Feinde … Todfeinde dürften die wenigsten meiner geschätzten Blogbesucher haben. Ich muss mich jedenfalls nicht verstecken, um am Leben zu bleiben. Wenn hier heute von Feinden die Rede ist, dann sind auch nicht Terroristen und Islamisten oder sonstige –isten gemeint. Sondern eher der tückische Nachbar, der missgünstige Kollege, der hinterlistige Chef und ähnliche Zeitgenossen.
Warum sollte nun jemand eigentlich auf die abwegige Idee kommen, seine Feinde zu lieben, ihnen Gutes zu wünschen und ihnen sogar womöglich auch noch wohlzutun? Der Gedanke liegt wohl den meisten Menschen zunächst fern. Dennoch taucht er in verschiedenen Kulturkreisen auf. Zum Beispiel bei Buddha und bei Jesus.
Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.*
Das soll Jesus, dem Evangelisten Matthäus zufolge, gelehrt haben. Im Buddhismus wird das etwas greifbarer und praktischer. So wird nachdrücklich empfohlen, sich auf eine Meditation unter anderem mit diesen Worten einzustimmen und vorzubereiten:
Mögen meine Feinde gesund, froh und friedevoll sein. Möge ihnen kein Unheil zustoßen, mögen ihnen keine Schwierigkeiten begegnen. Mögen ihnen keine Probleme erwachsen. Möge ihr Tun immer erfolgreich sein.
Mögen sie auch Geduld haben, Mut, Verständnis und den festen Willen, unvermeidliche Schwierigkeiten, Probleme und Rückschläge zu überwinden.**
Da kann man schon mit Fug und Recht rufen: Ach du kriegst die Tür nicht zu! Wozu soll das denn gut sein?
Es gibt mehrere ganz handfeste Gründe:
Zunächst, ohne überhaupt an die Feinde zu denken, ist es so, dass derjenige, der ganz bewusst Liebenswürdigkeit und Güte praktiziert, unweigerlich sich selbst beschenkt: Geist und Seele entspannen sich, es kehrt Friede ein. Dadurch werden körperliche Spannungen abgebaut, Schmerzen gemindert und allgemein die Gesundheit gestärkt. Das ist ein alter Hut, den auch die Schulmedizin längst begriffen hat. Was wir denken, wie wir handeln und was wir aussprechen hat Einfluss auf unser Befinden, ob wir es wissen und wollen oder nicht. Mit negativen Gedanken - auch anderen gegenüber - schaden wir uns letztendlich selbst.
Ganz praktisch betrachtet erschließt sich außerdem folgende Logik: Wenn unsere Feinde gesund, froh und friedevoll sind, dann werden sie meist kaum noch unsere Feinde bleiben. Wenn sie keine Probleme haben, keine Schmerzen leiden, keine Neurosen oder Psychosen haben, wenn sie frei von Angstzuständen, Paranoia und Anspannungen sind ... wären sie uns dann immer noch feindlich gesinnt? Es ist also eine ganz praktische Lösung für uns selbst, unseren Feinden dabei zu helfen, ihre Probleme zu lösen, denn dann können wir endlich in Frieden und Ruhe leben. Wer den Geist seines Feindes mit Liebenswürdigkeit, Freundlichkeit und Friedfertigkeit füllen könnte, wäre doch selbst am besten dran.
Auch das ist übrigens keine moderne Erkenntnis. Dieses Prinzip hat Karl May, man mag von ihm halten was man will, am Beispiel von Old Shatterhand und Winnetou sehr eindrücklich dargestellt.
Wenn du jemanden hasst, dann denkst du doch ungefähr so: Der soll hässlich sein! Es soll ihm schlecht gehen! Schmerzen soll er haben! Ihm soll alles misslingen! Die Menschen sollen ihn ablehnen und hassen!
Was durch solche Gedanken tatsächlich geschieht, ist folgendes: Unser eigener Körper produziert eine so schädliche Chemie, dass wir selbst Schmerzen bekommen, unser Herzschlag beschleunigt sich, Muskelverspannungen treten auf, unsere Gesichtszüge ändern sich, es kommt zu Appetitlosigkeit oder regelrechten Fressanfällen, zu Schlaflosigkeit und infolge all dieser (nicht eingebildeten, sondern echten) Phänomene werden wir mehr und mehr unleidlich, zänkisch und verlieren nach und nach jeglichen inneren Frieden. Uns geschieht letztendlich genau das, was wir unserem Feind wünschen. Dadurch werden wir noch missmutiger, ärgerlicher, unversöhnlicher ... was zur weiteren Verschlechterung des eigenen Zustandes führt. Unserem Feind geht es womöglich deutlich besser als uns. Die Folge: Neid und noch mehr Hass stauen sich auf.
Um einer solchen Spirale zu entkommen (oder gar nicht erst hineinzugeraten), kann man eins tun, nämlich das was Jesus gelehrt, was Buddha empfohlen hat: Die Feinde lieben, indem man ihnen ganz bewusst und aufmerksam Gutes wünscht und zuspricht und - soweit das möglich ist - sogar auch praktische Probleme aus dem Weg räumen hilft. Dazu muss man übrigens weder Christ noch Buddhist sein. Oder sonst was. Es reicht völlig, ein Mensch zu sein.
Wenn du nicht weißt, wie du damit anfangen sollst - wie wäre es, ob du nun meditierst oder nicht, bewusst und aufmerksam jeden Tag so an deine Feinde zu denken:
Mögen meine Feinde gesund, froh und friedevoll sein. Möge ihnen kein Unheil zustoßen, mögen ihnen keine Schwierigkeiten begegnen. Mögen ihnen keine Probleme erwachsen. Möge ihr Tun immer erfolgreich sein.
Mögen sie auch Geduld haben, Mut, Verständnis und den festen Willen, unvermeidliche Schwierigkeiten, Probleme und Rückschläge zu überwinden.
Das sind natürlich keine magischen Formeln. Da gibt es keinerlei mystische Wirkung, nur weil du das aufsagst. Wenn du aber mit deinen Gedanken, mit Geist und Seele dabei bist, wenn du dich zumindest darum bemühst, das auch so zu meinen, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass du mit der Zeit beobachten wirst, wie es dir selbst besser und besser geht.
Ob mir selbst das denn gelingt, fragt sich bestimmt der eine oder andere Leser. Oder manche Leserin. Das verdient eine ehrliche und klare Antwort: Nicht immer, schon gar nicht sofort, wenn mir Feindseligkeit entgegenschlägt. Aber immer öfter und immer zügiger. Und ich bin fest entschlossen, in meinem Bemühen nicht müde zu werden, die Worte des Mannes aus Nazareth mit dem Herzen zu beherzigen:
Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder seid eures Vater im Himmel; denn er lässt seine Sonne aufgehen über die Bösen und über die Guten und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
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Quellen: *Bibelzitat aus Matthäus 5, 43-45, Luther-Übersetzung /// **Vorbereitung zur Meditation aus dem Buch »Mindfulness« von Venerable Henepola Gunaratana (eigene Übersetzung) /// Foto: [RGB-Stock]
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