Mittwoch, 29. April 2009

Moin!

»Moin!« rief Peter fröhlich, als er herein kam.
»Es ist 17:00 Uhr«, erklärte Simon entrüstet, »der Morgen ist lange vorbei!«
Ich war womöglich leicht angeschickert, jedenfalls fühlte sich mein Kopf etwas bräsig an. Dennoch, oder gerade deshalb, fand ich, dass dieser Dösbaddel dringend Aufklärung benötigte. Ich belehrte Simon: »Sei nicht so gnaddelig. So luschig, wie du mit der Sprache umgehst, solltest du nicht so ein Gedöns machen, wenn jemand was sagt, was du nicht verstehst. Moin heißt ja nicht Morgen, sondern gut.«
»O jemine, unser Klabäuser packt wieder seine Döntjes aus«, stöhnte Simon.
Peter grinste breit: »Den Simon brauchst du nicht begöschern. So ein Töffel, noch dazu angetütert wie er ist, kann keinem gepflegten Klönschnack folgen.«
Simon war sofort mucksch. »Töffel?«, schimpfte er, »du kriegst gleich einen Feudel um die Ohren geklatscht!«
Der Wirt runzelte die Stirn und meinte: »Soll ich gleich den Peterwagen holen oder kriegt ihr euch wieder ein?«
Ich beruhigte ihn: »Nee nee, komm lieber in die Puschen und bring uns drei Pötte.«
»Wenn du pieschern willst, musst du auf Tö. Dafür gibt's hier keinen Pott«, antwortete unser Wirt, der olle Drönbüdel.
»Och Murkel, nun sei nicht so muffelig« munterte Peter ihn auf. »Tö ist piefig. Pisspott wäre mal was anderes...«
Simon schaute die ganze Zeit ziemlich kodderig aus. Er rührte mit der Gabel seine Wördeln auf dem Teller um, die Frikadelle hatte er schon vorhin verdrückt. Was Gemüse betraf, war er immer etwas krüsch.
Der Wirt stellte drei Bier hin und erklärte: »Ich fahr euch aber nicht mit dem Trecker nach Hause. Wenn ihr nachher duun seid, schaut selbst, wie ihr wegkommt.«
Ich trank einen Schluck. »Ach ist das heute wieder kommodig hier«, sagte ich, während ich nach Simons Teller luscherte. Ich hatte nämlich bannig Hunger. Und bei dem Schietwetter keine Lust, noch einkaufen zu gehen.
Simon kramte in seinem Büdel und murmelte: »Was ein Tüdelkram, man macht sich ja keinen Begriff.«
Misstrauisch wollte der Wirt wissen: »Hast wieder dein Geld verbaselt?«
»Mach kein Gedöns, das ist hier irgendwo mittenmang.« Aber es klang ziemlich versuust.
Er packte nach und nach seine Habseligkeiten auf den Tresen, darunter ein reizendes Bild von einem lütten Schietbüdel. »Das ist Erwin«, sagte er. Vielleicht sah ich büschen ramdösig drein, jedenfalls erklärte er mir: »Mein Enkel. Sechs Monate alt.«
»Ach so. Enkel.« Mir schien das etwas figgeliensch zu begreifen, da meines Erachtens Simon eingefleischter Junggeselle war, der keine Kinder hatte. »Wie kommst du zu einem Enkel?«
Seine Stimme wurde drömelig. »Mir war damals ziemlich klöterig zumute, bei einem Schulausflug. Zu viel intus. Da war dann Karin. Die hat mich nach Hause gebracht, in der Schiebkarre. Am nächsten Morgen war sie noch da, in meinem Bett. Die Karin. Nicht die Schiebkarre«
»Dumm Tüch«, schaltete sich Peter ein, »wenn du so duun warst, dann ist auch nichts passiert. Schniedels vertragen so was nicht. Nur sehr gekrümmt.«
»Mit dir schnack ich doch gar nicht! Du bist mir viel zu vertüdelt.«
Ich fragte: »Die Karin von der Weststraße? Die mit dem Dutt?«
»Damals hatte sie keinen Dutt«, gab er gnadderig zurück. »Sie konnte endlos klönen, so plietsch, dass man gar nicht merkte, wie sie das Plätteisen auf deine schwächsten Stellen drückte. Und dann, wenn es wehtat, hat sie eben getröstet. Ach, Karin...«
Peter klaute ihm unterdessen die Wördeln vom Teller, weil Simon viel zu sehr in unserem Klönschnack gefangen und nebenbei mit der Geldsuche beschäftigt war, um das zu merken. Bevor ich zugreifen konnte, war alles weg.
»Und das ist dann dein Enkel?« Ich zeigte auf das Foto.
»Muss wohl, es lag in der Schieblade von der Karin. Hinten drauf steht Erwin.«
»Dir sollte man mal mit einem Pömpel das Hirn saubermachen«, schimpfte der Wirt. »Du hast nichts außer einer schietigen Phantasie. Die Karin, die hat gar keine Kinder. Wo soll dann ein Enkel herkommen?«
Ganz sutsche bemächtigte sich Peter nun des Glases, das vor Simon stand und tauschte es gegen sein leeres aus. Der Wirt schaute und weg und fing an, mit seinen Zapfhähnen zu pütschern. Ich blickte auf die Uhr an der Wand. Wenn ich noch was Essbares kaufen wollte, war es an der Zeit, mich auf den Weg zu machen.
»Ich glaube, du hast da was vertüddelt mit dir und der Karin«, meinte ich und legte einen Heiermann auf den Tresen. »Atschüs, ihr lieben Leute.«
»Jau, kann auch sein«, sagte Simon und betrachtete misstrauisch sein leeres Glas. »Ach so«, fiel ihm ein, »ich wollte ja nach meinem Geld suchen...«
Ich ging zum Ausgang.
»Moin!«, rief mir Peter hinterher.
»Es ist 18:00 Uhr...«, hörte ich noch, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel.


P.S.: Wer sich nun verwundert oder verwirrt fragt, was dieses oder jenes Wort bedeuten mag, und was mich eigentlich bewogen haben könnte, solch einen Unfug zu verzapfen, dem sei verraten: Dies ist das Ergebnis einer selbstauferlegten Fleißübung. Als ich neulich Bastian Sicks Kolumne über norddeutsche Eigentümlichkeiten in der an und für sich doch gemeinsamen Sprache las, der eine Liste von Wörtern und Bedeutungen angefügt ist, reizte mich die Aufgabe, unter Verwendung möglichst aller Begriffe auf der Liste diese Kneipenszene zu schreiben. Mehr nicht.
Wer überprüfen will, was ich ausgelassen und was ich aus eigener Erinnerung an Zeiten in Hamburg und Kiel hinzugefügt habe, darf hier abhaken: Nördlicher Zwiebelfisch

P.P.S.: Nur zur Erinnerung: Der Zwiebelfisch ist regelmäßige Pflichtlektüre für alle, die schreiben oder schreiben wollen.

P.P.P.S.: Ich bin mir recht sicher, dass ich einige Begriffe nicht so verwendet habe, wie sie aus einem norddeutschen Mund kämen. Aber immerhin ist das ja - ich bin und bleibe Berliner - eine Fremdsprache für mich...