Es kommt mir vor, als sei so viel Zeit noch gar nicht vergangen, aber ich kann ja schwarz auf weiß nachlesen, was ich notiert habe:
… Am 15. März wurde ich mit dem Notarztwagen in das Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Berlin Steglitz eingeliefert. In den ersten Tagen habe ich keine Aufzeichnungen gemacht, da ging es nur darum, zu überleben. …
Sieben Monate – voller Ereignisse mit unterschiedlichen Empfindungen: Höhen, Tiefen, Schrecken, Freude, Hoffnung, Bangen, Aufrappeln, Durchhalten, Angst, Erleichterung … eine ziemliche, nie so recht vorhersehbare Bandbreite. Und alles in allem gesehen kann und darf und muss ich sagen: Es geht mir verhältnismäßig gut.
Warum?
Zum einen ganz sicher deshalb: Eva, die beste aller Ehefrauen, hat treu an meiner Seite gekämpft, durchgehalten, Mut gemacht, Hoffnung geweckt, Freude geschenkt. Sie war und ist da, bei mir, in der Nähe, und schon das gibt mir viel Kraft, selbst wenn sich im Alltag nichts »Besonderes« ereignet. Allerdings hat sie auch so manches Besondere in die Wege geleitet.
Zum anderen sicher auch deshalb: Sehr viele Verwandte und treue Freunde haben uns durch diese sieben Monate begleitet mit ihren lieben und guten Wünschen, Trost- und Hoffnungsworten, Gebeten, Geschenken, Nachfragen, Mitempfinden … manche haben wir erst durch die Krebserkrankung so richtig oder noch besser kennen gelernt.
Morgen wird – falls die Blutwerte dies zulassen – der achte und letzte Zyklus der Chemotherapie beginnen. In drei Wochen dann, am 6. November, ist die Behandlung beendet, falls morgen wie vorgesehen die Infusion stattfinden kann. Dann heißt es viereinhalb Jahre abwarten, von Untersuchung zu Untersuchung. Fünf Jahre nach der Operation würde ich dann, sofern kein Krebs auftaucht, aus medizinischer Sicht als geheilt gelten.
Geheilt – das ist etwas, was ich aber jetzt schon hoffen und glauben möchte, nicht erst im März 2017. Mein Glaube ist ein zurückhaltender, zögerlicher, in gewisser Weise sehr unsicherer Glaube. Der stürmische, feste, unbelehrbar siegreiche Glaube ist mir abhanden gekommen, als beide Schwiegereltern trotz solchen Glaubens (in sich selbst und ringsumher) am Krebs gestorben sind. Dass Gott, wie immer wir ihn auch erkennen und benennen mögen, zu heilen vermag, daran zweifle ich keineswegs, denn das habe ich selbst schon erlebt. Dass wir ihm ein solches Eingreifen nicht abverlangen können, zeigt die traurige Realität nicht nur in der eigenen Familie.
Nichtsdestotrotz: Der vielfältige Beistand, den Eva und ich erleben durften und hoffentlich auch weiter erleben werden, durch so viele mitempfindende Menschen, die Gebete, ob nun »zum Universum« oder zu einem namentlich benannten Gott, von für mich angezündeten Kerzen in katholischen Kirchen bis zu ganz und gar weltlich-irdischen Genesungswünschen … für all das sage ich heute ein herzliches und tief empfundenes Dankeschön!
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