Frommen und vor allem den muslimischen Minderheiten gelebt«, schrieb Graf in seinem Artikel. Und: »Die zeitgenössische Kanzelrede lebt weithin von einem wild wabernden Psycho-Jargon. Emotionen, subjektive Befindlichkeiten, das Sichwohlfühlen rücken in ihr Zentrum. Das erste Gebot des neuen Kults von Einfühlsamkeit und Herzenswärme lautet: Fühle dich endlich wohl! Gott will das so. So wird das Christentum zu einer Wellness-Religion gemacht. Selbst in den Kirchen feiern manche Gläubige nur noch sich selbst.«
Wie gesagt: Das sich selbst Feiern, das Seelenstreicheln, das Kuscheln in behaglicher Atmosphäre ist für die Gesundheit des Menschen zuträglich und bestimmt nicht zu rügen. Wir sollten es jedoch nicht mit Christsein verwechseln und vor allem nicht unseren Mitmenschen anderer Religion oder ohne Glaubensüberzeugung erzählen, dass unser Gott ein Kuschelgott zum Wohlfühlen ist, der immer alle Probleme von uns fernhält, uns ein angenehmes Leben verspricht und für dauerhafte Wellness im Leben seiner Nachfolger sorgen möchte.
Jesus hat seinen Jüngern etwas ganz anderes versprochen: »Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie euch verfolgen. ... Ihr werdet weinen und heulen, aber die Welt wird sich freuen.« Seinem Freund Petrus erklärte er: »Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest. Wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst« - um damit anzukündigen, dass Petrus wegen seines Glaubens einen gewaltsamen Tod sterben würde. Wellness? Wohlstand, Überfluss und Sieg auf der ganzen geistlichen Linie? Kuscheliges Leben mit dem Kuschelgott?
Sollten wir also den lieben Gott, den seelestreichelnden Jesus, den sieggarantierenden Geist verwerfen und statt dessen dem rächenden, zornigen, parteiischen Gott des Mittelalters unsere Aufmerksamkeit widmen?
Das sei ferne. Ich meine, dass es genügt, anzuerkennen, dass Gott immer anders ist, als wir ihn uns vorstellen. Er passt nicht in unseren Verstand: Wir verstehen ihn nicht. Er handelt nicht nach unseren Vorstellungen und Wünschen, obwohl er sich auch umstimmen und erbitten lässt. Er kommt uns entgegen und ist uns fern. Dem einen schenkt er Wohlstand wie Abraham, der andere leidet Hunger und Durst wie Paulus. Jakobus, der Bruder des Herrn, wurde auf Befehl von Herodes hingerichtet. Petrus, dem das gleiche Schicksal vom gleichen Herrscher zugedacht war, wurde von einem Engel aus dem Gefängnis befreit.
Der Gott der Bibel ist nicht berechenbar. Er ist nicht bestechlich und er funktioniert nicht nach unseren geistlichen Rezepten.